Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei hat die Kosten des Revisionsverfahrens selbst zu tragen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin begehrt mit der zu 1 C 90/86 eingebrachten Klage die Gewährung einer Versehrtenrente im Ausmaß der Vollrente. Sie brachte dazu vor, daß sie seit dem Jahr 1958 ununterbrochen das Gastgewerbe ausübe und seither auch Mitglied der Kammer der gewerblichen Wirtschaft für Vorarlberg sei. Ab Mitte 1984 habe sie als Unterpächterin das Nachtlokal "Irgendwo" in Innsbruck betrieben. Am 31.5.1985 habe sich in Flirsch ein Verkehrsunfall ereignet, bei dem die Klägerin als Beifahrerin in einem PKW schwere Verletzungen erlitten habe. Gegenstand der Fahrt sei der Transport von Waren für das Lokal in Innsbruck gewesen. Der Unfall sei daher als Arbeitsunfall zu qualifizieren. Die bestehenden Unfallsfolgen rechtfertigten das Klagebegehren.
Die beklagte Partei beantragte die Abweisung der Klage und brachte vor, daß die Klägerin das Lokal in Innsbruck ohne Gewerbeberechtigung betrieben habe. Eine Kammermitgliedschaft habe für diesen Betrieb nicht bestanden, so daß der Versicherungsschutz für mit diesem Unternehmen verbundene Tätigkeiten nicht bestanden habe.
Mit der zu 1 C 89/86 eingebrachten Klage begehrt die Klägerin die Gewährung einer Witwenrente nach ihrem am 31.5.1985 verstorbenen Ehegatten Josef R***. Sie brachte dazu vor, daß ihr Gatte bei dem oben erwähnten Verkehrsunfall tödlich verletzt worden sei. Josef R***, der keiner anderen Beschäftigung nachgegangen sei, habe die Klägerin in Erfüllung seiner Unterhaltspflicht bei Führung des Lokales in Innsbruck insbesonders durch fallweise durchgeführte Transportfahrten unterstützt. Die Voraussetzungen für das Vorliegen des Versicherungsschutzes durch die gesetzliche Unfallversicherung seien erfüllt.
Die beklagte Partei beantragte die Abweisung auch dieses Begehrens und brachte vor, daß Josef R*** weder als Dienstnehmer noch als selbständig Erwerbstätiger dem unfallversicherten Personenkreis angehört habe.
Das Erstgericht verband die beiden Klagen zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung und wies beide Begehren der Klägerin ab, wobei es seiner Entscheidung im wesentlichen zugrunde legte, daß es sich bei dem von der Klägerin in Innsbruck betriebenen Nachtlokal "Irgendwo" um ein konzessionspflichtiges Gewerbe handle; die Klägerin sei am 31.5.1985 nicht im Besitz einer Konzession gewesen; diese sei erst am 10.7.1985 erteilt worden.
In rechtlicher Hinsicht begründete das Erstgericht seine Entscheidung im wesentlichen dahin, daß bei selbständig Erwerbstätigen der Versicherungsschutz durch die Mitgliedschaft zur Kammer der gewerblichen Wirtschaft begründet werde, wobei nur jene Tätigkeiten unter Versicherungsschutz stünden, auf denen die Mitgliedschaft beruhe. Weder für die Klägerin noch für ihren Gatten habe am 31.5.1985 der Versicherungsschutz bestanden, so daß die Begehren nicht berechtigt seien.
Das Berufungsgericht gab der von der Klägerin gegen dieses Urteil erhobenen Berufung nicht Folge. Es führte dazu aus, daß gemäß § 8 Abs.1 Z 3 lit. a ASVG in der Unfallversicherung alle selbständig Erwerbstätigen, die Mitglieder einer Kammer der gewerblichen Wirtschaft seien, bei diesen Tätigkeiten unfallversichert seien. Nach § 3 Abs.2 des Handelskammergesetzes seien Mitglieder jeder Kammer der gewerblichen Wirtschaft alle physischen und juristischen Personen sowie offenen Handelsgesellschaften (Kommanditgesellschaften), die zum selbständigen Betrieb von Unternehmungen des Gewerbes, der Industrie, des Handels, des Geld-, Kredit- und Versicherungswesens, des Verkehrs- und des Fremdenverkehrs berechtigt seien. Konzessionierte Gewerbe dürften erst nach Erlangung einer Bewilligung ausgeübt werden. Über eine solche Konzession habe die Klägerin nicht verfügt. Damit habe auch keine Kammermitgliedschaft bestanden. Die Tatsache, daß die Klägerin im Zusammenhang mit einem anderen Betrieb in Vorarlberg allenfalls Kammermitglied sei, sei ohne Belang. Auf den Unfall der Klägerin, der sich in einem örtlichen, zeitlichen und ursächlichen Zusammenhang mit der Tätigkeit in ihrem Gastbetrieb in Innsbruck ereignet habe, für den eine Konzession aber nicht erteilt worden sei, habe sich ein Unfallversicherungsschutz aus einer Kammermitgliedschaft für einen anderen Betrieb in Vorarlberg nicht erstreckt.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Klägerin aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, es "im Sinne einer Klagestattgebung" abzuändern. Die beklagte Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Ungeachtet der grundsätzlichen Bindung des Rechtsmittelgerichtes an die geltend gemachten Gründe ist allgemein anerkannt, daß, wurde der Rechtsmittelgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gesetzmäßig ausgeführt, das Rechtsmittelgericht die rechtliche Beurteilung der Vorinstanzen ohne Beschränkung auf die Ausführungen des Rechtsmittelwerbers auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen nach allen Richtungen hin zu überprüfen hat (SZ 56/107; EvBl.1983/82; SZ 54/133 ua). Die bloße Benennung des Rechtsmittelgrundes bringt ebenso wie die Verwendung von bloßen Leerformeln den Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung nicht zur gesetzmäßigen Darstellung (EvBl.1985/154). Werden in einem Verfahren mehrere Ansprüche geltend gemacht und enthält das Rechtsmittel Rechtsausführungen nur mehr zu einem Anspruch, so ist es dem Rechtsmittelgericht verwehrt, von Amts wegen auf die Prüfung der rechtlichen Beurteilung hinsichtlich der übrigen geltend gemachten Ansprüche einzugehen (MietSlg.32.728; im gleichen Sinn auch EvBl.1985/154).
Im vorliegenden Fall machte die Klägerin in erster Instanz zwei verschiedene Ansprüche geltend. Zum Begehren auf Gewährung der Versehrtenrente brachte sie vor, daß sie als gewerbliche Unternehmerin dem Kreis der versicherten Personen angehört habe, zum Begehren auf Gewährung der Witwenrente führte sie aus, daß die Tätigkeit ihres Ehegatten in ihrem Betrieb die Versicherung begründet habe. Die Revision enthält ausschließlich Ausführungen zur Frage des Bestehens des Versicherungsschutzes für die Klägerin selbst; die Frage des Bestehens des Versicherungsschutzes für den verstorbenen Ehegatten findet in den Rechtsmittelausführungen keine Erwähnung, so daß in diesem Umfang der Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung nicht gesetzmäßig ausgeführt ist. Zu prüfen ist die Möglichkeit einer Verbesserung dieses Mangels gemäß § 84 Abs.3 ZPO. Mit der Neufassung dieser Bestimmung war unter anderem beabsichtigt, den Mangel vorgeschriebenen Anbringens in einem Rechtsmittel (Anfechtungserklärung, Anfechtungsgründe, Anfechtungsantrag) verbesserungsfähig zu machen (RV 669 BlgNR 15. GP 49). Wird ein Rechtsmittel erhoben und beschränken sich die Ausführungen zum Rechtsmittelgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung auf einzelne von mehreren geltend gemachten Ansprüchen, so liegen die Voraussetzungen für die Einleitung des Verbesserungsverfahrens nur vor, wenn sich aus dem übrigen Inhalt der Rechtsmittelschrift zwanglos ableiten läßt, daß sich die Partei auch durch die Entscheidung in anderen Punkten beschwert erachtet; Anfechtungserklärung und Rechtsmittelantrag allein reichen zur Annahme, daß die Partei die Entscheidung auch in bezug auf Ansprüche zu bekämpfen beabsichtigt, hinsichtlich derer die Rechtsrüge keine Ausführungen enthält, nicht hin. Da derartige Ausführungen zur Witwenrente hier nicht vorgetragen wurden, liegen die Voraussetzungen für die Einleitung des Verbesserungsverfahrens nicht vor.
Der Überprüfung durch das Revisionsgericht unterliegt damit ausschließlich das Begehren der Klägerin auf Gewährung der Versehrtenrente.
Gemäß der auch vom Berufungsgericht zutreffend zitierten Bestimmung des § 8 Abs.1 Z 3 lit a ASVG besteht eine Teilversicherung in der Unfallversicherung - neben den näher bezeichneten, hier nicht in Betracht kommenden Gesellschaftern - für alle selbständig Erwerbstätigen, die Mitglieder einer Kammer der gewerblichen Wirtschaft sind. Gemäß § 3 Abs.2 Handelskammergesetz sind alle physischen und juristischen Personen sowie offene Handelsgesellschaften (Kommanditgesellschaften), die zum selbständigen Betrieb von Unternehmungen des Gewerbes der Industrie, des Handels, des Geld-, Kredit- und Versicherungswesens, des Verkehrs- und des Fremdenverkehrs berechtigt sind, Mitglieder der Kammer der gewerblichen Wirtschaft. Die Mitgliedschaft zur Kammer der gewerblichen Wirtschaft wird sohin durch die Erlangung der Gewerbeberechtigung erworben; diese Mitgliedschaft ist wieder Voraussetzung für das Bestehen der Teilversicherung in der Unfallversicherung.
Unbestritten ist, daß die Klägerin zum Zeitpunkt des Unfalles nicht im Besitz einer Gewerbeberechtigung für den Betrieb des Nachtlokales in Innsbruck war. Die Revision stützt ihre Ausführungen darauf, daß die Klägerin über eine Gewerbeberechtigung für den Betrieb eines Gastlokales in Vorarlberg verfügt habe und damit Mitglied der Kammer der gewerblichen Wirtschaft für Vorarlberg gewesen sei; der dadurch begründete Versicherungsschutz erstrecke sich auch auf den vorliegenden Unfall.
Dieser Auffassung kann nicht beigetreten werden. Arbeitsunfälle sind gemäß § 175 Abs.1 ASVG Unfälle, die sich im örtlichen, zeitlichen und ursächlichen Zusammenhang mit der die Versicherung begründenden Beschäftigung ereignen. Die Kammermitgliedschaft der Klägerin wurde durch die Erteilung der Gewerbeberechtigung für den Betrieb in Vorarlberg erworben. Dadurch ist auch der Umfang des Versicherungsschutzes determiniert. Er bestand nur für Unfälle, die sich im Zusammenhang mit Tätigkeiten für diesen Betrieb ereigneten. Die Ansicht der Klägerin, daß durch eine durch die Erteilung einer Gewerbeberechtigung erworbene Kammermitgliedschaft der Versicherungsschutz generell für alle gewerblichen Tätigkeiten erworben werde, auch wenn sie mit dem Betrieb, der die Grundlage der Kammermitgliedschaft ist, nicht im Zusammenhang stehen und unberechtigt entfaltet werden, findet im Gesetz keine Deckung. Da der streitgegenständliche Unfall nach den eigenen Behauptungen der Klägerin mit der gewerblichen Tätigkeit, für die der Klägerin eine Gewerbeberechtigung erteilt worden war, nicht im Zusammenhang stand, war er vom Versicherungsschutz der Unfallversicherung nicht umfaßt, so daß das erhobene Begehren nicht berechtigt ist.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 77 Abs.1 lit. b ASGG; Umstände, die eine Grundlage für einen Kostenersatzanspruch nach dieser Gesetzesstelle begründen könnten, wurden weder bescheinigt noch sind solche Umstände aus der Aktenlage erkennbar.
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