Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Die Berufung des Angeklagten wird zurückgewiesen.
Der Berufung der Staatsanwaltschaft wird nicht Folge gegeben. Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 29. Dezember 1949 geborene (ehemalige) Pharmaberater Henryk A des Verbrechens der teils vollendeten, teils versuchten Notzucht nach § 201 Abs. 1, 15 StGB schuldig erkannt. Das Schöffengericht lastet ihm an, in Wien Personen weiblichen Geschlechts, nämlich Ende Oktober 1980 Gabriele E, Anfang November 1980 Marina C und am 25. Oktober 1980 Elisabeth D dadurch, daß er ihnen Getränke anbot, in die er vorher Tranquilizer vom Benzodiazepin-Typ, mit hoher Wahrscheinlichkeit das Medikament 'Rohypnol', hineingemischt hatte, mit Gewalt widerstandsunfähig gemacht und in diesem Zustand zum außerehelichen Beischlaf (Gabriele E und Marina C) mißbraucht bzw. (Elisabeth D) zu mißbrauchen versucht zu haben.
Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Z. 5 und 10 des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde. Als mangelhaft begründet im Sinne des erstgenannten Nichtigkeitsgrundes rügt der Beschwerdeführer den Ausspruch des Gerichtes, er habe 'mit hoher Wahrscheinlichkeit das Medikament 'Rohypnol' (S. 3 der Urteilsausfertigung) dazu verwendet, um die Frauen widerstandsunfähig zu machen; das Schöffengericht übersehe nämlich, daß der pharmakologische Sachverständige Prof.DDr. F und der (als Arzt insoweit sachverständige) Zeuge Dr. G auf Grund der (übereinstimmenden) Aussagen der Zeuginnen bloß Hypothesen aufstellen konnten, die nicht hinreichten, um dem Beschwerdeführer das kriminelle Verhalten, dessen er angeklagt wurde, mit der für das Strafverfahren notwendigen Sicherheit anlasten zu können.
Rechtliche Beurteilung
Das Beschwerdevorbringen geht jedoch fehl.
Das Schöffengericht hat entsprechend dem Gutachten des genannten pharmakologischen Sachverständigen (ON. 34 und S. 221) festgestellt, daß auf Grund der übereinstimmenden Schilderungen der Zeuginnen E, C und D sowie der Aussage des Zeugen Dr. G, der die Zeugin D nach ihrem Besuch beim Beschwerdeführer wegen eines Dämmer- oder Verwirrtheitszustandes (der von ihren Bekannten für eine Alkoholisierung gehalten wurde, S. 11 der Urteilsausfertigung) untersucht hat, bei den genannten Zeuginnen eine Intoxikation durch Tranquilizer des Benzodiazepin-Typs vorlag (S. 9 der Urteilsausfertigung). Es nahm weiters an, daß das von den Zeuginnen geschilderte Zustandsbild (mit hoher Wahrscheinlichkeit, S. 3 der Urteilsausfertigung) auf die Einnahme des Medikamentes 'Rohypnol' zurückzuführen ist (S. 5, 6, 12 der Urteilsausfertigung). Diese Annahme, gegen die sich der Beschwerdeführer wendet, ist im Gutachten des Pharmakologen gedeckt (S. 161) und hinreichend begründet, zumal nicht nur zwingende, sondern auch Wahrscheinlichkeitsschlüsse das Gericht zu Tatsachenfeststellungen berechtigen (vgl. Mayerhofer-Rieder, StPO, Nr. 26 ff. zu § 258). Abgesehen davon würde es an der strafrechtlichen Beurteilung des Verhaltens des Beschwerdeführers nichts ändern, wenn er ein anderes Medikament dieses Typs verwendet hätte, das die beschriebenen Zustände bei den Zeuginnen auszulösen geeignet war, sodaß der Vorwurf der mangelhaften Urteilsbegründung vorliegend gar keinen entscheidungswesentlichen Umstand betrifft. Entscheidend ist vielmehr, daß nach der - auf das Gutachten des psychiatrischen Sachverständigen Prim.Dr.Groß (S. 235) gestützten - überzeugung des Schöffengerichtes (S. 13 der Urteilsausfertigung) die zum Geschlechtsverkehr mit dem Beschwerdeführer nicht bereiten Zeuginnen durch die heimliche Eingabe einer chemischen Substanz in einen Zustand tiefgreifender Bewußtseinsstörung versetzt wurden und solcherart ihr dem Vorhaben des Beschwerdeführers entgegenstehender Wille gebrochen wurde.
Begründungsmängel in Ansehung dieser (allein entscheidungswesentlichen) Feststellung werden aber gar nicht behauptet.
Mit seiner den Nichtigkeitsgrund nach der Z. 10 des § 281 Abs. 1 StPO relevierenden Rechtsrüge macht der Beschwerdeführer geltend, er habe weder Gewalt gegen die Zeuginnen angewendet, noch ihnen gefährlich gedroht; er habe daher lediglich das Vergehen der Täuschung nach § 108 Abs. 1
StGB verwirklicht, weil er die Zeuginnen durch die Vorspiegelung, für ein italienisches Modemagazin zu fotografieren, zur geschlechtlichen Hingabe veranlaßt und sie so an ihrer Geschlechtsehre geschädigt habe. Aber selbst wenn man von dem vom Schöffengericht festgestellten Sachverhalt ausgehe, sei der Wille der Zeuginnen nur gebeugt, jedoch nicht gebrochen worden. Für das ihm angelastete Verbrechen der Notzucht nach § 201 Abs. 1 StGB reiche bloße Willensbeugung als Mittel der Tatbegehung nicht hin, sondern es sei Willensbrechung erforderlich; allenfalls könne seine Tat daher als Verbrechen der Nötigung zum Beischlaf nach § 202 Abs. 1
StGB beurteilt werden, wofür Willensbeugung genüge. Auch dieser Rüge kommt keine Berechtigung zu.
Das Erstgericht hat nämlich - wie bereits ausgeführt - festgestellt, daß der gegen die Ausübung des Geschlechtsverkehrs gerichtete Wille der Zeuginnen durch die Verabreichung des Medikamentes gebrochen wurde und der Angeklagte die Frauen auf diese Weise außerstande gesetzt hat, ihm Widerstand zu leisten (S. 13 der Urteilsausfertigung). Nach diesen (vom Beschwerdeführer negierten) Feststellungen scheidet aber eine Beurteilung der Tat als Vergehen der Täuschung nach § 108 Abs. 1 StGB von vornherein aus, weil der vom Angeklagten angestrebte Erfolg (Durchführung des Geschlechtsverkehrs) nicht durch bloße Täuschung seiner Opfer erreicht werden sollte. Eine Tatbeurteilung nach § 202 Abs. 1 StGB kam hingegen deshalb nicht in Betracht, weil das Erstgericht, was die Beschwerde abermals negiert, eine Willensbrechung (und nicht bloß eine Willensbeugung) festgestellt hat.
Soweit sich die Beschwerde aber - insoweit die Rechtsrüge gesetzmäßig ausführend - gegen die Annahme von Gewalt wendet, so übersieht sie, daß als Gewalt im Sinne des § 201 Abs. 1 StGB auch die (hier vorliegende) heimliche Verabreichung eines betäubenden oder berauschenden Mittels anzusehen ist (Leukauf-Steininger, Kommentar2, § 201 RN 5; Pallin in WK, § 201 RN 11, 12; ÖJZ-LSK. 1982/106 zu § 142 Abs. 1 StGB). Das Schöffengericht ist somit keinem Rechtsirrtum unterlegen, wenn es die zur völligen Willensausschaltung und zum Kontrollverlust bei den Zeuginnen führende Verabreichung der in Rede stehenden chemischen Substanz als Anwendung von Gewalt im Sinne des § 201 Abs. 1 StGB beurteilte.
Da somit auch die Rechtsrüge unbegründet ist, war die Nichtigkeitsbeschwerde zu verwerfen.
Das Schöffengericht verurteilte den Angeklagten nach § 201 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 2 (zwei) Jahren, wobei es diese Strafe unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren gemäß § 43 Abs. 2 StGB bedingt nachsah. Bei der Strafbemessung wertete es als erschwerend die mehrfachen Angriffe und das besonders tückische Verhalten, als mildernd hingegen die Unbescholtenheit und daß es in einem Fall beim Versuch geblieben ist.
Gegen den Strafausspruch richtet sich einerseits die Berufung des Angeklagten und andererseits jene des öffentlichen Anklägers. Was die vom Angeklagten ausgeführte Berufung betrifft, so mußte diese zurückgewiesen werden, weil der Angeklagte innerhalb der im § 284 Abs. 1 StPO bezeichneten Frist lediglich das Rechtsmittel der Nichtigkeitsbeschwerde, nicht aber (auch) jenes der Berufung angemeldet hat (ON. 54/S. 254 d.A.).
Was dagegen die Berufung des öffentlichen Anklägers anlangt, mit welcher dieser eine Erhöhung der Strafe, insbesondere aber die Ausschaltung der bedingten Strafnachsicht begehrt, so kommt ihr im Ergebnis keine Berechtigung zu.
Richtig ist, daß der Angeklagte - wie sich aus der vom Obersten Gerichtshof eingeholten neuen Strafregisterauskunft ergibt - im September 1980 vom Strafbezirksgericht Wien wegen Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs. 1
StGB abgestraft wurde, mithin nicht unbescholten ist. Aber auch unter Berücksichtigung dieser Vorstrafe entspricht das vom Erstgericht gefundene Strafmaß dem Unrechts- und Schuldgehalt der vorliegenden strafbaren Handlungen, weshalb eine Erhöhung des Strafausmaßes nicht zu erfolgen hatte. Nach Lage des Falles kann aber auch davon ausgegangen werden, daß die Voraussetzungen für die Gewährung bedingter Strafnachsicht gemäß § 43 Abs. 2 StGB vorliegen, weil im Hinblick auf die soziale Integration des Angeklagten, der nunmehr verheiratet ist, das längere Zurückliegen der Straftaten und das seither gezeigte Wohlverhalten, das auf einen positiven Gesinnungswandel des Angeklagten schliessen läßt, Gewähr dafür gegeben ist, daß der Angeklagte keine weiteren strafbaren Handlungen begehen werde. So gesehen kann demnach auch nach Ansicht des Obersten Gerichtshofs von einer qualifiziert günstigen Zukunftsprognose, auf die § 43 Abs. 2 StGB abstellt, ausgegangen werden; eine Gewähr im absoluten Sinne für das zukünftige Verhalten eines Menschen kann niemals übernommen werden (vgl. SSt. 48/65). Es war sohin insgesamt spruchgemäß zu erkennen.
Die Kostenentscheidung fußt auf der bezogenen Gesetzesstelle.
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