OGH 9Os23/87

OGH9Os23/8718.3.1987

Der Oberste Gerichtshof hat am 18.März 1987 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Faseth als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Steininger, Dr. Horak, Dr. Lachner und Dr. Massauer als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Cortella als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Hubert F*** wegen Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Geschwornengerichtes beim Landesgericht Salzburg vom 5. November 1986, GZ 21 a Vr 1027/86-39, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Erster Generalanwalt Dr. Knob, des Angeklagten Hubert F*** und seines Verteidigers Dr. Horvatits zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung der Staatsanwaltschaft wird Folge gegeben und der Angeklagte zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt. Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Gemäß § 390 a StPO fallen ihm auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen (auch einen Teilfreispruch enthaltenden) Urteil wurde der am 26.November 1959 geborene Monteur Hubert F*** (zu Pkt. I. des Urteilssatzes) des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs. 1, 143 zweiter Fall StGB, (zu II.) des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB, (zu III.) des Verbrechens der Freiheitsentziehung nach § 99 Abs. 1 und Abs. 2 zweiter und dritter Fall StGB, (zu IV.) des Vergehens der Verleumdung nach § 297 Abs. 1 erster Fall StGB und (zu V.) des Vergehens des Diebstahls nach § 127 Abs. 1 StGB schuldig erkannt.

Der Angeklagte bekämpft diesen Schuldspruch mit einer ausschließlich auf die Z 6 des § 345 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde lediglich in dessen Punkt II. (Verbrechen des Mordes nach § 75 StGB). Darnach hat er am 5.April 1986 in Uttendorf die Elisabeth A*** vorsätzlich getötet, indem er ihr, als sie gefesselt und geknebelt regungslos in Bauchlage auf dem Boden lag, eine hanfgedrehte Schnur sowie eine Nylonstrumpfhose um den Hals legte und so heftig und so lange zusammenzog, daß es zu einem Bruch des linken oberen Schildknorpelhornes mit Unterblutungen des Gewebes "sowie der oberen Schildknorpelhörner und des Zungenbeines" (richtig: zwischen oberen Schildknorpelhörnern und Zungenbein - S 77/I, 141/II) und deshalb infolge Erstickens zum Tod der Elisabeth A*** kam.

Unter Hinweis auf seine Verantwortung in der Hauptverhandlung, wonach sein Zorn auf Elisabeth A*** immer ärger und größer geworden sei, weil sie ihm immer und überall - insbesondere wenn er Besuch hatte oder bei ihm das Telefon geläutet hatte - nachspioniert habe (S 90, 91, 92, 111/II), sowie auf die Angaben des Sachverständigen Univ.Prof. Dr. L***, nach welchen der Angeklagte aus psychiatrischer Sicht am Tag der Tat einen Aggressionsstau abreagierte (S 143/II) und wonach wahrscheinlich wochenlang ein Affektstau und eine mißmutige Stimmung vorlag (S 145/II), rügt der Beschwerdeführer das Unterbleiben einer Eventualfrage in Richtung des § 76 StGB. Seinen in der Hauptverhandlung gestellten Antrag, den Geschwornen eine derartige Frage vorzulegen, hatte der Schwurgerichtshof mit der Begründung abgewiesen, daß selbst unter Zugrundelegung eines heftigen Affektes eine Fragestellung nach § 76 StGB nicht indiziert sei, weil es am Erfordernis der allgemeinen Begreiflichkeit einer solchen Gemütsbewegung fehlte (S 149/II). Dies zu Recht:

Rechtliche Beurteilung

Der gegenüber Mord (§ 75 StGB) vom Gesetz mit geringerer Strafe bedrohte (privilegierte) Totschlag (§ 76 StGB) ist dadurch charakterisiert, daß sich der Täter zur vorsätzlichen Tötung eines anderen in einer allgemein begreiflichen heftigen Gemütsbewegung hinreißen läßt. Um - als objektives Kriterium des Totschlags - "allgemein begreiflich" zu sein, muß der für den spontanen Tatentschluß kausale und im Tatzeitpunkt noch nicht abgeklungene tiefgreifende Affekt des Täters derart entstanden sein, daß sich auch ein (rechtsgetreuer) Durchschnittsmensch vorstellen könnte, in derselben Situation - unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalles, jedoch unter Vernachlässigung solcher Faktoren, die bloß in einer psychisch abnormen Persönlichkeitsstruktur wurzeln (EvBl. 1976/119, ÖJZ-LSK 1978/199 ua) - gleichfalls in eine solche Gemütsverfassung zu geraten. Nicht die in diesem Ausnahmezustand gesetzte vorsätzliche Tötung eines Menschen, wohl aber die konkrete Gemütsbewegung des Täters in ihrer gesamten, auch zum Zurückdrängen verstandesmäßiger Erwägungen und zur Überwindung starker sittlicher Hemmungen geeigneten Dimension, also einschließlich ihrer tatkausalen Heftigkeit, unterliegt in Relation zu dem sie herbeiführenden Anlaß rechtsethischer Bewertung und muß für jedermann verständlich sein (vgl. Leukauf-Steininger, Kommentar 2 , § 76 RN 5 ff und die dort zitierte Judikatur; Kienapfel BT I 2 , § 76 RN 26 bis 31; EvBl. 1982/80, EvBl. 1982/167 u. v.a.).

Mit den oben erwähnten Hinweisen vermag der Beschwerdeführer jedoch - wie der Schwurgerichtshof zutreffend erkannt hat - selbst unter der Annahme, daß eine heftige Gemütsbewegung vorlag, deren allgemeine Begreiflichkeit im dargelegten Sinne nicht aufzuzeigen. Die in der Beschwerde betonte Ohnmacht gegenüber nachbarschaftlichen Nachstellungen der behaupteten Art kann keinesfalls eine psychische Situation bewirken, von der sich ein rechtsgetreuer Durchschnittsmensch vorzustellen vermag, auch er könnte deshalb in eine Emotion solchen Ausmaßes geraten, daß hiedurch die Überwindung jener starken sittlichen Hemmungen ermöglicht würde, die gegen die vorsätzliche Tötung eines Menschen vorauszusetzen sind. Die unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten war daher zu verwerfen.

Das Geschwornengericht verhängte über ihn nach §§ 28 (Abs. 1), 75 StGB 20 Jahre Freiheitsstrafe, wobei es als erschwerend die einschlägige Vorstrafe, das Zusammentreffen von drei Verbrechen und zwei Vergehen, die heimtückische Handlungsweise und die zweifache Qualifikation der Freiheitsentziehung; als mildernd hingegen das Teilgeständnis und die gerinfügige Schadensgutmachung durch Sicherstellung der Raubbeute wertete.

Gegen diesen Strafausspruch richten sich Berufungen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft. Ersterer strebt eine "deutliche" Herabsetzung des Strafausmaßes an, letztere beantragt die Verhängung einer lebenslangen Freiheitsstrafe.

Dazu hat der Oberste Gerichtshof erwogen:

Mit Recht hat das Geschwornengericht dem Angeklagten wegen seiner beiden Vorstrafen (von denen eine als Gewaltdelikt auf der gleichen schädlichen Neigung beruht wie die vorliegend abgeurteilten Verbrechen) den Milderungsgrund des bisher ordentlichen Lebenswandels abgesprochen. Daß sein Vorleben nicht schwerer belastet ist - worauf die Einrede des Berufungswerbers hinausläuft, in der Vergangenheit ohne gröbere Beanstandung gelebt zu haben - kann ihm ebensowenig als besonderer Milderungsgrund zugute gehalten werden wie der Umstand, daß er in seiner näheren Umgebung bisher nicht "negativ" aufgefallen ist.

Eine erhebliche Alkoholisierung zur Tatzeit vom Grade eines die Zurechnungsfähigkeit maßgeblich herabsetzenden Rauschzustandes wurde vom Angeklagten selbst in der Hauptverhandlung nicht mehr behauptet (S 98/II; vgl. S 111, 144/II), sodaß sich die Abwägungsfrage (§ 35 StGB) eines deshalb gegebenen Milderungsgrundes gar nicht stellt. Der dem Angeklagten - in bezug auf den Mord - vom Sachverständigen attestierte "erhebliche Affektstau" hinwieder kann auch nicht als Berufungsgrund berücksichtigt werden, weil der insoweit in Betracht kommende Milderungsgrund des § 34 Z 8

StGB - gleichwie der privilegierende Tatbestand des § 76 StGB - nur dann vorliegt, wenn der Täter sich in einer allgemein begreiflichen heftigen Gemütsbewegung zur Tat hat hinreißen lassen. Daß dies hier nicht der Fall war, wurde bereits im Rahmen der Erledigung der Nichtigkeitsbeschwerde ausführlich dargelegt.

Demgegenüber weist die Staatsanwaltschaft zutreffend darauf hin, daß der vom Geschwornengericht dem Angeklagten zugebilligte Milderungsumstand der geringfügigen Schadensgutmachung durch teilweise Sicherstellung der Raubbeute (27 DM) praktisch bedeutungslos ist, sodaß als einziger Milderungsgrund von Gewicht ein reumütiges Teilgeständnis verbleibt, das aber deshalb keine entscheidende Wirkung entfalten kann, weil von ihm in keiner Phase des Verfahrens der strafbestimmende Tötungsvorsatz umfaßt war. Überhaupt unberücksichtigt blieb, daß der Angeklagte die Tötung der Elisabeth A*** auf eine mit dem verbrecherischen Erfolg keineswegs notwendig verbundene grausame und brutale Weise (§ 33 Z 6 StGB) bewirkt hat und daß durch die Freiheitsentziehung das Leben des Peter A*** konkret gefährdet war (S 147/II), was selbst durch die Annahme der Qualifikationen nach dem zweiten und dritten Fall des § 99 Abs. 2 StGB nicht zur Gänze abgegolten erscheint. Im übrigen wurden die Strafbemessungsgründe vom Geschwornengericht zwar richtig aufgezählt, jedoch ihrem Gewicht nach nicht gebührend bewertet, wobei insbesondere dem Zusammentreffen eines Mordes mit zwei weiteren Schwerverbrechen schon an sich, zudem aber auch unter dem besonderen Aspekt maßgebliche Bedeutung zukommt, daß der Angeklagte nicht einmal angesichts des von ihm getöteten Menschen zur Einsicht kam, sondern völlig ungerührt noch die Heimkehr des Peter A*** abwartete, um sein verbrecherisches Vorhaben kaltblütig und überlegt zu vollenden.

Im Lichte all dieser Erwägungen erweist sich die personale Täterschuld des Angeklagten in Verbindung mit dem objektiven Gewicht der verschuldeten Rechtsgutverletzungen als derart schwer, daß mit der vom Geschwornengericht ausgesprochenen zeitlichen Freiheitsstrafe nicht mehr das Auslangen gefunden werden kann. In Stattgebung der Berufung der Staatsanwaltschaft hat daher der Oberste Gerichtshof in der Verhängung einer Freiheitsstrafe auf Lebensdauer eine angemessene Reaktion auf das Tatverhalten des Angeklagten erkannt.

Die Entscheidung über die Verfällung des Angeklagten in den Ersatz der Kosten des Rechtsmittelverfahrens ist eine gesetzliche Folge der getroffenen Sachentscheidungen (§ 390 a StPO).

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