OGH 9Os193/82

OGH9Os193/8225.1.1983

Der Oberste Gerichtshof hat am 25. Jänner 1983 unter dem Vorsitz des Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Obauer und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Steininger, Dr. Horak, Dr. Reisenleitner und Dr. Felzmann als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Mekis als Schriftführer in der Strafsache gegen Wilhelm A wegen des Verbrechens der gleichgeschlechtlichen Unzucht mit Jugendlichen nach § 209 StGB über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 4. November 1982, GZ 2 d Vr 6478/82-11, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Steininger, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Spitzy und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Hauptmann, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 24. Oktober 1953 geborene Angestellte Wilhelm A schuldig erkannt, in der Zeit vom 26. Oktober 1981 bis 29. Oktober 1981, mithin nach Vollendung des 18. Lebensjahres, in Wien mit einer jugendlichen Person, dem am 28. Juli 1966 geborenen Anton B, wiederholt durch gegenseitige Onanie gleichgeschlechtliche Unzucht getrieben und hiedurch das Verbrechen der gleichgeschlechtlichen Unzucht mit Jugendlichen nach § 209 StGB begangen zu haben.

Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit einer auf § 281 Abs. 1 Z 5 und 9 lit a StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde. Einen Begründungsmangel (Z 5) erblickt der Beschwerdeführer zunächst darin, daß das Erstgericht seine Annahme, wonach er zumindest mit der Möglichkeit des jugendlichen Alters des Anton B gerechnet hat, nur auf den persönlichen Eindruck, den der Genannte anläßlich seiner Zeugenaussage hinterließ, stützte, was unzureichend sei, weil dieser bei der Zeugenaussage gewonnene Eindruck aktenmäßig nirgends, insbesondere nicht im Hauptverhandlungsprotokoll Niederschlag gefunden habe.

Richtig ist, daß das Gericht gemäß § 258 Abs. 1 StPO bei der Urteilsfällung nur auf das Rücksicht nehmen darf, was in der Hauptverhandlung vorgekommen ist. Daraus kann aber nicht abgeleitet werden, daß es dem Gericht verwehrt sein soll, jenen Eindruck, den die erkennenden Richter in der Hauptverhandlung von der Person eines vernommenen Zeugen, seinem Aussehen, seinem Gehabe usw gewonnen haben, im Urteil zu verwerten, wenn hierüber im Verhandlungsprotokoll nichts festgehalten worden ist. Auch wenn es an einer Aufzeichnung der bezüglichen Wahrnehmungen im Protokoll, die naturgemäß nur unvollkommen sein könnte und überdies nicht selten einer Vorwegnahme der Beweiswürdigung gleichkäme, fehlt, gehören diese richterlichen Wahrnehmungen jedenfalls zu den gemäß § 258 Abs. 1 StPO verwertbaren Verfahrensergebnissen, sofern nur nach der Aktenlage feststeht, daß sie vom erkennenden Gericht in der Hauptverhandlung - nicht etwa außerhalb dieser - gemacht worden sind. Die Protokollierung derartiger richterlicher Wahrnehmungen schreibt das Gesetz (§ 271 Abs. 1 StPO) nicht vor; die Parteien haben allerdings das Recht, die Feststellung einzelner Punkte zur Wahrung ihrer Rechte zu begehren, von welcher Befugnis der Beschwerdeführer vorliegend jedoch nicht Gebrauch gemacht hat, sodaß er sich insoweit auch nicht beschwert erachten kann. Im vorliegenden Fall kann nicht in Zweifel gezogen werden, daß der Schöffensenat den von ihm verwerteten (altersmäßigen) Eindruck vom Zeugen Anton B anläßlich der Zeugenaussage des Genannten in der Hauptverhandlung (S 63 bis 65) gewonnen hat. Wenn der Senat hieraus im Rahmen seiner Beweiswürdigung Rückschlüsse auf den die Jugendlichkeit dieses Zeugen umfassenden (bedingten) Vorsatz des Angeklagten zur Tatzeit gezogen hat, hat er sich zulässigerweise auf in der Hauptverhandlung Vorgekommenes gestützt und seine bezügliche Konstatierung mit dem Hinweis auf diesen Eindruck auch zureichend, mithin mängelfrei begründet.

Die in der Mängelrüge des weiteren bekämpfte Auslegung der Angaben des Angeklagten auf S 63, zweiter Absatz, dA als auf eine Fehleinschätzung des Alters des Unzuchtspartners, sohin auf einen Tatsachenirrtum, hinauslaufende (vom Erstgericht als unglaubwürdig beurteilte) Verantwortung ist nach den Denkgesetzen mit dem Wortlaut dieser Verantwortung ('B schaute so aus, als wäre er älter als 18 Jahre. Es gab für mich zu diesem Zeitpunkt keinen Grund, mir über das Alter des B Gedanken zu machen'), aber auch mit deren Sinn durchaus zu vereinbaren. Zudem betrifft die angeblich sinnentstellende Wiedergabe dieser Angaben keine entscheidende Tatsache, hat doch das Erstgericht sie weder als Urteilsannahme übernommen noch zur Grundlage von für die Subsumtion der Tat oder den anzuwendenden Strafsatz maßgeblichen Schlußfolgerungen tatsächlicher Natur gemacht.

Der Rechtsrüge (Z 9 lit a) ist zwar dahin beizupflichten, daß zur Erfüllung der Wissenskomponente des bedingten Vorsatzes (§ 5 Abs. 1 zweiter Halbsatz StGB) das Erkennen der akuten Gefahr der Deliktsverwirklichung erforderlich ist und darüber hinaus auch zu dieser Vorsatzform eine entsprechende Willenskomponente gehört, welche sie erst von der bewußten Fahrlässigkeit unterscheidet (Leukauf-Steininger, Kommentar2 § 5 RN 16 - 18). Sowohl die Wissensals auch die Willenskomponente des dolus eventualis sind aber nach den Urteilsannahmen gegeben:

Nach diesen hat der Angeklagte auf Grund des Aussehens, des Gehabens und der Sprache des Anton B zumindest mit der Möglichkeit des Alters des Genannten unter 18 Jahren gerechnet, dieses jugendliche Alter seines Unzuchtspartners bedacht und sich damit billigend abgefunden (S 69 zweiter Absatz d.A). Zur Begründung verweist das Erstgericht darauf, daß Anton B sogar anläßlich seiner Zeugeneinvernahme in der Hauptverhandlung den Eindruck eines Sechzehnbis Siebzehnjährigen erweckt und daß sein jugendliches Aussehen sich zum ein Jahr früher gelegenen Tatzeitpunkt dem Angeklagten noch verstärkt dargeboten hat (S 70 erster Absatz d.A). Schon aus dem inneren Zusammenhang dieser Ausführungen ergibt sich, daß das Erstgericht nicht etwa nur von vagen Vermutungen des Angeklagten hinsichtlich der Jugend seines Unzuchtspartners, sondern davon ausgegangen ist, daß er die Möglichkeit dessen jugendlichen Alters als naheliegend angesehen, mithin - mit den Worten des Gesetzgebers ausgedrückt - die Verwirklichung des gesetzlichen Tatbildes ernstlich für möglich gehalten hat. Nicht anders sind auch die vom Beschwerdeführer als in sich widersprüchlich bezeichneten Ausführungen der Urteilsbegründung zu verstehen, wonach der Angeklagte das jugendliche Alter des Zeugen B 'nicht nur zu erkennen vermochte, sondern tatsächlich - zumindest mit bedingt bösem Vorsatz - auch erkannt hat' (S 70 zweiter Absatz d. A).

Aber auch die Willenskomponente des bedingten Vorsatzes, welche gemäß § 5 Abs. 1 zweiter Halbsatz StGB in einem Sichabfinden mit der Tatbildverwirklichung, also darin zu erblicken ist, daß der Täter sich zur Tat entschließt, weil er einen das Tatbild verwirklichenden Ablauf der Ereignisse hinzunehmen gewillt ist, hat das Erstgericht rechtsirrtumsfrei als gegeben erachtet. Denn durch die bereits erwähnte Urteilsannahme, wonach sich der Angeklagte mit der von ihm bedachten Möglichkeit des Alters seines Partners unter 18 Jahren bill6gend abfand (S 69 zweiter Absatz d.A), ist die erforderliche Willensrelation zwischen Tatverhalten und Tatbildverwirklichung (Leukauf-Steininger aaO RN 16) hergestellt worden, wobei es im übrigen einer 'Billigung' der Deliktsverwirklichung nicht bedarf, sondern deren willentliche Hinnahme (ohne einer positiven inneren Bewertung) genügt.

Rechtliche Beurteilung

Die Nichtigkeitsbeschwerde erweist sich somit zur Gänze als unbegründet, weshalb sie zu verwerfen war.

Die Kostenentscheidung beruht auf der bezogenen Gesetzesstelle.

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