Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des (bisherigen) Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der 40-jährige Hilfsarbeiter Werner K*** des Verbrechens der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB sowie des Vergehens des Mißbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 StGB schuldig erkannt, weil er ab einem nicht mehr exakt feststellbaren, zwischen 1982 und jedenfalls vor dem Sommer 1984 gelegenen Zeitpunkt (US 5 und 6) bis zum 7.Juli 1985 in Wien wiederholt seinen am 3.Februar 1974 geborenen unmündigen Stiefsohn Ronald G*** durch Analverkehr und masturbatorische Handlungen zur Unzucht mißbraucht hat. Gegen diesen Schuldspruch richtet sich die auf die Z 5 und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, die jedoch zur Gänze nicht dem Gesetz gemäß ausgeführt ist.
Im Rahmen der Würdigung der Verantwortung des Angeklagten hat das Erstgericht mit Bezugnahme auf dessen einschlägig schwer belastetes Vorleben (er ist wegen verschiedener Unzuchtsdelikte an unmündigen Mädchen wiederholt vorbestraft - US 4 f) die Auffassung vertreten, daß pädophile Neigungen erfahrungsgemäß nicht auf ein bestimmtes Geschlecht zielgerichtet sind oder sein müssen und in diesem Zusammenhang auch eine Passage aus dem - übrigens wegen einer ins Auge gefaßten Maßnahme nach § 21 Abs 2 StGB (S 3 b verso) zur Beurteilung der Gefährlichkeitsprognose eingeholten - Gutachten des Sachverständigen Dr.S*** zitiert, wonach der Angeklagte "nicht sicher tragfähig fixiert" sei (US 9; vgl S 73). Dagegen erhebt der Beschwerdeführer zunächst den Vorwurf der Aktenwidrigkeit (Z 5), weil dieser Satz aus dem Zusammenhang des Gutachtens gerissen und vom Sachverständigen sicher nicht auf das Sexualverhalten des Angeklagten bezogen gewesen wäre.
Rechtliche Beurteilung
Mit diesem Vorbringen wird aber der geltend gemachte Begründungsmangel nicht prozeßordnungsgemäß dargetan; unternimmt doch der Beschwerdeführer nicht einmal den Versuch, aus einem formalen Vergleich von Zitat und Gutachten eine sinnentstellende Einordnung des betreffenden Satzes in einen anderen Kontext und damit eine unrichtige Wiedergabe eines Beweismittelinhalts im Urteil nachzuweisen.
Die in diesem Zusammenhang erhobenen weiteren Einwände, daß sich nämlich dem Gutachten - einer dieses abwertenden Bemerkung des Erstgerichtes zuwider - eindeutig eine wesentliche Besserung der Verhältnisse des Angeklagten (gemeint: ein Abbau des Rückfallsrisikos) entnehmen ließe und die vom Erstgericht behauptete "Erfahrungstatsache" eines möglichen Übergreifens pädophiler Triebhaftigkeit von weiblichen auf männliche Angriffsobjekte unzutreffend sei, zielen hinwieder nicht auf die Darlegung einer mangelhaften (Z 5) Begründung des Ausspruches über entscheidende Tatsachen ab, sondern stellen vielmehr lediglich den unzulässigen und daher unbeachtlichen Versuch einer Kritik an der Beweiswürdigung dar; denn das Schöffengericht hat mit dem Hinweis auf die bereits wiederholt manifest gewordene sexuelle Abartigkeit des Angeklagten ersichtlich nichts anderes zum Ausdruck bringen wollen, als daß die inkriminierten Unzuchtshandlungen mit einem Knaben bei wertender Beurteilung der Täterpersönlichkeit des Angeklagten diesem nicht wesensfremd erscheinen.
Auch der in bezug auf die Aussage des Zeugen Ronald G*** erhobene Einwand der Aktenwidrigkeit (Z 5), die darin gelegen sein soll, daß das Erstgericht die Abweichungen der polizeilichen von den gerichtlichen Angaben des Zeugen als entscheidungsunwesentlich bezeichnet und dies lediglich auf die (bei der Polizei verschwiegenen) Drohungen mit Gewalt (nicht aber auf die Unzuchtsschilderungen selbst) bezogen habe, obwohl der Bub bei den jeweils späteren Vernehmungen seine belastende Darstellung in zeitlicher (immer weiter zurückgehende Angriffe) und qualitativer Hinsicht (auch Mundverkehr) erweitert habe, läßt eine prozeßordnungsgemäße Ausführung dieses Nichtigkeitsgrundes vermissen. Abgesehen davon, daß der Beschwerdeführer die betreffenden Urteilsausführungen unrichtig interpretiert, weil darnach die bezogenen Aussagedivergenzen in toto als nicht relevant beurteilt worden sind (arg: "auch" - US 10 oben), liegt Aktenwidrigkeit nur dann vor, wenn in den Entscheidungsgründen als Inhalt einer Urkunde oder Aussage etwas angeführt wird, das deren Inhalt nicht bildet, wenn also der Inhalt einer Aussage oder eines anderen Beweismittels im Urteil unrichtig wiedergegeben wird (Mayerhofer-Rieder, StPO 2 , E 185 zu § 281 Abs 1 Z 5). Die Beschwerde zeigt demgegenüber aber keine unrichtige Wiedergabe von Beweismittelinhalten auf, sondern wendet sich gegen die Bewertung von Aussageabweichungen als für die Beweiswürdigung unerheblich und bekämpft damit abermals nur diese in einer im Rahmen der Mängelrüge unzulässigen Weise.
Ebenso verhält es sich mit dem Vorwurf, das Erstgericht hätte die Grundlagen des Sachverständigengutachtens Dris.F*** über die Aussageehrlichkeit des Ronald G*** (S 182 iVm ON 29) nicht näher überprüft und es könne dieses Gutachten daher mangels Auseinandersetzung mit den "gravierenden Divergenzen in den verschiedenen Depositionen des Zeugen" keine verläßliche Entscheidungsgrundlage bilden; denn auch damit wird der Expertise nur der ihr von den Tatrichtern zugebilligte Beweiswert abgesprochen. Es wäre im übrigen Sache des Angeklagten gewesen, bei Bedenken in dieser Richtung einen entsprechenden Antrag auf Ergänzung von Befund und Gutachten zu stellen, um sich damit die Möglichkeit der Anfechtung des Urteils aus dem Nichtigkeitsgrund der Z 4 des § 281 Abs 1 StPO zu eröffnen.
Dem abschließenden Beschwerdeeinwand im Rahmen der Mängelrüge zuwider ist das Erstgericht auf die Aussagen der Lehrer des Ronald G*** ausführlich eingegangen und hat insbesondere den vom Beschwerdeführer im Urteil vermißten Umstand ausdrücklich erwähnt, demnach auch in seine Erwägungen miteinbezogen, daß sich das (schulische) Gesamtverhalten des Knaben zunehmend - und zwar, wie sich aus dem Vernehmungszeitpunkt (22.November 1985) ergibt, gerade in der zweiten Hälfte des Schuljahres 1984/85, also noch während des festgestellten Deliktszeitraumes - gebessert hat (US 9). Wenn im übrigen in diesem Zusammenhang betont wird, Ronald G*** habe seinen Lehrern gegenüber nichts von den Unzuchtshandlungen mitgeteilt und dies sei vom Erstgericht mit Stillschweigen übergangen worden, so zielt auch dieses Vorbringen - mit dem sich das Schöffengericht im Sinne einer gedrängten Darstellung der Urteilsgründe im vorhinein keineswegs befassen mußte (Mayerhofer-Rieder, StPO 2 , E 6 bis 9 zu § 281 Abs 1 Z 5) - im Kern nur auf eine Bekämpfung der Beweiswürdigung ab, wie sich aus der im Anschluß daran wiederholten Vermutung einer verleumderischen Belastung durch seinen Stiefsohn aus dessen Eifersucht gegenüber der nachgeborenen Stiefschwester deutlich ergibt.
Inwiefern angesichts der im Urteil beschriebenen und zudem ausdrücklich als sexuell motiviert bezeichneten (US 6 und 8) massiven Unzuchtshandlungen entscheidende Feststellungen zur subjektiven Tatseite fehlen (Z 9 lit a) oder der vom Erstgericht mit "sexuellem Mißbrauch" und "sexuell motivierten" Unzuchtshandlungen umschriebene Vorsatz mangelhaft (Z 5) begründet sein sollte, kann der Beschwerde nicht entnommen werden (§ 285 a Z 2 StPO). Bei seinen gleichfalls unter der Marginalie "§ 281 (1) Ziffer 5 und 9 a StPO" in Ansehung des Schuldspruches wegen Vergehens nach § 212 Abs 1 StGB erhobenen Einwendungen übergeht der Beschwerdeführer die Konstatierung, daß er sein Stiefkind zur Unzucht mißbraucht hat und übersieht darum, daß darin sowohl die vermißte Feststellung (Z 9 lit a) als auch deren Begründung (Z 5) über den Bestand eines Autoritätsverhältnisses gelegen ist. Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten war somit bereits bei einer nichtöffentlichen Beratung als zur Gänze nicht dem Gesetz entsprechend ausgeführt gemäß § 285 d Abs 1 Z 1 StPO in Verbindung mit § 285 a Z 2 StPO sofort zurückzuweisen.
Zur Entscheidung über die Berufung des Angeklagten sind sonach die Akten in sinngemäßer Anwendung des § 285 b Abs 6 StPO dem (hiefür an sich zuständigen) Oberlandesgericht Wien zuzuleiten. Die Kostenersatzpflicht des Angeklagten gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.
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