Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Der Berufung wird dahin Folge gegeben, daß die über den Angeklagten verhängte Freiheitsstrafe auf 12 (zwölf) Monate herabgesetzt wird.
Gemäß § 390 a StPO fallen ihm auch die Kosten des Rechsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der 34-jährige Werner B*** des Verbrechens der Nötigung zum Beischlaf nach § 202 Abs. 1 StGB schuldig erkannt. Danach hat er am 6.Juli 1984 Beatrix W*** mit Gewalt zum außerehelichen Beischlaf genötigt, indem er sie zunächst in Wien gewaltsam in sein Auto drängte, sie auf der folgenden Fahrt nach Korneuburg trotz wiederholten Ersuchens weder nach Hause brachte noch aussteigen ließ und schließlich am Donauufer im Ortsgebiet von Korneuburg an den Haaren riß, als sie ihre Hose nicht ausziehen wollte.
Rechtliche Beurteilung
Die vom Angeklagten dagegen aus den Z 4, 5, 9 lit. a und 10 des § 281 Abs. 1 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde ist nicht begründet.
Der Verfahrensrüge (Z 4) des Angeklagten zuwider wurde er durch die Abweisung des von ihm in der Hauptverhandlung gestellten Antrages auf Durchführung eines Lokalaugenscheines zum Beweis dafür, "daß im Hinblick auf die örtliche Situation es dem Angeklagten unmöglich war, an dieser Stelle die Zeugin W*** gegen ihren Willen in seinen PKW zu bringen und sie zum Mitfahren zu bewegen", in seinen Verteidigungsrechten nicht geschmälert.
Denn abgesehen davon, daß in Ansehung des Abstellplatzes des Fahrzeuges des Angeklagten in Wien kein einheitliches Verfahrensergebnis vorliegt (vgl. die divergierenden Angaben der Zeugin W*** einerseits [S 83, 90] sowie des Angeklagten und des Zeugen K*** andererseits, von denen letztere wiederum teils auch von jenen des Angeklagten abweichen [S 74 f, 78, 102 f]), ist bei der gegebenen Sachlage die Möglichkeit des dem Angeklagten vorgeworfenen Verhaltens evidentermaßen vom Ort des Geschehens unabhängig. Inwieweit die nähere Umgebung des PKWs zur Tatzeit aber von anderen Personen frequentiert war, könnte durch einen Ortsaugenschein gewiß nicht geklärt werden.
Der Mängelrüge (Z 5) des Beschwerdeführers ist zunächst einleitend und global zu erwidern, daß es nach der in der Z 5 des § 281 Abs. 1 StPO zitierten Bestimmung des § 270 Abs. 2 Z 5 StPO nicht erforderlich ist, im Urteil zu allen Einzelheiten in den Angaben von vernommenen Personen Stellung zu nehmen bzw. daß das Gericht bei Würdigung der Aussage eines von ihm persönlich vernommenen Zeugen weder imstande noch verpflichtet ist, alle jene Umstände anzuführen, auf denen seine Überzeugung von der Glaubwürdigkeit oder Unglaubwürdigkeit dieses Zeugen beruht, weil eben bei der Würdigung einer solchen Aussage der persönliche Eindruck entscheidend ist und dieser sich in Worten nicht wiedergeben läßt (vgl. Mayerhofer-Rieder StPO 2 § 281 Z 5 Nr. 5 ff). Zusätzlich ist der Beschwerde zu erwidern, daß es keiner Erörterung bedurfte, ob die Zeugin W*** bei ihrer Befragung durch die Gendarmerie im Telefonbuch den Dienstgeber des Angeklagten herauszufinden oder dessen Telefonnummer bekanntzugeben vermochte oder nicht; genug daran, daß sich ihre Angaben, es handle sich um eine Verkaufsstelle der Firma M*** in der Simmeringer Hauptstraße, als richtig herausstellte (vgl. S 6 in ON 2).
Auch eine Erwähnung dessen, daß die Zeugin W*** bei der Erstattung der Anzeige zunächst den Familiennamen des Angeklagten verschwieg, war nicht geboten, weil W*** insoweit eine plausible Erklärung für ihr Verhalten vorbrachte und die von ihr gegebenen Anhaltspunkte (Vorname, Verkäufer bei der Firma M*** - Rainer; Autonummer) für eine einwandfreie Identifizierung des Täters ausreichte.
Keiner Erörterung bedurfte ferner die Aussage der Zeugin E***, wonach W*** ihr erzählt habe, der Angeklagte sei, nachdem er sie nach Hause gebracht hatte, "wie ein Wahnsinniger davongerast, damit sie die Autonummer nicht lesen konnte" (S 106). Gibt doch E*** in dieser Aussage ersichtlich lediglich ihr bekanntgegebene Vermutungen ihrer Freundin über das Motiv des Angeklagten, so rasch wegzufahren, wieder, nicht aber, daß sie tatsächlich am Ablesen des Kennzeichens gehindert gewesen wäre.
Soweit die Beschwerde sich aber bemüht, Uneinheitlichkeiten in den Depositionen der Zeugin W*** darüber aufzuzeigen, von welcher Seite her sie vom Angeklagten gewaltsam zum Einsteigen in sein Kraftfahrzeug veranlaßt wurde, übersieht sie, daß die Zeugin im gegebenen Zusammenhang in der Hauptverhandlung unmißverständlich zum Ausdruck brachte, daß sie sich infolge des erlittenen Schocks an Einzelheiten nicht mehr erinnern könne (vgl. S 83 ff). In Ansehung der Höhe des vom Angeklagten der Zeugin zugesteckten Geldbetrages und dessen Rückgabe ergibt sich aus den Bekundungen der Frau widerspruchsfrei, daß sie den Betrag geschätzt und dem Angeklagten zurückgestellt hat. Danach, auf welche Weise sie die Schätzung vorgenommen hatte, wurde sie nicht befragt. Was hingegen die Modalitäten der Rückgabe betrifft, mußten die in der Beschwerde behaupteten "Widersprüche" schon deshalb nicht speziell erörtert werden, weil sich die einzelnen Bekundungen der Zeugin W*** durchaus miteinander vereinbaren lassen. Beschreiben doch die Worte "Rückgabe" und "Rücknahme" den gleichen Vorgang, gesehen jeweils vom Geber oder Nehmer, und kann dabei der Aussage der Zeugin W*** bei der Polizei, der Angeklagte habe das Geld wieder zurückgenommen, keineswegs - wie es seitens der Beschwerde geschieht - der Sinn unterlegt werden, der Angeklagte habe sich das Geld aus ihrer Tasche genommen. Ob der Angeklagte das Geld in die Jacken- oder Manteltasche der Zeugin steckte, ist an sich nicht entscheidend, zumal gerade bei sommerlicher Überkleidung (Tatzeit: 6.Juli) die Bezeichnung eines solchen Kleidungsstückes als "Jacke" oder "Mantel" individuell verschieden ist. Kein relevanter Gegensatz besteht auch zu den in einem Amtsvermerk der Sicherheitsbehörde festgehaltenen Angaben der Zeugin W*** über ihre Bekleidung, in welcher eine Jacke oder ein Mantel nicht aufscheint (S 15). Ist doch dieser Vermerk ersichtlich unvollständig, zumal die Zeugin bei ihrer niederschriftlichen Einvernahme vom selben Tag wiederholt von einer Jacke sprach (S 9, 11).
Nach den eingangs erwähnten Grundsätzen war das Erstgericht schließlich auch nicht gehalten, in den Urteilsgründen alle weiteren in der Beschwerde genannten Abweichungen der Aussagen des Opfers in den verschiedenen Verfahrensstadien zu behandeln. Wenn die Tatrichter auf Grund des persönlichen Eindruckes dem Opfer und dessen Freundin E*** sowie auch den Angaben von Alfred und Hildegard B*** Glauben schenkten und demnach den Angst- bzw. Schockzustand des Opfers nicht nur im Tatzeitraum sondern auch noch Stunden danach als erwiesen annahmen (vgl. S 136), dann sind Divergenzen über Nebenumstände, die Art und die chronologische Reihenfolge des Entkleidens des Angeklagten und der Frau, die Modalitäten der bei ihr eingetretenen Übelkeit und darüber, ob sie dem Verlangen des Angeklagten, sich ins Gras zu legen, tatsächlich nachkam oder nicht, wie auch mit Bezug auf ein am Nachmittag des Tattages stattgefundenes (vom Angeklagten gar nicht bestrittenes) Telefonat ersichtlich im psychischen Ausnahmezustand des Opfers begründet und unter Wahrung der Begründungspflicht (§ 258 Abs. 2, § 270 Z 5 StPO) nicht erörterungsbedüftig.
Äußerungen des Opfers während der Fahrt nach Korneuburg hat das Erstgericht ohnedies festgestellt. Wenn der Beschwerdeführer aus diesen Äußerungen, anders als das Erstgericht, abzuleiten sucht, er habe den Eindruck gewonnen, W*** wäre mit der Sexualhandlung einverstanden, so begibt er sich damit erneut auf das ihm verwehrte Gebiet der Beweiswürdigung und muß darauf nicht weiter eingegangen werden.
In seiner Rechtsrüge (Z 9 lit. a) versucht der Beschwerdeführer darzutun, daß es vorliegend schon objektiv an den Begriffsmerkmalen der "Gewalt" als Mittel der Tatbegehung nach § 202 StGB mangle. Dabei übersieht er aber, daß zum einen die Willensbeugung des Opfes nicht bloß durch physischen (somatischen) sondern auch durch psychischen Druck erfolgen kann, und daß für die Prüfung einer solchen Nötigung die Tathandlungen in ihrer Gesamtheit maßgebend sind (vgl. Pallin in WK § 202 RZ 7). Unter diesem Aspekt war aber vorliegend die physische und letztlich auch besonders die psychische Einwirkung des Angeklagten auf den Widerstandswillen des Opfers, das er geraume Zeit in seiner Freiheit beschränkt und in den frühen Morgenstunden an einen abgeschiedenen und unbeleuchteten Ort gebracht hatte, an welchem jeglicher weiterer Widerstand des Opfers aber auch jegliche Hilfe durch Dritte aussichtslos war, insgesamt qualitativ und quantitativ so gravierend, daß an ihrer Eignung, das Opfer zur endgültigen Aufgabe eines allenfalls möglichen und zumutbaren Widerstandes gegen den außerehelichen Beischlaf zu bestimmen, nicht gezweifelt werden kann.
Soweit die Beschwerde aber unter der Z 10 des § 281 Abs. 1 StPO behauptet, die in Wien gesetzten Gewalthandlungen seien lediglich darauf gerichtet gewesen, W*** zum Mitfahren im PKW zu bestimmen, wogegen die Gewaltausübung in Korneuburg nur das Ziel hatte, sie zum Ausziehen der Hose zu veranlassen, beide Tathandlungen daher lediglich dem Tatbild der Nötigung nach § 105 StGB zu unterstellen gewesen wären, wogegen die Verbringung der Zeugin gegen ihren Willen nach Korneuburg allenfalls eine Freiheitsentziehung im Sinne des § 99 StGB darstellen könne, entbehrt das Rechtsmittel einer prozeßordnungsgemäßen Darstellung. Wird damit doch übergangen, daß nach den erstgerichtlichen Konstatierungen (vgl. S 128, 130, 134, 137 f) das gewaltsame Verhalten des Angeklagten insgesamt und von Anfang an vom Vorsatz getragen war, (auch) gegen den Willen des Opfers mit diesem geschlechtlich zu verkehren. Geht man aber davon aus, dann kommt eine selbständige rechtliche Beurteilung einzelner Teilakte und Geschehensphasen nicht in Betracht.
Die im ganzen unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde war mithin zu verwerfen.
Bei der Strafbemessung wertete das Schöffengericht als erschwerend die einschlägigen Vorstrafen des Angeklagten, als mildernd keinen Umstand und verhängte über ihn gemäß § 202 Abs. 1 StGB eine Freiheitsstrafe in der Dauer von zwei Jahren. Die Berufung des Angeklagten, mit der er Strafherabsetzung und Gewährung bedingter Strafnachsicht anstrebt, ist teilweise begründet. Zieht man nämlich mit ins Kalkül, daß die schon lange Zeit zurückliegenden, nicht direkt einschlägigen Vorverurteilungen inzwischen getilt wurden und daß der Unrechtsgehalt der gegenständlichen Verfehlung, gemessen an der relativ geringen Intensität der Gewaltanwendung, an der Untergrenze der Tatbestandsverwirklichung gelegen ist, dann erscheint die vom Erstgericht geschöpfte Unrechtsfolge als beträchtlich überhöht, weshalb sie in Stattgebung der Berufung auf das aus dem Spruch ersichtliche, tatschuldgerechte Maß zu reduzieren war. Hingegen mußte das Begehren um Gewährung bedingter Strafnachsicht erfolglos bleiben, weil dem angesichts der mangelnden Schuldeinsicht des Angeklagten gewichtige spezialpräventive, in Anbetracht der Art der Verfehlung aber namentlich Erfordernisse der Generalprävention zwingend entgegenstehen.
Die Kostenentscheidung fußt auf der bezogenen Gesetzesstelle.
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