Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Gemäß § 290 Abs 1 StPO wird das erstgerichtliche Urteil in dem Ausspruch über die Anrechnung der Vorhaft gemäß § 38 Abs 1 Z. 1 StGB dahin ergänzt, daß dem Angeklagten A auch die polizeiliche Verwahrungshaft vom 31. März 1983, 22,30 Uhr, bis 1. April 1983, 12,00
Uhr, angerechnet wird.
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Auf Grund des Wahrspruchs der Geschwornen wurde der am 11. August 1951 geborene Heinrich A mit dem angefochtenen Urteil der Verbrechen des schweren Raubes nach § 142 Abs 1, 143 (1. und 2. Fall) StGB und des schweren Diebstahls durch Einbruch nach § 127 Abs 1 und Abs 2 Z. 1, 128 Abs 2, 129 Z. 1 StGB schulig erkannt. Danach hat er in Graz als Beteiligter 1./ am 13. Februar 1983 in Gesellschaft (unbekannter Täter) dadurch, daß sie den zufällig mit seinem PKW zur Firma B zurückkehrenden Kraftfahrer dieser Firma, Karl C, zu Boden schlugen und ihn mit einer (unbekannten) Waffe bedrohten und ihn schließlich mit einem Telefonkabel fesselten, und aus dem Tresor der Firma B nach Aufschweißen desselben einen Bargeldbetrag von 290.987,21 S in verschiedener Währung an sich nahmen, Verfügungsberechtigten der Firma B mit Gewalt gegen eine Person fremde bewegliche Sachen mit Bereicherungsvorsatz weggenommen, wobei sie den Raub unter Verwendung einer Waffe verübten (Hauptfrage I);
2./ nachangeführte fremde bewegliche Sachen mit Bereicherungsvorsatz nachgenannten Personen weggenommen, indem sie in Gebäude einbrachen und teilweise auch durch Aufschweißen von Tresoren, und zwar a/ am 13. Februar 1983 einem Verfügungsberechtigten der Firma D einen Bargeldbetrag von 63.193,60 S; fünf Stangen Zigaretten im Wert von 800 S, zwei Kugelschreiber in unbekanntem Wert und einen Stereokassettenrecorder im Wert von 2.500 S (Hauptfrage II b); b/ am 29. März 1983 einem Verfügungsberechtigten der Firma E einen Bargeldbetrag von ca. 193.000 S, eine Lederjacke im Wert von 5.362 S, einen Pullover im Wert von 1.080 S, eine schwarze Lederbrieftasche im Wert von 600 S, einen Kugelschreiber Marke 'Parker' im Wert von 200 S, Zigaretten und Wechselgeld im Wert von 2.500 S (Hauptfrage II c).
Die Geschwornen haben die genannten, dem Schuldspruch zugrundeliegenden Hauptfragen jeweils einstimmig bejaht und die nach einem weiteren Diebstahl des Angeklagten A gerichtete Hauptfrage II a im Stimmenverhältnis 4 : 4 beantwortet, sodaß der Schwurgerichtshof insofern im Sinne der § 331, 336 StPO (unrichtig im Urteil zitiert: § 259 Z. 3 StPO) einen Freispruch zu fällen hatte, der in Rechtskraft erwuchs.
Den Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit einer auf § 345 Abs 1 Z. 3, 5 und 9 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.
Rechtliche Beurteilung
Unter Berufung auf die Nichtigkeitsgründe nach den Z. 3 und 5 des § 345 Abs 1 StPO wendet sich der Beschwerdeführer gegen die über Antrag des Staatsanwaltes (S. 271/II) erfolgte Verlesung des Protokolls über die Vernehmung der Zeugin Ingeborg F durch den Untersuchungsrichter (ON. 31). Der Verteidiger hatte sich nämlich gegen die Verlesung mit der Begründung ausgesprochen, aus dem Protokoll gehe nicht hervor, ob die Zeugin nur wiedergebe, was ihr der Angeklagte vom 'Hörensagen' (gemeint auf Grund der Vorhalte bei seiner kriminalpolizeilichen Vernehmung) mitgeteilt habe; dies sei aber von entscheidender Bedeutung. Der Schwurgerichtshof beschloß daraufhin die Verlesung des Protokolls ON. 31 gemäß § 252 Abs 1 Z. 1 StPO, weil die Vernehmung der Zeugin vor dem erkennenden Gericht wegen ihres unbekannten Aufenthaltes nicht bewerkstelligt werden könne (S. 272/II).
Dieser Vorgang ist weder mit dem vom Beschwerdeführer behaupteten, noch mit einem anderen Nichtigkeitsgrund behaftet. Nichtigkeit nach § 345 Abs Z.3 StPO bewirkt lediglich die Verlesung eines Schriftstückes über einen nach dem Gesetz nichtigen Vorerhebungsoder Voruntersuchungsakt in der Hauptverhandlung trotz der Verwahrung des Beschwerdeführers. Inwiefern die gegenständliche Vernehmung der Zeugin durch den Untersuchungsrichter nichtig sein sollte, wird aber weder vom Beschwerdeführer schlüssig dargetan, noch ist ein derartiger Vorgang aus dem Akt zu erkennen. Ein Verstoß gegen die Vorschrift des § 252 Abs 1 Z. 1 StPO kann aber mangels Zitierung dieser Norm in der taxativen Aufzählung der unter Nichtigkeitssanktion stehenden Verfahrensverstöße in der Hauptverhandlung auch keine Nichtigkeit nach der Z.4 des § 345 Abs 1 StPO bilden.
Die auf § 345 Abs 1 Z.5 StPO gestützte Verfahrensrüge muß aber schon deshalb versagen, weil der gegen die Verlesung der Zeugenaussage vorgebrachte Einwand, aus dem Protokoll ergäbe sich nicht eindeutig, ob der Beschwerdeführer die Tat (Hauptfrage I) zugegeben oder nur die ihm bei der Polizei vorgehaltenen Beschuldigungen wiedergegeben habe, einer überprüfung nicht standhält. Die Zeugin F wurde nämlich anläßlich ihrer Gegenüberstellung mit Heinrich A beim Untersuchungsrichter (ON. 12, S. 235 d verso/I) mit dessen in der Hauptverhandlung wiederholter Verantwortung konfrontiert und blieb trotzdem bei ihrer Aussage, A habe ihr gegenüber zugegeben, mit einem Begleiter den Einbruch bei der Firma B begangen zu haben (ON. 31, S. 458/I). Konkrete Anhaltspunkte dafür, daß die neuerliche Vernehmung dieser Zeugin nunmehr ein die gesamte Verfahrenslage (vgl. Zeugenaussage Ingrid G S. 229/II) noch zugunsten des Angeklagten beeinflussendes Ergebnis zeitigen könnte (LSK 1983/199), wurden aber nicht einmal behauptet. Im übrigen entsprach die Verlesung dieser Zeugenaussage der gesetzlichen Ermächtigung des § 252 Abs 1 Z. 1 StPO, da der Unmittelbarkeitsgrundsatz seine Grenze in der praktikablen Durchführbarkeit einer beantragten Beweiserhebung finden muß (SSt. 52/3). Da die Zeugin Ingeborg F trotz Ladung zur Hauptverhandlung nicht erschien (S. 195/II) und sowohl von dem zeugenschaftlich vernommenen Kriminalbeamten Johann H (S. 267/II) als auch von ihrem (früheren) Lebensgefährten, dem Zeugen Johann I (S. 263/II) deponiert wurde, daß deren derzeitiger Aufenthalt nicht ausgeforscht werden konnte (unbekannt sei), war nicht abzusehen, ob und wann diese Zeugin stellig gemacht werden kann.
Demgemäß hat der Beschwerdeführer inhaltlich des allein beweismachenden Hauptverhandlungsprotokolles gar keinen ausdrücklichen Antrag auf neuerliche Ladung nach Ausforschung dieser Zeugin gestellt. Eine gesetzwidrige Beeinträchtigung von Verteidgungsrechten ist daher bei dieser Sachlage nicht zu sehen. Dem Beschwerdeführer kann aber auch nicht gefolgt werden, wenn er den Nichtigkeitsgrund nach § 345 Abs 1
Z StPO darin erblicken will, daß er trotz des auf dem gleichen modus operandi beruhenden Anklagevorwurfes in einem Anklagefaktum (Hauptfrage II a) freigesprochen wurde, während er in den übrigen Fakten schuldiggesprochen wurde, was sich denklogisch widerspreche. Dieser Einwand verkennt, daß die diesen Nichtigkeitsgrund bewirkenden Mängel sich aus dem Wahrspruchselbst ergeben müssen, und nicht aus dem Vergleich dieses Wahrspruchs mit den Ergebnissen des Beweisverfahrens abgeleitet werden dürfen (SSt. 28/67, 33/25). Der Wahrspruch ist undeutlich, wenn sein Sinn nicht klar ist, unvollständig, wenn eine Frage zu Unrecht nicht beantwortet wurde, in sich widersprechend, wenn er mit den Denkgesetzen im Widerspruch steht, z.B. weil zwei einander ausschließende Fragen bejaht worden sind (13 0s 106/83). Keiner dieser Mängel ist gegeben. Die Hälfte der Geschwornen kam vielmehr auf Grund der Ergebnisse des Beweisverfahrens trotz gewisser Belastungsmomente zu der überzeugung, daß der Beschwerdeführer diesen einen (vor den übrigen Taten verübten) Einbruch nicht begangen hat. Diese Beweiswürdigung will der Beschwerdeführer in Wahrheit bekämpfen, was ihm aber die Prozeßordnung verbietet.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zur Gänze zu verwerfen. Das Urteil ist aber mit einem vom Beschwerdeführer nicht geltendgemachten, jedoch zu seinem Nachteil ausschlagenden materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrund (§ 345 Abs 1 Z. 13 StPO) behaftet, da sich Heinrich A vor Antritt einer Verwaltungsstrafe bereits vom 31. März 1983, 22,30 Uhr, bis 1. April 1983, 12,00 Uhr, in dieser Sache in polizeilicher Verwahrung befunden hat (S. 35, 43, 209/I). Diese unterlassene Vorhaftanrechnung war nach § 38 StGB von Amts wegen nachzuholen.
Der Geschwornensenat verurteilte Heinrich A nach dem ersten Strafsatz des § 143 StGB unter Bedachtnahme auf § 28 StGB zu einer Freiheitsstrafe von acht Jahren. Er wertete als erschwerend das Zusammentreffen mehrerer Verbrechen, die Wiederholung der Diebstähle, die zweifache Qualifikation nach § 143 StGB (Gesellschaft und Waffe) sowie die einschlägigen Vorstrafen, als mildernd nur die vernachlässigte Erziehung.
Dem auf Herabsetzung der Strafe gerichteten Berufungsbegehren kommt Berechtigung nicht zu.
Aus den Angaben des Zeugen C über den Tatbeitrag des Berufungswerbers beim Raub (Urteilsfaktum 1) kann schon deshalb eine untergeordnete Beteiligung (§ 34 Z. 6 StGB) nicht festgestellt werden, weil der kriminelle Unwert der Tat neben der Vermögensschädigung vor allem in der Gewaltausübung unter Verwendung einer Waffe zu erblicken ist, sodaß dem Umstand, daß der unbekannt gebliebene Raubgenosse den Tresor aufgeschweißt hat, keine strafmildernde Bedeutung für A zukommt. Da der ohnehin angenommene und in der Berufung neuerlich reklamierte Milderungsumstand der vernachlässigten Erziehung bei einem 32-jährigen, durch schwere Abstrafungen nicht resozialisierten Täter - wenn überhaupt (vgl. Leukauf-Steininger 2 , RN 5 zu § 34 StGB) - kaum ins Gewicht fällt, vermag die Berufung nichts aufzuzeigen, was eine Strafmilderung rechtfertigen könnte, zumal auch der Erschwerungsumstand des raschen Rückfalls nach der letzten Haftverbüßung (10.Jänner 1983) übersehen wurde.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.
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