Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 12.929,40 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 2.154,90 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger war seit 1.Jänner 1985 bei der beklagten Partei als Chemotechniker in der Funktion eines Betriebsleiters beschäftigt und direkt der Unternehmensleitung unterstellt.
Alleingesellschafterin der beklagten Partei ist die A***** Sch***** Gesellschaft mbH, an deren Stammkapital unter anderem W***** und H***** Sch***** mit je 25 % beteiligt sind. Am 29. Oktober 1990 waren H***** Sch***** und Dipl.Ing. H***** G***** Geschäftsführer der beklagten Partei. Zwischen W***** Sch***** und seinem Bruder H***** Sch***** war vertraglich vereinbart, daß sich W***** Sch***** jederzeit im Betrieb der beklagten Partei aufhalten dürfe, um seine Kontrollrechte auszuüben. Er durfte jedoch keinerlei Information von Mitarbeitern einholen. Seit 19. November 1990 ist Dr. W***** G***** als alleiniger Geschäftsführer der beklagten Partei im Handelsregister eingetragen.
Am 29.Oktober 1990 kam W***** Sch***** in das Büro des Geschäftsführers Dipl.Ing. G*****, wo dieser mit dem Kläger und W***** M***** eine Besprechung abhielt. W***** Sch***** forderte die Anwesenden mit den Worten "alles Blödsinn, schauen wir uns das an" auf, ihm in die sogenannte Rothauthalle zu folgen, die vom Kläger geplant worden war. Dort rief W***** Sch***** in erregtem Ton und mit gerötetem Gesicht: "Nennen Sie mir sofort den Verantwortlichen". Da ihm nicht geantwortet wurde, wiederholte W***** Sch***** diese Aufforderung. Dann sagte er:
"Soll ich Euch eine schmieren?" und: "Euch allen gehört eine geschmiert". Dabei holte er mit der Hand aus, als ob er auf den Kläger einschlagen wollte. Der Kläger verließ daraufhin die Rothauthalle. Nachdem dem Kläger vom Prokuristen der beklagten Partei und dem Geschäftsführer Dipl.Ing. G***** noch am 29. Oktober 1990 erklärt worden war, man könne ihn gegen einen Vorfall dieser Art nicht schützen, wandte er sich am nächsten Tag an den Geschäftsführer H***** Sch*****, schilderte ihm den Vorfall und erklärte, unter diesen Bedingungen nicht mehr weiterarbeiten zu können, zumal das Verhältnis zwischen dem Kläger und W***** Sch***** von Anfang an etwas gespannt war und sich bereits in der Vergangenheit etliche Vorfälle mit W***** Sch***** ereignet hatten. He***** Sch***** bat den Kläger, sich alles in Ruhe zu überlegen und sich zu gedulden, bis er sich bei seinem Rechtsberater Univ.Prof. Dr. N***** erkundigt haben werde, was er gegen seinen Bruder unternehmen könne. H***** Sch***** verständigte von dem Vorfall auch Dr. W***** G*****. Am 2. November 1990 bat auch Dr. G***** den Kläger, weiterhin bei der beklagten Partei zu arbeiten. Es wurde dann für den 6.November 1990 ein endgültig klärendes Gespräch vereinbart. Zuvor rief H***** Sch***** den Kläger zu sich und teilte ihm mit, daß er keine Möglichkeit habe, W***** Sch***** am Betreten des Betriebes zu hindern. Der Kläger erklärte daraufhin, unter diesen Umständen nicht weiterarbeiten zu können. Beim Gesprächstermin am 6. November 1990 mit Dr. G***** wiederholte der Kläger diesem gegenüber, er könne unter den gegebenen Umständen im Unternehmen nicht weiterarbeiten. Der 6.November 1990 war der letzte reguläre Arbeitstag des Klägers. Am 7.November 1990 nahm der Kläger nur noch einen Architektentermin für die beklagte Partei wahr.
Der Kläger begehrt Zahlung eines Betrages von 301.978 S brutto sA an Urlaubsentschädigung, Kündigungsentschädigung und restlichen Sonderzahlungen. W***** Sch***** habe sich bereits vor dem Vorfall vom 29.Oktober 1990 gegenüber Arbeitnehmern der beklagten Partei unsachlich und in rüdem, beleidigendem Ton geäußert. Als der Kläger nach dem Vorfall vom 29.Oktober 1990 erklärt habe, unter solchen Voraussetzungen zu einer weiteren Tätigkeit bei der beklagten Partei nicht mehr bereit zu sein und Aufklärung verlangt habe, was von der Unternehmungsleitung unternommen werde, sei dem Kläger erklärt worden, aufgrund der gegebenen Sach- und Vertragslage könne dagegen nichts unternommen werden.
Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Die Äußerungen des W***** Sch***** seien nicht so gravierend gewesen, daß sie den Kläger zum Austritt berechtigt hätten; überdies sei die beklagte Partei nicht zu Schutzmaßnahmen verpflichtet gewesen, weil W***** Sch***** weder Dienstgeber noch Angehöriger des Dienstgebers gewesen sei. Der Kläger habe noch am 29. Oktober 1990 die Kündigung seines Arbeitsverhältnisses ausgesprochen. Nachdem die beklagte Partei die Zahlung der Abfertigung im Hinblick auf die Kündigung durch den Arbeitnehmer abgelehnt habe, sei mit Schreiben des Klagevertreters vom 12. November 1990 der Austritt erklärt worden.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. W***** Sch***** sei als Angehöriger der beklagten Partei zu qualifizieren. Da die beklagte Partei dem Kläger, der von W***** Sch***** in seiner Ehre erheblich verletzt worden sei, trotz seines Ersuchens keine Abhilfe zugesichert habe, sei der Kläger berechtigt ausgetreten. Nach den besonderen Umständen des Falles sei der Kläger auch berechtigt gewesen, mit seinem Austritt bis 6.November 1990 zuzuwarten.
Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil und vertrat die Rechtsauffassung, daß unter Angehörigen im Sinne des § 26 Z 4 AngG nicht nur die näheren Familienangehörigen, sondern auch entferntere Verwandte zu verstehen seien, wenn zu diesen ein besonders augenscheinliches Naheverhältnis bestehe. Dies treffe auf W***** Sch***** zu. Er sei der Bruder des damaligen Geschäftsführers der beklagten Partei H***** Sch***** und Mitgesellschafter der A***** Sch***** Gesellschaft mbH, der einzigen Gesellschafterin der beklagten Partei und darüber hinaus zur Ausübung seiner Kontrollrechte vertraglich berechtigt gewesen, das Betriebsgelände der beklagten Partei jederzeit zu betreten. Die von einer drohenden Geste gegen den Kläger begleiteten Äußerungen des W***** Sch***** seien eine erhebliche Ehrverletzung im Sinne des § 26 Z 4 AngG. Der Kläger sei nicht verspätet ausgetreten, da er auf sein sofortiges Abhilfeersuchen gebeten worden sei, sich bis zur Einholung einer Auskunft eines Rechtsberaters über mögliche Maßnahmen gegen ein derartiges Verhalten des W***** Sch***** zu gedulden. Der Schutz sei dem Kläger endgültig erst am 6.November 1990 mit der Erklärung verweigert worden, man habe keine Möglichkeit, W***** Sch***** am Betreten des Betriebes zu hindern und damit wirksame Abhilfe gegen weitere Ehrverletzungen zu schaffen.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der beklagten Partei aus den Revisionsgründen der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinn einer gänzlichen Abweisung des Klagebegehrens abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die klagende Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.
Die Revision ist nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Die behauptete Mangelhaftigkeit liegt nicht vor (§ 510 Abs.3 ZPO). Zu den umfangreichen Ausführungen zu diesem Berufungsgrund - mit denen im wesentlichen die Beweisrüge der Berufung wiederholt wird - sei darauf hingewiesen, daß der Oberste Gerichtshof nicht Tatsacheninstanz ist und daher nicht berufen ist, die Beweiswürdigung der Vorinstanzen zu überprüfen.
Was die rechtliche Beurteilung betrifft, genügt es, auf die zutreffende Begründung des angefochtenen Urteils hinzuweisen (§ 48 ASGG).
Ergänzend ist den Ausführungen der Revisionswerberin noch folgendes zu erwidern:
Dienstgeber im Sinne des § 26 Z 4 AngG sind bei juristischen Personen die vertretungsbefugten Organe, die die Verantwortung für das gesamte Unternehmen tragen und daher in der Lage sind, Abhilfe zu schaffen und weitere Ehrverletzungen in Zukunft zu verhindern (siehe Martinek-M. Schwarz-W. Schwarz, AngG7 § 26 Anm.33; Arb.9764). Entgegen der Ansicht der Revisionswerberin sind unter Angehörigen des Dienstgebers im Sinne dieser Bestimmung nicht nur der Ehegatte und die Kinder zu verstehen; dieser Begriff ist ebenso wie der des Mitbediensteten oder des nach dieser Bestimmung geschützten Angehörigen des Angestellten weit auszulegen (vgl. Martinek-M. Schwarz-W. Schwarz, aaO § 26 Anm.35 und 32). Geht man vom Gesetzeszweck aus, dann ist die Angehörigeneigenschaft insbesondere dann zu bejahen, wenn der Verwandte ein besonderes Naheverhältnis zum Unternehmen hat und die Ehrverletzung damit im Zusammenhang steht (vgl. Kuderna, Entlassungsrecht 98 zum rechtsähnlichen Angehörigenbegriff des § 27 Z 6 AngG). Zieht man in Betracht, daß W***** Sch***** als Bruder des Geschäftsführers mit 25 % am Stammkapital der alleinigen Gesellschafterin der beklagten Partei beteiligt war und seine Kontroll- und Mitspracherechte aus dieser Beteiligung und einer Vereinbarung mit der beklagten Partei ableitete, dann war er zwar nicht als Dienstgeber anzusehen, stand aber in einer so engen Nahebeziehung zur beklagten Partei, daß seine Angehörigeneigenschaft im Sinne des § 26 Z 4 AngG jedenfalls für die gegenständliche, im Zusammenhang mit der Ausübung seiner Kontrollrechte als Gesellschafter erfolgte erhebliche Ehrverletzung zu bejahen war.
Entgegen der Ansicht der Revisionswerberin ist der Austritt bereits am 6.November 1990 unmittelbar nach der endgültigen Verweigerung des Schutzes gegen weitere Angriffe des W***** Sch***** und daher rechtzeitig erfolgt. Soweit die Revisionswerberin ins Treffen führt, dem Kläger sei im Zeitpunkt der Austrittserklärung bekannt gewesen, daß Abhilfe gegen die Angriffe des W***** Sch***** geschaffen werde, setzt sie sich in Widerspruch zu den bindenden Feststellungen der Vorinstanzen.
Daraus, daß der Kläger noch am 7.November 1990 im Betrieb erschien, um als mit der Bauplanung befaßter leitender Angestellter einen Architektentermin wahrzunehmen, ist entgegen der Ansicht der Revisionswerberin kein schlüssiger Verzicht auf den Austrittsgrund abzuleiten. Wie der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung 9 Ob A 192/91 = ARD 4320/16/91 ausgesprochen hat, treffen die Parteien auch im Falle der vorzeitigen Auflösung eines Dauerschuldverhältnisses Pflichten zur Rücksichtnahme auf die beiderseitigen Interessen; sie haben die mit der Auflösung des Rechtsverhältnisses verbundene Rückabwicklung so vorzunehmen, daß daraus keinem Teil ein Schaden entsteht, der mit kurzfristigen zumutbaren Maßnahmen leicht vermeidbar wäre. Nimmt daher ein leitender Angestellter im Interesse (und auf Ersuchen) seines Arbeitgebers einen Besprechungstermin mit einem Geschäftspartner des Arbeitgebers wahr, der mit dem Angestellten für einen unmittelbar nach dem Austritt liegenden Zeitpunkt vereinbart worden war, kann daraus weder auf eine schlüssige Rücknahme der Austrittserklärung noch auf die Zumutbarkeit der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitnehmer geschlossen werden.
Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.
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