Spruch:
Den Nichtigkeitsbeschwerden wird Folge gegeben und das angefochtene Urteil, das in dem auf §§ 1 Abs. 3 PornG., 42 PresseG. gestützten Verfallsausspruch als unangefochten unberührt bleibt, im übrigen aufgehoben und die Sache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Mit ihren Berufungen werden die Angeklagten auf diese Entscheidung verwiesen.
Text
Gründe:
Das Erstgericht erkannte die Angeklagten Gerald A, Helmut B, Willibald C und Thomas D des Vergehens nach § 1 Abs. 1 lit. a und c, Gerald A auch nach § 1 Abs. 1 lit. b PornG. schuldig, weil sie im April 1979, am 20. November 1978, 8. Jänner 1979 und am 23. April 1979 in Graz die im Spruch des Ersturteiles näher bezeichneten Druckwerke und Filme in gewinnsüchtiger Absicht teils eingeführt und teils zum Zweck der Verbreitung vorrätig gehalten und anderen angeboten haben.
Die Schuldsprüche bekämpfen die Angeklagten in ihren auf die Z. 4, 5 und 9 lit. a, teilweise auch 9 lit. b des § 281 Abs. 1 StPO. gestützten Nichtigkeitsbeschwerden, die Strafaussprüche mit Berufung. Das hinsichtlich einzelner Druckwerke im objektiven Verfahren ergangene Verfallserkenntnis blieb hingegen unangefochten. Es wird sohin auch durch diese Entscheidung nicht berührt.
Rechtliche Beurteilung
Den Beschwerden kommt wegen der darin behaupteten Verfahrens-, Begründungs- und Feststellungsmängel Berechtigung zu. Mit Recht erachtet sich der Angeklagte Gerald A zunächst durch die Abweisung seines Antrages auf Anfrage bei der Firma Zeitschriften 'Don Claudio' Ges.m.b.H. in seinen Verteidigungsrechten beeinträchtigt. Diesen Beweisantrag hatte er zum Nachweis dafür gestellt, daß es sich bei den unter Punkt I) A) der Anklageschrift angeführten Drucksachen - deren verbotene Einfuhr ihm von der Anklagebehörde als Vergehen nach § 1 Abs. 1 lit. b PornG. angelastet wurde - um nicht bestellte Mustersendungen, sohin um nicht von ihm eingeführte Waren dieser Firma gehandelt habe. Diesbezüglich kann der Ansicht des Erstgerichtes, das die Durchführung dieses Beweises wegen 'Unerheblichkeit' und mit der weiteren Begründung abgelehnt hatte, daß der Tatbestand der Einfuhr im Sinne des § 1 Abs. 1 lit. b PornG. auch dann hergestellt sei, wenn die übernommenen Gegenstände in der Folge in gewinnsüchtiger Absicht vorrätig gehalten und anderen angeboten werden, keineswegs gefolgt werden. Denn wegen Einfuhr von unzüchtigen Schriften u.dgl. ist nach der erwähnten Gesetzesstelle nur strafbar, wer (selbst) deren Transport über die Staatsgrenze (als Täter oder Beteiligter) bewirkt oder durch andere, seien es auch blinde Werkzeuge, besorgen läßt (vgl. dazu die in Steininger-Leukauf, Strafrechtliche Nebengesetze, 548, zitierte Judikatur).
Berechtigt ist aber auch der von allen Angeklagten (zum Teil auch im Rahmen der Mängel- und Rechtsrüge) erhobene Einwand, das Gericht habe durch die Abweisung ihres Antrages (ihnen) 'den Inhalt der Druckwerke und Filme zur Kenntnis zu bringen, da aus dem (in der Anklageschrift angeführten) Titel nicht festgestellt werden könne, welche Art Pornographie diese Druckwerke und Filme enthalten', Gesetze oder Grundsätze des Verfahrens hintangesetzt, deren Beobachtung durch das Wesen eines die Verteidigung sichernden Verfahrens geboten sind. Trifft doch das Gericht die Pflicht, dem Angeklagten Gelegenheit zur Stellungnahme zum Ergebnis der Beweisaufnahme zu geben (§§ 248 Abs. 4, 252 Abs. 3, 253 StPO.) und darf es überdies bei der Urteilsfällung nur auf das Rücksicht nehmen, was in der Hauptverhandlung 'vorgekommen', also - in der Regel unter Mitwirkung des Angeklagten (§ 250 StPO.) - als Beweismittel produziert worden ist.
Vorliegend ist nun diesbezüglich dem Inhalt des Hauptverhandlungsprotokolles zu entnehmen, daß sich lediglich die Mitglieder des Gerichtshofes - und nicht auch die Angeklagten - durch 'kurze Einschau' in die 'in kurzem Weg beigeschafften' Broschüren - demnach durch deren stichprobenartige Besichtigung (siehe dazu S. 362, 363 d.A.) - ein 'Bild' vom Inhalt der Beweisgegenstände machen konnten. Solcherart steht fest, daß das Gericht durch die von ihm eingehaltene Vorgangsweise einerseits die Angeklagten um die Möglichkeit seiner Erklärung zu diesen Beweismitteln brachte und andererseits seine Feststellungen (jedenfalls) hinsichtlich der inkriminierten Filme, die nach dem Gesagten (inhaltlich) nicht einmal zur Kenntnis der Senatsmitglieder gelangten, nicht auf in der Verhandlung vorgetragene Beweismittel stützte, sodaß die betreffenden Feststellungen mangelhaft begründet im Sinne der Z. 5 des § 281 Abs. 1
StPO. sind (SSt. 31/2, 32/80 u.a.). Da im übrigen aber weder aus dem Urteil, noch aus den Akten hervorgeht, welche der inkriminierten Tatobjekte bei dieser stichprobenartigen Besichtigung durch gerichtliche Einsichtnahme zum Gegenstand der Beweiserhebung geworden sind, kann nicht verläßlich beurteilt werden, hinsichtlich welcher im Urteilsspruch bezeichneter Druckwerke das Erstgericht mängelfrei begründete Feststellungen in Bezug auf die dort unterstellte unzüchtige Eigenschaft getroffen hat. Es ist sohin im Ergebnis davon auszugehen, daß der Oberste Gerichtshof im Urteil und dessen Entscheidungsgründen die Tatsachen, die bei richtiger Anwendung des Gesetzes dem Erkenntnis zugrunde zu legen sind, nicht mängelfrei begründet festgestellt findet, weshalb schon aus diesem Grund, ohne daß es eines Eingehens auf die sonstigen Beschwerdegründe bedurfte, mit der Aufhebung des Urteils - mit Ausnahme des Verfallsausspruches - und der Rückverweisung der Sache an das Erstgericht zur neuen Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung vorzugehen war. Mit ihren Berufungen waren die Angeklagten sohin auf diese Entscheidung zu verweisen. Das Ersturteil ist aber auch insoweit mit - von den Beschwerdeführern allerdings nicht ausdrücklich gerügten - Feststellungsmängeln behaftet, als das Erstgericht den Inhalt der inkriminierten Druckwerke nur global und zum Teil mit Worten, die allein rechtliche Kriterien des Unzuchtsbegriffes im Sinne der Entscheidung des verstärkten Senates des Obersten Gerichtshofes vom 6. Juni 1977, 13 0s 39/77 (EvBl. 1977/186
= RZ. 1977, 178) erfassen, beschrieben hat, ohne auf die tatsächlichen Gegebenheiten einzugehen (siehe dazu die Seiten 378, 379 d.A.).
Im zweiten Rechtsgang wird das Gericht nach einem mängelfrei geführten, die Verteidigungsrechte der Angeklagten wahrenden Verfahren entsprechend begründete Feststellungen über das in den Druckwerken und Filmen zur Darstellung gelangte Geschehen zu treffen haben, die erst eine verläßlich rechtliche Subsumtion ermöglichen. Bei der rechtlichen Beurteilung wird es von der der erwähnten Entscheidung des verstärkten Senates des Obersten Gerichtshofes zugrunde liegenden Rechtsauffassung auszugehen haben, daß als unzüchtig jede Handlung anzusehen ist, die den hic und nunc vorhandenen Wertvorstellungen der Gesellschaft in geschlechtlicher Hinsicht widerspricht (vgl. dazu auch 13 0s 45/79, 13 0s 47/79 = RZ. 1980, 6 und die dort angeführte Literatur)und solcherart das Zusammenleben grob stört. Das trifft nun inhaltlich der Entscheidung des verstärkten Senates, von der abzugehen weder Anlaß, noch zufolge der gemäß § 8 Abs. 1 Z. 1
OGH-Gesetz gegebenen Bindung Berechtigung besteht, nicht nur bei - auf sich selbst reduzierten und von Zusammenhängen mit anderen Lebensäußerungen losgelösten, anreisserisch verzerrten - Darstellungen von Unzuchtsakten zu, die (wie zum Beispiel sexuelle Gewalttätigkeiten insbesondere sadistischer oder masochistischer Natur, Unzuchtsakte mit Unmündigen u.dgl.) ihrer Art nach verboten und strafbar sind, sondern gleicherweise auch auf die Wiedergabe von Unzuchtsakten mit Personen des gleichen Geschlechts oder mit Tieren, die - wenn auch die Handlung nicht oder nur beschränkt strafbar ist
- nicht propagiert werden dürfen, weil sie der heterosexuellen Orientierung der rechtlich geordneten Gesellschaft widersprechen und zu dieser - trotz Fehlens einer Strafsanktion - in einem Spannungsverhältnis stehen (vgl. dazu die Regierungsvorlage zum Strafrechtsänderungsgesetz 1970, 39, der Beilagen zu den stenographischen Protokollen des Nationalrates XII GP., S. 18).Darstellungen solcher Art müssen daher, wie in der Entscheidung des verstärkten Senates vom 6. Juni 1977 unmißverständlich zum Ausdruck kommt (vgl. dazu auch 10 0s 30/78, 9 0s 113/78) im Sinne dieser Orientierung der Gesellschaft und zu deren Schutz generell als unzüchtig angesehen werden. Der von den Beschwerdeführern in ihren Rechtsmitteln monierten Erörterungen über propagandistische Tendenzen der inkriminierten Druckwerke oder Filme bzw. über deren Eignung, eine zur Unzucht anregende Wirkung zu erzielen, bedarf es aber nicht. Solche Eigenschaften und Zielsetzungen sind nämlich - anders als beim Vergehen nach § 220 StGB., wo sie im Falle der Begehung durch 'Gutheißen' zum Tatbestand gehören - zur Erfüllung des Vergehens nach § 1 Abs. 1 lit. a bis e PornG. nicht erforderlich. Unter anderem dadurch unterscheiden sich die nach § 1 PornG. und nach § 220 StGB. poenalisierten Handlungen, sodaß von einer materiellen Derogation des § 1 PornG. - gegen dessen Verfassungsmäßigkeit keine Bedenken bestehen (vgl. dazu 13 0s 27/79)
- durch § 220 StGB. keine Rede sein kann (vgl. dazu 12 0s 71/78 und 13 0s 102/78). Wohl aber ist der § 220 StGB. insoweit für die Auslegung des normativen Begriffes der Unzucht bedeutsam, als der Gesetzgeber in ihm - damit gleichgeschlechtliche Handlungen wertend und für sie das Merkmal der Unzucht prägend - ausdrücklich (und generell) von gleichgeschlechtlicher Unzucht spricht.
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