Spruch:
Das Urteil des Bezirksgerichtes Linz-Land vom 14.Dezember 1978, GZ 4 U 259/78-7, mit dem Christine A des im Jänner 1977 begangenen Vergehens nach § 9 Abs 1 Z 1
und Z 2 (dritter und vierter Fall) SGG schuldig erkannt und mit dem gemäß § 13 Abs 1 JGG der Ausspruch einer Strafe vorläufig für eine Probezeit von drei Jahren aufgeschoben worden ist, verletzt das Gesetz in der Bestimmung des § 57 Abs 2 und 3 StGB
Dieses Urteil und alle darauf beruhenden gerichtlichen Beschlüsse, Anordnungen und Verfügungen werden aufgehoben und es wird gemäß §§ 292, 288 Abs 2 Z 3 StPO in der Sache selbst erkannt:
Christine A wird von der wider sie (u.a.) erhobenen Anklage, sie habe im Jänner 1977 in Linz mehrmals Haschisch, mithin ein Suchtgift, in kleinen, nicht mehr feststellbaren Mengen durch Mitrauchen aus einer herumgereichten Haschischpfeife und deren Weitergabe unberechtigterweise erworben, besessen und weitergegeben; sie habe hiedurch das Vergehen nach § 9 Abs 1 Z 1 und Z 2 (dritter und vierter Fall) SuchtgiftG begangen, gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.
Im übrigen wird die gemäß § 33 Abs 2 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde verworfen.
Text
Gründe:
Mit dem Urteil des Bezirksgerichtes Linz-Land vom 14.Dezember 1978, GZ 4 U 259/78-7, wurde die am 15.November 1960 geborene Christine A auf Grund des am 25.April 1978 vom Bezirksanwalt beim Bezirksgericht Linz-Land gestellten Antrages auf Bestrafung der Genannten 'wegen des Vergehens nach § 9 SuchtgiftG' (s.S. 1 d. A) des Vergehens nach § 9 Abs 1 Z 1 und Z 2 (dritter und vierter Fall) SGG ohne Ausspruch der verwirkten Strafe (§ 13 JGG) schuldig erkannt.
Den Urteilsfeststellungen zufolge hat die (damals noch jugendliche) Beschuldigte im Jänner 1977 in dem Linzer Lokal 'Badcafe' mehrmals von einem Unbekannten eine unter den 'mit der Sache vertrauten' Gästen herumgereichte Haschischpfeife erhalten, diese geraucht und sie danach an andere Personen zum Zwecke des Mitrauchens weitergegeben.
Inhaltlich der dem zitierten Bestrafungsantrag des öffentlichen Anklägers zugrundeliegenden polizeilichen Anzeige ON 2 (vgl. insb. S 29 d. A), die sich diesbezüglich auf ein von Christine A am 10.März 1978 vor der Bundespolizeidirektion Linz abgelegtes Geständnis stützte (s. S 25, 26 d. A), hat die Genannte überdies im Jänner 1978 in Linz von zwei angeblich aus Deutschland stammenden Burschen zwei Ampullen des morphiumhältigen Medikaments 'Fleural' und ein Briefchen Heroin um S 750,-- gekauft, aus diesen Suchtgiften drei Schuß aufbereitet und sich injiziert.
In der Hauptverhandlung vom 14.Dezember 1978 bekannte sich Christine A vor dem Bezirksgericht Linz-Land (uneingeschränkt) für schuldig. Der Bezirksanwalt hielt daraufhin den auch wegen unberechtigten Suchtgifterwerbes und -besitzes im Jänner 1978 erhobenen Bestrafungsantrag aufrecht (S 42 d. A). Dieser wurde jedoch vom Bezirksgericht Linz-Land in Ansehung der im Jänner 1978 begangenen Straftat nicht erledigt, was unbekämpft blieb und daher im Ergebnis einem rechtskräftigen (Teil-) Freispruch gleichkommt (vgl. SSt. 24/1).
Das Christine A des im Jänner 1977 in Linz begangenen Vergehens nach § 9 Abs 1 Z 1 und Z 2 (dritter und vierter Fall) SGG schuldig erkennende Urteil des Bezirksgerichtes Linz-Land vom 14.Dezember 1978 bekämpft die Generalprokuratur mit der vorliegenden Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes, in der sie wie folgt ausführt:
'1.) Bloßes Mitrauchen geringer Suchtgiftmengen aus einer von anderen Personen zu diesem Zweck (kurzfristig) zur Verfügung gestellten Haschischpfeife ist, wie der Oberste Gerichtshof bereits mehrfache entschieden hat (s. LSK 1978/288; RZ 1977/21), weder als Erwerb (= Erlangung des Gewahrsams) noch als Besitz (= der Gewahrsam selbst) eines Suchtgiftes zu beurteilen; die Heranziehung des § 9 Abs 1 Z 2 (dritter bzw. vierter Fall) SuchtgiftG, wie sie dem zitierten Urteil des Bezirksgerichtes Linz-Land zugrundeliegt, kommt daher insoweit nicht in Betracht (§ 281 Abs 1 Z 9 lit. a StPO), so daß sich insoweit ein Eingehen auf die gleichfalls indizierte Verjährungsfrage erübrigt.
2.) Der Christine A betreffende weitere Urteilsvorwurf in der Richtung des § 9 Abs 1 Z 1 SuchtgiftG (: Überlassen von Haschisch an zu dessen Bezug nicht Berechtigte) erfolgte zwar vorliegend wegen der erfolgten Weitergabe der Haschischpfeife durch Christine A an andere Interessenten zum Mitrauchen des Haschischs an sich zu Recht, weil ein 'Überlassen' im Sinne dieser Gesetzesstelle - anders als ein 'In-Verkehr-Setzen' gemäß dem § 6 Abs1SGG -- eine Gewahrsamsübertragung nicht voraussetzt (vgl. 13 Os 53-55/77). Der Beschuldigten kommt aber diesbezüglich der Strafaufhebungsgrund der Verjährung gemäß § 57 Abs 2 und 3 StGB zugute (§ 281 Abs 1 Z 9 lit. b StPO).
Die Gerichtsanhängigkeit (§ 58 Abs 3 Z 2 StGB) wegen dieser im Jänner 1977 begangenen Tat trat nämlich erst mit dem nach der Aktenlage (S 3 d. A) am 26.April 1978 vom Bezirksgericht Linz-Land an den Magistrat der Stadt Linz gerichteten Ersuchen um Durchführung von Erhebungen hinsichtlich Christine A im Sinne des § 9 a SGG ein (vgl. EvBl 1979/18), mithin zu einem Zeitpunkt, da die für das (nach dem ersten Strafsatz des § 9 Abs 2 SGG strafbare) Delikt nach § 9 Abs 1 Z 1 SGG im § 57 Abs 3 letzter Fall StGB normierte einjährige Verjährungsfrist bereits abgelaufen war. Eine Verlängerung der einjährigen Verjährungsfrist wegen der zu I./ erwähnten, im Jänner 1978 begangenen und auf gleicher schädlicher Neigung beruhenden strafbaren Handlung (vgl. § 58 Abs 2 StGB) trat vorliegend schon deshalb nicht ein, weil diese Straftat nach dem oben Gesagten nicht - wie für die Fortlaufhemmung erforderlich (vgl. SSt. 37/1) - durch richterlichen Schuldspruch festgestellt worden ist.
Rechtliche Beurteilung
Die Strafbarkeit der Christine A mit dem zitierten Urteil des Bezirksgerichtes Linz-Land unter dem Gesichtspunkt des § 9 Abs 1 Z 1 SGG zur Last gelegten unberechtigten Überlassens von Haschisch an andere im Jänner 1977
war daher durch Verjährung erloschen, weshalb das Gesetz auch insoweit zum Nachteil der Beschuldigten verletzt worden ist.' Der Beschwerde kommt nur teilweise Berechtigung zu.
Einer gerichtlich strafbaren Handlung macht sich gemäß § 9 SGG u.a. schuldig, wer einem anderen ein Suchtgift überläßt, zu dessen Besitz dieser nicht berechtigt ist, (Z 1) und/oder unberechtigt ein Suchtgift herstellt, verarbeitet, erwirbt oder besitzt (Z 2). Ein Suchtgift überläßt, wer es abgibt (vgl. dazu § 2 Abs 3, § 3 Abs 1 und § 5 Z 4 SGG) und auf diese Weise einem anderen zumindest zeitweilig (vgl. SSt. 31/49; EvBl. 1966/148) daran (Allein- oder wenigstens Mit-) Gewahrsam verschafft. Auch in der Entscheidung 13 Os 53-55/77 hat der Oberste Gerichtshof nicht angenommen, daß ein Überlassen i.S. des § 9 Abs 1 Z 1 SGG keine Gewahrsamsübertragung voraussetze, sondern lediglich klargestellt, daß eine Übergabe einzelner Rauschgiftportionen zum sofortigen Konsum an zwei Abnehmer nicht dem Begriff 'In-Verkehr-Setzen' entspricht.
Unter Erwerb ist die Erlangung des (Allein- oder Mit-) Gewahrsams, auf welche Art immer, zu verstehen, und unter Besitz - anders als im Zivilrecht - der Gewahrsam selbst.
Dieser ist die tatsächliche und unmittelbare Herrschaft über die Sache, die in der Möglichkeit besteht, darüber tatsächlich zu verfügen, verbunden mit dem Willen, diese Möglichkeit aufrechtzuerhalten (vgl. Slg. 317; SSt. 4/21; Rittler2 II 127; Nowakowski 167; Leukauf-Steininger 639 f.). Vorliegend hat Christine A nach den Urteilsannahmen von einem ihr Unbekannten (in einer 'herumgereichten' Pfeife) Haschisch zum Konsum übernommen, mehrmals davon geraucht und die Pfeife jeweils nach dem eigenen Gebrauch an einen anderen weitergegeben, der sich in ihrer Gesellschaft befand. Durch die in Gerbrauchsabsicht erfolgte Entgegennahme des in der Pfeife enthaltenen Haschisch und das darauf folgende mehrmalige Rauchen, also durch Akte der Besitzausübung, die die Sachherrschaft des Rauchers über die Rauchware sichtbar zum Ausdruck bringen, hat sie - wenn auch nur kurzfristig, wie das eben bei rasch verbrauchbaren Sachen üblich ist - (jedenfalls Mit-) Gewahrsam an dem Suchtgift erlangt sowie ausgeübt und solcherart tatbestandlich nach § 9 Abs 1 Z 2 (dritter und vierter Deliktsfall) SGG gehandelt (in diesem Sinn die ständige Judikatur: vgl. EvBl. 1977/200, RZ 1973/178, 9 Os 162/77, anders nur die bisher vereinzelt gebliebene Entscheidung ÖJZ-LSK 1978/288, wogegen die Entscheidung RZ 1977/21 lediglich in Ansehung des Verfalles gemäß § 26 StGB auf die mangelnde Tatbestandsmäßigkeit des - vom Erwerb und Besitz nur begrifflich verschiedenen, aber damit notwendigerweise einhergehenden (vgl. 9 Os 162/77 - bloßen Konsum von Suchtgift Bezug nimmt). Ob sie durch die Weitergabe des Suchtgiftes an einen anderen aber auch den von der Beschwerde als gegeben erachteten Tatbestand nach § 9 Abs 1 Z 1 SGG verwirklicht hat, hängt davon ab, ob dieser 'andere' bereits (Mit-) Gewahrsamsinhaber war; einem solchen konnte sie nämlich durch das Weitergeben der Pfeife (und damit auch des Suchtgifts) (Mit-) Gewahrsam nicht mehr einräumen, da er ihn ohnedies schon besaß. Demzufolge stellt sich - rechtlich - die Weitergabe des Suchtgifts an einen Mitgewahrsamsinhaber (vgl. dazu Rittler, Nowakowski und Leukauf-Steininger a.a.O.), der den Gewahrsam nicht aufgegeben hat, nicht als Überlassung an einen anderen im Sinne der zitierten Gesetzesstelle dar.
Eindeutige Feststellungen in dieser Richtung wurden im Urteil nicht getroffen; wohl spricht das Gericht in den Entscheidungsgründen vom 'Herumreichen einer Haschischpfeife unter den mit der Sache Vertrauten', womit es anscheinend eine Gruppe von Menschen meint, die sich zum gemeinsamen Haschischkonsum zusammengetan haben, doch schließt dies nicht aus, daß sich unter diesen Personen auch andere befanden, die - wie bis dahin Christine A - keinen Mitgewahrsam am Suchtgift hatten, sondern erst durch die Annahme der Pfeife und das Mitrauchen mit den anderen zu Mitgewahrsamsinhabern wurden. Derartige Feststellungen wären insofern bedeutsam gewesen, als Christine A im Fall des Vorliegens lediglich des Tatbestandes nach § 9 Abs 1 Z 2 (dritter und vierter Deliktsfall) SGG allenfalls Anspruch auf den bedingt temporären Strafausschließungsgrund nach § 9 a B gehabt hätte. Eine Aufhebung des Urteils zwecks Klärung dieses Umstandes erübrigt sich aber, weil das in Rede stehende Verhalten der Beschuldigten, wie die Beschwerde zutreffend aufzeigt, auf alle Fälle verjährt ist, sodaß jedenfalls mit Freispruch vorzugehen ist. Unter diesem Blickwinkel betrachtet, war wie aus dem Spruch ersichtlich zu erkennen. Eine Gesetzwidrigkeit des Urteils des Erstgerichtes auch in Ansehung des § 9 Abs 1 Z 2 SGG konnte jedoch - entgegen dem Antrag der Generalprokuratur - nicht festgestellt werden, weil diesbezüglich die Unterstellung der Tat unter das Gesetz nach der oben dargelegten Rechtsansicht des Obersten Gerichtshofes nicht rechtsirrig ist.
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