Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß sie zu lauten haben:
Die beklagte Partei ist schuldig, dem Kläger zusätzlich zu dem bereits rechtskräftig zuerkannten Betrag von S 1.260 netto sA noch einen Betrag von S 148.344,74 brutto samt 4 % Zinsen seit 6.4.1993 binnen 14 Tagen bei Exekution zu zahlen.
Die beklagte Partei ist schuldig, dem Kläger die mit S 10.900 (darin S 6.400 Barauslagen) bestimmten Kosten des Verfahrens erster Instanz, die mit S 12.800 (darin S 9.600 Barauslagen) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens und die mit S 21.620 (darin S 1.395 Umsatzsteuer und S 13.250 Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger war bei der beklagten Partei vom 18.1.1993 bis 2.4.1993 als kaufmännischer Angestellter beschäftigt. Sein Arbeitsverhältnis endete durch Entlassung.
Mit der Behauptung, zu Unrecht entlassen worden zu sein, begehrt er den der Höhe nach unbestrittenen Betrag von S 112.960,13 brutto an Kündigungsentschädigung und Urlaubsentschädigung, S 35.384,61 brutto an anteiliger Prämie und S 1.260 netto an Kilometergeld und Aufwandersatz.
Die beklagte Partei beantragte, das Klagebegehren abzuweisen. Der Kläger habe die behaupteten Fähigkeiten nicht gehabt und nur eine unzureichende Arbeitsleistung erbracht. Er sei deshalb zum 30.6.1993 gekündigt und mit dem Vorbehalt der Wiederaufnahme der Arbeit dienstfrei gestellt worden. Da er der Aufforderung des Vorstandsvorsitzenden, die Arbeit wieder anzutreten, nicht nachgekommen sei, sei er wegen Verweigerung der Arbeitsaufnahme und Unfähigkeit, die versprochenen und bedungenen Dienste zu erbringen, entlassen worden. Eine aliquote Prämie stehe ihm nicht zu, weil diese nach dem Dienstvertrag nur bei einem am 31.12.1993 aufrechten Arbeitsverhältnis zur Ausschüttung gekommen wäre.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren mit S 1.260 netto sA statt und wies das Mehrbegehren von S 148.344,74 brutto sA ab. Es traf im wesentlichen folgende Feststellungen:
Der Kläger wurde am 18.1.1993 aufgrund eines Zeitungsinserates des Arbeitsamtes eingestellt. Nach dem Dienstvertrag stand ihm ein monatliches Gehalt von S 30.000 brutto zu. Außerdem verpflichtete sich die beklagte Partei, dem Kläger bei aufrechtem Arbeitsverhältnis am 31.12.1993 eine Prämie von S 80.000 brutto zu zahlen. Als Aufgabenbereich wurde der Innen- und Außendienstverkauf einschließlich aller damit zusammenhängenden Tätigkeiten, wie Auftragsbearbeitung, Offerte und dergleichen vereinbart. Der Kläger sollte für eine bestimmte Produktgruppe verantwortlich sein und ein bestimmtes Produkt anbieten, verkaufen und die dazugehörige administrative Abwicklung vornehmen. Es war vorgesehen, daß der Kläger nach einer Einarbeitungsphase, welche zum Großteil in W***** stattfand, die neu zu errichtende Filiale in F***** übernehmen sollte. Nach einer Beschäftigung primär im Innendienstverkauf sollten nach den ersten Monaten die Außendienstarbeiten in der neuen Filiale beginnen.
Da der Kläger seine Arbeit nicht zur Zufriedenheit der beklagten Partei verrichtete - es unterliefen ihm Fehler bei Bestellungen und es gab Kundenbeschwerden - kündigte ihn die beklagte Partei am 9.3.1993 zum 30.6.1993. Am 16.3.1993 stellte ihn die beklagte Partei dienstfrei, wobei sie sich jedoch ausdrücklich vorbehielt, die jederzeitige Arbeitsaufnahme verlangen zu können. Der Kläger beschwerte sich am 17.3.1993 und 19.3.1993 schriftlich über die schlechte Qualität der Einschulung und erklärte, daß er die Abänderung von Anweisungen nur unter bestimmten Voraussetzungen akzeptiere. Mit Schreiben vom 22.3.1993 wiederholte die beklagte Partei ihren Standpunkt, daß sie es sich ausdrücklich und unwiderruflich vorbehalte, den Kläger jederzeit zur Arbeitsaufnahme auffordern zu können. Der Kläger erwiderte mit Schreiben vom 31.3.1993, daß er bis 30.6.1993 dienstfrei gestellt sei und eine Arbeitsaufnahme durch ihn nicht durchführbar sei, weil sein Job von jemand anderem ausgeführt und von der beklagten Partei auch kein Kontakt zu Lieferanten bzw Kunden gewünscht werde. Er wies darauf hin, daß ein gleichwertiger Job nicht vorhanden sei und er Schikanen nicht akzeptiere.
Aufgrund dieses Schreibens setzte sich ein Vorstandsmitglied der beklagten Partei mit dem Kläger am 1. oder 2.4.1993 telefonisch in Verbindung und wies ihn darauf hin, daß es zumindest eine minimale Arbeitsleistung erwarte. Der Kläger verwies auf sein Schreiben vom 31.3.1993 und erklärte, mit "dem Beklagten" nicht persönlich sprechen zu wollen. Auf die Erklärung des Vorstandsmitglieds, daß es auf die Arbeitsleistung des Klägers zurückkommen werde, wenn die Filiale in F***** ihren Betrieb aufnehme, wiederholte der Kläger, daß die beklagte Partei für ihn keinen Job mehr habe. Da das Vorstandsmitglied zu diesem Zeitpunkt noch nicht wußte, wann die Filiale eröffnet werde, nannte es keinen konkreten Zeitpunkt, wann der Kläger seine Tätigkeit in der Filiale beginnen sollte. Die Eröffnung der Filiale verzögerte sich bis 21.4.1993.
Mit Schreiben vom 2.4.1993 wurde der Kläger mit der Begründung, daß er die Arbeit verweigere, entlassen. Der Kläger hätte nach Eröffnung der Filiale alle Arbeiten machen sollen, die bei der Inbetriebnahme anfallen. Es hätte dort insbesondere organisatorische und administrative Tätigkeiten gegeben. Der Kläger hätte zwar Kunden mittels Rundschreiben zu informieren gehabt, zu diesen jedoch keinen direkten Kontakt aufnehmen dürfen.
Das Erstgericht vertrat die Rechtsauffassung, daß der Kläger sich beharrlich geweigert habe, seine Arbeit zu leisten. Auch wenn ihm der Kontakt mit den Kunden untersagt worden sei, wäre ihm die in F***** anfallende Arbeit zumutbar gewesen. Diese Arbeit sei auch im Rahmen der ursprünglichen Tätigkeit gelegen. Die beklagte Partei habe dem Kläger zwar keinen Zeitpunkt für die Wiederaufnahme der Arbeit genannt, der Kläger habe aber mehrmals eindeutig zu erkennen gegeben, daß er nicht bereit sei, eine ihm nicht genehme Arbeit zu leisten. Hinsichtlich der im Dienstvertrag zugesagten Prämie sei die Bedingung, daß das Arbeitsverhältnis am 31.12.1993 noch aufrecht ist, nicht eingetreten, so daß dem Kläger auch kein aliquoter Anteil zustehe.
Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung (§ 500a ZPO iVm § 2 Abs 1 ASGG).
Gegen dieses Urteil richtet sich die aus dem Grunde der unrichtigen rechtlichen Beurteilung erhobene Revision des Klägers mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, daß dem Klagebegehren stattgegeben werde. Hilfsweise werden Aufhebungsanträge gestellt.
Die beklagte Partei beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist berechtigt.
Der Entlassungsgrund nach § 27 Z 4 AngG, zweiter Tatbestand, liegt vor, wenn sich der Angestellte beharrlich weigert, seine Dienste zu leisten oder sich den durch den Gegenstand der Dienstleistung gerechtfertigten Anordnungen des Dienstgebers zu fügen. Nach den Feststellungen der Vorinstanzen bestand eine Vereinbarung zwischen den Parteien über Umfang und Gegenstand der Arbeitsleistungen des Klägers. Dieser wurde gekündigt und in der Folge von der Arbeit freigestellt, weil er seine Arbeit nicht zur Zufriedenheit der beklagten Partei verrichte. Soweit diesfalls eine Entlassung gemäß § 27 Z 2 AngG in Betracht gekommen wäre, hat die beklagte Partei durch die Kündigung in Kenntnis des Entlassungsgrundes auf diesen verzichtet (vgl Kuderna, Entlassungsrecht2 27 mwH; Krejci in Rummel2, ABGB § 1162 Rz 165 mwH; Martinek/M.Schwarz/W.Schwarz, AngG7 551 mwH; JBl 1971, 206; Arb 9492, 10.981 uva).
Andererseits war der Kläger nicht verpflichtet, während der Kündigungsfrist nicht vom Dienstvertrag umfaßte Arbeitsleistungen jeglicher Art (etwa Hilfsarbeitertätigkeiten) zu erbringen. Insoweit wies der Kläger in seinem Schreiben vom 31.3.1993 lediglich darauf hin, daß eine Arbeitsaufnahme durch ihn "nicht durchführbar" sei, weil sein Job schon von jemand anderem ausgeübt werde; ein gleichwertiger Job sei nicht vorhanden und er akzeptiere keine Schikanen. Eine dem Arbeitsvertrag widersprechende Anordnung der beklagten Partei wäre insoweit nicht gerechtfertigt gewesen. Auch im Telefonat vom 1. oder 2.4.1993 wies der Kläger lediglich darauf hin, daß die beklagte Partei für ihn keinen Job mehr habe. Zu diesem Zeitpunkt war weder die Filiale eröffnet noch hatte der Kläger eine konkrete Aufforderung zum Arbeitsantritt erhalten. Wie sich der Kläger verhalten hätte, wenn ihm die vorgesehene Tätigkeit in dieser Filiale, die erst am 21.4.1993 eröffnet wurde, aufgetragen worden wäre (vgl S 91 des Aktes), ist letztlich offen geblieben.
Selbst wenn man die Äußerungen des Klägers dahin werten wollte, daß er auch den durch den Gegenstand der Arbeitsleistung gerechtfertigten Anordnungen der beklagten Partei, seine bedungene Arbeit in der Filiale anzutreten, nicht hätte nachkommen wollen, hätte es sich noch um eine bloße Ankündigung der Arbeitsverweigerung gehandelt, da ein unverzüglicher Arbeitsantritt noch nicht aktuell war. Die bloße Ankündigung einer Arbeitsverweigerung ist aber schon mangels Beharrlichkeit nicht tatbestandsmäßig, weil selbst eine bereits begangene Pflichtenvernachlässigung nur unter der Voraussetzung der Beharrlichkeit den Tatbestand erfüllt (vgl Kuderna aaO, 115 mwH; Martinek aaO, 633; Arb 6779, 9691 uva).
Da die Entlassung sohin ungerechtfertigt erfolgte, stehen dem Kläger die geltend gemachten Ansprüche zu. Entgegen der Ansicht der beklagten Partei betrifft die zwingende Aliquotierungsvorschrift des § 16 AngG (§ 40 AngG) nicht nur Remunerationen, sondern auch andere besondere Entlohnungen (unter anderem Jahresprämien verschiedener Art). Sofern einem Arbeitnehmer nach dem Dienstvertrag eine solche Prämie gebührt, hat er nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses während des Jahres Anspruch auf jenen Teil, der seiner Dienstzeit entspricht. Es ist zwar möglich, den Erwerb des vollen Anspruches vom Bestehen des Arbeitsverhältnisses zu einem bestimmten Stichtag abhängig zu machen, eine Vereinbarung, wonach die Aliquotierung bei Ausscheiden des Angestellten vor diesem Stichtag ausgeschlossen werden soll, ist jedoch unwirksam (vgl Martinek aaO, 307 f mwH).
Die Kostenentscheidung ist in den §§ 41 und 50 Abs 1 ZPO begründet.
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