OGH 9Os23/79

OGH9Os23/793.4.1979

Der Oberste Gerichtshof hat am 3. April 1979

unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Obauer und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Faseth, Dr. Friedrich, Dr. Steininger und Dr. Horak als Richter sowie des Richteramtsanwärters Mag. Santa als Schriftführerin in der Strafsache gegen Heinrich A wegen des Verbrechens der versuchten Notzucht nach §§ 15, 201 Abs 1 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Kreisgerichtes St. Pölten als Schöffengericht vom 5. September 1978, GZ 15 Vr 507/78-11, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Horak, nach Verlesung der schriftlichen Rechtsmittelausführungen des Angeklagten und nach Anhörung der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Gehart, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten wird verworfen. Der Berufung wird dahin Folge gegeben, daß die über den Angeklagten verhängte Freiheitsstrafe auf 1 (ein) Jahr herabgesetzt wird. Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 3. Juni 1938 geborene Hilfsarbeiter Heinrich A 1.) des Verbrechens der versuchten Notzucht nach §§ 15, 201 Abs 1 StGB, 2.) des Vergehens der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB schuldig erkannt, weil er am 7. Dezember 1977 in Türnitz die (damals 17-jährige) Renate B ad 1.) durch Zubodenwerfen und Festhalten, sowie durch die Drohung, er nehme sein Messer heraus und werde sie abstechen, somit mit Gewalt gegen ihre Person und durch eine gegen sie gerichtete Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben, widerstandsunfähig zu machen und sie in diesem Zustand zum ae. Beischlaf zu mißbrauchen versuchte; ad 2.) durch die - nach Scheitern der zu 1.) bezeichneten Tat geäußerte - gefährliche Drohung, er werde ihr ein Messer hineinrennen, wenn sie ihn anzeige, zur Unterlassung einer Anzeigeerstattung wegen des zu Pkt. 1.) dargestellten Vorfalls nötigte.

Allein den letztbezeichneten Schuldspruch wegen Vergehens der Nötigung bekämpft der Angeklagte mit einer ziffernmäßig auf den Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 10 (richtig: Z 9 lit. a) StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, mit welcher er den drohenden Charakter der ihm zum Vorwurf gemachten Äußerung im Sinne des § 74 Z 5 StGB verneint.

Rechtliche Beurteilung

Die Beschwerde ist jedoch unbegründet. Das Erstgericht hat die Rechtsfrage, ob die als erwiesen angenommene Drohung des Angeklagten gegen Renate B, dieser ein Messer hineinzurennen, wenn sie ihn anzeige - womit der Angeklagte den Urteilsannahmen zufolge die Unterlassung einer Anzeigeerstattung wegen seines unmittelbar vorher unternommenen Notzuchtsversuches an dem Mädchen erzwingen wollte und dies auch tatsächlich erreicht hat -, die Eignung aufwies, der solcherart Bedrohten (tätergewollt) begründete Besorgnisse einzuflößen, zutreffend bejaht:

Diese Eignung ist nach Maßgabe des § 74 Z 5 StGB auf die besonderen Umstände des Falles abzustellen, wobei entscheidend ist, ob die bedrohte Person nach den Gegebenheiten den Eindruck haben mußte, der Täter sei willens und in der Lage, das angedrohte Übel herbeizuführen.

Die Drohung muß also 'ernst gemeint scheinen', und demgemäß objektiv geeignet sein, die Bedrohte unter Berücksichtigung aller Begleitumstände der Tat in einen Zustand der Angst und Besorgnis zu versetzen; daß dieser Zustand wirklich herbeigeführt wurde oder gar die angekündigte Übelszufügung auch tatsächlich erfolgte, ist nicht erforderlich (vgl. LSK 1976/192, 1977/124;

Kienapfel, Grundriß I RN 803, 849/850; Leukauf-Steininger, 389; vgl. auch SSt. 46/64).

Das Vorliegen dieser Voraussetzungen wurde vom Erstgericht im gegenständlichen Fall ohne Rechtsirrtum angenommen. Die in Rede stehende, an sich drohende Äußerung des Angeklagten darf nicht isoliert, sondern muß, wie dies das Erstgericht auch getan hat, im Zusammenhang mit seinem unmittelbar vorangegangenen, nur infolge Dazwischenkunft eines fremden Hindernisses erfolglos gebliebenen Notzuchtsversuch an der damals erst 17-jährigen Renate B beurteilt werden, in dessen längerem, kampfartigen Verlauf der Angeklagte das von ihm zu Boden geworfene Mädchen gewürgt und mit dem Abstechen mit einem Messer bedroht hatte, um seinen Widerstand zu brechen. Berücksichtigt man dieses aggressive Verhalten des Angeklagten, sowie weiters - wie vom Erstgericht festgestellt - die örtliche und zeitliche Situation des Tatgeschehens (menschenleere, eis- und schneeglatte Landstraße gegen Mitternacht), die körperliche Überlegenheit des unter Alkoholeinfluß stehenden und dadurch enthemmten Angeklagten und dessen (allerdings von ihm selbst durch Beilegung des Spitznamens 'Messerstecher-Billi' begründeten) Ruf als Messerstecher (s. S. 33, 49 d. A) sowie daß die in evidenter Nötigungsabsicht erfolgende Androhung (zumindest) einer Körperverletzung vorlag, dann wird deutlich, daß Renate B durchaus den Eindruck gewinnen mußte, Heinrich A sei fähig und willens, die für den Fall der Anzeigeerstattung angekündigten üblen Folgen zu verwirklichen. Die Ernstlichkeit der Drohung und ihre (furchterregende) Eignung manifestierte sich schließlich darin, daß Renate B, wie das Erstgericht, gedeckt durch deren Angaben (s. S. 14, 28 unten und 54 d. A) gleichfalls konstatierte, auch tatsächlich in Furcht versetzt und von der Anzeigeerstattung (zunächst) abgehalten wurde.

Die unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen. Das Schöffengericht verhängte über den Angeklagten gemäß §§ 28, 201 Abs 1 StGB eine Freiheitsstrafe in der Dauer von 1 1/2 Jahren. Dabei wertete es als erschwerend das Zusammentreffen eines Verbrechens mit einem Vergehen, als mildernd hingegen, daß es in bezug auf das Verbrechen der Notzucht beim Versuch geblieben sei. Die Berufung des Angeklagten, mit der er eine Herabsetzung des Strafausmaßes anstrebt, ist begründet:

Das Erstgericht hat zwar die vorhandenen Strafzumessungsgründe im wesentlichen vollständig erfaßt; angesichts dessen jedoch, daß der 40-jährige Angeklagte bisher keine einschlägige Vorverurteilung erlitten hat und der Schuld- und Unrechtsgehalt seiner nunmehrigen Verfehlungen bei Berücksichtigung aller Einzelumstände vom Erstgericht offenbar überbewertet wurde, hat der Oberste Gerichtshof nach den allgemeinen Strafbemessungsgrundsätzen des § 32 StGB die verhängte Freiheitsstrafe in Stattgebung der Berufung auf das aus dem Spruch ersichtliche Ausmaß reduziert.

Die Kostenentscheidung beruht auf der bezogenen Gesetzesstelle.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte