Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Gemäß § 390 a StPO fallen der Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde die am 11.August 1969 geborene (demnach noch jugendliche) Angeklagte Heidi-Julia R*** des Vergehens des tätlichen Angriffes auf einen Beamten nach § 270 (Abs 1) StGB schuldig erkannt. Darnach hat sie am 14. Dezember 1985 in Wien (als Teilnehmerin an einer unangemeldeten und entgegen polizeilicher Aufforderung zur Räumung des Versammlungsortes fortgesetzten Demonstration) den Polizeibeamten Harald L*** während einer Amtshandlung (nämlich ihrer Abführung zum Arrestantenwagen) durch Schläge gegen den Körper sowie durch Tritte gegen die Schienbeine tätlich angegriffen.
Rechtliche Beurteilung
Die Angeklagte bekämpft den Schuldspruch mit einer auf die Z 4, 5, 9 lit a und b des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der keine Berechtigung zukommt. Eine Beeinträchtigung ihrer Verteidigungsrechte im Sinn des erstbezeichneten Nichtigkeitsgrundes (Z 4) erblickt die Beschwerdeführerin in der "Ablehnung" des von ihrem Verteidiger in der Hauptverhandlung am 24.November 1986 (S 166 idF des Berichtigungsbeschlusses vom 23.Jänner 1987, S 1 d verso und e des Antrags- und Verfügungsbogens) gestellten Antrages des Inhalts:
"Damit sich das Gericht vorstellen kann, daß die Angeklagte durchaus in Panik geraten konnte, und zwar durch das Einschreiten einer nachweislichen Übermacht von Uniformierten mit sogenannten mindergefährlichen Waffen, beantrage ich die ergänzende Einvernahme der Zeugen Insp. Harald L***, Insp. Franz B*** und Hauptmann E*** in ihrer kompletten Einsatzausrüstung incl. ihrer mindergefährlichen Waffen".
Das Schöffengericht hat zwar nach dem Inhalt des Hauptverhandlungsprotokolls die Beschlußfassung über diesen Beweisantrag der Angeklagten zunächst vorbehalten, ohne daß dessen spätere Erledigung aus dem Hauptverhandlungsprotokoll zu entnehmen ist; es hat allerdings in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils dargelegt, aus welchen Erwägungen es die begehrte Beweisaufnahme für entbehrlich hielt (S 174). Der Sache nach wurde durch die (formelle) Nichterledigung des bezeichneten Beweisantrages eine Urteilsnichtigkeit (Z 4) nicht bewirkt.
Denn das Beweisanbot - wie es formuliert wurde - zielte zunächst, wie sich schon aus dem Fehlen jeglichen Vernehmungsthemas ergibt, in Wahrheit gar nicht auf eine (zusätzliche) Befragung der bereits (eingehend) vernommenen Zeugen, sondern vordergründig auf die Verschaffung eines optischen Eindruckes von den Genannten (in Einsatzausrüstung mit Waffen) mit der dahinterliegenden Zielsetzung ab, die Tatrichter könnten aufgrund des Anblickes der so adjustierten Zeugen auch zur Vorstellung (gemeint: zur weiteren Annahme) gelangen, die Angeklagte sei zur Tatzeit angesichts zahlreicher bewaffneter Polizisten in Panik geraten und habe in diesem Zustand bloß reflexartig gehandelt. Damit aber war der Beweisantrag, wie das Erstgericht zutreffend erkannte, in Wahrheit nur auf den Nachweis einer durch die im Akt erliegenden Lichtbilder ohnedies bereits klargestellten, als notorisch zudem gar nicht beweisbedürftigen Tatsache - des Aussehens von bewaffneten, im Einsatz befindlichen Polizeibeamten - gerichtet, wogegen das eigentliche Beweisthema - hier die durch das Gesehene ausgelöste Empfindung - (jedenfalls) einer (solchen) Beweisführung gar nicht zugänglich war, sondern lediglich den Gegegenstand einer Schlußfolgerung bildete, die nach Ansicht der Beschwerde aus den nach Ansicht des Schöffengerichtes bereits klargestellten Umständen denkrichtig zu ziehen ist. Dabei übersieht die Beschwerdeführerin aber zum einen, daß die Reaktion auf einen derartigen Anblick durchaus nicht einheitlich, sondern persönlichkeitsspezifisch ist, und zum andern, daß das Schöffengericht die Möglichkeit einer Panikreaktion der Angeklagten ohnedies nicht von vornherein als undenkbar ausgeschlossen hat. Es hat vielmehr diese Frage unter Berücksichtigung der konkreten Tatumstände einer ausdrücklichen Erörterung unterzogen (vgl. S 174), gelangte jedoch (gemäß § 258 Abs 2 StPO) zur Überzeugung, daß eine derartige "nicht gesteuerte Panikreaktion" bei der Angeklagten nicht vorgelegen hat. Die Verfahrensrüge ist daher ebensowenig begründet, wie die darauf bezogenen Ausführungen in der Mängelrüge (Z 5), in denen die Beschwerdeführerin gegen diese Schlußfolgerungen der Tatrichter remonstriert. Insoweit bekämpft sie nämlich in Wahrheit - nach dem Gesetz unzulässig und damit unbeachtlich - die Beweiswürdigung des Schöffensenates nach Art einer Schuldberufung.
Soweit die Beschwerde in ihren weiteren Ausführungen zur Mängelrüge eine unzureichende bzw. unvollständige Begründung der Urteilskonstatierungen zur subjektiven Tatseite ins Treffen führt, übergeht sie, daß das Erstgericht sowohl die Feststellung, wonach die Angeklagte bei ihrer Abführung zum Arrestantenwagen vorsätzlich auf den Polizeibeamten L*** einzuschlagen und gegen dessen Schienbeine zu treten begonnen hat, wobei sie ihm mehrere Tritte und Schläge versetzte (S 172), als auch die Urteilsannahme, derzufolge es der Angeklagten möglich war, den Ort der Demonstration nach der darauf abzielenden Aufforderung durch die Polizei zu verlassen (S 173), unter Ablehnung ihrer gegenteiligen Verantwortung auf die für glaubwürdig erachteten übereinstimmenden (typische Mißhandlungsakte bekundenden) Aussagen der als Zeugen vernommenen Polizeibeamten Harald L***, Franz B*** und Herbert E*** gestützt hat (vgl. S 172 f. iVm mit S 92 f., 95, 97 f.), wodurch es seiner Begründungspflicht jedenfalls nachgekommen ist. Vom Fehlen einer (der Vorschrift des § 270 Abs 2 Z 5 StPO) entsprechenden Begründung bzw. vom Ersatz einer solchen durch die mehrfache Verwendung des (im Urteil ersichtlich verstärkend gebrauchten) Wortes "offenbar" kann demnach keine Rede sein.
Mit dem Einwand einer Aktenwidrigkeit in Ansehung jener Urteilspassage, laut welcher nicht einmal Gründe vorgebracht worden seien, die eine unrichtige Aussage der Polizeibeamten zumindest als denkbar erscheinen ließen (S 173), wendet sich die Beschwerdeführerin in Wahrheit dagegen, daß das Erstgericht die (teilweise) wörtliche Übereinstimmung mehrerer gegen (weitere) Demonstranten (vom 14.Dezember 1985) erstatteter Polizeianzeigen (vgl. ON 24) nicht als bedenklich angesehen hat. Damit macht sie aber weder eine Aktenwidrigkeit in der Bedeutung der Z 5 des § 281 Abs 1 StPO (worunter die unrichtige Wiedergabe des Inhaltes einer bei den Akten befindlichen Urkunde oder einer gerichtlichen Aussage in den Entscheidungsgründen zu verstehen wäre) noch einen andersgearteten Mangel der Urteilsbegründung geltend. Die Beschwerde bekämpft vielmehr - unter Verkennung der dem Erstgericht obliegenden Begründungspflicht, welches gemäß § 270 Abs 2 Z 5 StPO keineswegs gehalten ist, im Urteil jeden einzelnen von einem Angeklagten oder Zeugen vorgebrachten Satz einer besonderen Erörterung zu unterziehen und sich mit jedem gegen die tatrichterliche Beweiswürdigung möglichen, im Rahmen einer Nichtigkeitsbeschwerde konkret erhobenen Einwand im voraus auseinanderzusetzen, sofern es nur, wie vorliegend geschehen, jene Erwägungen anführt, aus welchen die Tatrichter den Zeugen Glauben schenkten - erneut in unzulässiger Weise die Beweiswürdigung des Jugendschöffensenates, indem sie solcherart die Beweiskraft der vom Erstgericht mit mängelfreier Begründung für glaubwürdig erachteten Aussage des Polizeibeamten L*** in Zweifel zu ziehen sucht; ein formaler Begründungsmangel (Z 5) wird dadurch nicht aufgezeigt.
Bei der Feststellungsmängel zur subjektiven Tatseite behauptenden Rechtsrüge (Z 9 lit a) übergeht die Beschwerde die anderslautenden, sich keineswegs nur in der Wiedergabe des Gesetzeswortlautes erschöpfenden Urteilskonstatierungen, wonach die an dem Polizeibeamten L*** während seiner Amtshandlung verübten Mißhandlungsakte - wie sich zudem schon aus der jeweiligen Wortbedeutung des "Versetzens von Schlägen und Tritten" ergibt - von der Beschwerdeführerin gewollt gesetzt worden sind (vgl. S 174). Diese Feststellungen reichen aber für die rechtliche Annahme (auch) der subjektiven Tatseite des Vergehens nach § 270 Abs 1 StGB - welches ein wenigstens bedingtes Wollen des tätlichen Angriffes, also einer unmittelbar auf den Körper zielenden Einwirkung (vgl. Leukauf-Steininger Kommentar 2 § 270 RN 3), gegen einen Beamten während einer Amtshandlung voraussetzt, deren Kenntnis die Angeklagte gar nicht in Abrede gestellt hat - durchaus hin. Schließlich liegt auch der den Strafausschließungsgrund der mangelnden Strafwürdigkeit der Tat gemäß § 42 Abs 1 StGB relevierende Nichtigkeitsgrund (Z 9 lit b) nicht vor. Wenn die Beschwerdeführerin in diesem Zusammenhang vermeint, daß ihre Schuld gering sei (§ 42 Abs 1 Z 1 StGB), weil sie infolge des Eingreifens der Polizeibeamten in Panik geraten und am Verlassen des Ortes der Demonstration gehindert worden sei, geht sie prozeßordnungswidrig nicht von den gegenteiligen, diese Verantwortung ablehnenden Urteilsannahmen (S 172, 173) aus. Auf deren Basis aber hat die Angeklagte - im Gegensatz zu anderen Teilnehmern der unangemeldeten Demonstration - der Aufforderung der Polizei zum durchaus möglichen Verlassen des Versammlungsortes keine Folge geleistet (vgl. abermals S 172, 173), dadurch den Polizeieinsatz geradezu (mit-)herausgefordert und schließlich mehrfach Tätlichkeiten in Form typischer Mißhandlungsakte gegen einen Polizeibeamten gesetzt. Bei dieser Sachlage kann von einem erheblichen Zurückbleiben des aktuellen Tatverhaltens hinter dem in der Strafdrohung des § 270 Abs 1 StGB typisierten Unrechts- und Schuldgehalt keine Rede sein (vgl. Leukauf-Steininger aaO § 42 RN 12). Da sohin bereits eine der (mehreren) Voraussetzungen des § 42 Abs 1 StGB fehlt, die zur Annahme einer mangelnden Strafwürdigkeit der Tat jedenfalls kumulativ vorliegen müßten, erübrigt es sich, auch noch auf deren weitere Erfordernisse - insbesondere spezial- und generalpräventiver Art - näher einzugehen.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.
Das Erstgericht verhängte über die Angeklagte keine Strafe, sondern schob den Ausspruch und die Vollstreckung der wegen der vorliegenden Jugendstraftat zu verhängenden Geld- oder Freiheitsstrafe gemäß § 13 Abs 1 JGG für eine Probezeit von drei Jahren vorläufig auf.
Als erschwerend zog es keinen Umstand in Betracht; hingegen nahm es den bisher ordentlichen Lebenswandel als mildernd an. Mit ihrer Berufung strebt die Angeklagte die Erteilung einer Ermahnung gemäß § 12 Abs 2 JGG oder aber eine Verkürzung der Probezeit (auf ein Jahr) an.
Der Berufung kommt keine Berechtigung zu.
Entgegen dem Berufungsvorbringen hat das Erstgericht die leugnende Verantwortung der Angeklagten keineswegs als Erschwerungsgrund heranzogen; es hatte allerdings (auch) diesen Umstand bei der (allgemeinen) Ermittlung der Strafbemessungstatsachen und der Prüfung der Präventionsbelange miteinzubeziehen.
Ausgehend von den vom Erstgericht sohin im wesentlichen vollständig festgesetzten wie auch zutreffend gewürdigten Strafzumessungsgründen erweist sich die ausgesprochene (echte) bedingte Verurteilung nach § 13 Abs 1 JGG und die mit drei Jahren bestimmte Dauer der Probezeit der tat- und persönlichkeitsbezogenen Schuld der Angeklagten durchaus entsprechend. Die - vom Jugendschöffengericht abgelehnte - Erteilung einer Ermahnung nach § 12 Abs 2 JGG mußte deshalb außer Betracht bleiben, weil angesichts der keineswegs geringen Schuld der Angeklagten - wobei zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Ausführungen bei Erörterung der Nichtigkeitsbeschwerde (zum Strafausschließungsgrund nach § 42 StGB) hingewiesen werden kann - und des dem Tatbestand des (versuchten) Widerstandes gegen die Staatsgewalt bereits nahekommenden Tatverhaltens keinesfalls mit einer - für die Erteilung einer Ermahnung nach § 12 Abs 2 JGG
vorauszusetzenden - (bloß) geringen Strafe das Auslangen hätte gefunden werden können. Eben diese Gründe standen auch einer Verkürzung der Probezeit entgegen.
Es war daher spruchgemäß zu erkennen.
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