OGH 9Os194/82

OGH9Os194/8218.1.1983

Der Oberste Gerichtshof hat am 18. Jänner 1983 unter dem Vorsitz des Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Obauer und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Steininger, Dr. Horak, Dr. Reisenleitner und Dr. Felzmann als Richter, sowie des Richteramtsanwärters Dr. Mangi als Schriftführer in der Strafsache gegen Massimo A wegen des Verbrechens des Diebstahls durch Einbruch nach § 127 Abs. 1 und Abs. 2 Z 1, 129 Z 1 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die von der Generalprokuratur gegen den Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck vom 8. Juli 1982, GZ 35 Vr 106/78-42, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Horak, und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Presslauer, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Im Strafverfahren AZ 35 Vr 106/78 des Landesgerichtes Innsbruck gegen Massimo A ist durch den Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck vom 8. Juli 1982, GZ 35 Vr 106/

78-42, insoweit gemäß § 53 Abs. 1 (richtig: Abs. 2) StGB die im Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 1. März 1978, GZ 35 Vr 106/78-33, mit drei Jahren bestimmte Probezeit auf fünf Jahre verlängert wurde, das Gesetz in der Bestimmung des § 56 StGB verletzt.

Dieser Ausspruch wird aufgehoben.

Text

Gründe:

I. Mit Urteil des Einzelrichters des Landesgerichtes Innsbruck vom 1. März 1978, GZ 35 Vr 106/78-33, wurde der am 8. Oktober 1954 geborene Massimo A wegen Verbrechens des Diebstahls durch Einbruch nach § 127 Abs. 1 und Abs. 2 Z 1, 129 Z 1 StGB und Vergehens des unbefugten Gebrauches von Fahrzeugen nach § 136 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von acht Monaten verurteilt; gemäß § 43 Abs. 1 StGB wurde ihm diese Freiheitsstrafe für eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen. Das Urteil erwuchs am Tage seiner Verkündung in Rechtskraft, sodaß die Probezeit mit diesem Tag zu laufen begann und mit Ablauf des 1. März 1981 endete (§ 68 StGB).

Mit dem in Ansehung des Massimo A seit 28. April 1982 rechtskräftigen Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Schöffengericht vom 19. März 1982, GZ 35 Vr 3039/81-53, wurde der Genannte des Verbrechens nach § 12 Abs. 1 SuchtgiftG, des Vergehens nach § 16 Abs. 1 Z 2 SuchtgiftG, des Vergehens der Unterschlagung nach § 134 Abs. 1 StGB, des Finanzvergehens der Abgabenhehlerei nach § 37 Abs. 1 lit a FinStrG sowie des Finanzvergehens des Schmuggels nach § 35 Abs. 1 FinStrG schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe sowie zu Geldstrafen verurteilt. Die in diesem Verfahren abgeurteilten Straftaten wurden mit einer Ausnahme entweder vor Beginn (1. März 1978) oder nach Ablauf (1. März 1981) der im erstgenannten Strafverfahren 35 Vr 106/78 des Landesgerichtes Innsbruck bestimmten dreijährigen Probezeit verübt. In diese Probezeit fiel nur ein Faktum des Vergehens nach § 16 Abs. 1 Z 2 SuchtgiftG, welches nach den Urteilsannahmen in der Zeit vom Juni 1977 bis August 1981 durch Erwerb und Besitz unbekannter Mengen Heroin begangen worden war (Punkt II/5 des Urteilssatzes).

Im Hinblick auf die neuerliche Verurteilung des Massimo A beantragte die Staatsanwaltschaft im Strafverfahren 35 Vr 106/78 des Landesgerichtes Innsbruck den Widerruf der bedingten Strafnachsicht, wobei sie davon ausging, daß das Strafverfahren wegen des erwähnten, in der Probezeit verübten Deliktes bereits bei Ablauf der Probezeit anhängig gewesen sei (S 299 und 302 d.A).

Mit Beschluß vom 8. Juli 1982, GZ 35 Vr 106/78-42, sah der Einzelrichter des Landesgerichtes Innsbruck von einem Widerruf der bedingten Strafnachsicht ab und verlängerte gleichzeitig gemäß § 53 Abs. 1 (gemeint: Abs. 2) StGB die mit drei Jahren bestimmte Probezeit auf fünf Jahre. In der Begründung dieser Entscheidung vertrat das Gericht zunächst den weder mit der Annahme der Voraussetzungen einer Probezeitverlängerung gemäß § 53 Abs. 2 StGB noch mit dem Spruch und den Gründen des Urteiles des Landesgerichtes Innsbruck vom 19. März 1982, GZ 35 Vr 3039/81-53, zu vereinbarenden Standpunkt, der Verurteilte habe in der Probezeit überhaupt nicht delinquiert, nahm dann allerdings im Ergebnis doch eine in diesem Zeitraum verübte strafbare Handlung und eine diesbezügliche Verfahrensanhängigkeit bei Ablauf der Probezeit an. Nach Ansicht des Gerichtes sprachen aber besondere Gründe dafür, daß der Rechtsbrecher in Zukunft keine weiteren Straftaten begehen werde. Deshalb wurde gemäß § 53 Abs. 1 StGB vom Widerruf der bedingten Strafnachsicht abgesehen, jedoch unter Heranziehung der Ermessensbestimmung des § 53 Abs. 2 StGB die Probezeit auf fünf Jahre verlängert.

Gegen diesen Beschluß erhob die Staatsanwaltschaft eine Beschwerde, mit der sie den Widerruf der bedingten Strafnachsicht anstrebte. Das Oberlandesgericht Innsbruck gab mit Beschluß vom 12. Oktober 1982, 3 Bs 365/82, diesem Rechtsmittel keine Folge.

Rechtliche Beurteilung

II. Der im Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck vom 8. Juli 1982, GZ 35 Vr 106/78-42, enthaltene Ausspruch über die Verlängerung der Probezeit auf fünf Jahre blieb unangefochten. Er steht jedoch - wie das Oberlandesgericht Innsbruck in seiner Beschwerdeentscheidung zutreffend aufzeigt -

mit dem Gesetz nicht im Einklang:

Gemäß § 56 StGB kann das Gericht wegen einer vom Verurteilten während der Probezeit begangenen strafbaren Handlung den Widerruf der bedingten Strafnachsicht oder die Verlängerung der Probezeit oder eine andere im § 53 Abs. 2

StGB vorgesehene Maßnahme spätestens noch innerhalb von sechs Monaten nach Ablauf der Probezeit oder nach Beendigung eines bei deren Ablauf gegen den Rechtsbrecher anhängig gewesenen Strafverfahrens verfügen.

Vorliegend war für die Beurteilung der Zulässigkeit des Verlängerungsbeschlusses maßgebend, ob das Verfahren 35 Vr 3039/81 des Landesgerichtes Innsbruck wegen eines in der Probezeit begangenen und nunmehr rechtskräftig abgeurteilten Delikts bei Ablauf der Probezeit (1. März 1981) anhängig gewesen und demnach bis zu diesem Zeitpunkt eine gerichtliche Maßnahme zur Aufklärung dieser Straftat gesetzt worden war (Leukauf-Steininger, Komm zum StGB2, RN 4 zu § 56 in Verbindung mit RN 20 ff zu § 58). Diese Bedingung ist jedoch nicht erfüllt:

Das Verfahren 35 Vr 3039/81 des Landesgerichtes Innsbruck wurde erst am 19. August 1981 gerichtsanhängig (S 1 d. A); ebenso erfolgte die Einleitung des aktenmäßig unter ON 30 einbezogenen Verfahrens 20 E Vr 1156/81 des Landesgerichtes Salzburg erst nach dem Ende der Probezeit. Aus dem letztgenannten Akt ergibt sich zwar, daß mit dieser Strafsache andere Verfahren durch Einbeziehung vereinigt wurden, von denen eines bereits am 1. März 1981 anhängig war. Es handelt sich dabei um die Strafsache 10 U 558/81 (ursprünglich 18 U 369/78) des Bezirksgerichtes Innsbruck gegen Massimo A wegen Vergehens nach § 9 Abs. 1 Z 2 SuchtgiftG a F, welche ursprünglich am 1. Februar 1978 aus dem Verfahren 35 Vr 106/78 des Landesgerichtes Innsbruck - in welchem es am 1. März 1978 zu dem eingangs erwähnten, eine bedingte Strafnachsicht mit dreijähriger Probezeit enthaltenden Straferkenntnis kam - ausgeschieden worden war und demnach nur vor diesem Urteil und damit vor der Probezeit begangene Delikte betroffen hatte (ON 4 in ON 30 des Aktes 35 Vr 3039/81 des Landesgerichtes Innsbruck). Gegenstand des Verfahrens 10 U 558/81 des Bezirksgerichtes Innsbruck war somit gar keine strafbare Handlung, die innerhalb der Probezeit begangen wurde, weshalb aus der Anhängigkeit dieser Strafsache bei Ablauf der Probezeit und ihrer Einbeziehung in später eingeleitete, schließlich mit Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 19. März 1982, GZ 35 Vr 3039/

82-53, beendete Verfahren die Zulässigkeit einer Entscheidung nach § 53 Abs. 1 oder Abs. 2 StGB nicht ableitbar ist.

Die bei Ablauf der Probezeit gegebene Verfahrensanhängigkeit wegen vor dem Beginn der Probezeit verübter Straftaten hatte hingegen für die Entscheidungsfrist nach § 56 StGB keine Bedeutung und vermochte sie auch durch nachträgliche Vereinigung der Strafsache mit einem später eingeleiteten Verfahren wegen in der Probezeit verübter Delikte nicht mehr zu gewinnen. Die Zulässigkeit einer Entscheidung nach § 56

letztem Fall StGB ist nämlich nicht an die Anhängigkeit eines beliebigen Strafverfahrens gegen den Rechtsbrecher bei Ablauf der Probezeit und damit an prozessuale Zufälligkeiten geknüpft, sondern setzt eine in diesem Zeitpunkt bereits eingeleitete gerichtliche Überprüfung des Vorliegens eines allfälligen Widerrufsgrundes - nämlich einer Deliktsverübung in der Probezeit - voraus. Nach dem Gesagten bot mithin die Beendigung des Verfahrens 35 Vr 3039/81 des Landesgerichtes Innsbruck gegen Massimo A keine rechtliche Grundlage, um rund 16 Monate nach Ablauf der Probezeit in Ansehung der mit Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 1. März 1978, GZ 35 Vr 106/

78-33, bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe eine Verfügung nach § 53 Abs. 1 oder Abs. 2 StGB zu treffen. Die Beurteilung, daß nach § 56 StGB noch eine Entscheidungsfrist offen und somit eine Verlängerung der Probezeit zulässig sei, verletzte das Gesetz in dieser Bestimmung und wirkte sich zum Nachteil des Verurteilten aus. In Stattgebung der von der Generalprokuratur gemäß § 33 Abs. 2 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes war daher spruchgemäß zu erkennen. Im Hinblick auf den daraus resultierenden Ablauf der (ursprünglichen) Probezeit wird das Landesgericht Innsbruck gemäß § 497 StPO über eine endgültige Nachsicht der Strafe zu entscheiden haben.

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