OGH 9Os33/85

OGH9Os33/8512.6.1985

Der Oberste Gerichtshof hat am 12.Juni 1985 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Horak als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Steininger, Dr. Walenta, Dr. Lachner und Dr. Kuch als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Mader als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Karl A wegen des Vergehens des versuchten Widerstandes gegen die Staatsgewalt nach § 15, 269 Abs 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 30.November 1984, GZ 5 c Vr 5211/84-35, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Hauptmann, des Angeklagten und des Verteidigers Dr. Drahos zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Karl A der Vergehen des versuchten Widerstandes gegen die Staatsgewalt nach § 15, 269 Abs 1 'erster Fall' (richtig: dritter Fall; vgl. ÖJZ-LSK. 1981/169) StGB, der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB und der schweren Körperverletzung nach § 83 Abs 1, 84 Abs 2 Z. 4 StGB schuldig erkannt.

Darnach hat er am 8.September 1983 in Wien

A/ Beamte mit Gewalt an einer Amtshandlung, nämlich seiner Festnahme, Fesselung und überstellung an das Bezirkspolizeikommissariat Währing, zu hindern versucht, indem er den Sicherheitswachebeamten Inspektor Robert B, Bezirksinspektor Rudolf C und Revierinspektor Rudolf D Schläge und Stöße versetzte sowie den Revierinspektor Rudolf D an der linken Hand festhielt und den Daumen dieser Hand nach hinten drehte;

B/ nachgenannte Personen am Körper verletzt, und zwar

a) die Monika E durch Versetzen von Schlägen, wodurch sie stürzte und eine Hautabschürfung am linken Ellenbogen erlitt;

b/ den Revierinspektor Rudolf D, sohin einen Beamten wegen und während der zu A/ beschriebenen Vollziehung seiner Aufgaben, indem er ihn an der linken Hand festhielt und den Daumen dieser Hand nach hinten drehte, wodurch der Genannte eine Schwellung und Druckschmerzhaftigkeit des Grundgelenkes des linken Daumens erlitt.

Rechtliche Beurteilung

Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Gründe der Z. 5, 9 lit a und 10 des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der keine Berechtigung zukommt. In Ausführung seiner Mängelrüge (Z. 5) macht der Beschwerdeführer in Ansehung des Schuldspruchs wegen Körperverletzung an Monika E der Sache nach eine offenbar unzureichende und unvollständige Begründung geltend, und zwar einerseits hinsichtlich der Feststellung, wonach er der Genannten kräftige Schläge versetzte und ihr eine Körperverletzung zufügte, und anderseits hinsichtlich der Konstatierung eines Handelns mit Verletzungsvorsatz. Die Rüge versagt in beiden Richtungen. Das Schöffengericht hat seine überzeugung vom Tathergang ersichtlich auf die Angaben der Monika E anläßlich der Intervention der Polizei am Tatort und die Wahrnehmungen des Meldungslegers Inspektor Robert B, wie sie in der Anzeige (S. 13/14) festgehalten sind, gestützt (vgl. S. 181). Auf Grund dieser Erhebungsergebnisse konnte es aber im Zuge seiner Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO) feststellen, daß der Beschwerdeführer seine Lebensgefährtin E im Zuge eines Streites gegen die rechte Gesichtshälfte geschlagen hat, wodurch die Genannte zu Sturz kam und sich Hautabschürfungen am linken Ellenbogen, somit eine leichte Verletzung, zuzog (S. 13), die der Meldungsleger an der Genannten wahrgenommen hat (S. 14 letzter Absatz). Aus dem Umstand, daß Monika E infolge des Schlagens zu Boden stürzte, konnte das Gericht - das dabei ohnedies berücksichtigt hat, daß E damals beträchtlich alkoholisiert war (S. 183, 193) - ohne Verstoß gegen Denkgesetze den Schluß ziehen, daß der Beschwerdeführer jedenfalls mit einer solchen Intensität zugeschlagen hat, die als 'kräftig' bezeichnet werden kann. Mit der eine Verletzung seiner Lebensgefährtin leugnenden Verantwortung des Beschwerdeführers hat sich das Gericht eingehend auseinandergesetzt und dargelegt, aus welchen überlegungen es dieser Verantwortung keinen Glauben geschenkt hat (S. 188 ff.). Was die Art der erlittenen Verletzung der Monika E betrifft, so wird dem Angeklagten schuldspruchmäßig die Zufügung einer Hautabschürfung am linken Ellenbogen angelastet (S. 180), was auch in den Urteilsgründen festgestellt wird (S. 183 unten/184 oben). Diese Verletzung findet aber sowohl in den Angaben der E

gegenüber dem Meldungsleger als auch in dessen eigener dienstlicher Wahrnehmung am Tatort (vgl. abermals S 13 und 14) Deckung. Daß das Gericht in den Urteilsgründen noch von weiteren Verletzungen spricht (S. 184 oben) hat insoweit mithin nur illustrative Bedeutung, zumal diese weiteren Verletzungen dem Angeklagten schuldspruchmäßig gar nicht angelastet werden, weshalb es der vom Beschwerdeführer vermißten diesbezüglichen Erörterung des Inhalts des amtsärztlichen Parere und der Krankengeschichte ON 33 nicht bedurfte, wozu kommt, daß der Polizeiamtsarzt - wie sich aus S. 163 ergibt - zur Prüfung der Voraussetzungen der Einweisung der Monika E in

psychiatrische Behandlung herangezogen wurde, nicht aber zur eingehenden Untersuchung der Genannten auf erlittene Verletzungen, während die Krankengeschichte des Psychiatrischen Krankenhauses diesbezüglich nur die Wiedergabe der Besprechung vom 9. September 1983, somit nicht einen im Krankenhaus aufgenommenen Befund, enthält. Die Polizeibeamten C und D haben in ihren Aussagen vor Gericht körperliche Verletzungen der Monika E keineswegs ausgeschlossen, sondern nur erklärt, hierüber selbst keine Wahrnehmungen gemacht zu haben, während der Zeuge B letztlich auf den - bereits erwähnten - Inhalt seiner Meldung verwiesen hat (S. 109).

Daß der Beschwerdeführer gegen Monika E mit Verletzungsvorsatz tätlich geworden ist, konnten die Tatrichter in freier Beweiswürdigung aus der Art des gegen die Genannte geführten Angriffs erschließen, ohne dadurch gegen Denkgesetze zu verstoßen oder ihrer diesbezüglichen überzeugung entgegenstehende Verfahrensergebnisse zu übergehen.

Die Beschwerde vermag somit in Ansehung des Schuldspruchs wegen Körperverletzung an Monika E keine formalen

Begründungsmängel aufzuzeigen; sie bekämpft mit ihrem Vorbringen vielmehr im Ergebnis nur die tatrichterliche Beweiswürdigung, in deren Rahmen es durchaus zulässig, oft sogar unumgänglich ist, Rückschlüsse auf die subjektive Einstellung des Täters aus dessen äußerem Vehalten zu ziehen (vgl. Mayerhofer-Rieder StPO 2 Nr. 62 zu § 258).

Das eben Gesagte gilt im übrigen auch für den weiteren Einwand des Beschwerdeführers, mit dem er die Feststellung als unzureichend begründet bekämpft, wonach er den Polizeibeamten D vorsätzlich am Körper verletzt hat (S. 187, 193). Auch diese Konstatierung zur subjektiven Einstellung des Angeklagten konnten die Tatrichter aus der Art der Tathandlung erschließen, wobei diese Schlußfolgerung vorliegend durch den Hinweis des Gerichtes (S. 194) auf die gewalttätige Veranlagung des Angeklagten gestützt wird. Die Mängelrüge versagt somit zur Gänze.

Jener Teil der Rechtsrüge nach § 281 Abs 1 Z. 10 StPO, welcher sich gegen die (vermeintliche) Unterstellung auch der Urteilstat B/a unter den Tatbestand der schweren Körperverletzung wendet, ist durch die erfolgte Angleichung der Urteilsausfertigung an den verkündeten Urteilsspruch (ON 43) gegenstandslos geworden, sodaß darauf nicht einzpgehen ist.

Der Einwand hingegen, zum Urteilsfaktum B/b habe das Gericht lediglich die Wissenskomponente des Vorsatzes, nicht jedoch dessen Willenskomponente festgestellt, weil es davon ausgehe, der Angeklagte habe die Verletzung des Polizeibeamten 'bewußt und billigend in Kauf genommen' (S. 187), weshalb das Urteil insoweit mit einem Feststellungsmangel behaftet sei, versagt deshalb, weil das Gesetz im § 5 Abs 1 StGB zwar für die Annahme bedingt vorsätzlichen Handelns eine positive innerliche Bewertung der als naheliegend erkannten Tatbildverwirklichung nicht fordert, eine solche (wie sie vorliegend durch die vom Erstgericht angenommene Billigung des Erfolgseintritts zugrundegelegt wurde) aber jedenfalls das Sich-Abfinden mit der Tatbildverwirklichung einschließt (vgl. 9 Os 193/81; Fleisch in ÖJZ. 1984, 309 FN. 3). Daß das Gericht mithin strengere Anforderungen an den bedingten (Verletzungs-)Vorsatz gestellt hat als dies nach dem Gesetz geboten gewesen wäre und diese strengeren Voraussetzungen als gegeben erachtet hat, gereicht dem Beschwerdeführer aber nicht zum achteil. Gleichfalls zu Unrecht wendet sich der Angeklagte mit seinen auf die Z. 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO gestützten Beschwerdeausführungen gegen die Beurteilung der Urteilstat A/ als (versuchter) Widerstand gegen die Staatsgewalt, indem er vermeint, bloßen 'Bagatellwiderstand' geleistet zu haben. Denn seine Tathandlungen gegen die Sicherheitswachebeamten haben durchaus dem Gewaltbegriff des StGB entsprochen, der nach ständiger Judikatur (vgl. Mayerhofer-Rieder StGB 2 Nr. 2 zu § 105;

Leukauf-Steininger Kommentar 2 § 269 RN. 12) die Anwendung nicht unerheblicher physischer Kraft in an sich zur überwindung eines wirklichen oder erwarteten Widerstandes geeigneter Intensität voraussetzt. Die Forderung nach Ausklammerung von Fällen eines 'Bagatellwiderstandes' (Schwaighofer in ÖJZ. 1981, 120 ff.) läuft zudem auf eine vom Strafgesetzgeber keineswegs gewollte Auflösung des einheitlichen strafrechtlichen Gewaltbegriffes hinaus (EBRV. 1971, 187), welche aus rechtspolitischen und dogmatischen Gründen abzulehnen ist (vgl. Liebscher in WrK, § 269 Rz 44; Kienapfel, BT I 2 § 105 RN. 11 bis 13). Davon abgesehen kann von einer besonders geringen Intensität der Gewaltanwendung im vorliegenden Fall nach den Urteilsfeststellungen nicht gesprochen werden.

Soweit der Beschwerdeführer darüber hinaus ein auf

Gewaltanwendung und auf Vereitelung einer Amtshandlung gerichtetes Vorhaben überhaupt bestreitet, weicht er vom Urteilssachverhalt ab und bringt solcherart den angerufenen materiellen Nichtigkeitsgrund nicht zur gesetzmäßigen Darstellung.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war deshalb zu verwerfen. Das Schöffengericht verurteilte den Angeklagten nach § 28, 269 Abs 1 erster Strafsatz StGB zu einer Freiheitsstrafe von 1 (einem) Jahr. Dabei wertete es als erschwerend das Zusammentreffen von drei Vergehen verschiedener Art, 21 einschlägige Vorstrafen, welche bereits so geartet sind, daß die Anwendung des Strafschärfungsrechtes gemäß § 39 StGB an sich zulässig gewesen wäre, und den relativ raschen Rückfall, als mildernd zog es hingegen in Betracht, daß es im Urteilsfaktum A/ beim Versuch geblieben ist. Mit seiner Berufung strebt der Angeklagte die Herabsetzung der Strafe an.

Der Berufung kommt keine Berechtigung zu.

Die vom Erstgericht festgestellten Strafzumessungsgründe bedürfen jedenfalls insoweit einer Korrektur, als von einem erschwerend ins Gewicht fallenden raschen Rückfall angesichts der Tatsache, daß die letzte Strafverbüßung am 7.Juni 1982 erfolgte und die neuen Straftaten rund 14 Monate später begangen wurden, nicht gesprochen werden kann. Hingegen liegen die vom Berufungswerber reklamierten weiteren Milderungsgründe nicht vor. In Ansehung der Tatbegehung in alkoholisiertem Zustand schlägt die gemäß § 35 StGB gebotene Vorwurfsabwägung im Hinblick auf das Vorleben des Angeklagten zu dessen Ungunsten aus, ebensowenig kann aber von einer als mildernd zu wertenden Tatverübung aus Erregung - womit ersichtlich gemeint ist, daß sich der Angeklagte in einer heftigen Gemütsbewegung zu den Taten hat hinreißen lassen - die Rede sein. Aber auch der Umstand, daß Monika E nur geringfügig verletzt wurde, stellt keine Milderungsgrund dar.

Wird bei der Gewichtung der Schuld des Angeklagten dessen durch eine Vielzahl einschlägiger Abstrafungen getrübtes Vorleben gebührend berücksichtigt, so kann von einem geringen Schuldgehalt seines Verhaltens nicht gesprochen werden. Gerade im Hinblick auf die vielen einschlägigen Vorstrafen und die Wirkungslosigkeit der bisher erlittenen Strafen erweist sich das vom Erstgericht gefundene Strafmaß als nicht überhöht, weshalb dem Begehren auf Strafreduzierung nicht nähergetreten werden konnte. Auch der Berufung mußte demnach ein Erfolg versagt bleiben. Die Kostenentscheidung fußt auf der bezogenen Gesetzesstelle.

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