OGH 9ObA64/94

OGH9ObA64/9416.3.1994

Der Oberste Gerichtshof hat in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Klinger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Maier und Dr.Petrag sowie die fachkundigen Laienrichter Dr.Christian Kleemann und Thomas Mais als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Dr.Erich S*****, vertreten durch Dr.Ernst Ploil, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei R*****, vertreten durch Petsch, Frosch & Partner, Rechtsanwälte in Wien, wegen 1,420.023,67 S netto sA (Revisionsstreitwert 596.492,67 S netto sA), infolge Rekurses des Klägers gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 28.Juni 1993, GZ 34 Ra 125/92-28, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes vom 24.April 1992, GZ 14 Cga 571/91-12, teilweise aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Rekurskosten sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Der am 7.Februar 1942 geborene Kläger war vom 1.August 1975 bis 31. Dezember 1990 bei der beklagten Partei und ihren Rechtsvorgängern beschäftigt. Vom 11.Dezember 1984 bis 31.Dezember 1990 war er Vorsitzender des Vorstandes der beklagten Partei mit einem Jahresbezug von 3,356.628 S, wobei die Anwendung des Angestelltengesetzes auf dieses Dienstverhältnis vereinbart war. Das Dienstverhältnis endete, da die beklagte Partei die Funktion des Klägers nicht über den 31.Dezember 1990 hinaus verlängerte. Bis einschließlich September 1991 zahlte die beklagte Partei die fälligen Abfertigungsraten.

Der Dienstvertrag des Klägers mit der beklagten Partei enthält unter anderem folgende Bestimmungen:

"§ 4 (2) Die Gehaltsansprüche des Herrn Dr.S***** werden auf der Basis des für die Aktiengesellschaft anwendbaren Kollektivvertrages wertgesichert, selbst dann, wenn Vorstandsbezüge nach Inhalt des Kollektivvertrages hievon ausgenommen sind.

§ 7 (1) Herrn Dr.S*****, seiner Ehegattin, Frau Brigitte S***** und seinen aus dieser Ehe stammenden Kindern stehen nachstehende Pensionsansprüche zu:

1.) Alterspension:

Herrn Dr.S***** steht mit Vollendung des 65.Lebensjahres ein Anspruch auf Alterspension in der Höhe von 80 % seines letzten Aktivbezuges zu. Endet das Dienstverhältnis zur Gesellschaft vor der Erreichung des 65.Lebensjahres aus Gründen, die Dr.S***** nicht zu vertreten hat, dann steht ihm ab dem Tage der Beendigung des Dienstverhältnisses ein Pensionsanspruch in jener Höhe zu, die dem Verhältnis der Anzahl der anrechenbaren vollen Dienstjahre, die er bis zur Beendigung des Dienstverhältnisses in den Diensten der Gesellschaft zurückgelegt hat, zur gesamten voraussichtlichen Dienstzeit bis zur Vollendung des 65.Lebensjahres entspricht. Es werden ihm daher für die Berechnung der Frühpension für jedes vollendete oder anrechenbare Dienstjahr 80/44 = 1,8181 % des endgültigen Pensionsanspruches zuerkannt. Ab 1.Juli 1985 würde daher der Pensionsanspruch für das Dienstjahr 1985/86 40 % des gesamten Aktivbezuges oder 50 % der Pensionsbemessungsgrundlage (80 % des vereinbarten Aktivbezuges) betragen.

........(4) Die Pensionsanwartschaft sämtlicher Pensionsberechtigter erlischt, wenn das Dienstverhältnis zu Herrn Dr.S***** vor Eintritt eines Pensionsfalles aus Gründen, die er schuldhaft zu vertreten hat, endet. Als solche Gründe gelten insbesondere Kündigung seitens des Herrn Dr.S***** oder Austritt ohne Vorliegen eines wichtigen Grundes oder Beendigung des Dienstverhältnisses durch die Gesellschaft wegen Vorliegens eines wichtigen (Entlassungs-)Grundes.

(5) Wird Herr Dr.S***** jeweils nach Ablauf einer Funktionsperiode nicht mehr zu gleichen oder besseren Bedingungen, wie in diesem Dienstvertrag festgelegt, wieder für eine gesetzlich höchstzulässige Funktionsdauer zum Vorsitzenden des Vorstandes bestellt, dann entstehen seine Pensionsansprüche mit dem Ablauf der Funktionsdauer, es sei denn, daß die Nichtverlängerung seiner Position auf von ihm schuldhaft zu vertretende Gründe zurückzuführen ist, deren Beweis der Gesellschaft obliegt. Der Pensionsanspruch endet auch, wenn Herr Dr.S***** die Verlängerung seiner Organstellung und damit seines Dienstverhältnisses ohne von ihm zu beweisenden wichtigen Grund ablehnt."

Der Kläger begehrte 1,420.023,67 S netto sA. Die beklagte Partei habe die ab Oktober 1991 fälligen Zahlungen mit dem Argument eingestellt, der Kläger habe den Aufsichtsrat der beklagten Partei unrichtig informiert. Die von der beklagten Partei behaupteten Verfehlungen lägen nicht vor.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Der Vorsitzende des Aufsichtsrates der beklagten Partei habe dem Kläger am 4.September 1991 mitgeteilt, daß eine Untersuchung besorgniserregende Umstände über Abmachungen des Klägers mit den Kunden an den Tag gebracht habe. Die beklagte Partei verdächtige den Kläger, gegen seine vertraglichen Verpflichtungen verstoßen zu haben. Am 25.September 1991 seien dem Kläger die Verfehlungen schriftlich mitgeteilt worden. Wären sie vor Beendigung des Angestelltenverhältnisses entdeckt worden, hätten sie zur Entlassung des Klägers geführt. Dies berechtige die beklagte Partei zur Einstellung jeglicher Abfertigungs- und Pensionszahlungen; die beklagte Partei behalte sich überdies die Geltendmachung von Haftungsansprüchen gegen den Kläger vor.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Allfällige nach Beendigung des Dienstverhältnisses hervorgekommene Entlassungsgründe berührten weder den Anspruch auf Abfertigung noch den Pensionsanspruch; es fehle an einer ausdrücklichen Vereinbarung, daß vor Beendigung des Dienstverhältnisses begangene und nachher entdeckte Verfehlungen des Klägers zum Verlust der Pensionsleistungen führten.

Das Berufungsgericht bestätigte mit Teilurteil den Zuspruch eines Betrages von 823.531 S netto sA aus dem Titel der Abfertigung, gab der Berufung der beklagten Partei im übrigen Folge, hob das Ersturteil im Umfang eines Zuspruches von 596.492,67 S netto aus dem Titel der Betriebspension auf, verwies die Sache in diesem Umfang an das Erstgericht zurück und sprach aus, daß der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei. Entgegen der Auffassung des Erstgerichtes sei die einseitige Einstellung der Betriebspension zulässig, wenn nachträglich grobe Treuepflichtverstöße des Pensionisten hervorkämen, denen das Gewicht eines Entlassungsgrundes zukomme, sofern der Dienstgeber diese Verstöße ohne schuldhafte Verzögerung geltend gemacht habe. Hingegen habe die Berufungswerberin nicht dargelegt, warum der Zuspruch der Abfertigungsbeträge verfehlt sei.

Gegen den Aufhebungsbeschluß des Berufungsgerichtes richtet sich der Rekurs des Klägers aus dem Rekursgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluß im Sinne der Wiederherstellung des Ersturteils abzuändern.

Die beklagte Partei beantragt, dem Rekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist nicht berechtigt.

Für Dauerschuldverhältnisse gilt der Grundsatz, daß sie bei Vorliegen wichtiger, die Unzumutbarkeit der Vertragsfortsetzung begründender Umstände auch dann vorzeitig aufgelöst werden können, wenn dies nicht eigens vereinbart wurde (siehe Koziol-Welser Grundriß9 I 198 f mwH;

Welser, Widerrufsvorbehalt und Teilkündigungsvereinbarung bei entgeltwerten Leistungen des Arbeitgebers, JBl 1991, 1 ff [2];

G.Schima, Zulässigkeit von Treuepflichtklauseln in Pensionsverträgen JBl 1993, 430 ff und 494 ff [495]; J.Eichinger in Anm zur Entscheidung DRdA 1993/58 [495]). Auch die Vertragsbeziehung zwischen dem ehemaligen Arbeitnehmer und dem eine Betriebspension leistenden Arbeitgeber ist als Dauerschuldverhältnis anzusehen, auf das dieser Grundsatz anzuwenden ist; der Arbeitgeber ist daher bei nachträglichem Hervorkommen von gravierenden, während des aufrechten Arbeitsverhältnisses begangenen, die Weitergewährung der Altersversorgung unzumutbar machenden Treuepflichtverstößen zur Einstellung der Pensionsleistung berechtigt (siehe Petrovic, Betriebspension und Treuepflicht, in Runggaldier-Steindl, Handbuch zur betrieblichen Altersversorgung 311 ff [321 f], wobei auf den von ihr zu Recht hervorgehobenen Unterschied zwischen der auf unbestimmte Zeit geschuldeten Betriebspension und der Abfertigung hinzuweisen ist; G.Schima aaO, 496, insbesondere Anm 67a; A.Riedler in Anm zur Entscheidung DRdA 1994/7 [62]). Die Entscheidungen SZ 61/119 = Arb

10.742 = ZAS 1989/20 (krit M.Binder) = DRdA 1990/33 (im wesentlichen zust Resch) sowie DRdA 1990/39 (krit M.Binder) = ZAS 1988/26 (im wesentlichen zust Petrovic) betreffen Treuepflichtverstöße des Pensionisten während des Ruhestandes, die nach Auffassung des Obersten Gerichtshofes den ehemaligen Arbeitgeber ohne besondere Vereibnarung nicht zur Einstellung der Betriebspension berechtigten. Nimmt man ungeachtet des Umstandes, daß das BPG gemäß § 1 Abs 2 wohl nicht für die gegenständliche Direktzusage an den Kläger gilt (siehe Farny-Wöss, Betriebspensionsgesetz, Pensionskassengesetz 43 f;

Runggaldier-Schima, Die Rechtsstellung von Führungskräften, 203 f;

vgl aber Schrammel, Betriebspensionsgesetz § 2 Anm 2.1. und 2.2.1.) auf die in diesem Gesetz zum Ausdruck kommenden Wertungen des Gesetzgebers Bedacht, kommt Treuepflichtverstößen während des aufrechten Arbeitsverhältnisses erheblich größeres Gewicht zu, da sie - mangels einer für den Arbeitnehmer günstigeren Vereinbarung - (bei rechtzeitiger Entdeckung) den Arbeitgeber gemäß § 7 BPG zur sofortigen Auflösung des Arbeitsverhältnisses unter Verlust des Pensionsanspruches des Arbeitnehmers berechtigen; hingegen sieht das BPG die Einstellung einer Betriebspensionsleistung wegen eines treuwidrigen Verhaltens des Pensionisten nicht vor und gesteht in der Übergangsbestimmung des Art V Abs 4 Z 3 lediglich die Weitergeltung von diesbezüglichen bereits vor dem 1.Jänner 1990 vereinbarten Klauseln zu. Erst nachträglich entdeckte, während des aufrechten Dienstverhältnisses begangene, garvierende Treuepflichtverstöße des Dienstnehmers rechtfertigen daher die Einstellung der Betriebspension auch ohne diesen Fall erfassende Treuepflichtklausel (vgl DRdA 1994/7 [im wesentlichen zust A.Riedler]).

Dem Rekurs war daher ein Erfolg zu versagen.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.

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