Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß das Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei S 32.854,20 brutto samt 4 % Zinsen seit 20.8.1993 binnen 14 Tagen zu zahlen, abgewiesen wird.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 7.499,52 (darin S 1.249,92 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Verfahrens erster Instanz, die mit S 8.436,48 (darin S 1.006,08 Umsatzsteuer und S 2.400 Barauslagen) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens und die mit S 6.623,04 (darin S 603,84 Umsatzsteuer und S 3.000 Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger war bei der beklagten Partei seit 13.9.1990 als Lehrling im Lehrberuf Karosseur beschäftigt. Die beklagte Partei löste das Lehrverhältnis am 19.8.1992 gemäß § 15 Abs 3 lit a BAG vorzeitig auf.
Mit der vorliegenden Klage begehrt der Kläger S 32.854,20 brutto sA an Kündigungsentschädigung und Urlaubsentschädigung, da die beklagte Partei das Lehrverhältnis unberechtigt vorzeitig aufgelöst habe.
Die beklagte Partei beantragte, das Klagebegehren abzuweisen. Der Kläger sei zu Recht entlassen worden, da er am 10.8.1992 als Aufpasser bei einem Einbruchsdiebstahl in eine benachbarte Kfz-Werkstätte mitgewirkt habe. Er sei dabei von der Polizei betreten worden und habe sich vom 10.8.1992, 22 Uhr bis 11.8.1992, 11,10 Uhr in Polizeigewahrsam befunden. Um seine Abwesenheit von der Arbeit zu verschleiern, habe er sich krank melden lassen und sogar eine erschlichene Bestätigung einer praktischen Ärztin vorgelegt. Da der Kläger auch schon vorher mehrmals wegen verschiedener Pflichtwidrigkeiten verwarnt worden sei, sei seine Weiterbeschäftigung unzumutbar geworden.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es stellte im wesentlichen fest:
Der zur Tatzeit 17 Jahre alte Kläger verabredete sich am 10.8.1992 mit drei anderen Jugendlichen zu einem Einbruchsdiebstahl in die Firma Zweirad E*****, deren Betrieb gegenüber dem Unternehmen der beklagten Partei etabliert ist. Zwei der Jugendlichen beabsichtigten, einen Motor und eine Sitzbank für eine "Vespa" sowie einen Heckteil für ein Motorrad "Kobra" zu stehlen. Diese beiden stiegen in die Kfz-Werkstätte ein, während der Kläger und ein weiterer Mittäter Aufpasserdienste leisteten; sie sollten die Eingestiegenen vor dem Herannahen von Personen warnen. Noch während der Ausführung der Tat wurden die Jugendlichen von der Polizei betreten und festgenommen. Sie befanden sich bis 11.8.1992, etwa 13,30 Uhr in Polizeigewahrsam.
Ob sich der Kläger die vorgelegte ärztliche Bestätigung, wonach er am Vormittag des 11.8.1992 in der Ordination einer praktischen Ärztin gewesen ist und als arbeitsunfähig qualifiziert wurde, "erschlichen" hat, kann ebensowenig festgestellt werden wie der Umstand, ob er am 12.8.1992 gearbeitet hat.
Zwischen der beklagten Partei und der Firma Zweirad E***** bestanden keine Geschäftsverbindungen. Erst im Zuge der polizeilichen Erhebungen dürfte dort bekannt geworden sein, daß der Kläger bei der beklagten Partei als Lehrling beschäftigt ist. Während seiner Ausbildungszeit wurde der Kläger bereits wegen (verbotenen) Rauchens im Aufenthaltraum, wegen unerlaubten Fahrens mit einem PKW auf dem Betriebsgelände und wegen der Weigerung, einen umgekippten Mistkübel wieder einzuräumen, in den er etwas, was nicht wegzuwerfen war, geworfen hatte, verwarnt.
Nachdem die beklagte Partei am 18.8.1992 vom versuchten Einbruchsdiebstahl erfahren und mit dem Kläger Rücksprache gehalten hatte, löste sie das Lehrverhältnis des Klägers mit Schreiben vom 19.8.1992 vorzeitig auf. Die Staatsanwaltschaft sah am 4.9.1992 von einer Verfolgung der Straftat gemäß § 6 Abs 1 JGG ab.
Das Erstgericht vertrat die Rechtsauffassung, daß die Straftat des Klägers nicht so gravierend gewesen sei, um daraus die Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung zu begründen. Der Kläger habe selbst nichts stehlen wollen, sondern nur Aufpasserdienste geleistet; die Staatsanwaltschaft habe von einer weiteren Verfolgung abgesehen. Eine Geschäftsbeziehung der beklagten Partei mit dem geschädigten Unternehmen habe nicht bestanden. Vor den polizeilichen Ermittlungen dürfte diesem auch nicht bekannt gewesen sein, daß der Kläger Lehrling bei der beklagten Partei ist. Die vorhergegangenen Verwarnungen seien lediglich in unwichtigen Ordnungswidrigkeiten begründet gewesen, so daß auch aus dem Gesichtspunkt des Gesamtverhaltens die vorzeitige Auflösung des Lehrverhältnisses als nicht gerechtfertigt angesehen werden müsse.
Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, daß die Revision gemäß § 46 Abs 1 Z 1 ASGG zulässig sei. Es billigte die Rechtsansicht des Erstgerichtes und führte ergänzend aus, daß erfahrungsgemäß auftretende Entwicklungsschwierigkeiten bei jugendlichen Lehrlingen nicht zu einer sofortigen Auflösung des Lehrverhältnisses führen sollen. Der beklagten Partei sei zwar zuzugeben, daß sich die jugendlichen Mittäter zu dem Einbruchsdiebstahl verabredet hätten und daß sie keine Sache geringen Wertes hätten stehlen wollen, so daß kein sich aus der augenblicklichen Lage ergebender jugendlicher Leichtsinn anzunehmen sei. Berücksichtige man jedoch die näheren Umstände des Falls, erscheine sein Verhalten in einem wesentlich milderen Licht. Dementsprechend sei die Staatsanwaltschaft gemäß § 6 Abs 1 JGG auch davon ausgegangen, daß es hinreichend sei, den Kläger über das Unrecht der angezeigten Tat und deren Folgen zu belehren, um ihn von weiteren strafbaren Handlungen abzuhalten.
Gegen dieses Urteil richtet sich die aus den Gründen der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung erhobene Revision der beklagten Partei mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, daß das Klagebegehren abgewiesen wird. Hilfsweise wird auch ein Aufhebungsantrag gestellt.
Der Kläger beteiligte sich am Revisionsverfahren nicht.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist berechtigt.
Gemäß § 15 Abs 3 lit a BAG liegt unter anderem ein Grund für die vorzeitige Auflösung des Lehrverhältnisses durch den Lehrberechtigten vor, wenn sich der Lehrling eines Diebstahls, einer Veruntreuung oder einer sonstigen strafbaren Handlung schuldig macht, die ihn des Vertrauens des Lehrberechtigten unwürdig macht. Dieser aus drei Modifikationen zusammengesetzte Tatbestand entspricht dem Entlassungsgrund gemäß § 82 lit d GewO. Bei den erstgenannten Delikten wird die dadurch hervorgerufene Vertrauensunwürdigkeit subintelligiert. Hinsichtlich der sonstigen strafbaren Handlungen, die auch das außerdienstliche Verhalten betreffen können, muß das Vorliegen der Vertrauensunwürdigkeit geprüft werden (vgl Kuderna, Das Entlassungsrecht2 167 und 132 f; Berger-Fida-Gruber, BAG § 15 Erl 55). Darauf, ob die Staatsanwaltschaft von der Verfolgung der Straftat abgesehen hat, kommt es nicht an (vgl Kuderna aaO 134 mwH).
Da sich der Kläger des versuchten Einbruchsdiebstahls gemäß den §§ 15, 127 und 129 Z 1 StGB schuldig gemacht hat, ist daher entscheidend, ob für den Lehrberechtigten aufgrund der strafbaren Handlung die objektive Befürchtung bestand, daß seine Interessen und Belange durch den Lehrling gefährdet sind (ZAS 1993/19 uva). Ungeachtet der Verwarnungen wegen der eher geringfügigen Pflichtverletzungen kommt im vorliegenden Fall entgegen der Ansicht der Vorinstanzen der begangenen Straftat ein entscheidendes Gewicht zu (vgl RdW 1987, 134). Den Verantwortlichen der beklagten Partei ist zuzubilligen, daß sie ihr Vertrauen darauf, daß der Kläger seine Pflichten in Hinkunft getreulich erfüllen werde, verloren haben und verlieren durften. Wie das Berufungsgericht richtig erkannte, indiziert die erhebliche Schuldintensität, daß es sich bei der Verfehlung des Klägers nicht mehr um jugendlichen Leichtsinn handelte, sondern um eine Straftat, die erkennen läßt, daß es der Kläger mit fremdem Eigentum "nicht so genau nimmt". Der beklagten Partei war daher nicht zuzumuten, mit der Auflösung des Lehrverhältnisses noch so lange zuzuwarten, bis der Kläger allenfalls einen Dienstdiebstahl begehen würde. Diese gesteigerte Schuldintensität ergibt sich schon aus dem bewußten und planmäßigen Vorgehen der Jugendlichen. Sie verabredeten sich zu einem Einbruchsdiebstahl in ein der beklagten Partei benachbartes, in einer ähnlichen Branche tätiges Unternehmen. Sie hatten vor, Gegenstände von erheblichem Wert zu stehlen. Sie sicherten ihren Angriff auf fremdes Eigentum durch zwei Aufpasser ab. Soweit sie dennoch von der Polizei betreten werden konnten, ändert dies nichts an ihrem kriminellen und taktischen Vorgehen. Mit erfahrungsgemäß auftretenden Entwicklungsschwierigkeiten von Jugendlichen hat dieses Verhalten nichts mehr zu tun.
Die Kostenentscheidung ist in den §§ 41 und 50 Abs 1 ZPO begründet.
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