Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 2.414,72 (darin S 219,52 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger war vom 21. September 1970 bis 29. Dezember 1985 bei der Beklagten als Hilfsarbeiter beschäftigt. Sein Arbeitsverhältnis endete durch Arbeitgeberkündigung; er erhielt von der Beklagten eine Abfertigung von S 98.097 brutto ausgezahlt. Bei der Berechnung der Höhe der Abfertigung blieb das vom Kläger im Jahre 1985 bezogene Überstundenentgelt unberücksichtigt. Der Kläger hatte im März 4, im April 17, im Mai 12, im Juni 72, im August 24 und im September 16 Überstunden, davon insgesamt 11 mit einem Zuschlag von 50 % und 134 mit einem Zuschlag von 100 % geleistet.
Mit der vorliegenden Klage begehrte der Kläger letztlich S 10.208,16 sA an der Höhe nach unbestrittener restlicher Abfertigung mit der Begründung, die Beklagte habe bei ihrer Berechnung die Überstunden des letzten Jahres vor der Kündigung zu Unrecht nicht berücksichtigt.
Die Beklagte beantragte, die Klage abzuweisen. Nach einer Betriebsvereinbarung zwischen der Beklagten und dem Zentralbetriebsrat seien regelmäßige Überstunden als Grundlage für die Ermittlung des Urlaubsentgeltes nur dann anzunehmen, wenn in den letzten 12 Monaten durch mindestens 10 Monate Überstunden geleistet worden seien. Diese Regelung gelte analog auch für die Berechnung der Abfertigung der Angestellten und Arbeiter. Da der Kläger im letzten Jahr aber nur in 6 Monaten Überstunden erbracht habe, sei seine Überstundenleistung nicht regelmäßig erfolgt und für die Bemessung der Höhe der Abfertigung daher nicht heranzuziehen. Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es traf im wesentlichen folgende Feststellungen:
Der Vorstand der Beklagten schloß mit dem Zentralbetriebsrat am 28. August 1978 eine Betriebsvereinbarung, die für alle Angestellten gelten sollte. Nach dieser Vereinbarung liegen für die Ermittlung des Urlaubsentgeltes der Angestellten regelmäßige Überstunden im Sinne des Generalkollektivvertrages vom 22. Februar 1978 nur dann vor, wenn innerhalb der vorangehenden 12 Monate durch mindestens 10 Monate Überstunden geleistet worden sind. Am 6. Juni 1979 beschlossen die Personalleiter der Zweigbetriebe der Beklagten einseitig und ohne Beiziehung von Belegschaftsvertretern Richtlinien für die Berechnung der Abfertigung nach dem Arbeiterabfertigungsgesetz, nach denen für die Berücksichtigung von Überstunden bei der Ermittlung der Arbeiterabfertigungen die gleiche Regelung gelten solle wie bei der Bemessung des Urlaubsentgeltes der Angestellten. Überstunden sollten nur dann berücksichtigt werden, wenn innerhalb der letzten 12 Monate vor dem Kündigungstermin durch mindestens 10 Monate Überstunden geleistet worden sind. Der Arbeiterbetriebsrat des Werkes Ternitz der Beklagten hatte von diesem Beschluß keine Kenntnis. Der Zentralbetriebsrat, dem diese Anordnung erst im Jänner 1986 bekannt wurde, hatte der einseitigen Regelung nie zugestimmt. Bemühungen des Zentralbetriebsrates, diese strittige Frage einer einvernehmlichen Regelung zuzuführen, blieben erfolglos.
Das Erstgericht vertrat die Rechtsauffassung, daß im Sinne des umfassenden Entgeltbegriffes im Abfertigungsrecht auch die vom Kläger unregelmäßig geleisteten Überstunden im Durchschnitt eines ganzen Jahres zu berücksichtigen seien.
Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, daß die Revision zulässig sei. Es vertrat die Rechtsauffassung, daß es bei der Ermittlung der Höhe der Abfertigung darauf ankomme, ob die Überstunden innerhalb des Beobachtungszeitraumes regelmäßig, wenn auch nicht in gleichmäßiger Wiederholung geleistet wurden. Um Unbilligkeiten zu begegnen, sei vom Durchschnitt eines längeren Zeitraumes - im Zweifel von einem Jahr - auszugehen. Die in der Betriebsvereinbarung vom 28. August 1978 hinsichtlich des Urlaubsentgeltes für Angestellte vorgesehene Regelung sei für die Ermittlung der Abfertigung für Arbeiter ebenso ohne Bedeutung wie die Bestimmung des § 12 c des Rahmenkollektivvertrages für die Angestellten der Industrie, die sich ebenfalls nur auf die Berechnung des Urlaubsentgelts beziehe. Während beim Urlaubsentgelt der Grundsatz der Kontinuität des Entgelts gewahrt werden sollte, sodaß relativ kurze Beobachtungszeiträume ausreichend seien, liege der Abfertigung das Motiv zugrunde, dem Arbeitnehmer ein Äquivalent für die lange Bindung der Arbeitskraft zukommen zu lassen oder ihm als Versorgung und Überbrückung zu dienen. Der Kläger habe seit 1983 in wechselndem Ausmaß Überstunden geleistet und sein Entgelt habe bis zur Kündigung keine dauernde Änderung erfahren. Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Beklagten aus dem Grunde der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung im Sinne einer Abweisung des Klagebegehrens abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Der Kläger beantragte, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Die Abfertigung als außerordentliches Entgelt aus Anlaß der Auflösung des Arbeitsverhältnisses dient einerseits der Versorgung des Arbeitnehmers, weist aber andererseits unter anderem auch Elemente einer "Treueprämie" auf, die dafür gewährt wird, daß der Arbeitnehmer seine Arbeitskraft dem Arbeitgeber für längere Zeit zur Verfügung gestellt hat (Spielbüchler in Floretta-Spielbüchler-Strasser Arbeitsrecht2 I 129; Martinek-Schwarz, AngG6 443 ff; Arb. 9.490 ua). Es kann daher der Revisionswerberin schon darin nicht beigepflichtet werden, daß die Berücksichtigung von Überstunden im Abfertigungsrecht in Analogie zur Ermittlung des Urlaubsentgelts nach dem Urlaubsgesetz oder der Entgeltfortzahlung nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz erfolgen müsse, da für die Heranziehung von Überstunden sowohl beim Urlaubsentgelt als auch bei der Entgeltfortzahlung in erster Linie das Ausfallsprinzip gilt, wonach prognostisch zu prüfen ist, ob und in welchem Ausmaß der Arbeitnehmer Überstunden geleistet hätte, wenn er nicht auf Urlaub oder an der Arbeitsleistung gehindert gewesen wäre (Cerny, Urlaubsrecht4 102; Basalka, Kommentar zum Entgeltfortzahlungsgesetz 80 a; Cerny, Entgeltfortzahlungsgesetz2 72; Migsch, Abfertigung für Arbeiter und Angestellte Rz 249 mwH; SZ 53/88; Arb. 10.355, 9.874). Abgesehen vom abweichenden persönlichen Geltungsbereich sprechen daher auch sachliche Gründe gegen eine analoge Heranziehung der Betriebsvereinbarung vom 28. August 1978 zur Ermittlung der Höhe der Abfertigung der Arbeiter. Der Generalkollektivvertrag vom 22. Februar 1978 (DRdA 1978, 149 f) regelt ebenso wie der Rahmenkollektivvertrag für die Angestellten der Industrie nur die Berücksichtigung von Überstunden im Hinblick auf die Berechnung des Urlaubsentgeltes. Im Verdienstbegriff des Artikel X des Kollektivvertrages für die eisen- und metallerzeugende und -verarbeitende Industrie finden Überstunden keine Erwähnung. Nach Artikel XIX Z 4 des Kollektivvertrages gelten für die Berechnung der Abfertigung die gesetzlichen Bestimmungen; eine nähere Regelung besteht nur bei leistungsbezogenen Entgelten gemäß § 96 Abs 1 Z 4 ArbVG, bei denen als Grundlage ein 13-Wochen-Durchschnitt auf Basis der Normalarbeitszeit heranzuziehen ist. Nach Artikel XVII Z 11 des Kollektivvertrages gelten für die Berechnung des Urlaubsentgeltes und des Urlaubszuschusses Überstunden dann als regelmäßig, wenn sie in den letzten 13 abgerechneten Wochen vor Urlaubsantritt durch mindestens 7 Wochen geleistet wurden. Die Beklagte räumt dazu in ihrer Berufung mit Recht selbst ein, daß die letzten 13 Wochen für die Berücksichtigung von Überstunden für die Bemessung der Abfertigung nie ein richtiges Bild abgeben könnten und daher auf einen längeren Zeitraum zurückgegriffen werden müsse. Bei der Berechnung der Abfertigung ist eine Berücksichtigung von Unterschieden im Einkommen des Arbeitnehmers dann geboten, wenn sie erforderlich ist, um dem Entgeltbegriff des Angestelltengesetzes gerecht werden zu können. Nach Lehre und Rechtsprechung ist unter dem "für den letzten Monat gebührenden Engelt" im Sinne des § 23 Abs 1 zweiter Satz AngG der sich aus den mit einer gewissen Regelmäßigkeit - wenn auch nicht in jedem Monat - wiederkehrenden Bezügen, aber auch aus in größeren Zeitabschnitten oder nur einmal im Jahr zur Auszahlung gelangenden Aushilfen, Anschaffungsbeiträgen, Urlaubsbeihilfen, Remunerationen, Zulagen, Bilanzgelder usw. ergebende Durchschnittsverdienst zu verstehen (Schwarz-Löschnigg, Arbeitsrecht 216 f; Martinek-Schwarz, Abfertigung und Auflösung des Arbeitsverhältnisses 330 f; Martinek-Schwarz AngG6 194 f, 234 f, 454 ff; ZAS 1984/1; Arb. 10.292, 9.999, 9.823, 9.159 ua). Dem Arbeitnehmer soll für den durch die Abfertigung abgedeckten Zeitraum der zuletzt bezogene Durchschnittsverdienst gesichert und damit eine gewisse Kontinuität des zuletzt bezogenen Verdienstes für diesen fiktiven Zeitraum gewährleistet werden. Die Abfertigung darf daher diesen Durchschnittsverdienst weder übersteigen noch hinter ihm zurückbleiben (Arb. 9.942). Zu diesem Durchschnittsverdienst gehören auch regelmäßig geleistete Überstunden (Schwarz-Löschnigg Arbeitsrecht 217; Martinek-Schwarz AngG6 456).
Entgegen der Ansicht der Revisionswerberin müssen Überstunden, um bei der Ermittlung der Höhe der Abfertigung berücksichtigt zu werden, nicht in garantierter Periodizität geleistet worden sein. Es kommt auch nicht darauf an, daß die Überstunden in jedem Monat oder fast jedem Monat angefallen sind oder daß die Dauer des Beobachtungszeitraumes vom Begriff der Regelmäßigkeit völlig zu trennen wäre. Werden etwa saisonal bedingt in jedem Jahr nur in bestimmten Monaten Überstunden geleistet, so steht ihrer Wertung als regelmäßig erbracht nicht entgegen, daß in den übrigen Monaten keine Überstunden zu erbringen sind. Daraus folgt lediglich, daß bei Überstundenleistungen, die sich in kürzeren Abständen wiederholen, der Bildung des Durchschnittsverdienstes ein kürzerer Zeitraum zugrundegelegt werden kann als bei Leistungen, die sich auf einen längeren Zeitraum verteilen. In der Regel wird aber ein Zeitraum von einem Jahr als Höchstmaß zu gelten haben (Migsch aaO Rz 251). Innerhalb dieses Zeitraums müssen die Überstunden in einer Form verteilt sein, daß sich ihr regelmäßiger Charakter, das heißt die wenn auch nicht gleichmäßige Wiederholung von Überstunden innerhalb dieses Zeitabschnittes, erkennen läßt (Arb. 9.874 = SZ 53/88). Wie das Berufungsgericht zutreffend ausführte, leistete der Kläger seit dem Jahre 1983 Überstunden in schwankendem Ausmaß und erbrachte im letzten Jahr vor der Kündigung insgesamt 145 Überstunden. Eine Vernachlässigung dieses in gewisser Regelmäßigkeit, wenn auch in schwankender Höhe, aus der Überstundenleistung erzielten Einkommens könnte daher dem näher dargelegten Entgeltbegriff des Angestelltengesetzes nicht gerecht werden. Daß der Kläger schon vor der Kündigung durch den Wegfall der Möglichkeit, weiterhin Überstunden zu leisten, eine dauernde Einkommensverminderung hinnehmen hätte müssen, sodaß allein das geänderte Einkommen als letztes Monatseinkommen anzusehen wäre, wurde nicht behauptet (Arb. 9.899, 9.321 = DRdA 1976, 253). Die Kostenentscheidung ist in den §§ 41 und 50 ZPO begründet.
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