OGH 9Os199/78

OGH9Os199/7826.6.1979

Der Oberste Gerichtshof hat am 26. Juni 1979 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Obauer und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Faseth, Dr. Friedrich, Dr. Steininger und Dr. Horak als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Maukner als Schriftführer in der Strafsache gegen Walter A wegen des Vergehens der falschen Beurkundung im Amt nach § 311 StGB über die von dem Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 6. November 1978, GZ 7 b Vr 7369/78-7, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Horak, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Peter Ringhofer und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Strasser, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 11. September 1935 geborene Walter A des Vergehens der falschen Beurkundung im Amt nach § 311 StGB schuldig erkannt, weil er bis Ende Mai oder Anfang Juni 1978 als Gendarmeriebeamter des Postens Vösendorf mit dem Vorsatz, daß die Urkunde im Rechtsverkehr, nämlich durch Vorlage an den Postenkommandanten zum Beweis einer Tatsache gebraucht werde, in einer öffentlichen Urkunde, deren Ausstellung in den Bereich seines Amtes fiel, nämlich im Eingangsbuch des Postens, dadurch, daß er wahrheitswidrig bei dem Gegenstand 'Verkehrsunfall Helmut B, laufende Zahl 2701' handschriftlich vermerkte '10.9..... BG und BH angezeigt', Tatsachen, nämlich Zeit und Art der - tatsächlich nicht erfolgten - Erledigung, fälschlich beurkundet hatte. Nach den wesentlichen Urteilsfeststellungen ereignete sich am 14. Mai 1977 im Gemeindegebiet von Vösendorf ein Verkehrsunfall, bei welchem Edith C Verletzungen erlitt. Die Verletzungsanzeige des Landeskrankenhauses Mödling mit zwei vom Gendarmeriepostenkommando Guntramsdorf aufgenommenen Niederschriften langte am 2. Juni 1977 beim örtlich zuständigen Gendarmeriepostenkommando Vösendorf ein und wurde dort unter der E Nr. 2701/77 in das sogenannte 'Eingangsbuch' (Gend.Lager Nr. 8) eingetragen.

Der Postenkommandant teilte diese Anzeige am 3. Juni 1977 dem Angeklagten zur Erledigung zu. Dieser unterließ nun zwar in der Folge aus Überlastung jede weitere Amtshandlung, beurkundete jedoch in der Spalte 'Zeit und Art der Erledigung' des Eingangsbuchs zur ENr. 2701 wahrheitswidrig:

'10.9. BG und BH angezeigt', womit die Erstattung der Anzeige gegen den Verdächtigen Helmut B an das Bezirksgericht Mödling und an die Bezirkshauptmannschaft Mödling vorgetäuscht werden sollte. Infolge tatsächlichen Unterbleibens dieser Anzeigen ist Verjährung eingetreten.

Dieses Urteil ficht der Angeklagte mit Nichtigkeitsbeschwerde an, in welcher er sich unter ziffernmäßiger Geltendmachung der Z 5 und 9 lit. a des § 281 Abs 1 StPO gegen die Beurteilung des Eingangsbuches als öffentliche Urkunde und gegen deren Zweckbestimmung zur Verwendung in Rechtsverkehr (i. S. des § 311 StGB) wendet.

Rechtliche Beurteilung

Soweit er in Ausführung des letztangeführten Nichtigkeitsgrundes die Behauptung aufstellt, das Eingangsbuch des Gendarmeriepostenkommandos Vösendorf sei deshalb keine öffentliche Urkunde, weil es sich bei einem Gendarmeriepostenkommando um keine Behörde handle, ist ihm zu entgegnen:

Da der Begriff der öffentlichen Urkunde im Strafgesetzbuch - anders als etwa im Allgemeinen Verfahrensgesetz (AVG 1950), das im § 47 auf die Vorschriften der Zivilprozeßordnung verweist - nicht definiert ist, muß auf die diesbezüglichen Bestimmungen der Zivilprozeßordnung (§§ 292, 293 Abs 1) zurückgegriffen werden (vgl. auch Dokumentation zum StGB, S 201). Die ratio legis verbietet es allerdings, diese Bestimmungen unmittelbar in das materiellrechtliche Gebiet des Strafgesetzbuches zu übertragen. Denn während im Bereich des Zivilrechts der Begriff der Behörde als Rechtsträger den Umfang der durch die Beweisregel des § 292 Abs 1 ZPO bewirkten Durchbrechung des Grundsatzes der freien Beweiswürdigung bestimmt (was gewiß eine eher restriktive Interpretation des Behördenbegriffs angezeigt erscheinen läßt), steht im strafrechtlichen Bereich - für den das Prinzip der materiellen Wahrheitsforschung gilt, das Beschränkungen der freien Beweiswürdigung auch durch die Wahrheitsvermutung des § 292 Abs 1 ZPO verbietet (Lohsing-Serini 278) -

die Reinheit der Amtsführung des einzelnen Beamten und der Schutz des Vertrauens der Bevölkerung in die Zuverlässigkeit von Urkunden und Beglaubigungszeichen, die von Beamten innerhalb ihres Amtskreises verfertigt oder angebracht werden (vgl. §§ 225 und 311 StGB), im Vordergrund und es kommt demnach hier auf die Tätigkeit an, die der beurkundende oder beglaubigende Beamte in seinem Amtskreis konkret entfaltet. Im materiellen Strafrecht ist demnach eine öffentliche Urkunde nicht nur dann anzunehmen, wenn sie unmittelbar von einer Behörde im staats- und verwaltungsrechtlichen Sinn stammt, sondern auch dann, wenn sie von einem Beamten ausgestellt wird, der zwar organisatorisch und dienstrechtlich keiner Behörde angehört, auf Grund eines ihm von der Behörde zulässigerweise übertragenen Mandats, sozusagen als deren verlängerte Hand, derartige Urkunden jedoch ausstellen darf. Ein solches Abgehen von dienstrechtlichen Positionen und formellen Behörden-Organisationsbestimmungen und die Orientierung nach den Funktionen des Agierenden ist im Strafrecht übrigens durchaus nicht neu. Sie ist vielmehr im Strafgesetzbuch selbst begründet, das schon im § 74 Z 4 auf die Funktion des Handelnden abstellt (vgl. ÖJZ-LSK 1977/377) und auch im § 151 Abs 3 einen auf die Strafverfolgungsbehörden eingeengten, zugleich aber auch auf die mit den Funktionen der Strafverfolgung betrauten öffentlichen Sicherheitsorgane erweiterten Behördengriff kennt. In diesem Sinne wird ferner in der Rechtsprechung auch der Standpunkt vertreten, daß ein sowohl mit Agenden der Hoheits- als auch der Privatwirtschaftsverwaltung, sohin mit verschiedenen Funktionen, befaßter Beamter dann Mißbrauch der Amtsgewalt zu verantworten hat, wenn er auch nur in einer Phase des Tatgeschehens in obrigkeitlicher Funktion, also im Verhältnis von Über- und Unterordnung tätig geworden ist (vgl. dazu 9 Os 67/78 u.a.). Für die Richtigkeit dieser Ansicht sprechen auch folgende Überlegungen:

Gemäß § 102 Abs 5 KFG 1967 hat nach dem Verlust des Führerscheins, des Zulassungsscheins usw. entweder 'die Behörde' oder 'die nächste Dienststelle des öffentlichen Sicherheitsdienstes', bei der der Verlustträger dies beantragt, eine Bestätigung über die Verlustanzeige auszustellen, die sodann innerhalb bestimmter Fristen den Führerschein, den Zulassungsschein usw. ersetzt. Obwohl diese Bestätigung, wenn sie (bloß) von einer (Sicherheits-) Dienststelle ausgestellt wird, nicht von einer Behörde im technischen Sinn stammt, besteht kein Zweifel, daß es sich dabei um eine öffentliche Urkunde im Sinne des § 224

StGB handelt. Ähnliches gilt auch für die gemäß § 51 Abs 2 KFG 1967 auszustellende Bestätigung über den Verlust von Kennzeichentafeln, die ebenfalls von einer (bloßen) Sicherheitsdienststelle stammen kann. Endlich wurden seit jeher - und mit Recht - postamtlich bestätigte Erlagscheine usw. als öffentliche Urkunden gewertet (vgl. zuletzt in bezug auf Postaufgabebücher ÖJZ-LSK 1979/25), obwohl Postämter als solche keinen Behördencharakter besitzen (der vielmehr erst den Post- und Telegrafendirektionen zukommt).

Der gegen die Annahme der Behördenqualifikation eines Gendarmeriepostenkommandos als Voraussetzung für die Beurteilung einer von einem deren Organwalter errichteten Urkunde als öffentliche Urkunde erhobene Beschwerdeeinwand geht daher fehl (vgl. auch den ähnlich gelagerten Fall RZ 1976 Nr. 5).

Nicht anders verhält es sich mit der weiteren Einwendung der Rechtsrüge, wonach es in Ansehung des Eingangsbuches an dem für öffentliche Urkunden vorgeschriebenen Erfordernis der Errichtung 'in der vorgeschriebenen Form und nach einem im Gesetz vorgeschriebenen Verfahren' mangle.

Dem ist zu erwidern, daß sich die Frage, ob eine öffentliche Urkunde in der vorgeschriebenen Form errichtet wurde, überhaupt nur dann stellt, wenn solche Formvorschriften (in Gesetzen, Rechts- oder Verwaltungsverordnungen) bestehen und die mit der Urkundenausstellung verknüpften Rechtsfolgen von der Einhaltung solcher Vorschriften abhängen. Bei behördeninternen Unterlagen, wie sie bereits Gegenstand einschlägiger oberstgerichtlicher Judikatur waren, etwa bei Eintragungen in ein amtsinternes Register (einer Baubehörde) oder in ein Postbuch eines Gendarmeriepostenkommandos, in eine Fernsprechliste (eines Postamtes), bei Berichten an die Oberbehörden oder bei Sammelausweisen des Bundesheeres über verlorenes oder beschädigtes Wirtschaftsgut (vgl. 10 Os 123/ 78; RZ 1976 Nr. 5; EvBl. 1977/185; 12 Os 54/78 = ÖJZ-LSK 1979/42; 11 Os 190/78), ist für die Beurteilung als öffentliche Urkunde jedoch weder das Bestehen bestimmter Formvorschriften noch die Einhaltung besonderer Förmlichkeiten essentiell.

Bei dem Eingangsbuch der Gendarmerie handelt es sich, wie gerichtsnotorisch ist, um das Register der Gendarmeriedienststellen, in welchem u.a. insbesondere die von der Gendarmerie bearbeiteten Anzeigen unter fortlaufenden Zahlen, der Angabe des Datums ihres Einlangens, des Anzeigers, des Angezeigten, des Gegenstandes der Anzeige und des Zeitpunktes und der Art ihrer Erledigung in Evidenz gehalten werden. So scheint etwa auch die gegenständliche Strafanzeige gegen den Beschwerdeführer im Eingangsbuch des Landesgendarmeriekommandos für Niederösterreich unter der 'ENr. 1085/78' auf (vgl. S 5).

Angesichts dieser im gesamten Bundesgebiet von den Gendarmeriedienststellen geübten tatsächlichen internen Registerführung ist aber entgegen der Beschwerdeansicht im Sinne der obigen Ausführungen eine nähere Erörterung der hiefür bestehenden Vorschriften, mögen diese nun allenfalls in einem Gesetz im materiellen Sinn oder in einer bloßen Verwaltungsverordnung bestehen, entbehrlich.

Deshalb erübrigt sich auch ein Eingehen auf die Beschwerdeausführungen, soweit sie dem Ersturteil, das unter Hinweis auf die im Eingangsbuch aufscheinende Bezeichnung der Österreichischen Staatsdruckerei 'Gend-Lager-Nr. 8' davon ausging, daß die Führung des Eingangsbuches 'erlaßmäßig geregelt' sei (vgl. S 66 ff.), im gegebenen Zusammenhang unter der Z 5 des § 281 Abs 1

StPO einen Begründungsmangel sowie in der Rechtsrüge einen Feststellungsmangel in Ansehung der für die Registerführung maßgebenden Vorschriften zum Vorwurf machen.

Das Erstgericht hat mithin zu Recht die Eintragungen in das Eingangsbuch des Gendarmeriepostenkommandos als Beurkundung in einer öffentlichen Urkunde beurteilt.

Mit seinem die Tatbildlichkeit der unrichtigen Eintragung im Eingangsbuch im Sinne des Vergehens des § 311

StGB bestreitenden Vorbringen schließlich, wonach die Zweckbestimmung der Eintragung nicht in der Verwendung im Rechtsverkehr, sondern in der bloßen 'verwaltungsinternen Evidenz' über die Erledigung bestanden habe, verkennt der Beschwerdeführer das Wesen des in subjektiver Hinsicht zur Erfüllung des Tatbestandes nach § 311 StGB geforderten Vorsatzes des Täters, daß die Urkunde im Rechtsverkehr zum Beweis eines Rechtes, eines Rechtsverhältnisses oder einer Tatsache gebraucht werde. Denn angesichts dessen, daß unter dem Gebrauch einer Urkunde im Rechtsverkehr jede mit Rücksicht auf deren Inhalt rechtserhebliche Verwendung, wenn nur zwischen Urkunden, Inhalt und Gebrauch ein Kausalzusammenhang besteht, zu verstehen ist (vgl. ÖJZ-LSK 1978/204, 1979/24 u.a.), kann vorliegendenfalls ein derartiger ursächlicher Zus,mod

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,mod Rechtsverkehr zum Beweis eines Rechtes, eines Rechtsverhältnisses oder einer Tatsache gebraucht werde. Denn angesichts dessen, daß unter dem Gebrauch einer Urkunde im Rechtsverkehr jede mit Rücksicht auf deren Inhalt rechtserhebliche Verwendung, wenn nur zwischen Urkunden, Inhalt und Gebrauch ein Kausalzusammenhang besteht, zu verstehen ist (vgl. ÖJZ-LSK 1978/204, 1979/24 u.a.), kann vorliegendenfalls ein derartiger ursächlicher Zusammenhang zwischen der fälschlichen Beurkundung der Anzeigeerstattung an das Bezirksgericht und an die Bezirkshauptmannschaft Mödling einerseits und dem hiemit vom Beschwerdeführer verfolgten Zweck andererseits, nämlich das Unterbleiben der Anzeigeerstattung an Bezirksgericht und Bezirkshauptmannschaft im Rahmen der einem gerichtlichen oder verwaltungsbehördlichen Strafverfahren vorangehenden Gendarmerieerhebungen zu verschleiern, keinesfalls negiert werden. Abgesehen davon ist im übrigen nach ständiger oberstgerichtlicher Rechtsprechung - der Beschwerdeauffassung zuwider - weder für die Qualifikation einer Urkunde als öffentliche Urkunde noch für die Entscheidung der Frage ihrer Verwendung im Rechtsverkehr von Bedeutung, ob der Urkundengebrauch nur allgemein zu amtsinternen Zwecken oder im besonderen gegenüber Vorgesetzten oder Behörden erfolgt oder erfolgen soll (vgl. EvBl. 1977/185, 1978/ 60; 12 Os 54/78; 11 Os 190/78). Als keine entscheidungswesentlichen Tatsachen betreffend scheitert damit auch der weitere, ziffernmäßig unter dem Nichtigkeitsgrund der Z 5 des § 281 Abs 1 StPO erhobene Beschwerdeeinwand, wonach das Ersturteil eine Begründung dafür unterlasse, aus welchen Beweismitteln es zum Ergebnis gekommen sei, daß die primäre Zweckbestimmung des Eingangsbuchs in der 'Funktion als Grundlage für Kontrollen der Vorgesetzten' bestehe. Da das Erstgericht somit das mängelfrei festgestellte Verhalten des Beschwerdeführers rechtsrichtig dem Tatbild des Vergehens der falschen Beurkundung nach § 311

StGB unterstellt hat, war der zur Gänze unbegründeten Nichtigkeitsbeschwerde der Erfolg zu versagen.

Das Erstgericht verurteilte den Angeklagten gemäß §§ 37 Abs 1, 311 StGB zu einer Geldstrafe im Ausmaß von 120 Tagessätzen zu je 140,-

S, im Falle der Uneinbringlichkeit zu 60 Tagen Ersatzfreiheitsstrafe. Dabei wertete es als erschwerend keinen Umstand, als mildernd hingegen das Geständnis, den bisherigen ordentlichen Lebenswandel und eine dienstliche Überlastung des Angeklagten.

Die Berufung, mit der der Angeklagte eine Herabsetzung der Anzahl

der Tagessätze anstrebt, ist nicht begründet.

Dafür, daß der Angeklagte die Tat aus Furcht (§ 34 Z 4) oder nur aus Unbesonnenheit (§ 34 Z 7 StGB) begangen habe, sind dem Akte keine Anhaltspunkte zu entnehmen. Das Erstgericht hat daher den Angeklagten keinen Milderungsumstand vorenthalten, vielmehr die vorhandenen Strafzumessungsgründe vollständig erfaßt. Es hat sie aber nach Ansicht des Obersten Gerichtshofes auch zutreffend gewürdigt und über den Angeklagten eine Strafe verhängt, die dem Schuld- und Unrechtsgehalt der von ihm gesetzten Verfehlung durchaus gerecht wird. Für eine Herabsetzung der Strafe bestand mithin kein Anlaß.

Die Kostenentscheidung beruht auf der bezogenen Gesetzesstelle.

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