Spruch:
Der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Erich B*** wird Folge gegeben und darüber hinaus gemäß § 290 Abs. 1 StPO das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt,
1. in dem den Angeklagten Erich B*** betreffenden
Schuld- und Strafausspruch sowie im Adhäsionserkenntnis, soweit es den Genannten betrifft, und
2. in Ansehung des Angeklagten Vinzenz B***, insoweit jedoch nur im Ausspruch, er habe den Diebstahl in Gesellschaft des Erich B*** als Beteiligtem begangen, in der darauf gegründeten Unterstellung seiner Tat auch unter die Bestimmung des § 127 Abs. 2 Z 1 StGB und weiters in der rechtlichen Beurteilung des Diebstahls sowohl als das Vergehen des schweren Diebstahls nach §§ 127 Abs. 1 (und Abs. 2 Z 1), 128 Abs. 1 Z 4 StGB als auch als das Verbrechen des räuberischen Diebstahls nach § 131 StGB sowie demgemäß auch in dem den Angeklagten Vinzenz B*** betreffenden Strafausspruch (einschließlich des Ausspruchs über die Vorhaftanrechnung) aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurückverwiesen. Mit seiner Berufung wird der Angeklagte Erich B*** auf obige Entscheidung verwiesen.
Text
Gründe:
Das Schöffengericht erkannte die Angeklagten Vinzenz B*** und Erich B*** "des Vergehens des schweren Diebstahls nach §§ 127 Abs. 1 und 2 Z 1, 128 Abs. 1 Z 4 StGB, Vinzenz B*** des Verbrechens des räuberischen Diebstahls nach § 131 Abs. 1 StGB" schuldig. Darnach haben die Genannten am 22.Jänner 1986 in Graz
1. in Gesellschaft als Beteiligte der Maria S*** fremde bewegliche Sachen in einem 5.000 S übersteigenden Wert, nämlich 20.000 S Bargeld mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern,
2. Vinzenz B*** allein bei dem obangeführten Diebstahl auf frischer Tat betreten Maria S*** mit einer gegenwärtigen Gefahr für Leib oder Leben (§ 89 StGB) bedroht, indem er den rechten Arm schlagbereit in die Höhe hob, um sich oder einem Dritten die weggenommene Sache zu erhalten.
Vinzenz B*** wurde hiefür nach § 131 "Abs. 1" erster Strafsatz StGB "unter Bedachtnahme auf § 28 StGB und § 39 StGB" zu einem Jahr Freiheitsstrafe, Erich B*** hingegen nach § 128 Abs. 1 StGB unter Bedachtnahme auf § 11 JGG zu sechs Monaten Freiheitsstrafe verurteilt, wobei die über den Letztgenannten verhängte Strafe gemäß § 43 Abs. 1 StGB unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde. Von der weiteren Anklage, der Maria S*** (weitere) 300 S "in Bereicherungsabsicht" weggenommen zu haben, wurde Erich B*** gemäß § 259 Z 3 StPO (rechtskräftig) freigesprochen. Während das Urteil in Ansehung des Angeklagten Vinzenz B*** (als unangefochten) in Rechtskraft erwachsen ist, wird es vom Angeklagten Erich B*** mit einer auf die Z 4, 5 und 10 (der Sache nach Z 9 lit a) des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde bekämpft; gegen den Strafausspruch hat Erich B*** Berufung ergriffen.
Nach den den Beschwerdeführer betreffenden wesentlichen Urteilskonstatierungen hielt sich dieser am 21.Jänner 1986 in Graz in der Wohnung der 79-jährigen Pensionistin Maria S*** auf, um Messer zu schleifen, wobei er sich davon überzeugen konnte, daß die Genannte alt und sehr gehbehindert ist. Am nächsten Tag, dem 22. Jänner 1986, begab sich der Beschwerdeführer gemeinsam mit (dem Mitangeklagten) Vinzenz B*** "mit dem Vorsatz, die alte behinderte Frau zu bestehlen", (abermals) in deren Wohnung unter dem Vorwand, er werde noch Scheren schleifen. Nachdem vier Scheren geschliffen worden waren und Maria S*** aus einer Geldkassette Geld zur Bezahlung der hiefür begehrten 450 S entnehmen wollte, weil sich in ihrer Geldbörse nur mehr 250 S befanden, griff Vinzenz B*** in die Kassette und entnahm ihr ein Banknotenbündel mit mindestens 20.000 S. S*** schrie Vinzenz B*** hierauf an und verlangte ihr Geld zurück, wobei es ihr auch gelang, das Banknotenbündel zu erfassen. Vinzenz B*** hielt das Geld jedoch so fest, daß es ihm die alte Frau nicht aus der Hand reißen konnte; er zog dabei die Frau in den Vorraum und hob schließlich die rechte freie Hand zum Schlag, als ob er auf S*** einschlagen wollte, worauf die Frau die Banknoten ausließ und Vinzenz B*** damit flüchten konnte. Gleichzeitig ergriff auch der Beschwerdeführer die Flucht, "nachdem er zuvor bei dem Diebstahl dabei war und ihn beobachtet hat" (S 152). In der Folge teilten die beiden Angeklagten die Beute.
Dem Beschwerdeführer ist zunächst schon darin beizupflichten, wenn er in seiner Mängelrüge (Z 5) reklamiert, daß das Urteil für die Feststellung, er habe sich mit dem Vorsatz, Maria S*** zu bestehlen, in deren Wohnung begeben, keinerlei Begründung enthält. Kann doch den Entscheidungsgründen in keiner Weise entnommen werden, worauf das Gericht seine diesbezügliche Annahme gegründet und aus welchen Erwägungen es die einen Diebstahl leugnende Verantwortung des Beschwerdeführers als widerlegt erachtet hat. Der dem Urteil insoweit damit anhaftende Begründungsmangel im Sinn der Z 5 des § 281 Abs. 1 StPO ist umso gravierender, weil das Gericht offenbar aus dem bereits von Anbeginn bestandenen Diebstahlsvorsatz des Beschwerdeführers ableitet, er habe, als Vinzenz B*** die 20.000 S an sich nahm, mit dem Genannten im Einverständnis über die Verübung des Diebstahls zusammengewirkt, wie dies in subjektiver Beziehung für einen Gesellschaftsdiebstahl im Sinn des § 127 Abs. 2 Z 1 StGB erforderlich ist (und worüber das angefochtene Urteil keine gesonderten Feststellungen in Ansehung des Beschwerdeführers enthält).
Davon abgesehen reicht - wie die Beschwerde in rechtlicher Hinsicht (der Sache nach aus der Z 9 lit a des § 281 Abs. 1 StPO) im Ergebnis zutreffend einwendet - die bloße Anwesenheit am Ort der Begehung eines Diebstahls durch einen anderen für sich allein nicht aus, um den Anwesenden bereits als Gesellschaftsdieb (im Sinn des § 127 Abs. 2 Z 1 StGB) (mit-)haften zu lassen; nach der zitierten Gesetzesstelle haftet vielmehr nur, wer zur Tatbegehung durch den unmittelbaren Täter in irgendeiner Weise, sei es durch physische, sei es durch (bloß) psychische Unterstützung, beiträgt, wobei allerdings - gemeinsamen Tatentschluß vorausgesetzt - ein "Bereithalten für den Bedarfsfall" genügen kann (vgl Kienapfel BT II § 127 Rz 263; Leukauf-Steininger Kommentar 2 § 127 RN 76). Diesbezüglich beschränkt sich das Urteil auf die Aussage, daß der Beschwerdeführer "bei dem Diebstahl dabei war und ihn beobachtet hat" (abermals S 152) bzw daß "Vinzenz B*** ... die Tat begangen hat und Erich B*** daneben gestanden ist und nichts gegen den Diebstahl unternommen hat" (S 156).
Rechtliche Beurteilung
Dem Urteil haftet somit auch der von der Beschwerde zutreffend aufgezeigte Feststellungsmangel an.
Es war daher der Nichtigkeitsbeschwerde Folge zu geben, das Urteil in Ansehung des Angeklagten Erich B*** sowohl im Schuld- als auch im Strafausspruch (sowie im Adhäsionserkenntnis, soweit es diesen Angeklagten betrifft) aufzuheben und in diesem Umfang die Erneuerung des Verfahrens in erster Instanz anzuordnen (§ 258 e StPO), ohne daß es erforderlich ist, auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen.
Der dem Urteil in Ansehung des Angeklagten Erich B*** anhaftende Feststellungsmangel wirkt sich insoweit auch zum Nachteil des Mitangeklagten Vinzenz B*** aus, als diesem (unter anderem) zur Last gelegt wird, den Diebstahl in Gesellschaft des Erich B*** als Beteiligtem begangen und damit die Qualifikation des § 127 Abs. 2 Z 1 StGB verwirklicht zu haben. Hängt doch dieser Ausspruch und die darauf gegründete Tatbeurteilung (auch) als Gesellschaftsdiebstahl davon ab, ob Erich B*** tatsächlich Beteiligter (§ 12 StGB) an dem Diebstahl gewesen ist, in welcher Beziehung es aber an den erforderlichen Konstatierungen fehlt, womit das Urteil in Ansehung des Angeklagten Vinzenz B*** im gegebenen Zusammenhang gemäß § 281 Abs. 1 Z 10 StPO nichtig ist. Da der Genannte diese zu seinem Nachteil unterlaufene Nichtigkeit nicht geltend gemacht hat, war sie aus Anlaß der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Erich B*** gemäß § 290 Abs. 1 StPO von Amts wegen wahrzunehmen, wobei eine Entscheidung in der Sache selbst nicht möglich ist.
Darüber hinaus hat sich der Oberste Gerichtshof davon überzeugt, daß dem Urteil in Ansehung des Angeklagten Vinzenz B*** zu seinem Nachteil eine weitere Nichtigkeit gemäß § 281 Abs. 1 Z 10 StPO anhaftet, die gleichfalls gemäß § 290 Abs. 1 StPO wahrzunehmen war: Denn wie schon aus dem Urteilsspruch, aber auch aus dem in den Entscheidungsgründen dem Angeklagten Vinzenz B*** als erschwerend angelasteten Umstand des Zusammentreffens eines Verbrechens mit einem Vergehen hervorgeht, beurteilte das Erstgericht den von dem Genannten begangenen Diebstahl sowohl als Vergehen des schweren Diebstahls als auch als Verbrechen des räuberischen Diebstahls, wiewohl die Vorschrift des § 131 StGB nur eine (strafsatzändernde) Qualifikation der Diebstahlstat begründet (vgl Kienapfel BT II § 131 Rz 1,7,8 und 37; Leukauf-Steininger Kommentar 2 § 127 RN 2 und § 131 RN 1 und 22). Die gesonderte Annahme sowohl eines Vergehens des Diebstahls als auch eines Verbrechens des Diebstahls in ein- und demselben Urteil ist an sich, umso mehr aber dann unzulässig, wenn es sich um die Beurteilung eines einheitlichen Tatgeschehens handelt.
Mithin war das Urteil in Ansehung des Angeklagten Vinzenz B*** (auch) in der in Rede stehenden rechtlichen Beurteilung des ihm angelasteten Diebstahls zu kassieren, wobei nach Lage des Falles auch in diesem Belange eine Entscheidung in der Sache selbst nicht in Betracht kam. Die dargelegten Rechtsgrundsätze werden vielmehr im erneuerten Verfahren entsprechend zu berücksichtigen sein. Gemäß § 285 e StPO, teilweise in Verbindung mit § 290 Abs. 1 StPO war daher schon bei der nichtöffentlichen Beratung spruchgemäß zu erkennen.
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