Spruch:
Das Urteil des Bezirksgerichtes Floridsdorf vom 15.Februar 1979, GZ. 7 U 1552/77-18, und die Entscheidung des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Berufungsgericht vom 11.Mai 1979, AZ. 13 c Bl 508/79, soweit damit zu einer Maßnahme nach § 477 Abs 1 StPO. kein Grund gefunden wurde, verletzen das Gesetz in der Bestimmung des § 134 Abs 2 StGB.
Diese Entscheidungen des Bezirksgerichtes Floridsdorf und des Landesgerichtes für Strafsachen Wien sowie alle darauf beruhenden Beschlüsse, Vorgänge, Anordnungen und Verfügungen werden aufgehoben und es wird gemäß § 292
(§ 288 Abs 2 Z. 3) StPO. in der Sache selbst erkannt:
Richard A wird von der wider ihn erhobenen Anklage, er habe am 28. Juni 1977 in Wien, mit dem Vorsatz, durch das Verhalten der Getäuschten sich oder einen Dritten unrechtmäßig zu bereichern, Rudolf und Hedwig B durch Täuschung über Tatsachen, nämlich durch die Vorgabe, die Firma C-KG. D & Co., deren Inhaber oder Mitinhaber er sei, werde nach Leistung einer Anzahlung spätestens bis zum 10. August 1977 Isolierungs- und Beschichtungsarbeiten durchführen, widrigens er sich persönlich verpflichte, die Anzahlung zurückzuerstatten, zu einer Handlung, und zwar zur Übergabe eines Bargeldbetrages von 3.000 S verleitet, die Rudolf und Hedwig B in dieser Höhe an ihrem Vermögen schädigte, und er habe hiedurch das Vergehen des Betruges nach § 146 StGB. begangen, gemäß § 259 Z. 3 StPO. freigesprochen.
Text
Gründe:
Mit dem Urteil des Bezirksgerichtes Floridsdorf vom 15.Februar 1979, GZ. 7 U 1552/77-18, wurde der am 9.Jänner 1926 geborene Vertreter Richard A, gegen den ein Antrag auf Bestrafung wegen § 146 StGB. (vgl. S. 56, 58 d. A.) gestellt worden war, des Vergehens der Unterschlagung nach § 134 Abs 2 StGB. schuldig erkannt, begangen dadurch, daß er am 1. August 1977 in Wien ein fremdes Gut, das er ohne Zueignungsvorsatz in seinen Gewahrsam gebracht hatte, nämlich eine von Rudolf und Hedwig B erhaltene Anzahlung für durchzuführende Arbeiten im Betrag von 3.000 S trotz seiner Zusicherung der Rückgabe für den Fall der Nichtdurchführung für sich behielt.
Rechtliche Beurteilung
Seine gegen dieses Urteil erhobene Berufung wegen Nichtigkeit wurde mit der Entscheidung des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 11. Mai 1979, AZ. 13 c Bl 508/79, gemäß dem § 470 Z. 1 StPO. als unzulässig zurückgewiesen, wobei in der Begründung dieser Entscheidung u.a. ausgeführt wird, die Aktendurchsicht (durch das Berufungsgericht) habe ergeben, daß dem angefochtenen Urteil keine vom Amts wegen wahrzunehmende Nichtigkeit anhafte.
Nach den Feststellungen des Urteils des Bezirksgerichtes Floridsdorf führte Richard A der Firma 'C-KG., D & Co.' Aufträge für Isolierungsund Beschichtungsarbeiten zu, ohne jedoch ermächtigt zu sein, rechtsverbindlich im Namen dieser Firma zu handeln. Die Geschäftsführung dieser Firma behielt sich vielmehr in jedem einzelnen Fall vor, den Auftrag zu übernehmen (oder nicht) und bezahlte an Richard A nur im Falle der Übernahme eine Provision von 50 S je m2 Auftragsfläche.
Am 28.Juni 1977 nahm Richard A einen derartigen Auftrag von Rudolf und Hedwig B entgegen, wobei er den Eindruck erweckte, selbst Unternehmer und Inhaber oder Bevollmächtigter der Fa. C-KG. zu sein. Er erklärte, daß die in Auftrag gegebenen Arbeiten spätestens bis zum 10.August 1977 durchgeführt würden und kassierte eine Anzahlung in der Höhe von 3.000 S, deren persönliche Rückzahlung er (mündlich) für den Fall zusicherte, als die Ausführung des Auftrages doch unterbleiben sollte.
Obgleich Richard A zur Zeit der Entgegennahme der Anzahlung tatsächlich die 'Absicht' - das Bezirksgericht Floridsdorf verwendete diesen Begriff in seinen Entscheidungsgründen ersichtlich nicht im Sinn der Legaldefinition des § 5 Abs 2 StGB., sondern nach dem landläufigen Sprachgebrauch - hatte, die Durchführung des ihm erteilten Auftrages durch die Fa. C-KG. zu erreichen, andernfalls aber den erhaltenen Geldbetrag zurückzuerstatten (vgl. S. 136 d.A.), erhielt Rudolf B in der Folge die Auskunft, daß die Arbeiten infolge Erkrankung des Gustav E, eines Compagnons der Fa. C-KG., nicht durchgeführt werden könnten. Richard A wiederholte zwar sein Rückzahlungsversprechen und sicherte schließlich den 1.August 1977 als Termin der Rückzahlung der erhaltenen Anzahlung zu, hielt diese Zusage aber nicht ein und verweigerte die Rückzahlung zuletzt sogar ausdrücklich. Das Bezirksgericht Floridsdorf nahm deshalb an, er habe sich 'auf das strafbare Gebiet der Unterschlagung nach § 134 Abs 2 StGB. begeben' und durch die Nichtrückzahlung des zwar zunächst nicht rechtswidrig erworbenen Geldbetrages von 3.000 S am vereinbarten 1.August 1977 seine Bereicherung zumindest billigend in Kauf genommen.
Das Urteil des Bezirksgerichtes Floridsdorf vom 15.Februar 1979, GZ. 7 U 1552/77-18, und die Entscheidung des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 11.Mai 1979, AZ. 13 c Bl 508/79, stehen mit dem Gesetz nicht im Einklang:
Die Bestimmung des § 134 Abs 2 StGB. pönalisiert die Unterschlagung - d.h. die mit Bereicherungsvorsatz (vgl. ÖJZ-LSK 1976/159) erfolgte Zueignung - fremden Gutes, das der Täter ohne Zueignungsvorsatz in seinen Gewahrsam gebracht hat. Im vorliegenden Fall wurde Richard A die nach Meinung des Erstgerichtes von ihm unterschlagene Anzahlung übergeben und von ihm mit Wissen des Übergebers - somit einvernehmlich - in Empfang genommen. Sie ist daher zwar (mit seinem Zutun) in seinen Gewahrsam gelangt, er hat sie jedoch - eben weil er sie übergeben erhielt - nicht in seinen Gewahrsam 'gebracht' (vgl. Bertel in WK., § 134, RN. 14). Vielmehr sind jene Fälle, in denen der Täter den Gewahrsam an fremdem Gut zwar mit seinem Zutun, aber einvernehmlich mit dem Berechtigten erlangt, durch die Bestimmung des § 133 StGB. abschließend geregelt, so daß, was insoweit nicht den Tatbestand einer Veruntreuung herstellt, auch nicht als (Anschluß-)Unterschlagung i.S.
des § 134 Abs 2 StGB. geahndet werden kann (vgl. Kienapfel, BT. II, § 134, RN. 83).
Die mit dem Urteil des Bezirksgerichtes Floridsdorf vom 15.Februar 1979 erfolgte Verurteilung des Richard A wegen des Vergehens der Unterschlagung nach § 134 Abs 2 StGB. war demnach ebenso verfehlt wie die Entscheidung des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Berufungsgericht vom 11.Mai 1979, soweit letzteres in der Begründung ausdrücklich erklärte, daß dem angefochtenen Urteil keine von Amts wegen wahrzunehmende Nichtigkeit anhafte, somit eine unrichtige Anwendung des Strafgesetzes zum Nachteil des Verurteilten verneinte und die vom Erstgericht vorgenommene rechtliche Beurteilung des Richard A angelasteten Tatverhaltens als zutreffend ansah (vgl. 13 Os 49- 53/73).
Die dem Ersturteil in tatsächlicher Hinsicht zugrunde liegenden Annahmen vermögen auch nicht einen Schuldspruch wegen Veruntreuung zu tragen. Rudolf und Hedwig B, die ja der Meinung waren, Richard A sei selbst der Unternehmer und Firmeninhaber, übergaben diesem - ganz abgesehen davon, daß ihm das Erstgericht ohnedies die ordnungsgemäße Verrechnung entgegengenommener Anzahlungen mit der Fa. C-KG. zubilligte (vgl. S. 135) - die Anzahlung weder mit der Verpflichtung zur Weiterleitung an die Firma C-KG., noch sollte der Anzahlungsbetrag wirtschaftlich weiterhin in ihrem Vermögen verbleiben. Es mangelt sohin an einem anvertrauten Gut im Sinn des § 133 StGB. (Leukauf-Steininger, Komm. z. StGB.2, RN. 4 zu § 133), woran auch die mehrfache, eine zivilrechtliche Rückzahlungsverpflichtung begründende Versicherung des Richard A, bei Nichtdurchführung des Auftrages den erhaltenen Geldbetrag persönlich rückerstatten zu wollen, nichts zu ändern vermag. Schließlich scheidet auch eine Beurteilung als Betrug aus. Denn Richard A täuschte Rudolf und Hedwig B zwar vor, selbst Unternehmer und Inhaber oder zumindest Mitinhaber der Firma C-KG. zu sein, die Täuschung erfolgte jedoch nach den Feststellungen des Bezirksgerichtes Floridsdorf weder zu dem Zweck, dadurch persönlich in den Besitz der - wie erwähnt, ohnedies verrechneten - Anzahlung zu gelangen, noch mit dem Vorsatz, die Auftraggeber zu schädigen (vgl. S. 136).
Bei richtiger rechtlicher Beurteilung des vom Erstgericht festgestellten Sachverhaltes wäre Richard A vielmehr freizusprechen gewesen.
Die dem Bezirksgericht Floridsdorf und dem Landesgericht für Strafsachen Wien unterlaufene Gesetzesverletzung war demnach in Stattgebung der von der Generalprokuratur gemäß § 33 Abs 2 StPO. erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes festzustellen und, weil sie dem Richard A zum Nachteil gereichte, war mit einer Aufhebung der Entscheidungen der Untergerichte (einschließlich aller darauf beruhender Verfahrensvorgänge) und einem Freispruch des Genannten vorzugehen.
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