OGH 9Os172/79

OGH9Os172/7920.11.1979

Der Oberste Gerichtshof hat unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Obauer und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Faseth, Dr. Steininger, Dr. Horak und Dr. Friedrich als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Zehetmayr als Schriftführerin in der Strafsache gegen Walter A wegen des Verbrechens der Verleumdung nach § 297 Abs. 1 (zweiter Fall) StGB. mit Zustimmung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten und die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 20. September 1979, GZ. 11 Vr 1878/79-13, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Mit ihren Berufungen werden der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Walter A des Verbrechens der Verleumdung nach § 297 Abs. 1 (zweiter Fall) StGB. schuldig erkannt, begangen dadurch, daß er am 20. Februar 1979 in Leibnitz vorsätzlich den Gendarmeriebeamten Franz B der Gefahr einer behördlichen Verfolgung aussetzte, indem er den Genannten durch die bei der Gendarmerie erhobene Behauptung, dieser habe bei der Anzeigeerstattung gegen ihn wahrheitswidrige Angaben gemacht, des von Amts wegen zu verfolgenden, mit einer ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe bedrohten Verbrechens des Mißbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 StGB. falsch verdächtigte, wobei er wußte, daß die Verdächtigung falsch war.

Rechtliche Beurteilung

Der auf § 281 Abs. 1 Z. 4, 5 und 9 lit. a StPO. gestützten Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten gegen den Schuldspruch kommt Berechtigung zu.

Nicht gesetzmäßig ausgeführt (§ 285 a Z. 2 StPO.) ist allerdings die Rechtsrüge nach dem zuletzt bezeichneten Nichtigkeitsgrund. Denn dabei geht der Beschwerdeführer von der urteilsfremden Annahme aus, er habe die inkriminierte Bezichtigung vermeintlich als Beschuldigter in dem gegen ihn abgeführten Verwaltungsstrafverfahren erhoben.

Mit Recht macht er dagegen Begründungsmängel im Sinn des § 281 Abs. 1 Z. 5 StPO. in Ansehung der eben diesen Sachverhaltsirrtum ausschließenden Urteilsfeststellungen geltend, wonach er bei der in Rede stehenden Vernehmung genau gewußt habe, daß sie in dem durch sein Schreiben an das Landesgendarmeriekommando vom 29. Jänner 1979 ausgelösten Verfahren gegen Franz B stattfinde (S. 75, 76, 83). Diese Konstatierung leitete das Erstgericht in erster Linie daraus ab, daß der Angeklagte selbst erklärt hatte, er habe am 17. Jänner 1979 von der Bezirkshauptmannschaft Leibnitz eine Strafverfügung erhalten, und daß 'daher eine Vernehmung zu der bereits ergangenen Strafverfügung wohl nicht möglich' gewesen wäre (S. 75). Dem hält jedoch der Beschwerdeführer zutreffend entgegen, daß er gegen die Strafverfügung Einspruch erhoben hatte (S. 72, 74) und daß demnach seine Vernehmung am 20. Februar 1979 durchaus auch im Rahmen des dadurch veranlaßten ordentlichen Verwaltungsstrafverfahrens gegen ihn hätte stattfinden können. Die relevierte Urteilsbegründung ist folglich für die bekämpfte Feststellung in der Tat nicht tragfähig. Dies umso weniger, als auch die zusätzliche Erwägung des Schöffengerichtes, der Angeklagte habe zunächst selbst erklärt, ihm sei bei der Vernehmung bekannt gewesen, daß es sich dabei um ein Verfahren gegen den Gendarmeriebeamten handle, - abgesehen davon, daß eine beweiswürdigende Erörterung seiner dagegen sprechenden späteren Behauptung, nicht mehr genau zu wissen, ob ihm der Grund seiner Vernehmung bekanntgegeben wurde, im Urteil unterblieb - aktenwidrig ist:

denn der Beschwerdeführer hat zwar angegeben, er sei 'im Verfahren gegen den Herrn B ...... vernommen worden' (S. 58) und dies seien seine Angaben 'gegen das Verfahren' (gemeint wohl: im Verfahren gegen) B (S. 59), doch hat er nie zugegeben, das schon zur Zeit seiner Vernehmung gewußt zu haben.

Die sohin nur offenbar unzureichend begründete Feststellung, der Angeklagte habe bei der falschen Verdächtigung nicht vermeint, in einem gegen ihn anhängigen Verwaltungsstrafverfahren als Beschuldigter vernommen zu werden, ist deshalb entscheidungswesentlich, weil ihm andernfalls nach Inhalt des Urteils die irrtümliche Annahme eines rechtfertigenden Sachverhalts (§ 8 StGB.) in Ansehung des hier allein in Betracht kommenden Vorsatzdelikts einer Verleumdung nach § 297 Abs. 1 StGB. als Entschuldigungsgrund zugebilligt werden müßte.

Dem Beschwerdeführer war nämlich in der Strafverfügung unter anderem vorgeworfen worden, er habe dem Gendarmeriebeamten trotz dessen Verlangens den Führerschein und den Zulassungsschein nicht ausgehändigt. Nach Wiedergabe des Vorwurfs bestritt er diesen mit der wissentlich wahrheitswidrigen Behauptung, der Beamte habe ihn um die bezeichneten Papiere überhaupt nicht gefragt, wobei er die Bemerkung hinzufügte, es sei ihm unerklärlich, warum jener wahrheitswidrige Angaben gemacht habe. In diesem Zusammenhang gesehen läge aber in der vorsätzlichen Falschbezichtigung, der Gendarm habe wahrheitswidrige Angaben gemacht, sofern sie vom Angeklagten als Beschuldigtem in dem gegen ihn anhängig gewesenen Verwaltungsstrafverfahren erhoben worden sein sollte, selbst dann, wenn sie die (vom Erstgericht bisher nicht festgestellte) Behauptung einer (zur Annahme eines Mißbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 StGB.erforderlichen) vorsätzlichen Wahrheitswidrigkeit beinhaltet haben sollte, nicht mehr als die gerechtfertigte Ausübung seines Verteidigungsrechts, weil sie diesfalls - möge damit auch der gegen den Anzeiger gerichtete Vorwurf eines Offizialdelikts oder immerhin einer Verletzung seiner Amtsoder Standespflichten verbunden sein - im Kern doch nur dem Leugnen der ihm angelasteten vorerwähnten Verwaltungsdelikte gleichkäme (vgl. ÖJZ-LSK. 1978/123, 253; Leukauf-Steininger2

S. 1522, 81 f.).

Der aufgezeigte Begründungsmangel erfordert die Urteilsaufhebung und die Zurückverweisung der Sache in die erste Instanz zu neuer Verhandlung und Entscheidung, ohne daß es einer Erörterung des weiteren Beschwerdevorbringens bedürfte.

In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde war daher mit Zustimmung der Generalprokuratur gemäß § 285 e StPO. schon bei der nichtöffentlichen Beratung wie im Spruch zu erkennen.

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