OGH 9Os9/80

OGH9Os9/8025.3.1980

Der Oberste Gerichtshof hat am 25. März 1980 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Obauer und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Faseth, Dr. Steininger, Dr. Horak und Dr. Reisenleitner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Boltz als Schriftführerin in der Strafsache gegen Andreas Michael A wegen des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs. 1 StGB. und anderer strafbarer Handlungen über die von der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Kreisgerichtes Krems an der Donau als Jugendschöffengericht vom 6. November 1979, GZ. 8 Vr 426/79-27, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Faseth, der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Tschulik, und der Ausführungen des Verteidigers Dr. Sorschak, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft wird teilweise Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Freispruch des Angeklagten vom Vorwurf des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs. 1 StGB. (Punkt 1 des Urteilsspruches) aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zur nochmaligen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft verworfen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 7. September 1962 geborene Spenglerlehrling Andreas Michael A von der Anklage, er habe in Rodingersdorf (Bezirk Horn) 1.) um die Jahreswende 1978/1979 den Josef B durch Vorzeigen und Ansetzen eines Messers an die Brust gefährlich bedroht, um ihn in Furcht und Unruhe zu versetzen und 2.) am 14. Jänner 1979 dadurch, daß er mit einem Messer oder einem Schraubenzieher dem Josef B Stiche ins rechte Bein und gegen die linke Bauchseite und dem Franz C Stiche in das linke Knie zufügte, sowie dem Josef B mit der Faust gegen die Nase schlug, die beiden Genannten vorsätzlich am Körper verletzt, wobei die Tat (beim Stich gegen den Bauch des Josef B) mit einem solchen Mittel und auf solche Weise begangen worden sei, womit in der Regel Lebensgefahr verbunden ist, und habe hiedurch zu 1.) das Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs. 1 StGB. und zu 2.) das Vergehen der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs. 1, 84 Abs. 2 Z. 1 StGB. begangen, gemäß dem § 259 Z. 3 StPO. freigesprochen.

Diese Freisprüche bekämpft die Staatsanwaltschaft mit einer auf die Nichtigkeitsgründe des § 281 Abs. 1 Z. 5 und 9 lit. a StPO. gestützten Nichtigkeitsbeschwerde. Zum erstbezeichneten Nichtigkeitsgrund macht sie in Ansehung des Freispruchs vom Vorwurf der schweren Körperverletzung zunächst als Aktenwidrigkeit geltend, daß die im Urteil zitierte Äußerung: 'Es ist möglich, daß ich mit D beim Handgemenge zusammengekommen bin, .......' (vgl. S. 154 d.A.) nicht, wie im Urteil angegeben, vom Zeugen Josef B, sondern vom Zeugen Franz C stamme. Der gerügte Widerspruch zwischen dem Akteninhalt und dem Urteil liegt zwar tatsächlich vor, ist jedoch kein erheblicher im Sinne des bezogenen Nichtigkeitsgrundes. Denn es war für die Lösung der Schuldfrage nicht von ausschlaggebender Bedeutung, ob nur der (bei dem Vorfall auf die gleiche Weise verletzte) Franz C oder auch der Zeuge Josef B - der übrigens gleichfalls zugab, auch mit anderen an dem Raufhandel beteiligten Personen 'im Kampf' gewesen zu sein (vgl. S. 118 d.A.) - die Möglichkeit einräumte, außer mit dem Angeklagten mit Franz D in körperlichen Kontakt gekommen zu sein.

Rechtliche Beurteilung

Im übrigen legte das Erstgericht ausführlich dar, warum es - von dieser angeblichen Äußerung abgesehen -

die belastende Aussage des Zeugen Josef B für unglaubwürdig erachtete und nicht ausschloß, daß die (leichten) Verletzungen des Josef B und des Franz C anläßlich des gegenständlichen Raufhandels durch die Nägel des beschädigten Schuhabsatzes des Franz D entstanden sind. Soweit die Staatsanwaltschaft diese mit den Denkgesetzen nicht in Widerspruch stehenden Erwägungen - an sich zutreffend - für nicht sehr überzeugend hält, stellt ihr Beschwerdevorbringen eine im Nichtigkeitsverfahren unzulässige und daher unbeachtliche Bekämpfung der erstrichterlichen Beweiswürdigung dar. Daß hiebei nicht sämtliche Verfahrensergebnisse in den Entscheidungsgründen im Detail wiedergegeben und bei deren Würdigung nicht alle nach Auffassung der Staatsanwaltschaft wesentlichen Gesichtspunkte ausdrücklich erörtert wurden, stellt noch keine Unvollständigkeit der - gemäß dem § 270 Abs. 2 Z. 5 StPO. in gedrängter Darstellung abzufassenden - Urteilsgründe im Sinne der Z. 5 des § 281 Abs. 1 StPO. dar. Ebenso liegt ein Akt der - im Nichtigkeitsverfahren gegen schöffengerichtliche Urteile einer Anfechtung entzogenen -

freien Beweiswürdigung vor, wenn das Erstgericht dem Gutachten des gerichtsmedizinischen Sachverständigen Dr. Georg E dahin folgte, daß die bei Josef B und Franz C objektivierten Verletzungen (einschließlich der Nasenverletzung des Josef B) - wenn auch insbesondere zufolge der Aufeinanderfolge mehrerer derartiger Verletzungen primär Stiche mit einem spitzen Werkzeug in Betracht kommen, möglicherweise doch - durch die Nägel des beschädigten Schuhabsatzes des - sich nach den Urteilsannahmen 'mit Händen und Füßen wehrenden' - Franz D hervorgerufen worden sein können (vgl. S 162 ff d.A.). Diesem - in den Urteilsgründen mit seinen wesentlichen Schlußfolgerungen richtig wiedergegebenen - Gutachten haften Mängel oder Widersprüche im Sinne der §§ 125, 126 StPO. nicht an, zumal darin auch ausdrücklich auf den von der Staatsanwaltschaft ins Treffen geführten Umstand Bedacht genommen wird, daß die Wollsocken und die Stiefletten des Zeugen Josef B stichartige Durchlöcherungen aufweisen (vgl. S. 99, 101 d.A.).

Gleichfalls einen unbeachtlichen Angriff auf die freie Beweiswürdigung (§ 258 Abs. 2 StPO.) des Schöffengerichtes stellt es dar, wenn die Staatsanwaltschaft in Bekämpfung des Freispruchs bezüglich der dem Angeklagten angelasteten gefährlichen Drohung unter Hinweis auf die - ihrer Auffassung nach zu Unrecht - insoweit als unglaubwürdig erachtete Aussage des Zeugen Josef B nachzuweisen sucht, daß der Angeklagte nicht nur, wie das Erstgericht ersichtlich annahm (S. 174 und 182 d.A.), ein Messer in der Hand hielt und 'vorzeigte', sondern auch dieses dem Josef B an die Brust gesetzt habe. Auch in diesem Belange vermag sie einen dem Ausspruch über entscheidende Tatsachen anhaftenden Begründungsmangel im Sinne des § 281 Abs. 1 Z. 5 StPO. nicht aufzuzeigen.

Die Mängelrüge erweist sich sohin zur Gänze als unbegründet. Berechtigung kommt der Beschwerde hingegen insoweit zu, als darin der Freispruch laut dem Punkt 1.) des Urteilssatzes aus dem Grunde der Z. 9 lit. a des § 281 Abs. 1 StPO. bekämpft und ausgeführt wird, daß schon das Vorzeigen eines Messers (objektiv) geeignet sein könne, einen anderen in Furcht und Unruhe zu versetzen, und daß zufolge der gegenteiligen - irrigen - Rechtsauffassung des Erstgerichtes im Urteil keine Feststellungen zur inneren Tatseite getroffen worden seien. Denn da als Drohung jede Kundgebung eines Willensentschlusses zu werten ist, ein Übel, das der Drohende selbst oder durch eine Mittelsperson zu verwirklichen vermag, für einen anderen Menschen herbeizuführen (vgl. Leukauf-Steininger, Kommentar zum StGB.2, 507, 698), und als solche für den Bedrohten erkennbar ist, kann schon das Vorzeigen eines Messers nach der jeweiligen Lage des Einzelfalles als eine dem Tatbestand der gefährlichen Drohung entsprechende Tathandlung in Betracht kommen. Dem stünde grundsätzlich nicht entgegen, daß der Zeuge Josef B erst im Nachhinein feststellte, daß es sich bei dem dem Angeklagten aus der Hand geschlagenen Gegenstand um ein Messer gehandelt hatte. Der Tatbestand der gefährlichen Drohung ist zwar erst vollendet, sobald die Drohung ihr Ziel erreicht, der Bedrohte also die gegen ihn gerichtete Drohung als eine solche erkannt hat (vgl. Leukauf-Steininger, Kommentar zum StGB.2, 711), doch könnte in einem so gelagerten Fall Tatbegehung in der Erscheinungsform des Versuches vorliegen. Im übrigen ist nach der ständigen Rechtsprechung für die gefährliche Drohung einerseits die objektive Eignung der Drohung wesentlich, (dem Bedrohten mit Rücksicht auf die Verhältnisse und seine persönliche Beschaffenheit oder die Wichtigkeit des angedrohten Übels) begründete Besorgnisse einzuflößen; maßgebend ist daher zunächst, ob das als Drohung zu wertende Tatverhalten auf Grund der näheren Begleitumstände - objektiv betrachtet - für den Bedrohten die nachhaltige Befürchtung rechtfertigt, der Täter sei willens und in der Lage, sein mit der Drohung zum Ausdruck gebrachtes Vorhaben wahr zu machen, wobei es - der Auffassung des Erstgerichtes zuwider - unerheblich ist, ob der Bedrohte tatsächlich in Furcht und Unruhe versetzt wurde. Andererseits muß der Täter - subjektiv - in bezug auf die sich als gefährliche Drohung darstellende Tat mit einfachem Vorsatz (§ 5 Abs. 1 StGB.) und in bezug auf den damit verfolgten Zweck absichtlich (§ 5 Abs. 2 StGB.) handeln (vgl. EvBl. 1976/ 120 = LSK. 1975/203 u.a.).

So gesehen wurden vom Erstgericht nicht all jene tatsächlichen Feststellungen zur objektiven und subjektiven Tatseite getroffen, die erforderlich gewesen wären, um verläßlich beurteilen zu können, ob das bezügliche Tatverhalten des Angeklagten dem Tatbestand der - versuchten - gefährlichen Drohung zu unterstellen sei. Zufolge dieser Feststellungsmängel, die den Freispruch des Angeklagten im genannten Umfang gemäß dem § 281 Abs. 1 Z. 9

lit. a StPO. nichtig machen, ist die Anordnung einer neuen Hauptverhandlung unvermeidlich.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

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