OGH 9Os108/82

OGH9Os108/8214.9.1982

Der Oberste Gerichtshof hat am 14. September 1982

unter dem Vorsitz des Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Obauer und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Steininger, Dr. Walenta, Dr. Horak und Dr. Reisenleitner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Rathmanner als Schriftführer in der Strafsache gegen Alois A wegen des Verbrechens der Nötigung zum Beischlaf nach § 202 Abs 1 StGB über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 28. Mai 1982, GZ 3 d Vr 12214/81-18, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Steininger, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Grohmann und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Kodek, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 8. Oktober 1936 geborene Laborant Alois A des Verbrechens der Nötigung zum Beischlaf nach § 202 Abs 1 StGB schuldig erkannt, weil er am 28. August (richtig: September) 1981 in Wien - im bewußten und gewollten Zusammenwirken mit dem bereits rechtskräftig abgeurteilten Peter B als Mittäter - eine Person weiblichen Geschlechts mit Gewalt und durch gefährliche Drohung zum außerehelichen Beischlaf genötigt hat, indem nach Absprache zwischen ihm und Peter B letzterer die (1957 geborene) Martina C mit den Händen gegen den Kopf schlug sowie an den Haaren riß und äußerte, er werde weiter schlagen, wenn sie sich nicht ausziehe und sowohl mit Alois A als auch mit Peter B einen Geschlechtsverkehr durchführe, worauf sowohl Peter B als auch Alois A mit der Genannten den außerehelichen Beischlaf vollzogen.

Rechtliche Beurteilung

Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit einer auf § 281 Abs 1 Z 4, 5, 9 lit a und 10 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde. In der Verfahrensrüge (Z 4) wendet sich der Beschwerdeführer gegen die Abweisung seiner in der Hauptverhandlung gestellten Beweisanträge auf Ladung und Einvernahme des Amtsarztes (Dr. D) zum Nachweis dafür, daß die Zeugin C anläßlich ihrer Untersuchung durch ihn keinerlei Verletzungen aufwies, sowie auf Beiziehung eines gerichtsmedizinischen Sachverständigen zum Nachweis dafür, daß ein Vorgehen (seitens des abgesondert verfolgten Mittäters), wie es von der Zeugin geschildert wurde, notwendigerweise mit sichtbaren Verletzungen verbunden gewesen sein müßte (S 106). Das Schöffengericht hat nach dem Inhalt des Hauptverhandlungsprotokolls zunächst die Beschlußfassung über diese Beweisanträge vorbehalten, in der Folge jedoch - entgegen der Vorschrift des § 238 StPO - nicht formell darüber mit Beschluß entschieden (S 106); durch die Unterlassung der begehrten Beweisaufnahmen hat es jedoch deren Abweisung zu erkennen gegeben und diese im Urteil nachträglich damit begründet, daß nach den Erfahrungen des täglichen Lebens Gewaltanwendungen der von Martina C geschilderten Art und Intensität nicht zwingend auch sichtbare Merkmale und Folgen nach sich ziehen müssen und daß die amtsärztliche Untersuchung erst am Tag nach dem Vorfall stattfand, wobei die Angaben der Zeugin, Schmerzen im rechten Lendenbereich zu empfinden, ohnedies im Befund des Amtsarztes festgehalten wurden (S 119 f).

Die dagegen erhobenen Einwände sind unbegründet.

Wie der Oberste Gerichtshof bereits im abgesondert geführten Strafverfahren gegen den Mittäter Peter B, in dem gleichlautende Beweisanträge gestellt worden waren, zum Ausdruck brachte (9 Os 38/82-6), ist die Beiziehung eines Sachverständigen nur erforderlich, wenn zur Beurteilung (Auswertung) vorhandener Beweisergebnisse in tatsächlicher Hinsicht besonderes Fachwissen erforderlich ist, das nicht jedes Mitglied des erkennenden Gerichtes besitzt. Genügt hingegen schon die Lebenserfahrung bzw das Allgemeinwissen zur Lösung der zu beurteilenden Frage, dann kann die Beiziehung eines Sachverständigen (ohne Beeinträchtigung von Verteidigungsrechten) unterbleiben. Da es nun durchaus der forensischen Erfahrung entspricht, daß Ohrfeigen, mit bloßer Hand geführte Schläge und Ziehen an den Haaren keineswegs eine Verletzung nach sich ziehen müssen, konnte der in diesem Zusammenhang beantragte Sachverständigenbeweis ohne Beeinträchtigung von Verteidigungsrechten unterbleiben.

Von der Einvernahme des Zeugen Dr. D - von dem das in der Hauptverhandlung verlesene (S 106) amtsärztliche Attest über das Ergebnis der Untersuchung der Martina C am 29. September 1981 erstellt worden ist (S 19) - zum Inhalt dieses ärztlichen Zeugnisses konnte das Gericht schon deswegen Abstand nehmen, weil der Angeklagte in seinem Beweisantrag nicht einmal behauptet hat, daß Dr. D bei einer mündlichen Befragung einen anderen (als den darin enthaltenen ärztlichen) Sachbefund erstellen könnte (vgl erneut 9 Os 38/82-6).

In der Mängelrüge (Z 5) wirft der Beschwerdeführer dem angefochtenen Urteil vor, wichtige Teile der Aussage der Zeugin Martina C mit Stillschweigen übergangen zu haben. Im Urteil werde zwar ausgeführt, daß der Beschwerdeführer selbst weder Hand an die Zeugin legte noch Drohungen gegen sie äußerte, und daß er Peter B irgendwie beschwichtigen wollte, andererseits jedoch festgestellt, daß er nach vorangegangener Absprache mit B im bewußten und gewollten Zusammenwirken mit diesem gehandelt habe; diesbezüglich werde die Aussage der Zeugin C, wonach sie den Eindruck hatte, der Beschwerdeführer wolle B beruhigen und zum Verlassen der Wohnung überreden, außer acht gelassen. Im übrigen finde die erstgerichtliche Feststellung einer Absprache zwischen dem Beschwerdeführer und B, worauf die Annahme ihres einverständlichen Zusammenwirkens gegründet werde, in den Angaben dieser Zeugin keine Deckung.

Auch damit ist die Beschwerde nicht im Recht. Das Erstgericht hat, wie die Beschwerde selbst einräumt, im Urteil die Aussage der Zeugin C, sie habe (zunächst) den Eindruck gehabt, daß der Beschwerdeführer seinen Mittäter 'irgendwie beschwichtigen' wollte (S 113 oben) und sei (sodann) überrascht gewesen, als B sie unmittelbar darauf tätlich angriff, ohnedies verwertet. Zwischen den Feststellungen über den ersten Eindruck der Zeugin von einer maßvollen (beschwichtigenden) Haltung des Beschwerdeführers einerseits und ihrer späteren, auf sein nachfolgendes tatsächliches Verhalten ihr gegenüber gegründeten Erkenntnis einer Absprache zwischen den beiden Tätern andererseits besteht dabei kein Widerspruch. Daß eine solche Absprache zwischen den beiden Männern, die zur Gewaltanwendung und Bedrohung der Zeugin seitens des abgesondert verfolgten Peter B und daran anschließend zum außerehelichen Geschlechtsverkehr mit ihr durch B und den Beschwerdeführer führte, stattgefunden hat, konnte das Schöffengericht (beweiswürdigend) auf Grund der Angaben der Zeugin, wonach sie den Eindruck hatte, daß zwischen dem Beschwerdeführer und B 'ein Komplott war' (S 104 oben), feststellen, wobei der Annahme einer Verabredung verbrecherischen Vorgehens zwischen zwei Tätern nicht entgegensteht, daß einer von ihnen (hier der Beschwerdeführer) für maßvolle Gewaltanwendung eintritt. Ein formeller Begründungsmangel haftet daher der bekämpften Urteilskonstatierung über ein von vornherein beschlossenes bewußtes und gewolltes Zusammenwirken beider Täter in Richtung einer Nötigung der Zeugin C zum Beischlaf nicht an. In der Rechtsrüge nach § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO vermeint der Beschwerdeführer, sein Verhalten, wie es vom Gericht festgestellt wurde, erfülle nicht den Tatbestand des § 202 Abs 1 StGB, weil er zu Unrecht als Mittäter behandelt werde. Dabei übersieht er jedoch, daß bei einverständlichem Zusammenwirken mehrerer Täter, wie es vorliegend festgestellt wurde, jeder von ihnen (Mit-)Täter ist; das einvernehmliche Handeln auch mit 'verteilten Rollen' begründet Haftung wegen Täterschaft hinsichtlich des gesamten eingetretenen Erfolges (Leukauf-Steininger, Kommentar2 RN 14 zu § 202 StGB mit Judikaturnachweisen). Im übrigen begeht auch derjenige, der zumindest in Kenntnis der vorangegangenen Nötigung des Opfers an ihm den Beischlaf vollzieht, das Verbrechen, denn hiedurch setzt er die eingeleitete Willensbeugung fort und verwirklicht sie (Pallin, WK, RN 4 zu § 202 StGB).

Was letztlich die Rechtsrüge nach der Z 10 des § 281 Abs 1 StPO betrifft, mit welcher der Beschwerdeführer einen Schuldspruch wegen Vergehens der Unterlassung der Verhinderung einer mit Strafe bedrohten Handlung gemäß § 286

StGB anstrebt, so entbehrt diese im Hinblick auf die einer solchen Tatbeurteilung entgegenstehenden Urteilskonstatierungen einer gesetzmäßigen Ausführung, sodaß darauf nicht einzugehen ist. Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher als zur Gänze unbegründet zu verwerfen.

Das Schöffengericht verurteilte den Angeklagten nach § 202 Abs 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 6 (sechs) Monaten, wobei es diese Strafe gemäß § 43 Abs 1

StGB unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachsah. Bei der Strafbemessung wertete es als erschwerend die mehrfache Tatbildmäßigkeit (gemeint: Tatbegehung sowohl durch gefährliche Drohung als auch durch Gewalt) sowie die Nötigung der Maria (richtig: Martina) C zum Geschlechtsverkehr mit zwei Personen, als mildernd hingegen die bisherige Unbescholtenheit des Angeklagten.

Mit seiner Berufung strebt der Angeklagte die Herabsetzung der Strafe an.

Der Berufung kommt keine Berechtigung zu.

Auch wenn neben dem bereits vom Erstgericht angenommenen Milderungsgrund des § 34 Z 2 StGB weiters als mildernd zu berücksichtigen ist, daß der Berufungswerber die Tat unter der Einwirkung eines Dritten, nämlich des abgesondert verfolgten Peter B begangen hat, ist das vom Erstgericht gefundene Strafmaß, das der gesetzlichen Mindeststrafe entspricht, dennoch tatschuld- und tätergerecht. Eine Herabsetzung der Strafe kam somit nicht in Betracht, weshalb auch der Berufung ein Erfolg versagt bleiben mußte.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.

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