OGH 9ObA81/88

OGH9ObA81/8811.5.1988

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichthofes Hon.-Prof.Dr.Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Gamerith und Dr.Petrag sowie die fachkundigen Laienrichter Dr.Stefan Seper und Anton Tauber als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Friederike P***, Angestellte, Graz, Pfalzgrafenweg 26, vertreten durch Dr.Werner Klement, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagte Partei Friedrich R***, Gebäudeverwalter, Graz, Klosterwiesgasse 11, vertreten durch Dr.Reinhard Tögl, Rechtsanwalt in Graz, wegen 38.704,50 S brutto s.A. (Revisionsstreitwert 32.621,64 S), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes in Arbeitsund Sozialrechtssachen vom 13.Jänner 1988, GZ 8 Ra 1146/87-10, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 13. Oktober 1987, GZ 35 Cga 1207/87-5, teils bestätigt teils abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, daß das Urteil des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 4.715,70 S bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens (darin 428,70 S Umsatzsteuer) sowie die mit 5.329,75 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 257,25 S Umsatzsteuer und 2.500 S Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin war beim Beklagten ab 2.Juni 1986 als Sekretärin im Angestelltenverhältnis beschäftigt und wurde mit Schreiben vom 14. Juli 1987 entlassen.

Mit der Behauptung, ungerechtfertigt entlassen worden zu sein, begehrte die Klägerin 38.704,50 S brutto s.A. aus den Titeln Kündigungsentschädigung, Urlaubsentschädigung und Überstundenentgelt für 80,5 Überstunden.

Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Die Klägerin habe ohne Genehmigung einen Urlaub angetreten und sei daher zu Recht entlassen worden. Das Begehren auf Entschädigung für geleistete Überstunden sei nicht berechtigt.

Das Erstgericht gab der Klage mit einem Betrag von 34.307,89 S brutto s.A. statt und wies das Mehrbegehren von 4.396,69 brutto s.A. ab. Es stellte folgenden wesentlichen Sachverhalt fest: Die Klägerin war beim Beklagten halbtags und zwar von 8.00 Uhr bis 12.00 Uhr beschäftigt. Bei einer Dienstbesprechung Mitte oder Ende Mai 1987 wurde den Arbeitnehmern des Beklagten vorgeschrieben, nach Abstimmung des Urlaubes mit den Arbeitskollegen ein Formblatt mit dem Urlaubswunsch dem Beklagten oder Johann G*** zur Genehmigung vorzulegen. Darüber hinaus wurde die Urlaubszeit in einen von einer Angestellten des Beklagten geführten Urlaubsplan eingetragen. Schon im Dezember 1986 und dann nochmals im Frühjahr 1987 teilte die Klägerin dem Beklagten mit, daß sie zu Beginn der Sommerschulferien, allenfalls aber auch schon etwas früher, auf eine Einladung ins Ausland reisen und Urlaub nehmen wolle. Den genauen Zeitpunkt konnte die Klägerin dabei nicht nennen. Der Beklagte erklärte, wenn es soweit sei, reiche es aus, wenn sie ihm dies kurzfristig mitteile; er werde dies genehmigen. Im Frühsommer 1987 kam es zwischen den Streitteilen zu Unstimmigkeiten, weil die Klägerin öfter zu spät kam und ihren PKW auf den dem Kunden vorbehaltenen Parkplatz abstellte. Im Zuge eines Streitgespräches wegen des Parkplatzes fragte die Klägerin den Beklagten neuerlich, ob "das mit dem Urlaub klargehen werde". Der Beklagte antwortete, daß er ihr das, wie sich die Situation jetzt darstelle, nicht bestätigen könne. In der Zeit vom 29. Juni bis 11.Juli 1987 begab sich die Klägerin auf Urlaub. Einige Tage vor Urlaubsantritt teilte die Klägerin den Urlaubswunsch der Angestellen M*** mit, die den Urlaub in den Urlaubsplan eintrug. Mit dem Beklagten oder Johann G*** sprach die Klägerin über den Urlaub nicht mehr, legte aber eine schriftliche Urlaubsankündigung in die Unterschriftenmappe des Beklagten. Daß dieses Schreiben dem Beklagten oder dem Johann G*** zur Kenntnis gelangte, kann nicht festgestellt werden. Ein Urlaubsformblatt wurde von der Klägerin nicht ausgefüllt. Am 29.Juni 1987 bemerkte der Beklagte die Abwesenheit der Klägerin. Er schickte ihr daraufhin das Schreiben vom 1.Juli 1987, in dem sie aufgefordert wurde, sich mit dem Beklagten telefonisch wegen der Auflösung des Dienstverhältnisses in Verbindung zu setzen. Nach ihrer Rückkehr rief die Klägerin den Beklagten am Sonntag, dem 12.Juli 1987, an. Der Beklagte forderte sie auf, ihn am nächsten Tag im Büro anzurufen, jedoch nicht ins Büro zu kommen. Am 13.Juli 1987 konnte die Klägerin den Beklagten telefonisch nicht erreichen. Am 14.Juli 1987 bot ihr der Beklagte eine Selbstkündigung zum 31.Juli 1987 an; die Klägerin lehnte dieses Ansinnen ab. Daraufhin erklärte der Beklagte die fristlose Entlassung und bestätigte dies noch mit Schreiben vom 14.Juli 1987, das der Klägerin am 16.Juli 1987 zukam. Vor dem gegenständlichen Urlaub hatte die Klägerin seit Beginn des Arbeitsverhältnisses erst eine Woche Urlaub konsumiert.

Das Erstgericht vertrat die Rechtsauffassung, daß der Beklagte der Klägerin im Dezember 1986 zugesagt habe, er werde den Urlaub nach kurzfristiger Verständigung genehmigen, so daß die Klägerin mit Recht die Einwilligung des Beklagten zum Urlaubsantritt habe annehmen können. Der "Rückzieher" des Beklagten anläßlich des Streitgespräches im Zusammenhang mit dem Parkplatz habe diese Genehmigung nicht beseitigt. Darüber hinaus habe der Beklagte die Entlassung nicht unverzüglich ausgesprochen und daher das Entlassungsrecht verwirkt. Der Klägerin gebührten sohin Kündigungsentschädigung und Urlaubsentschädigung abzüglich der geleisteten Urlaubsabfindung, weiters für 18 3/4 Überstunden ein Entgelt von 1.335,39 S. Das Mehrbegehren aus dem Rechtsgrund des Überstundenentgelts sei nicht berechtigt.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten teilweise Folge. Es änderte das Ersturteil im Sinne einer Stattgebung des Klagebegehrens mit 1.686,25 S brutto s.A. und Abweisung des Mehrbegehrens von 37.018,25 S brutto s.A. ab.

Das Berufungsgericht übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes und stellte folgenden Sachverhalt ergänzend fest:

Das Schreiben des Beklagten vom 1.Juli 1987 hat folgenden Wortlaut:

"Betrifft: Auflösung des Dienstverhältnisses.

Sehr geehrte Frau P***!

Auf Grund der jüngsten Vorkommnisse ersuchen wir Sie, sich

bezüglich Auflösung Ihres Dienstverhältnisses telefonisch mit Herrn

R*** in Verbindung zu setzen.

Mit der Bitte um Kenntnisnahme verbleiben wir

hochachtungsvoll

Hausverwaltung Friedrich Ruhs."

Der beim Beklagten geführte Urlaubsplan diente der Absprache der Urlaube unter den Angestellten. Der Beklagte sah sich den Urlaubsplan nie an. Vom Beklagten wurde vorausgesetzt, daß es zu keinen Kollisionen komme. In der Regel akzeptierte der Beklagte die von den Angestellten getroffenen Urlaubsregelungen, er hielt sich aber nicht zwingend daran.

Das Berufungsgericht vertratie Rechtsauffassung, daß eine Urlaubsvereinbarung im Sinne des § 4 Abs 1 UrlG nicht zustandegekommen sei, weil zeitliche Lage und Dauer anläßlich des Gespräches vom Dezember 1986 nicht festgestanden seien. Auf eine vermutete Einwilligung könne sich die Klägerin aber im Hinblick auf das Gespräch vom Frühsommer 1987 nicht berufen. Der Ausspruch der Entlassung sei nicht verspätet erfolgt, weil der Beklagte bereits mit Schreiben vom 1.Juli 1987 unmißverständlich zum Ausdruck gebracht habe, daß er das Dienstverhältnis mit der Klägerin nicht fortsetze, und sie sodann überdies dienstfrei gestellt habe. An entlassungsunabhängigen Ansprüchen stünden der Klägerin neben dem vom Erstgericht zuerkannten Überstundenentgelt noch ein Differenzbetrag an Urlaubsabfindung von 350,86 S zu. Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Klägerin aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, es im Sinne einer Wiederherstellung des Ersturteils abzuändern.

Der Beklagte beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist berechtigt.

Wenn dem Berufungsgericht auch zuzugeben ist, daß

§ 4 Abs 1 UrlG für die konkrete zeitliche Fixierung des Urlaubs eine Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer vor Antritt des Urlaubs vorsieht, wird dem Schutzzweck des Gesetzes auch mit einer Vereinbarung Rechnung getragen, mit der dem Arbeitnehmer ein Urlaub innerhalb eines bestimmten zeitlichen Rahmens zugesagt und die konkrete Fixierung des Urlaubsantrittes innerhalb dieses Rahmens überlassen wird. Der Arbeitgeber bringt damit zum Ausdruck, daß betriebliche Erfordernisse dem Urlaubsverbrauch in dem vom Arbeitnehmer genannten Rahmenzeitraum nicht entgegenstehen (vgl. auch Klein-Martinek Urlaubsrecht 63 f).

Im vorliegenden Fall hat der Beklagte der Klägerin bereits im Dezember 1986 grundsätzlich die Genehmigung des mit Beginn der Sommerschulferien oder etwas davor, wenn auc nicht datumsmäßig bestimmten, so doch hinsichtlich seiner zeitlichen Lagerung weitgehend eingegrenzten Urlaubswunsches zugesagt. Seine Erklärung, wenn es soweit sei, reiche es aus, wenn die Klägerin ihm dies kurzfristig mitteile, er werde dies genehmigen, konnte die Klägerin nur als Zusage der Genehmigung nach Verständigung vom konkreten Termin werten. Von dieser einmal getroffenen Vereinbarung konnte der Beklagte nur mehr aus wichtigen Gründen, die ihm die Einhaltung unzumutbar machten, zurücktreten (vgl. Klein-Martinek aaO 67 f; Cerny Urlaubsrecht4 65 sowie 70). Eine außergewöhnliche, die Abwesenheit der Klägerin während des gewünschten Urlaubszeitraumes erfordernde betriebliche Situation, die ein Abgehen von der Zusage allenfalls hätte rechtfertigen können, hat der Beklagte nicht einmal behauptet. Da die Klägerin ihren Urlaub überdies in den Urlaubsplan eintragen ließ und auf diese Weise mit den anderen Mitarbeitern abstimmte und schließlich den Beklagten mit einer in die Unterschriftenmappe eingelegten Mitteilung vom Urlaubsantritt vorher verständigte, hatte sie auch dem anläßlich der Urlaubszusage von Dezember 1986 gemachten Vorbehalt, den Beklagten vom Urlaubsantritt kurz vorher zu verständigen, entsprochen. Aus dem Schweigen des Beklagten durfte sie erschließen, daß er entsprechend der seinerzeit erteilten Zusage ihren Urlaubswunsch nicht entgegentrete. Der Umstand, daß der Beklagte das in die Unterschriftenmappe eingelegte Schreiben offenbar nicht beachtete und in den Urlaubsplan nicht Einsicht nahm, ist nicht der Klägerin zuzurechnen, sondern vom Beklagten zu vertreten. Die Nichtbeachtung der Anordnung, ein Urlaubsformblatt vor Antritt des Urlaubes auszufüllen, ist eine Ordnungswidrigkeit, die im Hinblick auf die festgestellte Zusage des Beklagten und das übrige festgestellte Verhalten der Klägerin eine Entlassung jedenfalls nicht rechtfertigt.

Da somit der Urlaubsantritt nicht eigenmächtig erfolgte, war die Entlassung der Klägerin nicht gerechtfertigt.

Der Revision war daher Folge zu geben und das erstgerichtiche Urteil wiederherzustellen.

Die Entscheidung über die Kosten des Berufungs- und Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

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