OGH 9Os178/84

OGH9Os178/8418.12.1984

Der Oberste Gerichtshof hat am 18. Dezember 1984 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Obauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Steininger, Dr.Horak, Dr.Felzmann (Berichterstatter) und Hon.Prof.Dr.Brustbauer als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr.Hardegg als Schriftführerin in der Strafsache gegen Gerhard A wegen des Verbrechens des Beischlafs mit Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Schöffengericht vom 3.Oktober 1984, GZ 7 Vr 1712/84-20, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr.Kodek, des Angeklagten Gerhard A, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben und das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch wegen des Verbrechens nach § 207 Abs 1 StGB (2) und demgemäß im Strafausspruch aufgehoben und gemäß § 288 Abs 2 Z 3 StPO in der Sache selbst erkannt:

Gerhard A hat Ende Februar 1984 in Villach die unmündige Michaela B durch gegenseitiges Betasten und Streicheln der Geschlechtsteile und gegenseitigen Mundverkehr auf andere Weise als durch Beischlaf zur Unzucht mißbraucht.

Er hat hiedurch das Verbrechen der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB begangen und wird hiefür und für das ihm laut dem aufrecht bleibenden Schuldspruch zur Last fallende Verbrechen des Beischlafs mit Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB gemäß dieser Gesetzesstelle unter Anwendung des § 28 StGB zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt.

Gemäß § 43 Abs 1 StGB wird diese Freiheitsstrafe unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen. Die Aussprüche über die Vorhaftanrechnung und die Verpflichtung zum Ersatz der Kosten des Strafverfahrens werden aus dem Ersturteil übernommen.

Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde verworfen. Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 25.August 1964 geborene Bundesbahnbedienstete Gerhard A der Verbrechen des Beischlafs mit Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB (1) und der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB (2) schuldig erkannt. Darnach hat er in Villach vom März bis Mitte Mai 1984 mit der am 29.August 1970 geborenen (damaligen Hauptschülerin) Michaela B fast täglich den außerehelichen Beischlaf unternommen (1) und vom Februar bis Mitte Mai 1984 diese Unmündige wiederholt durch gegenseitiges Betasten der Geschlechtsteile und gegenseitigen Mundverkehr auf andere Weise als durch Beischlaf zur Unzucht mißbraucht (2).

Dieses Urteil bekämpft der Angeklagte mit einer auf § 281 Abs 1 Z 4, 5 und 9 lit a (richtig: Z 10) StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde; den Strafausspruch ficht er mit Berufung an.

Rechtliche Beurteilung

Die Nichtigkeitsbeschwerde ist teilweise begründet. Nicht berechtigt sind die Einwände, durch die Abweisung von Beweisanträgen seien Verteidigungsrechte beschränkt worden (Z 4) und die Urteilsbegründung sei unzureichend und unvollständig (Z 5). Der Verteidiger beantragte die Beischaffung der Aufzeichnung der Mitglieder des Jugendklubs in der Tafernerstraße 28 in Villach, aus denen sich ergebe, daß die (Geburts-)Daten der Michaela B dort nicht aufscheinen (S 80), und die zeugenschaftliche Vernehmung der Sabine C zum Beweis dafür, daß Michaela B bereits Geschlechtsverkehr hatte, bevor sie den Angeklagten kennenlernte (S 80 unten in Verbindung mit ON 18).

Das Erstgericht hat diese Beweisanträge mit der im Urteil nachgeholten Begründung abgewiesen, daß unabhängig davon, ob die Daten der Unmündigen auch in den Aufzeichnungen des Jugendklubs eingetragen seien, auf Grund der übrigen Beweisergebnisse, insbesondere auf Grund der kindlichen äußeren Erscheinung des noch die Hauptschule besuchenden Mädchens vom Beschwerdeführer zumindest bedingt vorsätzlich dessen Alter unter 14 Jahre in seine Tathandlung einbezogen wurde. Die durch die Vernehmung der Zeugin C zu beweisenden Tatsachen seien ohne rechtliche Relevanz (S 86, 87). Dieser Begründung ist zu folgen. Wenn die Beschwerde vermeint, durch die Aussagen der Zeugin C wäre zu beweisen gewesen, daß Michaela B durch ihre frühen sexuellen Erlebnisse im intimen Kontakt mit Männern so erfahren gewesen sei, daß der Angeklagte schon daraus auf ein Alter über 14 Jahre habe schließen können, handelt es sich hiebei um eine in dieser dezidierten Form über die eigene Verantwortung und das angegebene Beweisthema hinausgehende Neuerung, die im Nichtigkeitsverfahren unbeachtlich ist. Die im Urteil für die überzeugung der Richter, der Angeklagte habe das Alter des Mädchens schon zum Zeitpunkt des ersten sexuellen Kontakts gekannt, angeführten Beweisergebnisse sind aber tatsächlich so schwerwiegend, daß selbst dann, wenn - aus welchen Gründen immer - die Geburtsdaten der Michaela B in den schriftlichen Aufzeichnungen des Jugendklubs nicht (nicht mehr) aufscheinen sollten, die Sach- und Beweislage nicht mehr maßgebend geändert werden könnte (LSK 1979/82). In der Mängelrüge wendet sich der Beschwerdeführer zunächst abermals gegen die Feststellung seines Wissens um das Alter des Tatopfers. Wohl verweist er zu Recht darauf, daß seine vom Erstgericht herangezogenen Angaben über seine allgemeine Tätigkeit bei Eintritt neuer Mitglieder in den Jugendklub (S 28 oben) von ihm in derselben polizeilichen Einvernahme insofern relativiert wurden, als er schon damals deponierte, zwar in bezug auf Michaela B gewußt zu haben, daß sie die vierte Klasse Hauptschule besucht, aber ihr Alter unter 14 Jahren erst nach einiger Zeit erfahren habe (S 29 unten). Mit diesem Detail der Verantwortung des Angeklagten brauchten sich allerdings die Tatrichter aus den bei Erledigung der Verfahrensrüge aufgezeigten Gründen nicht auseinanderzusetzen. Desgleichen war das Erstgericht unter dem Gesichtspunkt der vollständigen Verwertung aller Beweisergebnisse nicht zur ausdrücklichen Erörterung der Aussagen der Zeugen Andreas D, Walter E und Wolfgang F (S 79, 80) gehalten, deren Angaben über die Kenntnis des Beschwerdeführers vom Alter des Mädchens nicht auf eigener Wahrnehmung, sondern nur auf dessen (teilweise nach Verfahrenseinleitung gemachten) Mitteilungen ihnen gegenüber oder überhaupt auf von ihnen aus dem früheren Verhalten der Michaela B gezogenen Schlüssen beruhen.

Berechtigt sind jedoch die rechtlichen Einwände gegen die Subsumtion aller ab März 1984 stattgefundener geschlechtlicher Kontakte sowohl unter den Tatbestand des § 206 Abs 1 StGB als auch unter jenen des § 207 Abs 1 StGB (S 87, 88).

Das Erstgericht konstatierte, daß Michaela B schon Ende Februar 1984 den Angeklagten erstmals in seiner Wohnung besuchte. Schon bald nach diesem ersten Besuch kam es zwischen den beiden zu Unzuchtshandlungen (gegenseitiges Betasten und Streicheln der Geschlechtsteile, Mundverkehr) und in der Folge (ab März) zum Geschlechtsverkehr. Die Unzuchtshandlungen und der Geschlechtsverkehr wurden bis Mitte Mai 1984 regelmäßig beinahe täglich durchgeführt (S 85).

Diese - auf den Aussagen der Zeugin B basierenden - Feststellungen können unter Heranziehung deren in der Hauptverhandlung wiederholten Depositionen bei der Polizei (S 20 in Verbindung mit S 78) nur so aufgefaßt werden, daß es lediglich beim ersten intimen Kontakt Ende Februar 1984 bei Unzuchtshandlungen (Betasten der Geschlechtsteile und Mundverkehr) blieb, während in der Folgezeit jeweils auch ein Geschlechtsverkehr nicht nur unternommen, sondern auch ausgeführt wurde. Nun sind aber die einem Beischlaf (mit Unmündigen) unmittelbar vorangehenden und auch die ihm nachfolgenden Unzuchtshandlungen als typische Begleiterscheinungen eines Geschlechtsverkehrs nicht gesondert dem Tatbestand nach § 207 Abs 1 StGB zu unterstellen;

vielmehr ist der kriminelle Unwert derartiger geschlechtlicher Mißbräuche Unmündiger durch den Tatbestand des § 206 Abs 1 StGB voll erfaßt, Idealkonkurrenz mit § 207 Abs 1 StGB scheidet daher aus (LSK 1976/78;

1977/269). Lediglich zeitlich und/oder handlungsablaufmäßig von einem (vorhergehenden oder nachfolgenden) Beischlaf getrennte Unzuchtshandlungen können gesondert (realkonkurrierend) dem Tatbestand der Unzucht mit Unmündigen unterstellt werden (Leukauf-Steininger 2 , RN 12 zu § 206 StGB). Dies bedeutet unter Zugrundelegung der zitierten Urteilsfeststellungen, daß nur der erste geschlechtliche Kontakt Ende Februar 1984, bei dem es noch zu keinem Geschlechtsverkehr gekommen war und der zeitlich auch von dem erst in den folgenden Tagen intensivierten Intimverkehr zu trennen ist, dem Verbrechenstatbestand der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB zu subsumieren ist, während die ab März 1984 bis zur Beendigung des Liebesverhältnisses Mitte Mai 1984 fast täglich durchgeführten jeweils mit einem Beischlaf verbundenen Unzuchtshandlungen nur nach § 206 Abs 1 StGB zu ahnden sind. Da sich aus dem eingangs zitierten Urteilsspruch ebenso wie aus der Urteilsbegründung der frühere Beginn der Unzuchtshandlungen (nämlich bereits im Februar) ergibt, lassen diese (wenngleich dürftigen) Feststellungen insoferne eine klare Abgrenzung zu und es konnte auf dieser Basis in der Sache selbst spruchgemäß erkannt werden. Bei der hiedurch erforderlich gewordenen, neuerlich nach § 206 Abs 1 StGB vorzunehmenden Strafneubemessung war erschwerend, daß der Angeklagte die Taten (auch) unter Verletzung seiner übernommenen Pflicht als Jugendbetreuer (§ 32 Abs 3 StGB) begangen hat, das Zusammentreffen zweier Verbrechen und die Wiederholung der Beischlafshandlungen durch zwei Monate hindurch (§ 33 Z 1 StGB). Als mildernd waren hingegen die bisherige Unbescholtenheit des Angeklagten (§ 34 Z 2 StGB), sein Beitrag zur Wahrheitsfindung (Teilgeständnis auch in subjektiver Richtung - § 34 Z 17 StGB), sein Alter unter 21 Jahren (§ 34 Z 1 StGB) und der Umstand zu werten, daß das nur wenige Monate vor Vollendung des 14. Lebensjahres stehende Mädchen seine Gesellschaft gesucht und dem geschlechtlichen Mißbrauch keinen Widerstand entgegengesetzt hat (§ 34 Z 9 StGB).

Bei Abwägung dieser Strafzumessungsgründe erscheint dem Obersten Gerichtshof die Verhängung der in § 206 Abs 1 StGB angedrohten Mindeststrafe angezeigt. Die Schwere und Wiederholung der Taten verhindert mangels beträchtlichen überwiegens der Milderungsumstände zwar die Anwendung des § 41 StGB, es bedarf aber auch keiner höheren Unrechtsfolge, um den bisher unbescholtenen Angeklagten von der Begehung weiterer Straftaten abzuhalten. Im Hinblick auf das - wenn auch kurze - Schockerlebnis einer Untersuchungshaft und mit Rücksicht auf die an sich positive soziale Einstellung des Angeklagten liegen die Voraussetzungen für die bedingte Strafnachsicht vor (§ 43 Abs 1 StGB). Die nunmehr ausgesprochene Strafe zieht keine Rechtsfolgen nach sich (§ 27 Abs 1 StGB), weshalb der (in der Berufung begehrte) Ausspruch nach § 44 Abs 2 StGB entbehrlich ist.

Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.

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