OGH 9Os112/81

OGH9Os112/8120.10.1981

Der Oberste Gerichtshof hat am 20. Oktober 1981

unter dem Vorsitz des Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Obauer und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Faseth, Dr. Steininger, Dr. Horak und Dr. Reisenleitner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Schramm als Schriftführer in der Strafsache gegen Hermann A wegen des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die vom Angeklagten und der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Geschwornengerichtes beim Landesgericht für Strafsachen Wien vom 22. Dezember 1980, GZ 20 w Vr 8750/79-113, erhobenen Nichtigkeitsbeschwerden und Berufungen nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Faseth, Verlesung der Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft, Anhörung der Ausführungen des Verteidigers Dr. Weber und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Nurscher, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden verworfen.

Den Berufungen wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 25. Jänner 1943 geborene Automateneinsteller Hermann A auf Grund des Wahrspruchs der Geschwornen des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB, sowie des Vergehens der fahrlässigen Tötung unter besonders gefährlichen Verhältnissen nach § 81 Z 1

StGB und des Vergehens nach § 36 Abs 1 lit a WaffenG schuldig erkannt. Ihm liegt zur Last, in Wien 1.) am 6. Oktober 1979 den Roman B durch einen gezielten Pistolenschuß aus kürzester Distanz, wobei das Projektil den linken Oberarm, die fünfte linke Rippe, das Zwerchfell, die Milz und den Magen durchdrang und dann in der Wirbelsäule steckenblieb, und an dessen Folgen Robert B am 23. November 1979 verstarb, vorsätzlich getötet zu haben;

2.) am 6. Oktober 1979 dadurch, daß er irrtümlich einen gegenwärtigen oder unmittelbar drohenden rechtswidrigen Angriff des Robert C auf sein Leben, seine Gesundheit, seine körperliche Unversehrtheit, seine Freiheit oder sein Vermögen annahm und bei der Abwehr dieses vermeintlichen Angriffs das gerechtfertigte Maß der Verteidigung aus Bestürzung, Furcht oder Schrecken überschritt oder sich einer offensichtlich unangemessenen Verteidigung bediente, indem er gegen Robert C einen gezielten Pistolenschuß aus unmittelbarer Nähe abgab, der diesen in die rechte Brustseite traf und die dritte rechte Zwischenrippe, das Herz, das Zwerchfell, den linken Leberlappen, den Magen und die achte linke Zwischenrippe durchschlug und an dessen unmittelbaren Folgen Robert C noch am selben Tag durch innere Verblutung verstarb, unter besonders gefährlichen Verhältnissen fahrlässig den Tod des Robert C herbeigeführt zu haben und 3.) im Jahre 1979 bis zum 6. Oktober 1979 unbefugt eine Faustfeuerwaffe, nämlich die Pistole Steyr-Kipplauf Nr. 26529, Kaliber 7,65 mm, besessen und am 6. Oktober 1979 auch geführt zu haben.

An die Geschwornen waren insgesamt 23 Fragen gerichtet worden. Die Fragen mit den laufenden Nummern 1 bis 22 des Fragenschemas bezogen sich auf die vom Angeklagten gegen Robert C und Roman B abgegebenen Schüsse und waren jeweils nach den beiden Opfern getrennt gestellt worden. Die Hauptfragen 1 und 2 (Nr 1 und 12 des Fragenschemas) waren anklagekonform auf das Verbrechen des Mordes nach § 75 StGB gerichtet. Die Eventualfragen 1 und 7 (Nr 2 und 13 des Fragenschemas) lauteten auf das Verbrechen des Totschlages nach § 76 StGB, die Eventualfragen 2 und 8 (Nr 3 und 14 des Fragenschemas) auf absichtliche schwere Körperverletzung mit Todesfolge nach § 87 Abs 1 und 2 StGB, die Eventualfragen 3 und 9 (Nr 4 und 15 des Fragenschemas) auf das Verbrechen der Körperverletzung mit tödlichem Ausgang (§§ 84, 86 StGB) und die Eventualfragen 4 und 10 (Nr 5 und 16 des Fragenschemas) auf das Vergehen der fahrlässigen Tötung unter besonders gefährlichen Verhältnissen (§ 81 Z 1 StGB). Die Zusatzfragen 1 und 5 (Nr 6 und 17 des Fragenschemas) hatten (gerechte) Notwehr ((§ 3 StGB), die Zusatzfragen 2 und 6 (Nr 7 und 18 des Fragenschemas) Notwehrüberschreitung aus asthenischem Affekt zum Gegenstand. Hierauf bezogen sich auch die Eventualfragen 5 und 11 (Nr 8 und 19 des Fragenschemas), die den Geschwornen die Möglichkeit boten, die Handlungsweise des Angeklagten gegenüber B und C als Vergehen der fahrlässigen Tötung unter besonders gefährlichen Verhältnissen nach § 81 Z 1 StGB infolge Notwehrexzeß (§ 3 Abs 2 StGB) zu beurteilen.

Die Zusatzfragen 3, 4, 7 und 8 (Nr 9, 10, 20 und 21 des Fragenschemas) betrafen irrtümliche Annahme eines rechtfertigenden Sachverhaltes im Sinne des § 8 StGB durch den Angeklagten (Putativnotwehr und Putativnotwehrexzeß). In diesem Zusammenang bezogen sich die Eventualfragen 6 und 12 (Nr 11 und 22 des Fragenschemas) auf das Vergehen der fahrlässigen Tötung unter besonders gefährlichen Verhältnissen (§ 81 Z 1 StGB) im Rahmen eines Putativnotwehrexzesses.

Die Hauptfrage 3 (Nr 23 des Fragenschemas) schließlich hatte das Vergehen nach dem Waffengesetz zum Gegenstand.

Sie wurde einstimmig bejaht.

Hinsichtlich Robert C wurden die Hauptfrage 1, die Zusatzfrage 4 und die Eventualfrage 6 jeweils einstimmig bejaht; die Zusatzfragen 1, 2 und 3 wurden einstimmig verneint. Die Beantwortung der Eventualfragen 1, 2, 3, 4

und 5 entfiel gemäß der den Geschwornen erteilten Belehrung. Zum Fall Roman B wurde die Hauptfrage 2 im Verhältnis von 6:2 Stimmen mehrheitlich bejaht; die Zusatzfragen 5, 6, 7 und 8 wurden jeweils einstimmig verneint, die Beantwortung der Eventualfragen 7, 8, 9, 10, 11 und 12

folgerichtig unterlassen, worauf der eingangs umschriebene Schuldspruch erging.

Während die Verurteilung nach dem Waffengesetz unangefochten geblieben und somit in Rechtskraft erwachsen ist, wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihrer auf die Z 8 des § 345 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde gegen den Schuldspruch wegen fahrlässiger Tötung des Robert C (Punkt 2 des Urteilssatzes) mit dem Ziel, auch insoweit eine Verurteilung wegen Mordes herbeizuführen. Der Angeklagte Hermann A bekämpft den Schuldspruch wegen Mordes, begangen an Roman B (Punkt 1 des Urteilssatzes). Er will, gestützt auf die Nichtigkeitsgründe nach § 345 Abs 1 Z 6, 9 und 12 StPO, die Beurteilung dieser Tat nach einem milderen Strafgesetz erreichen.

Rechtliche Beurteilung

I./ Zur Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft:

Eine (Nichtigkeit im Sinne des § 345 Abs 1 Z 8 StPO bewirkende) Unvollständigkeit der den Geschwornen erteilten Rechtsbelehrung erblickt die Anklagebehörde darin, daß in dieser die Begriffe des 'Irrtums' und der 'Rechtswidrigkeit des Angriffes' unerläutert geblieben seien. Insbesondere wäre eine Belehrung der Geschwornen darüber erforderlich gewesen, daß gegen einen rechtmäßigen Angriff Notwehr nicht zulässig ist. Der Angeklagte habe auf Robert C erst geschossen, nachdem er den tödlichen Schuß auf Roman B abgegeben habe; Robert C habe dem B nach dem Wahrspruch der Geschwornen (in diesem Zeitpunkt) zu Hilfe eilen und nach den Aussagen der Zeugen dem Angeklagten, der unmittelbar vorher ein Verbrechen begangen hatte 'offenbar' die Tatwaffe - die der Angeklagte nach seinem Vorbringen in der Hauptverhandlung deshalb geholt hatte, weil er sich durch C provoziert gefühlt habe und 'sie' einschüchtern wollte - entwinden wollen. Er habe daher rechtmäßig gehandelt (§ 86 Abs 2 StPO). In dieser Situation des ertappten Rechtsbrechers gegenüber einer ihn anhaltenden Person wäre ein Irrtum des Angeklagten über das Bestehen eines Notwehrrechtes jedenfalls unentschuldbar, ganz abgesehen davon, daß der Angeklagte durch sein Verhalten die nach dem bereits beendeten tätlichen und mit bloßen Händen geführten Angriff gegen ihn bestehende Situation durch Verwendung einer Waffe unangemessen eskaliert habe. Auch seien in der Rechtsbelehrung der für die Handlung des Robert C maßgebliche Umstand des entschuldigenden Notstandes nach § 10 StGB (betreffend Roman B) bzw das allgemeine Anhaltungsrecht des § 86 Abs 2 StPO mit keinem Wort erwähnt worden. Diese Mängel seien aber geeignet, bei den Geschwornen eine unrichtige Vorstellung über die Rechtslage hervorzurufen.

Diese Erwägungen schlagen jedoch vorliegend nicht durch. Nach § 345 Abs 1 Z 8 StPO ist nur die vom Vorsitzenden den Geschwornen erteilte unrichtige, d.h. mit gesetzlichen Bestimmungen oder Grundsätzen des Strafrechtes oder Strafverfahrens in Widerspruch stehende Rechtsbelehrung mit Nichtigkeit bedroht, nicht auch die unvollständige Belehrung der Geschwornen. Letztere bleibt in der Regel ohne Sanktion, weil eine unvollständige Belehrung nicht auch unrichtig sein muß (§R 15, KH 577, 1250, 2179, EvBl 1958/271). Eine Unvollständigkeit ist allerdings dann einer Unrichtigkeit gleichzuhalten, wenn sie zu Mißverständnissen in Ansehung der gesetzlichen Merkmale der strafbaren Handlungen, auf die die Fragestellung gerichtet ist, zu einer irrigen Auslegung der in den einzelnen Fragen enthaltenen Ausdrücke des Gesetzes oder zu Irrtümern über das Verhältnis der einzelnen Fragen zueinander oder über die Folgen der Bejahung oder Verneinung der Fragen Anlaß geben kann (SSt 23/80), oder überhaupt nach den Umständen des einzelnen Falles geeignet ist, die Geschwornen bei Beantwortung der an sie gestellten Fragen auf einen falschen Weg zu weisen (EvBl 1962/465 uva). Es zieht also - mit anderen Worten gesagt - eine Unvollständigkeit der Rechtsbelehrung Nichtigkeit nur dann nach sich, wenn die Geschwornen infolgedessen ohne die nach den Umständen des Falles erforderliche Belehrung über die für ihren Wahrspruch wesentlichen Rechtsbegriffe geblieben sind (10 Os 202/72, 13 Os 115/78, 10 Os 12/80).

Aus der Tatsache, daß den Geschwornen grundsätzlich nur in dem Umfang (Rechts-)Belehrung zu erteilen ist, der zum Zustandekommen eines rechtsrichtigen Wahrspruches erforderlich ist, ergibt sich das Erfordernis (die Zulässigkeit) einer Beschränkung der Rechtsbelehrung auf den durch die tatsächlich an die Geschwornen gestellten Fragen gesteckten Rahmen (SSt 32/77 uva). Einer darüber hinausgehenden Belehrung bedarf es nicht; sie kann daher unterbleiben.

Vorliegend wurden den Geschwornen nur die eingangs aufgezählten Fragen gestellt. Diese machten - von den Zusatzfragen 3 und 7 (nach Putativnotwehr) bzw 4 und 8 (nach Putativnotwehrexzeß) abgesehen - eine Belehrung der Geschwornen über den strafrechtlichen Irrtumsbegriff nicht erforderlich. Der Begriff des Irrtums in seiner landläufigen Bedeutung aber ist ohnedies für jedermann verständlich und muß daher nicht besonders erläutert werden.

Zum Verständnis der in den oben erwähnten Zusatzfragen 3, 4, 7 und 8 enthaltenen, auf den Irrtum Bezug habenden gesetzlichen Ausdrücke war bloß die Erörterung des Begriffes der 'irrtümlichen Annahme eines rechtfertigenden Sachverhaltes' (§ 8 StGB) notwendig. Über diesen wurden die Geschwornen in dem vom Vorsitzenden gemäß § 321 Abs 1 StPO verfaßten und unterfertigten Schriftstück (eingehend, verständlich und richtig) belehrt. Fragen nach einem dem Angeklagten bei der Tat allenfalls schuldhaft unterlaufenen Rechtsirrtum (§ 9 StGB) der von der Beschwerde aufgezeigten Art wurden - mit Recht, weil sich der Angeklagte niemals dahingehend verantwortet hat und auch über bloße Mutmaßungen eines Zeugen (Bd II, S 373) hinausgehende Umstände im abgeführten Beweisverfahren nicht hervorgekommen sind (vgl dazu KH 2337 und KH 1571 sowie KH 595 ua) - an die Geschwornen nicht gerichtet. Eine Belehrung über diesen Aspekt des (strafrechtlichen) Irrtumsbegriffes und demzufolge auch über das 'allgemeine Anhalterecht' des § 86 Abs 2 StPO - bezüglich dessen der Angeklagte nach dem Beschwerdevorbringen geirrt haben soll - durfte daher unterbleiben.

Der von der Beschwerdeführerin gleichfalls vermißten Belehrung der Geschwornen über den Begriff des 'entschuldigenden Notstandes' (§ 10 StGB) bedurfte es nicht, weil sich die Angriffshandlung des Robert C - von dem die Beschwerde (ohne entsprechendes Substrat im Wahrspruch der Geschwornen) annimmt, daß er zum Schutze des bereits verletzten Roman B handelte - gegen den Angreifer selbst und nicht gegen einen schuldlosen Dritten oder dessen Rechtsgüter richtete, weshalb das Verhalten des Robert C - selbst bei Zugrundelegung dieser (durch den Wahrspruch sohin nicht gedeckten) Version des Tatgeschehens - nur als Notwehr (Nothilfe) angesehen werden kann (Leukauf-Steininger2, RN 3 zu § 10 StGB).

Einzuräumen ist allerdings der Staatsanwaltschaft, daß die zu den Zusatzfragen 1 und 5 (gerichtet auf das Vorliegen des Rechtfertigungsgrundes der Notwehr) erteilte Belehrung nicht ausdrücklich davon spricht, daß Notwehr nur gegen einen (gegenwärtigen oder unmittelbar drohenden) rechtswidrigen Angriff (auf Leben, Gesundheit usw) zulässig ist. Es wird diese Voraussetzung rechtmäßiger Notwehr aber in der Frage selbst unmißverständlich erwähnt (vgl dazu 12 Os 220/71) und im übrigen in den darauf bezüglichen Partien der Rechtsbelehrung der Begriff der Rechtswidrigkeit hinreichend deutlich erörtert; sie mußte sohin mit Rücksicht auf die in der Frage selbst, und zwar durch Anführung des allgemein verständlichen Wortlautes des § 3 Abs 1 StGB (vgl dazu 9 Os 148/69 und 12 Os 17/81) erfolgte Klarstellung der Erfordernisse gerechter Notwehr nicht weiter erörtert werden. Somit bildet diese in der Beschwerde an sich zutreffend aufgezeigte Unzulänglichkeit der Rechtsbelehrung bei der besonderen Lagerung des Falles noch keine einer Unrichtigkeit gleichzusetzende Unvollständigkeit, die zu Mißverständnissen und Irrtümern der Geschwornen Anlaß geben könnte. Dies zeigt sich auch aus der als Prüfstein heranziehbaren (SSt 43/42) Niederschrift gemäß § 331 Abs 3 StPO zu den Fragen 6 und 7 des Fragenschemas, in der mit Beziehung auf das Verhalten des Robert C von einer mangelnden Rechtswidrigkeit dessen Angriffes auf den Angeklagten die Rede ist (was zur Verneinung der auf Notwehr bzw Notwehrexzeß gerichteten Fragen durch die Geschwornen führte).

So besehen ist die Rechtsbelehrung nicht mit der im Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft relevierten Nichtigkeit behaftet, weshalb deren Beschwerde ein Erfolg zu versagen war.

II./ Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Hermann A:

Diese wendet sich (lediglich) gegen den Schuldspruch wegen Mordes. Sie erblickt einen Mangel der Fragestellung im Sinne des § 345 Abs 1 Z 6 StPO in der 'Aufspaltung' des innerhalb von zwei Sekunden ablaufenden Tatgeschehens in zwei getrennte Fragen; dadurch seien die Geschwornen dazu veranlaßt worden, sich zunächst mit dem auf Robert C abgegebenen Schuß zu befassen und erst dann mit dem Schuß auf Roman B zu beschäftigen. Dies habe zu dem unmißverständlichen Ergebnis geführt, daß das einheitliche Tatgeschehen eine unterschiedliche rechtliche Würdigung erfahren habe, was durch Stellung einer Kumulativfrage (hinsichtlich beider Opfer) zu vermeiden gewesen wäre.

Ein Nichtigkeit bewirkender Fehler der Fragestellung wird mit diesem Vorbringen nicht aufgezeigt.

Gemäß § 317 Abs 2 StPO hat der Schwurgerichtshof im Einzelfall zu beurteilen, welche Tatsachen in einer Frage zusammenzufassen oder zum Gegenstand besonderer Fragen zu machen sind; nach der genannten Gesetzesstelle ist auch die Reihung der Fragen dem richterlichen Ermessen anheimgestellt. Besondere Anordnungen, die das Gericht dabei zu beachten hat, enthält das Gesetz nicht. Es setzt dem Schwurgerichtshof diesbezüglich lediglich insoferne Schranken, als dieser dem Zweck der Fragestellung - durch die ein der wahren Willensmeinung der Geschwornen entsprechender und zugleich für den Richter brauchbarer Wahrspruch herbeigeführt werden soll - Rechnung zu tragen verpflichtet ist (EvBl 1965/176 uva).

Aus der ins Ermessen verweisenden Anordnung des § 317 Abs 2 StPO ergibt sich, daß die Entscheidung des Schwurgerichtshofes über die Verbindung oder Teilung von Fragen unter dem aufgezeigten Aspekt nur dann wegen Nichtigkeit nach § 345 Abs 1 Z 6 StPO anfechtbar ist, wenn der Schwurgerichtshof den Ermessensbereich überzieht und dadurch den Geschwornen, sei es durch die Art der Fragestellung oder die Reihung der Fragen, die vollständige Prüfung des Sachverhaltes und die klare, erschöpfende Beurteilung desselben unmöglich macht oder doch die Gefahr einer pauschalen Beurteilung der einzelnen Fakten ohne sorgfältige Prüfung der Schuld im Einzelfall nach den hiefür maßgeblichen Beweisen heraufbeschwört (vgl SSt 28/67 ua). Diese Gefahr ergibt sich aber in der Regel bei einer Kumulierung von Fragen, nicht jedoch bei deren Teilung, da diese die Geschwornen zur faktenweisen Prüfung der Schuldfrage zwingt.

Vorliegend war nun die Teilung in zwei Gruppen von Fragen, getrennt nach den beiden Opfern, geradezu geboten, weil nach den Beweisergebnissen eine unterschiedliche Beurteilung der jeweiligen Tathandlungen durch die Geschwornen möglich war. Die vom Schwurgerichtshof gewählte Fragenstellung verstieß somit nicht gegen das Gesetz und hätte den Geschwornen, wären sie der Ansicht gewesen, das Verhalten des Angeklagten gegenüber Roman B sei gleichfalls nicht als das Verbrechen des Mordes zu beurteilen, durchaus die Möglichkeit geboten, auch dieses Tatgeschehen rechtlich anders zu würdigen. Aus der Fragestellung war daher ein Nachteil für den Angeklagten keineswegs zu besorgen.

Einen inneren Widerspruch des Wahrspruchs im Sinne des § 345 Abs 1 Z 9 StPO erblickt der Beschwerdeführer darin, daß seine innerhalb von wenigen Sekunden erfolgenden, etwa gleichartigen Angriffe gegen Roman B und Robert C einmal als Mord, im andern Fall aber nur als Vergehen der fahrlässigen Tötung unter besonders gefährlichen Verhältnissen beurteilt worden sind.

Damit verkennt der Beschwerdeführer das Wesen eines solchen Widerspruchs. Ein solcher würde nur dann vorliegen, wenn Tatsachen festgestellt worden wären, die einander nach den Gesetzen logischen Denkens ausschließen und daher miteinander unvereinbar sind (Mayerhofer-Rieder, StPO, § 332, Nr 13 ff). Ein derartiger Fehler haftet aber dem Wahrspruch der Geschwornen, welche die Handlungsweise des Angeklagten in den beiden Fällen verschieden beurteilt haben, nicht an. Es ist begrifflich keineswegs ausgeschlossen, das Verhalten des Beschwerdeführers gegenüber Roman B als Mord und das - wenngleich unmittelbar - darauffolgende Verhalten gegenüber Robert C (bloß) als Putativnotwehrexzeß (Vergehen der fahrlässigen Tötung unter besonders gefährlichen Verhältnissen nach § 81 Z 1 StGB) aufzufassen. Zudem müßte der Widerspruch aus dem Wahrspruch selbst hervorgehen. Aus einem Vergleich des Wahrspruchs mit der Verantwortung des Angeklagten, wie dies in der Beschwerde geschieht, kann der Nichtigkeitsgrund nicht abgeleitet werden. Auf das bezügliche Vorbringen muß daher nicht weiter eingegangen werden (Mayerhofer-Rieder, StPO, § 345 Abs 1 Z 9, Nr 6 und 7).

Ebensowenig stellt es eine gesetzmäßige Ausführung des Nichtigkeitsgrundes der Z 12 des § 345 Abs 1 StPO dar, wenn der Angeklagte vorbringt, der psychiatrische Sachverständige habe ihm heftige Gemütsbewegung zur Tatzeit zugebilligt. Den Geschwornen seien zwar Eventualfragen in dieser Richtung (Verbrechen des Totschlages) gestellt worden, diese seien aber verneint worden, obwohl der Angeklagte den Tötungsvorsatz stets bestritten habe, das Gutachten des Sachverständigen Dr. D für die Richtigkeit dieser Einlassung spreche und die Situation des Angeklagten die Annahme von Notwehr auch im Falle Roman B zugelassen habe; im übrigen aber könne er (der Beschwerdeführer) auch die Annahme eines Putativnotwehrexzesses im Sinne des § 81 Z 1 StGB, allenfallr eine Beurteilung der Tat als Körperverletzung mit tödlichem Ausgang (§§ 84, 86 StGB) absichtliche schwere Körperverletzung (mit Todesfolge, § 87 Abs 1 und 2 StGB) oder als Totschlag (§ 76 StGB) für vertretbar erachten, nicht aber den Schuldspruch wegen Mordes.

Damit werden jedoch nicht die im Wahrspruch festgestellten Tatsachen mit dem darauf angewendeten Strafgesetz verglichen, wie das für eine Rechtsrüge erforderlich ist, sondern der Wahrspruch der Geschwornen selbst mit der Behauptung angefochten, daß die Beweisergebnisse auch eine andere Lösung der (Schuld- und) Rechtsfrage zugelassen hätten. Dazu aber ist der Angeklagte auch bei Geltendmachung des Nichtigkeitsgrundes nach § 345 Abs 1 Z 12 StPO nicht berechtigt (Mayerhofer-Rieder, StPO, § 345 Abs 1 Z 12, Nr 15).

Somit erweist sich sowohl die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft als auch jene des Angeklagten Hermann A als unbegründet, weshalb beide Beschwerden zu verwerfen waren. Das Geschwornengericht verurteilte den Angeklagten nach § 75 StGB unter Anwendung des § 28 StGB zu fünfzehn Jahren Freiheitsstrafe. Es nahm bei der Strafbemessung das Zusammentreffen mehrerer strafbarer Handlungen verschiedener Art als erschwerend an. Den bisher ordentlichen Lebenswandel und den Umstand, daß die Taten mit dem sonstigen Verhalten des Angeklagten in auffallendem Widerspruch stehen, das reumütige Geständnis 'in weiten Teilbereichen', mit dem der Angeklagte wesentlich zur Wahrheitsfindung beigetragen hat, und die durch Alkoholkonsum bedingte Herabsetzung der Zurechnungsfähigkeit wertete es hingegen als mildernd. Der Angeklagte begehrt in seiner Berufung die Herabsetzung des Strafmaßes; die Staatsanwaltschaft dagegen strebt die Erhöhung der über den Angeklagten verhängten Freiheitsstrafe an. Beiden Berufungen kommt keine Berechtigung zu.

Das Geschwornengericht hat die Strafzumessungsgründe im wesentlichen richtig und vollständig festgestellt und auch zutreffend gewürdigt. Es ist zwar richtig, daß sich der Angeklagte ausdrücklich nur des Vergehend näch dem Waffengesetz schuldig bekannte und bloß diesbezüglich ein volles Geständnis ablegte; es hat jedoch das Geschwornengericht dem Angeklagten - dem Vorbringen der Staatsanwaltschaft zuwider - mit Recht auch als mildernd zugebilligt, daß er durch seine sonstigen Angaben zur Wahrheitsfindung beigetragen hat.

Daß der Angeklagte vor der Tat mit der ihn bedienenden Kellnerin eine Auseinandersetzung hatte, in deren Verlauf er ihr eine Ohrfeige versetzte, fällt bei der Strafbemessung nicht weiter ins Gewicht; auch kann dem Angeklagten nicht als erschwerend angelastet werden, daß er zu dem Taxifahrer, der ihn nach dem Streit mit der Kellnerin nach Hause brachte und dann nicht auf seine Rückkehr wartete, wegen dieses Verhaltens eine ordinäre Bemerkung machte, die vom Beleidigten ersichtlich nicht einmal ernst genommen worden ist. Dagegen muß bei der Strafbemessung doch entsprechend berücksichtigt werden, daß der zur Tatzeit stark alkoholisierte Angeklagte (2,05 %o) unmittelbar vor der Tat von zwei bislang unbekannt gebliebenen Personen, die nach seiner Meinung im Auftrag des später getöteten C gehandelt hatten, geschlagen und dabei am Kopf und im Gesicht verletzt wurde, daß er sich deswegen und wegen einer spättischen Bemerkung des C in einem gewissen Erregungszustand befand und die Tat letztlich als übertriebene Reaktion eines 'eher infantilen und enthemmten' Menschen zu beurteilen ist, der sich auf Grund der geschilderten Vorfälle in einem gewissen Spannungszustand befand. So gesehen erachtete der Oberste Gerichtshof die vom Geschwornengericht ausgesprochene Strafe gerade noch als schuldangemessen, weshalb beiden Berufungen ein Erfolg zu versagen war.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.

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