Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Verfahrens über seine Nichtigkeitsbeschwerde zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der 21-jährige (derzeit als Hilfsarbeiter tätige) Rauchfangkehrer Anton A (neben anderen strafbaren Handlungen) des Verbrechens des Totschlags nach § 76 StGB schuldig erkannt (Punkt A/I des Urteilssatzes). Darnach hat er am 24.August 1984 in Laa a.d. Thaya sich in einer allgemein begreiflichen heftigen Gemütsbewegung, nämlich nach einer tätlichen Auseinandersetzung zwischen seinem Vater Anton A sen. und seiner Mutter, bei welcher der Vater die Mutter mit dem Umbringen bedrohte und ankündigte, er werde sie vom Balkon stoßen, wozu er tatsächlich Anstalten machte, worauf Anton A (jun.) seiner Mutter zu Hilfe gekommen war und deshalb eine tätliche Auseinandersetzung mit dem Vater hatte, in deren Verlauf der Vater auch ihm mit dem Umbringen drohte, in der Folge ihn und seine Mutter aus dem Haus wies und einige Gebrauchsgegenstände zu Boden schleuderte, dazu hinreißen lassen, seinen Vater Anton A sen. durch sieben aus einer Repetierflinte, Marke Winchester, aus einer Entfernung zwischen ca. 1,5 und 0,5 Meter gegen den Oberkörper abgegebene Schüsse vorsätzlich zu töten.
Rechtliche Beurteilung
Nur diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit einer (nominell) auf die Z. 5 und 10 des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.
Die Mängelrüge (Z. 5) erschöpft sich in grundsätzlicher Verkennung des Wesens der freien Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO) und der Art wie des Umfangs der gesetzlichen Begründungspflicht (§ 270 Abs 2 Z. 5 StPO) insgesamt in einer Erörterung der Glaubwürdigkeit und Beweiskraft der vom Schöffengericht verwerteten Beweismittel sowie im Versuch ihrer Umwürdigung und damit ausschließlich in einem unzulässigen Angriff auf die Beweiswürdigung des Gerichts, ohne einen formalen Begründungsmangel in Ansehung des Ausspruchs über entscheidende Tatsachen aufzuzeigen. So hat das Erstgericht die Gutachten der Sachverständigen Dr. B und Dr. C entgegen dem - insoweit zudem unsubstantiierten - Beschwerdevorbringen, bei Berücksichtigung dieser beiden Gutachten wäre die Tat 'unter einem völlig anderen Licht erschienen' (S. 282/II), ohnedies berücksichtigt (S. 246 f./II) und daraus abgeleitet, daß der verschlossene und an sich schüchterne, durch ein leicht erhöhtes Aggressionspotential geprägte und im Affektbereich labile Angeklagte bei Erregungszuständen zu einer affektiven Enthemmung neigt (S. 240/II) und sich zum Zeitpunkt der Abgabe der Schüsse im Zustand einer höchstgradigen Affekterregung befand, die jedoch einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder einer einer Geisteskrankheit gleichwertigen seelischen Störung nicht gleichkam (S. 252/II). Im übrigen zielen die bezüglichen Beschwerdeausführungen der Sache nach gar nicht auf eine Schuldunfähigkeit des Angeklagten, ab; sie laufen vielmehr ersichtlich bloß darauf hinaus, eine verminderte Schuldfähigkeit darzutun, die lediglich bei der Strafbemessung berücksichtigt werden kann, mithin keine entscheidende Tatsache im Sinn der Z. 5 des § 281 Abs 1 StPO darstellt.
Insoweit sich der Angeklagte, der sich auch noch in der Hauptverhandlung (vgl. S. 171/II) im Sinn der Anklage voll schuldig bekannt hat, gegen die Feststellung des Erstgerichts wendet, er habe die Tat 'in Haß gegen den Vater' begangen, übersieht er - abgesehen davon, daß es sich dabei um die für die rechtliche Beurteilung an sich unerhebliche Frage des Tatmotivs handelt -, daß sich die in Rede stehende Urteilspassage (vgl. S. 245/II oben) gar nicht auf die unmittelbare Tathandlung (durch Abgabe von insgesamt sieben Schüssen gegen den Oberkörper seines Vaters), sondern auf die 'im Vorfeld der Haupttat' (S. 247/II) erfolgte Auseinandersetzung (zweimalige Bedrohung und Tätlichkeiten des Anton A sen. gegenüber dem Angeklagten und seiner Ehegattin) bezieht, die der Angeklagte jedoch in beiden Fällen dadurch beenden konnte, daß er den Vater jeweils in den 'Schwitzkasten' nahm (S. 185 f., 200, 243/II). Davon abgesehen findet die bekämpfte Urteilsannahme - worauf das Gericht ohnedies ausdrücklich Bezug nimmt (vgl. S. 254/II) - schon in der Aussage der Zeugin Hilde A (S. 31/I) volle Deckung.
Der Beschwerdeeinwand hinwieder, der Angeklagte sei vor Abgabe der Schüsse 'unmittelbar und plötzlich' mit seinem Vater 'wiederum konfrontiert' gewesen, ignoriert die durch seine eigene Verantwortung gestützte Urteilsannahme, wonach er sein im Erdgeschoß des elterlichen Wohnhauses gelegenes Zimmer, nachdem er die in der Bettzeuglade verwahrt gewesene (sechsschüssige) Repetierflinte hervorgeholt und mit sechs Patronen geladen hatte, von sich aus verließ und sich mit dem Gewehr im Hüftanschlag in den Vorraum begab, von wo aus die Treppe in das Obergeschoß führt (S. 244/II). Gleiches gilt für die Beschwerdebehauptung, der Angeklagte habe den ersten Schuß gegen seinen Vater ungezielt lediglich als Warnschuß abgegeben und erst auf Grund der Drohung des (bereits) durch diese Schußabgabe im Bereich der linken Schulter verletzten Vaters 'jetzt werdet ihr was erleben', die weiteren (gezielten) Schüsse abgegeben. Der Beschwerdeführer läßt nämlich auch dabei unberücksichtigt, daß das Schöffengericht unter Ablehnung (vgl. S. 251 f./II) dieser Verantwortung gestützt auf die Gutachten des gerichtsmedizinischen Sachverständigen Dr. D (ON 50 und S. 216/II) und des Schießsachverständigen Albert E (ON 31 und S. 217 f./II) sowie auf den Umstand, daß es sich beim Angeklagten um einen geübten Schützen handelte, zur überzeugung gelangte, daß auch schon der erste Schuß aus einer Entfernung von 'mindestens 1,5 Meter' aus dem Hüftanschlag gegen den Oberkörper des lediglich mit einer Unterhose bekleideten unbewaffneten Anton A sen. abgegeben wurde, der hierauf den eigenen Angaben des Angeklagten zufolge 'au' schrie (vgl. S. 56/I, S. 195/II) und dabei in einer Art Schutzreaktion die Hände erhob (S. 245, 251 f./II). Nicht gesetzgemäß ausgeführt ist aber auch die Rechtsrüge (Z. 10, sachlich auch 9 lit b), mit welcher sich der Angeklagte überwiegend unter Wiederholung seines Vorbringens zur Mängelrüge gegen die Beurteilung seines Tatverhaltens als Totschlag mit der Argumentation wendet, er habe sich bei Abgabe der Schüsse in einer Notwehrsituation befunden bzw. sei er in einem Irrtum über das Vorliegen einer solchen befangen gewesen, sodaß sein Verhalten überhaupt nur bei Annahme einer überschreitung des gerechtfertigten Maßes der (vermeintlichen) Verteidigung aus asthenischen Affekten als Fahrlässigkeitstat (§ 80 StGB) zu werten gewesen wäre. Denn das Schöffengericht hat in tatsächlicher Hinsicht ausdrücklich als erwiesen angenommen, daß dem Angeklagten, dem als Waffenliebhaber und aus seiner (damaligen) Tätigkeit als zeitverpflichteter Soldat, vor allem aber durch Schießübungen und durch (spezifisches) Informationsmaterial die Wirkung der Tatwaffe (einer sogenannten 'pump-gun') und der (verschiedenartigen) Munition bekannt war (S. 249/II i.V.m. S. 63 h/I, 181, 200/II), zum Zeitpunkt des Verlassens seines im Erdgeschoß gelegenen Zimmers (mit der geladenen und entsicherten Repetierflinte) kein gegenwärtiger oder unmittelbar drohender Angriff bevorstand, die Angriffshandlungen im Stiegenhaus vielmehr allein vom Angeklagten ausgegangen sind (S. 253 f./II); es brachte insoweit im Einklang mit seiner Verantwortung zum Ausdruck, daß der Angeklagte über seinen Vater bei dessen der Tathandlung vorausgegangenen (zweimaligen) Attacken durch Anwendung von Brachialgewalt ('Schwitzkasten') die Oberhand gewinnen konnte und daß vom Vater, der vor Abgabe der Schüsse durch den Angeklagten unbewaffnet und nur mit einer Unterhose bekleidet die Stiege herunterkam, auch zuvor beim Deponieren der Fahrnisse des Angeklagte vor dessen Zimmertür kein Versuch unternommen wurde, in das Zimmer (des Angeklagten) einzudringen. Da der Angeklagte auch keine Anhaltspunkte dafür geben konnte, aus welchen konkreten Umständen er zu diesem Zeitpunkt auf einen Angriff des Vaters im Stiegenhaus geschlossen hätte, gelangte das Erstgericht zur überzeugung, daß 'für die Feststellung einer Notwehrsituation, einer irrtümlichen Annahme eines rechtfertigenden Sachverhaltes (Putativnotwehr) oder einer Notwehrüberschreitung kein Raum bleibt' (S. 254). Indem der Beschwerdeführer bei der rechtlichen Beurteilung der Tatsituation diese Feststellungen übergeht, bringt er den geltend gemachten materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrund, der nur durch einen Vergleich des gesamten maßgebenden Urteilssachverhalts mit dem darauf angewendeten Gesetz dargetan werden kann, nicht zu prozeßordnungsgemäßer Ausführung.
Wenn der Angeklagte aber im gegebenen Zusammenhang Feststellungsmängel reklamiert, ficht er in Wahrheit die vom Erstgericht zu dem relevierten Thema ohnedies getroffenen anderslautenden Tatsachenannahmen an, indem er diese durch andere für ihn günstigere ersetzt wissen will. Faktisch greift er damit bloß auf die bereits im Rahmen der Mängelrüge sinngemäß vorgebrachten Einwendungen mit dem Ziel zurück, die vom Schöffengericht getroffenen Feststellungen durch ihm günstiger erscheinende zu ersetzen. Solcherart wird jedoch der jeweils geltend gemachte materiellrechtliche Nichtigkeitsgrund, dessen Vorliegen auch bei der Behauptung von Feststellungsmängeln nur durch einen Vergleich des im Urteil tatsächlich als erwiesen angenommenen (vollständigen) Sachverhalts mit dem darauf angewendeten Strafgesetz dargetan werden kann, nicht zu gesetzmäßiger Darstellung gebracht. Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher als zur Gänze nicht gesetzmäßig ausgeführt schon bei einer nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuwiesen (§ 285 d Abs 1 Z. 1 StPO in Verbindung mit § 285 a Z. 2 StPO).
Zur Entscheidung über die Berufung sind die Akten dementsprechend in sinngemäßer Anwendung des § 285 b Abs 6 StPO dem (hiefür an sich zuständigen) Oberlandesgericht Wien zuzuleiten.
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