Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, daß das Ersturteil wieder hergestellt wird.
Die klagende Partei hat die Kosten des Revisionsverfahrens selbst zu tragen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin war vom 3.April 1989 bis 30.November 1990 bei der I*****gesellschaft mbH, ***** als Angestellte beschäftigt. Diese Gesellschaft mbH war seit Oktober 1990 zahlungsunfähig. Mit Beschluß vom 29.Jänner 1991 wies das Landesgericht Salzburg den Antrag auf Eröffung des Konkurses mangels kostendeckenden Vermögens ab. Die letzte Gehaltszahlung erhielt die Klägerin für September 1990. Der Geschäftsführer und Alleingesellschafter der I***** GesmbH (AS 19) G***** D***** zahlte an die Klägerin Ende Oktober 1990 10.000 S und Mitte Dezember 1990 15.000 S jeweils als Privatdarlehen mit der Vereinbarung, daß die Klägerin ihm diese Beträge nach Befriedigung ihrer Ansprüche aus Mitteln des Insolvenzausfallgeldfonds zurückzahlen solle. Die Klägerin arbeitete noch bis 5.Februar 1991 für ihre bisherige Arbeitgeberin "inoffiziell" weiter.
Mit Bescheid vom 22.Mai 1991 sprach die beklagte Partei der Klägerin Insolvenzausfallgeld von 59.023 S netto zu; mit einem weiterem Bescheid dieses Datums lehnte die beklagte Partei die Zahlung weiterer 25.000 S an Insolvenzausfallgeld ab.
Die Klägerin begehrte die Zuerkennung dieses Betrages. Bei den Beträgen von 10.000 S und 15.000 S habe es sich um private Zahlungen des G***** D***** gehandelt, der der Klägerin eine finanzielle Hilfe geben wollte; zu diesem Zeitpunkt sei die Gesellschaft bereits zahlungsunfähig gewesen. Es handle sich nicht um eine Entgeltzahlung der Gesellschaft mbH, sondern um eine private Zahlung des G***** D***** gehandelt, die nicht für die Gesellschaft erfolgt sei.
Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Die beklagte Partei habe den Betrag von 25.000 S als Teilzahlung auf die Ansprüche der Klägerin auf Gehalt und Weihnachtsremuneration für den Zeitraum vom 1.Oktober bis 30.November 1990 in Höhe von 20.083 S netto und 9.465 S netto angerechnet, weil die Zahlungen durch den Geschäftsführer des Dienstgebers als Tilgung der Schuld des Dienstgebers zu werten seien.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es vertrat die Rechtsauffassung, daß mit der Vereinbarung zwischen der Klägerin und G***** D***** die primäre Zahlungspflicht vom Hauptschuldner auf einen Dritten verschoben worden sei, der nur für den Ausfall des Hauptschuldners hafte. Ein derartiges Umgehungsgeschäft sei sittenwidrig.
Auf Grund der Berufung der Klägerin änderte das Berufungsgericht das Ersturteil im Sinne des Klagebegehrens ab und sprach aus, daß die Revision zulässig sei. Das Berufungsgericht vertrat die Rechtsauffassung, daß das Handeln des Geschäftsführers als Privatperson von seinem Handeln namens der Gesellschaft zu trennen sei; die Gewährung eines Darlehens aus Privatmitteln durch den Geschäftsführer sei daher nicht als Lohnzahlung durch den Dienstgeber zu werten. Da der Geschäftsführer für die Gesellschaftschulden nicht hafte, sei die Vereinbarung, die kreditierten Beträge nach Erhalt des Insolvenzausfallgeldes zurückzuzahlen, nicht als unzulässige Verlagerung der Zahlungspflicht auf den Insolvenzausfallgeldfonds zu qualifizieren. Die private Überbrückungshilfe durch den Geschäftsführer der zahlungsunfähigen Gesellschaft mbH sei nicht anders zu beurteilen als ein von einer anderen Privatperson oder einer Bank gewährter Kredit. Andernfalls gelange man zu dem unhaltbaren Ergebnis, daß der Geschäftsführer aus seinem Privatvermögen für Gesellschaftsschulden aufkommen müßte oder die Klägerin im Falle der Rückzahlung des Darlehens an den Geschäftsführer einen Teil der berechtigten Ansprüche gegen den ehemaligen Dienstgeber nicht ersetzt erhalten würde.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der beklagten Partei aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne einer gänzlichen Abweisung des Klagebegehrens abzuändern.
Die Klägerin beantragt der Revision nicht Folge zu geben.
Die Revision ist berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Wie der Oberste Gerichtshof in den Entscheidungen GesRZ 1991, 162 =
RdW 1991, 290 = ecolex 1991, 697 = WBl 1991, 398 sowie JBl 1992, 444
ausgesprochen hat, sind die im deutschen Recht zu § 32 a dGmbHG entwickelten Grundsätze über Eigenkapital ersetzende Gesellschafterdarlehen auch im österreichischen Recht anwendbar. Mit diesen Darlehen versuchen Gesellschafter eine notleidend gewordene Gesellschaft dadurch am Leben zu erhalten, daß sie, anstatt das zur Sanierung notwendige Eigenkapital zuzuführen, Darlehen gewähren, die sie dann vor dem endgültigen Zusammenbruch der Gesellschaft abziehen oder samt allfälligen Sicherheiten im Konkurs der Gesellschaft geltend machen, wodurch der ohnehin schon unzureichende Haftungsfonds für die Gläubiger zu deren Lasten noch weiter geschmälert wird. Damit wälzen die Gesellschafter das Finanzierungsrisiko insbesondere bei der Gesellschaft mbH über das bei dieser Gesellschaftform ohnehin nicht unerhebliche Gläubigerrisiko hinaus auf die Gläubiger ab. Zur Darlehensfinanzierung sind sie in derartigen durch Eigenkapitalmangel und hohes Finanzierungsrisiko gekennzeichneten Fällen regelmäßig nur bereit, wenn sie sich davon Vorteile für das im eigenen Interesse betriebene Unternehmen versprechen; gleichwohl möchten sie das Risiko aus der Zuführung neuer Mittel soweit wie möglich auf die Fremdengläubiger überwälzen und wählen daher die Darlehensform (siehe Ostheim, Eigenkapitalersetzende Gesellschafterdarlehen in der Unternehmenskrise, GesRZ 1988, 122 f, 173 f). Wie der BGH in BGHZ 90, 381 zum Ausdruck gebracht hat, verstößt ein derartiges Verhalten des Gesellschafters gegen seine Verantwortung für eine ordnungsgemäße Unternehmensfinanzierung. Diese Verantwortung verpflichte den Gesellschafter zwar nicht, in der Krise fehlendes Kapital aus seinem Vermögen nachzuschießen; er könne sich jedoch dieser Verantwortung nicht dadurch zum Nachteil der Gläubiger entziehen, daß er bei einer tatsächlich beabsichtigten Finanzierungshilfe, anstatt sie durch die objektiv gebotene Einbringung haftenden Eigenkapitals zu leisten, auf eine andere, ihm weniger riskant erscheinende Finanzierungsform ausweiche. Darunter ist nicht nur die Gewährung eines Darlehens an die Gesellschaft durch den Gesellschafter zu verstehen, sondern gemäß § 32 a Abs 3 dGmbHG auch eine andere Rechtshandlung des Gesellschafters, die der Darlehensgewährung wirtschaftlich entspricht. Wie Ostheim (aaO 132) zutreffend dargelegt hat, bestehen keine Bedenken, auch diese Regelung der dGmbH-Novelle, die nur eine Klarstellung der bisherigen Rechtslage brachte, im österreichischen Rechtsbereich anzuwenden. In diesem Zusammenhang ist insbesondere auf die Entscheidung des BGH BGHZ 67, 171 zu verweisen, wonach auch ein im Interesse der Gesellschaft einem Dritten gewährtes Darlehen Eigenkapital ersetzen kann.
Das Verhalten des Geschäftsführers der I*****gesellschaft mbH geht über eine solche Beeinträchtigung der Gesamtgläubigerschaft noch hinaus; statt der insolventen Gesellschaft mbH das zur Unternehmensfortführung - insbesondere zur Entgeltzahlung an die Dienstnehmer - notwendige Eigenkapital zuzuführen, entschied sich der Alleingesellschafter und Geschäftsführer zur Gewährung eines Kredites in der ungefähren Höhe des von der Gesellschaft geschuldeten Entgeltes an die Klägerin in der auch in der festgestellten Vereinbarung deutlich zum Ausdruck kommenden Absicht, das Risiko im Insolvenzfall nicht, wie dies bei einer ordnungsgemäßen Finanzierung durch Zuführung von Eigenkapital der Fall wäre, selbst zu tragen, sondern es allein auf einen an der Vereinbarung nicht beteiligten Dritten - nämlich den Insolvenzausfallgeldfonds - zu überwälzen.
Wie der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung RdW 1991, 333 = WBl
1991, 328 = ecolex 1991, 636 dargelegt hat, ist das durch das IESG
versicherte Risiko im Kernbereich die von den Arbeitnehmern typischerweise nicht selbst abwendbare und absicherbare Gefahr des gänzlichen oder teilweisen Verlustes ihrer Entgeltansprüche, auf die sie typischerweise zur Bestreitung des eigenen Lebensunterhaltes sowie des Lebensunterhaltes der unterhaltsberechtigten Angehörigen angewiesen sind. Hingegen ist es nicht Zweck des IESG, dem Gesellschafter einer Gesellschaft mbH das Finanzierungsrisiko abzunehmen und ihm zur Fortführung des Unternehmens aufgewendetes Eigenkapital im Falle der Insolvenz zu ersetzen, so daß die vorliegende Vereinbarung, jedenfalls soweit daraus Ansprüche gegen den Insolvenzausfallgeldfonds abgeleitet werden, gemäß § 879 Abs 1 ABGB nichtig ist.
Der Revision war daher im Sinne einer Wiederherstellung des Ersturteils Folge zu geben.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit a ASGG.
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