Spruch:
Dem Rekurs der Klägerin wird Folge gegeben. Der Aufhebungsbeschluß des Berufungsgerichtes wird aufgehoben und in der Sache selbst durch Urteil erkannt:
Das Urteil des Erstgerichts wird wiederhergestellt. Die Beklagte ist schuldig, der Klägerin die mit S 11.221,60 bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens (davon S 565,60 Umsatzsteuer und S 5.000,-- Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin war vom 26.7.1957 bis 31.12.1987 bei der Beklagten angestellt. Am 17.8.1982 schloß sie mit der Beklagten (und dem Unternehmer Dkfm.Kurt H***) einen Dienstvertrag, der auf Seiten der Dienstgeber durch den einzelzeichnungsberechtigten Geschäftsführer der Beklagten Hans L***, den die Klägerin im Jahre 1981 geheiratet hatte, unterfertigt wurde. Die Punkte I und III dieses Dienstvertrages lauten:
"I.
Frau Elfriede L*** ist seit 26.7.1957 als Angestellte im Hause tätig und seit 1.6.1981 als Chefsekretärin eingesetzt, betreut und erzieht mit Herrn Direktor Hans L*** im gemeinsamen Haushalt den mj 2/3 (zwei Drittel) Erben Lukas H*** der in Gugging verwahrten 1/3 (ein Drittel) Erbin des H*** Margarethe H***.
III.
Als Entgelt in der Verwendungsgruppe V/18 als Angestellte wird ab 1.10.1982 ein monatlicher Betrag von 16.130 S (in Worten: Schilling sechzehntausendeinhundertdreißzig) zuzüglich 8 Überstunden zu 50 % + 8 Überstunden zu 100 % vereinbart, wobei dieses Gehalt 14 x jährlich ausbezahlt wird und sich aus dem Grundgehalt, Überstunden oder anderen Faktoren zusammensetzt.
.......(es folgt Wertsicherungsklausel)".
Mit Schreiben vom 26.6.1987 wurde die Klägerin dienstfrei gestellt, diese Weisung mit Schreiben vom 6.7.1987 wieder aufgehoben und die Klägerin mit Schreiben vom 28.7.1987 per 31.12.1987 gekündigt.
Das im Dienstvertrag vereinbarte Überstundenpauschale in Höhe von zuletzt S 5.666 mtl wurde der Klägerin von der Beklagten (bis zur Kündigung) immer gezahlt. In den letzten sechs Monaten zahlte jedoch die Beklagte der Klägerin den Gehalt in der Höhe von zuletzt S 26.710 brutto ohne Überstundenpauschale aus und legte diese niedrigere Bemessungsgrundlage auch der Zahlung der Remunerationen (13. und 14.Monatsgehalt), der Urlaubsentschädigung und der gesetzlichen Abfertigung zugrunde. Bis ca Ende 1986 war Margarethe H*** zu 1/3 und Lukas H*** zu 2/3 Gesellschafter der beklagten Partei.
Die Klägerin begehrt zuletzt Zahlung
1.) des Überstundenpauschales für die letzten sechs Monate samt
Unterschiedsbetrag auf die Remuneration (13.und 14.Monatsgehalt) in
der Höhe von S 45.328,--
2.) die Abfertigungsdifferenz von S 19.831,02
3.) und restliche Urlaubsent-
schädigung in Höhe von S 2.059,13
zusammen S 67.218,15.
Sie habe im Zusammenhang mit der Sanierung des durch Familientragödien konkursreif gewordenen Unternehmens der Beklagten und bei der Betreuung des mj.Lukas H*** (Mehrheitsgesellschafter der Beklagten) seit 1981 wesentlich mehr Überstunden geleistet als das vereinbarte Überstundenpauschale betrage.
Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete ein, die Klägerin habe mit ihrem Mann, dem nunmehr abberufenen Geschäftsführer der Beklagten, den Dienstvertrag vom 17.8.1982 nur zum Schein geschlossen. Insbesondere Punkt III des Vertrages sei nichtig. Jedenfalls habe aber die Klägerin diesen Vertrag in arglistigem Zusammenwirken mit dem Geschäftsführer der Beklagten in Schädigungsabsicht geschlossen. Der Vertrag sei daher der Beklagten nicht zuzurechnen. Die Klägerin habe die von ihr behaupteten Überstunden nicht erbracht.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren auf Grund der von den Parteien vorgelegten Urkunden ohne Aufnahme weiterer Beweise statt. Es war der Ansicht, die Beklagte habe für eine Schädigungsabsicht der Klägerin beim Abschluß des Dienstvertrages vom 17.8.1982 keine Beweise anbieten können. Durch den jahrelangen Bezug des Überstundenpauschales habe die Klägerin ein Recht auf diesen Bezug, der fester Bestandteil ihres Gehalts gewesen sei, erworben. Wichtige Gründe für eine Änderung des Arbeitsvertrages habe die Beklagte nicht einmal behauptet.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten Folge, hob das Ersturteil unter Rechtskraftvorbehalt auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück. Die Beweiswürdigung des Erstgerichtes sei unbedenklich, soweit sie sich auf einen rechtserheblichen Sachverhalt beziehe. Die Beklagte habe zwar für die Behauptung, die Klägerin habe den Dienstvertrag in arglistigem Zusammenwirken mit dem Geschäftsführer Hans L*** in Schädigungsabsicht abgeschlossen, Beweise angeboten. Die Beklagte habe aber nicht vorgebracht, worin die Schädigungsabsicht der Klägerin bei Abschluß des Dienstvertrages bestanden habe. Das diesbezügliche Vorbringen der Beklagten sei zum Teil aus rechtlichen Gründen und zum Teil in Ermangelung jedweder Konkretisierung unbeachtlich; die Vernehmung der hiezu beantragten Zeugen habe daher unterbleiben können. Hans L*** sei im Zeitpunkt des Abschlusses des Dienstvertrags befugter Geschäftsführer der Beklagten gewesen. Hätte er hiebei die Beklagte geschädigt, so hätte das nur Auswirkungen auf die Rechtsbeziehungen des Geschäftsführers zur Beklagten und berühre den Dienstvertrag der Klägerin nicht.
Die Beklagte habe aber vorgebracht, daß die Klägerin die verzeichneten Überstunden tatsächlich nie geleistet habe. Das Vorbringen der Beklagten, das Erstgericht habe es unterlassen, das Ausmaß der Wochenarbeitszeit der Klägerin festzustellen, sei auch dahin zu verstehen, daß es das Erstgericht unterlassen habe, Feststellungen über die von der Klägerin tatsächlich geleisteten Überstunden zu treffen. Wenn ein Überstundenpauschale ohne Vorbehalt des Widerrufs vereinbart werde, so könne das Pauschale auch im Falle der Verringerung der Überstundenleistung nicht einseitig widerrufen werden. Dies gelte auch, wenn sich die Notwendigkeit zur Leistung von Überstunden infolge geänderter Umstände verringert habe. Habe aber der Dienstnehmer gar keine Überstunden geleistet, so sei die Frage, ob ihm dessen ungeachtet das vereinbarte Überstundenpauschale zustehe, nach § 1155 ABGB zu beurteilen. Danach gebühre dem Dienstnehmer auch für Dienstleistungen, die nicht zustandegekommen seien, das Entgelt, wenn er zur Leistung bereit gewesen sei und durch Umstände, die auf Seiten des Dienstgebers lägen, daran verhindert worden sei. Habe daher die Klägerin in den letzten sechs Monaten weniger als die im Punkt III des Dienstvertrages vereinbarten Überstunden geleistet, so schade ihr dies nicht; habe sie in diesem Zeitraum gar keine geleistet, so werde zu erheben sein, ob sie zur Leistung bereit gewesen und durch Umstände auf Dienstgeberseite daran gehindert worden sei.
Diesen Beschluß bekämpft nur die Klägerin mit Rekurs wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung. Sie beantragt, in der Sache selbst zu erkennen und das Ersturteil wiederherzustellen. Die Beklagte ließ den Aufhebungsbeschluß unbekämpft und beantragte in ihrer Rekursbeantwortung, dem Rekurs keine Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist berechtigt.
Gemäß Punkt III des Dienstvertrages vom 17.8.1982 wurde zwischen den Streitteilen als Entgelt "ein monatlicher Betrag von S 16.130,-- (damaliges Entgelt in der Verwendungsgruppe V/18) zuzüglich 8 Überstunden zu 50 % und 8 Überstunden zu 100 % vereinbart und festgesetzt, daß dieses Gehalt 14 x jährlich gezahlt wird und sich aus dem Grundgehalt, Überstunden oder anderen Faktoren zusammensetzt. Aus dieser Formulierung ergibt sich deutlich, daß ein Überstundenpauschale vereinbart wurde, das als regelmäßiger Gehaltsbestandteil zu behandeln und auch der Berechnung des 13. und 14. Monatsgehalts zugrunde zu legen war. Aus dem Zusammenhang mit Punkt I des Dienstvertrages ergibt sich, daß das Überstundenpauschale auch die Leistungen der Klägerin bei der Betreuung und Erziehung des minderjährigen Firmengesellschafters Lukas H*** decken sollte. Dieses Überstundenpauschale im Betrag von zuletzt S 5.666,-- wurde der Klägerin bis zum Ausspruch der Kündigung stets gezahlt.
Wurde aber eine Pauschalentlohnung vereinbart, so kann sie weder vom Arbeitgeber noch vom Arbeitnehmer einseitig widerrufen werden (Tutschka-Dungl, Handbuch des Arbeitsrechts4, 185; Dungl, Handbuch des Arbeitsrechts5, 156). Dies gilt mangels abweichender Vereinbarung auch dann, wenn infolge geänderter Umstände die Notwendigkeit von Überstunden entfällt (Grillberger, Arbeitszeitgesetz 84; SozM I A/d 995).
Eine solche Änderung hat aber die Beklagte nicht einmal behauptet; sie hat vielmehr bestritten, daß die Klägerin jemals Überstunden geleistet hat. In diesem Fall müßte aber die Beklagte das dennoch bis zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses regelmäßig entrichtete und daher zu einem vom tatsächlichen Anfall von Überstunden völlig unabhängigen Gehaltsbestandteil gewordene Überstundenpauschale auch während der Kündigungsfrist weiterzahlen. Daß das Pauschale auch Bestandteil des 13. und 14.Monatsgehaltes ist, ergibt sich schon aus Punkt III des Dienstvertrages; es ist aber auch der Bemessungsgrundlage für die Urlaubsentschädigung (dazu § 2 Abs 2 des gemäß § 6 Abs 5 UrlG abgeschlossenen Generalkollektivvertrages über den Begriff des Entgelts gemäß § 6 UrlG bei Cerny, Urlaubsrecht4 97 ff) und der Abfertigung (Martinek-Schwarz, AngG6 456; Martinek-Schwarz, Abfertigung, Auflösung des Arbeitsverhältnisses 329; SozM I A/d 995) zugrunde zu legen.
Eine von der tatsächlichen Höhe geleisteter Überstunden
unabhängige Pauschalierungsvereinbarung bewirkt, daß für die
jeweilige Gesamtarbeitsleistung des Dienstnehmers ein bestimmtes
Monatsentgelt festgesetzt wird (soferne das Pauschale nicht geringer
ist als das für die tatsächlichen Überstunden gebührende Entgelt).
Die gemäß § 1164 ABGB dispositive Bestimmung des § 1155 ABGB ist auf
nicht erbrachte Überstundenleistungen, die unter eine
Pauschalvereinbarung fallen, nicht anzuwenden. Die vom
Berufungsgericht vorgenommene Unterscheidung zwischen dem Fall, daß
der Dienstnehmer weniger als die der Pauschalvereinbarung
zugrundeliegenden Überstunden leistet, und dem Fall, daß er gar
keine Überstunden leistet, ist schon deshalb verfehlt, weil die vom
Berufungsgericht daran geknüpften unterschiedlichen Rechtsfolgen von
einer willkürlichen Festsetzung des jeweiligen
Beobachtungszeitraumes abhängen.
Da die Parteien auf die Frage der Kolusion im Rekursverfahren nicht mehr eingegangen sind, kann insoweit auf die zutreffenden Ausführungen der Vorinstanzen bezüglich der mangelnden Konkretisierung verwiesen werden.
Dem Rekurs ist daher Folge zu geben. Da die Streitsache zur Entscheidung reif ist, ist gemäß § 519 Abs 2 ZPO in der Sache selbst durch Urteil im Sinne einer Wiederherstellung des erstgerichtlichen Urteils zu erkennen.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 41, 50 ZPO.
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