Spruch:
Es wird festgestellt, daß Dienstnehmer, denen die Dienstalterszulage gemäß § 16 Abschnitt D Abs 2 des Kollektivvertrages für die Speditionsangestellten Österreichs gebührt, Anspruch auf Einbeziehung dieser Zulage in die Bemessungsgrundlage für die Berechnung des Überstundenentgeltes haben.
Text
Begründung
Der Antragsteller ist eine kollektivvertragsfähige Körperschaft der Arbeitnehmer im Sinne des § 4 Abs 2 ArbVG. Die Kollektivvertragsfähgikeit wurde ihm vom Obereinigungsamt im Jahre 1957 zuerkannt; diese Zuerkennung gilt gemäß § 165 ArbVG auch nach dem Inkrafttreten des ArbVG weiter. Der Antragsgegner ist eine zur gesetzlichen Interessenvertretung der Arbeitgeber berufene Körperschaft im Sinne des § 4 Abs 1 ArbVG. Der Antragsgegner war am Abschluß des gegenständlichen Kollektivvertrages beteiligt. Beide Parteien sind daher im Sinne des § 54 Abs 2 erster Satz ASGG als Parteien des gegenständlichen besonderen Feststellungsverfahrens legitimiert.
Der Kollektivvertrag für die Speditionsangestellten Österreichs
enthält unter anderem folgende Regelungen:
"........
§ 7 Überstunden, Sonn- und Feiertagsarbeit
.........
2. Die Überstundentlohnung besteht aus dem Grundstundenlohn und
einem Zuschlag. Der Grundstundenlohn beträgt 1/160tel des
Brutto-Monatsgehaltes. ........
§ 16 Gehaltsregelung
A. Allgemeine Bestimmungen
1. Den Angestellten ist ein monatliches Bruttogehalt nach den in
der Gehaltsstaffel nach Beschäftigungsgruppen und Berufsjahren
gestaffelten Gehaltssätzen zu bezahlen.
.........
3. Die Gehaltserhöhung durch Eintritt in eine höhere
Berufsaltersstufe tritt mit dem ersten Tage desjenigen Monats in
Kraft, in den der Beginn des neuen Berufsjahres fällt.
.........
6. a) Als Berufsjahre für die Einstufung in die Gehaltstafel gelten die Jahre der praktischen Tätigkeit als Angestellter.
b) Bei der Übernahme von Arbeiter- in das Angestelltenverhältnis werden die beim selben Betrieb zurückgelegten Dienstzeiten als Berufsjahre für die Einstufung in die Gehaltstafel angerechnet.
c) Die Zeit des ersten beim selben Betrieb in Anspruch genommenen Karenzurlaubes gemäß § 15 MSchG wird als Dienstzeit für die Einstufung in die Gehaltstafel angerechnet. Diese Bestimmung gilt für die ab 1.April 1985 beginnenden Karenzurlaube.
d) Die Zeiten der Wehrdienstleistung einschließlich Kriegsgefangenschaft, Notdienstverpflichtung und Arbeitsdienst werden nur dann als Berufsjahre gewertet, wenn zur Zeit der Einberufung ein Angestelltenverhältnis bestanden hat. .....
e) Die im öffentlichen Dienst zurückgelegten Vordienstzeiten werden als Berufsjahre angerechnet, sofern die Tätigkeit im Speditionsbetrieb inhaltlich der Tätigkeit im öffentlichen Dienst ähnlich ist oder ihr gleich kommt und die im öffentlichen Dienst erworbenen Kenntnisse Verwendung finden.
.........
D. Überzahlungen
.........
2. Nach einem ununterbrochenen Dienstverhältnis von 17 Jahren gebührt den Angestellten eine 14 mal jährlich auszuzahlende Zulage im Ausmaß von 2,5 % der jeweils gültigen Kollektivvertragsgehälter, sofern die bestehenden Überzahlungen der kollektivvertraglichen Mindestgehälter in der Beschäftigungsgruppe 1 nicht mehr als 50 %, in der Beschäftigungsgruppe 2 nicht mehr als 45 %, in den Beschäftigungsgruppen 3 und 4 nicht mehr als 35 % und in den Beschäftigungsgruppen 5 und 6 nicht mehr als 30 % betragen; nach einem ununterbrochenen Dienstverhältnis von 20 Jahren erhöht sich diese Zulage unter Berücksichtigung der gleichen Überzahlungskriterien auf 5,5 % der jeweils gültigen Kollektivvertragsgehälter.
§ 16 Abschnitt A Abs 3 ist sinngemäß anzuwenden. Die Anrechnungsbestimmungen des § 16 Abschnitt A Abs 6 lit b und c gelten auch für diese Zulage. ......."
Der Antragsteller führt zur Begründung seines aus dem Spruch ersichtlichen Feststellungsantrages aus, daß zwischen ihm und Mitgliedsunternehmen des Antragsgegners die - mehr als drei Arbeitgeber und drei Arbeitnehmer betreffende - Frage strittig sei, ob die den Speditionsangestellten gemäß § 16 Abschnitt D Abs 2 des Kollektivvertrages bei Unterschreiten der dort genannten Überzahlungskriterien nach einem ununterbrochenen Dienstverhältnis von 17 Jahren bzw 20 Jahren gebührende Zulage von 2,5 % bzw 5,5 % der jeweils gültigen Kollektivvertragsgehälter in die Bemessungsgrundlage für die Berechnung des Überstundenentgeltes einzubeziehen ist. Bei Berechnung des Überstundenentgeltes werde die Dienstalterszulage nur von einem Teil der Betriebe berücksichtigt. Der Antragsteller vertritt die Rechtsansicht, daß diese Zulage Teil des Grundlohnes für die Normalarbeitsstunde und damit gemäß § 10 Abs 2 AZG in die Bemessungsgrundlage für die Berechnung des Überstundenentgeltes einzubeziehen sei. Der Begriff des Normallohnes im Sinne dieser Gesetzesbestimmung sei weit auszulegen und umfasse das gesamte für die Arbeitsstunde gebührende Entgelt einschließlich Zulagen und Zuschläge. Gemäß § 7 Kollektivvertrag betrage der als Bemessungsgrundlage für das überstundenentgelt heranzuziehende Grundstundenlohn 1/160tel des Bruttomonatsgehalts. Auch mit dem aus dem Angestelltengesetz entnommenen Verdienstbegriff "Gehalt" sei das gesamte Entgelt des Angestellten gemeint.
Der Antragsgegner beantragt die Abweisung des Feststellungsantrages. Mit Wirksamkeit ab 1.März 1974 sei vom Antragsgegner erstmals eine Dienstalterszulage nach einem ununterbrochenen Dienstverhältnis von 20 Jahren zugestanden worden, sofern die bestehenden Überzahlungen einen bestimmten Prozentsatz nicht überschreiten. Mit der Bezeichnung als Zulage sei zum Ausdruck gebracht worden, daß sie in allen übrigen Fällen bei Ermittlung der Berechnungsgrundlage außer Betracht zu bleiben habe. Dies ergebe sich auch aus § 16 Abschnitt D Abs 2 Kollektivvertrag, wo vorgeschrieben werde, daß die Anrechnungsbestimmungen des § 16 Abschnitt A Abs 6 lit b und c des Kollektivvertrages auch für diese Zulage gelten. Dieser Bestimmung hätte es nicht bedurft, wenn die Dienstalterszulage als Gehaltsbestandteil zu werten wäre.
Rechtliche Beurteilung
Der Feststellungsantrag ist berechtigt.
In den der Berechnung der Überstundenvergütung gemäß § 10 Abs 2
AZG zugrunde zu legenden Normallohn sind alle Entgeltbestandteile
(einschließlich Zulagen, Zuschläge und Prämien etc) einzubeziehen,
die einem Arbeitnehmer für die während der normalen Arbeitszeit
erbrachte (und während der Überstunden fortgesetzte) Arbeitsleistung
gebühren. Lediglich Aufwandsentschädigungen, Sonderzahlungen, nicht
an die Arbeitsleistung anknüpfende außerordentliche
Entgeltbestandteile (wie Kinder- und Familienzulagen) und
Entgeltbestandteile, die ausschließlich für die Erbringung einer
ganz bestimmten, vom Arbeitnehmer während der Überstundenarbeit
nicht verrichtete Arbeitsleistung gebühren, scheiden aus dem
Normallohn und damit aus der Berechnung des Überstundenentgeltes aus
(siehe Arb 10.357 = ZAS 1985, 179, mit zustimmender Besprechung von
Kohlmaier; RdW 1988, 297). In der Entscheidung Arb 10.451 = EvBl
1986/14 hat der Oberste Gerichtshof ausgesprochen, daß seit der
Novellierung des AZG durch BGBl 238/1971 gemäß § 10 Abs 2 Satz 3 AZG
mit einem Kollektivvertrag nur noch eine vom Gesetz abweichende
Berechnungsart der Überstunden vereinbart, nicht aber der
Vergütungsanspruch als solcher ausgeschlossen oder - etwa im Wege
einer abweichenden Regelung der Bemessungsgrundlage oder einer
Herabsetzung des Zuschlages unter das gesetzliche
Ausmaß - eingeschränkt werden darf. Da die Dienstalterszulage gemäß
§ 16 Abschnitt D Abs 2 Kollektivvertrag sämtlichen die dort
genannten Voraussetzungen erfüllenden Angestellten für die in der
Normalarbeitszeit erbrachte Arbeitsleistung in regelmäßigen
Zeitabschnitten zusammen mit den übrigen Entgeltbestandteilen
gebührt, bildet sie einen Teil des Normallohnes im Sinn des § 10
Abs 2 AZG und damit einen der Disposition der
Kollektivvertragsparteien nicht zugänglichen Teil der
Bemessungsgrundlage für die Überstundenvergütung.
Im übrigen ist entgegen der Ansicht des Antragsgegners auch der
die Überstundenentlohnung regelnden Bestimmung des § 7 Abs 2
Kollektivvertrag nicht zu entnehmen, daß die Dienstalterszulage
nicht einen Teil des für die Bemessungsgrundlage (Grundstundenlohn)
maßgeblichen Bruttomonatsgehaltes bildet. § 16 des
Kollektivvertrages, in dem sich auch die Regelung über die
Dienstalterszulage findet, trägt die Überschrift "Gehaltsregelung",
sodaß auch nach der im Kollektivvertrag gebrauchten Terminologie die
Dienstalterszulage als Gehaltsbestandteil anzusehen ist. Daraus, daß
im § 16 Abschnitt D Abs 2 letzter Satz Kollektivvertrag ausdrücklich
die Geltung der Anrechnungsbestimmungen des § 16 Abschnitt A Abs 6
lit b und c auch für die Dienstalterszulage übernommen wird, läßt
sich keineswegs folgern, die Dienstalterszulage sei anders als das
in den Gehaltstafeln nach Beschäftigungsgruppen und Berufsjahren
gestaffelte Bruttomonatsgehalt nicht Gehaltsbestandteil; die
zitierte, lit a, d und e der bezogenen Bestimmung ausnehmende
Verweisung stellt - zusätzlich zu dem in § 16 Abschnitt D
gebrauchten Begriff "nach einem ununterbrochenen Dienstverhältnis
von 17 Jahren....." - nur klar, daß für die Dienstalterszulage
anders als für die Einstufung nach den Gehaltstafeln nicht sämtliche
Berufsjahre, sondern lediglich die beim selben Betrieb
zurückgelegten Dienstzeiten maßgebend sind.
Dem Feststellungsantrag war daher stattzugeben.
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