OGH Ds1/10

OGHDs1/105.5.2010

Der Oberste Gerichtshof als Disziplinargericht für Richter und Staatsanwälte hat am 5. Mai 2010 durch die Präsidentin des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Griss als Vorsitzende sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Danek, Univ.-Prof. Dr. Bydlinski, Hon.-Prof. Dr. Schroll und Dr. Jensik als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Stuhl als Schriftführerin in der Disziplinarsache gegen den ehemaligen Richter des Bezirksgerichts ***** Dr. P***** über dessen Beschwerde gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Disziplinargericht für Richter und Staatsanwälte vom 16. November 2009, GZ Ds 9/08-10, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Beschwerde wird Folge gegeben und der angefochtene Beschluss ersatzlos aufgehoben.

Text

Gründe:

Mit Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Disziplinargericht für Richter und Staatsanwälte vom 21. September 2009 wurde von der Fortsetzung des mit Beschluss des Disziplinargerichts vom 4. Mai 2009 eingeleiteten Disziplinarverfahren gegen den (damaligen) Richter des Bezirksgerichts ***** Dr. P***** gemäß § 130 Abs 1 RStDG abgesehen und das Disziplinarverfahren eingestellt (ON 9). Nach Rechtskraft dieses Beschlusses wurde Dr. P***** mit dem angefochtenen Beschluss - wegen zweier in der Tagsatzung vom 23. April 2008 im Verfahren 249 C 18/08x des Bezirksgerichts ***** getätigter Äußerungen - einer Ordnungswidrigkeit gemäß § 101 Abs 1 zweiter Satz RStDG schuldig erkannt und es wurde über ihn die Ordnungsstrafe der Ermahnung verhängt.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die Beschwerde des Disziplinarbeschuldigten; sie ist im Recht.

Dr. P***** wurde mit Ablauf des 30. November 2009 - somit erst nach dem Zeitpunkt des angefochtenen Beschlusses - in den Ruhestand versetzt (ON 11, vgl auch ON 66 und 69 im Personalakt Pers 1-J-9 des Oberlandesgerichtspräsidiums Graz).

Gemäß § 158 RStDG unterliegt der im Ruhestand befindliche Richter der disziplinären Verantwortlichkeit nur

1./ wegen eines im aktiven Dienstverhältnis begangenen Dienstvergehens; und

2./ wegen grober Verletzung der ihn nach diesem Bundesgesetz im Ruhestand obliegenden Verpflichtungen.

Eine - wie hier - während seines Aktivstands begangene, nur als Ordnungwidrigkeit zu beurteilende Pflichtverletzung im Sinn des § 101 RDG (nunmehr RStDG) hat ein mittlerweile im Ruhestand befindlicher Richter somit disziplinär nicht mehr zu verantworten (SSt 52/63).

Gegen einen Beschluss, mit dem der Disziplinarsenat eine Ordnungsstrafe verhängt hat, ist gemäß § 121 Abs 2 RStDG das Rechtsmittel der Beschwerde zulässig, dessen Form und Inhalt im RStDG ebenso wenig geregelt ist wie der Prüfungsmaßstab des Beschwerdegerichts. Zur Auslegung sind daher die Bestimmungen der StPO heranzuziehen. Gemäß § 89 Abs 2 StPO hat das Beschwerdegericht, sofern die Beschwerde nicht verspätet oder von einer nicht legitimierten Person eingebracht wurde, in der Sache selbst zu entscheiden und dabei gegebenenfalls auch Umstände zu berücksichtigen, die nach dem bekämpften Beschluss eingetreten oder bekannt geworden sind. An die geltend gemachten Beschwerdepunkte ist es überdies nicht gebunden. Dies bedeutet, dass der Gegenstand, der dem Beschluss zugrunde lag, neu entschieden wird und das Beschwerdeverfahren somit nicht auf die Kontrolle der ersten Instanz beschränkt ist; grundsätzlich besteht auch keine Bindung an die Begründung der Beschwerde. Nicht der angefochtene Beschluss ist Gegenstand des Verfahrens, vielmehr ist es die Sache selbst (Tipold, WK-StPO § 89 Rz 8).

Demnach ist aber der Umstand, dass das - in erster Instanz noch rechtsrichtig als Ordnungswidrigkeit beurteilte (und demnach mit Ordnungsstrafe sanktionierte) - Verhalten des Beschwerdeführers im Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung einer disziplinären Verantwortung nicht mehr untersteht (§ 158 RStDG). Dies ist im Beschwerdeverfahren ungeachtet der Unterlassung der Relevierung dieses Grundes in der Beschwerde zu berücksichtigen, weshalb der angefochtene Beschluss ersatzlos aufzuheben war.

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