Spruch:
1. Der Antrag, der Oberste Gerichtshof möge feststellen,
"dass im Falle eines Wechsels von Vollzeit- auf Teilzeitbeschäftigung und einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses während der Teilzeit das für den letzten Monat gebührende Entgelt (gemäß § 23 Abs 1 AngG) wie folgt zu berechnen ist:
1) Hat die Herabsetzung der Normalarbeitszeit zum Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses kürzer als zwei Jahre gedauert, so ist bei der Berechnung einer nach dem AngG zustehenden Abfertigung die frühere Arbeitszeit des Arbeitnehmers vor dem Wirksamwerden der Teilzeitvereinbarung zugrunde zu legen. Hat die Herabsetzung der Normalarbeitszeit zum Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses länger als zwei Jahre gedauert, so ist - sofern keine andere Vereinbarung abgeschlossen wird - bei der Berechnung einer nach dem AngG zustehenden Abfertigung für die Ermittlung des Monatsentgelts vom Durchschnitt der während der für die Abfertigung maßgeblichen Dienstjahre geleisteten Arbeitszeit auszugehen.
in eventu:
2) Bei der Berechnung einer nach dem AngG zustehenden Abfertigung ist für die Ermittlung des Monatsentgelts vom Durchschnitt der während der für die Abfertigung maßgeblichen Dienstjahre geleisteten Arbeitszeit auszugehen.
in eventu:
3) Bei der Berechnung einer nach dem AngG zustehenden Abfertigung ist für die Ermittlung des Monatsentgeltes vom Durchschnitt der während der Dauer des Arbeitsverhältnisses geleisteten Arbeitszeit auszugehen."
wird abgewiesen.
Text
Begründung
Der Antragsteller ist gemäß § 4 Abs 2 ArbVG kollektivvertragsfähig, die Antragsgegnerin gemäß § 4 Abs 1 ArbVG. Beide Parteien sind daher gemäß § 54 Abs 2 ASGG im dort geregelten besonderen Feststellungsverfahren antragslegitimiert.
Das Vorbringen der Antragstellerin, mit der sie den im Spruch ersichtlichen Antrag begründet, lässt sich wie folgt zusammenfassen:
Im Falle der Änderung des Ausmaßes der Arbeitszeit während der Dauer des Beschäftigungsverhältnisses werde - von besonders geregelten Ausnahmefällen abgesehen - die Abfertigung auf der Basis des letzten Monatsentgelts berechnet. Lediglich bei Entgeltschwankungen, unterschiedlichen Überstunden, Zulagen etc komme es zu einer Durchschnittsberechnung. Wird das Arbeitsverhältnis zunächst von Vollzeit auf Teilzeit umgestellt und dann während der Teilzeitphase beendet, sei diese Berechnungsweise nicht sachgerecht. Die Regelungen der §§ 23 Abs 8, 23a Abs 4a AngG machten deutlich, dass die (jüngere) Gesetzgebung selbst Zweifel an der Gerechtigkeit der wiedergegebenen Bemessungsregel habe. Auch historische Überlegungen - zum Zeitpunkt der Entstehung des Berechnungsmodell habe es Arbeitsverhältnisse mit unterschiedlichem Beschäftigungsausmaß nicht gegeben - legten die Annahme nahe, dass § 23 Abs 1 AngG teleologisch zu reduzieren sei und eine planwidrige Regelungslücke vorliege. Zu deren Schließung sei auf § 14 Abs 4 AVRAG zurückzugreifen. Dieser verweise zwar auf § 14 Abs 2 AVRAG (also auf Fälle einer Vereinbarung im Sinn dieser Gesetzesstelle) und verhindere damit eine unmittelbare Anwendbarkeit auf andere Fälle von Arbeitsverhältnissen mit unterschiedlichen Beschäftigungsausmaßen. Dies stehe aber einer analogen Anwendung der Anordnung des § 14 Abs 4 AVRAG auf alle nicht durch Sonderbestimmungen geregelten Fälle nicht entgegen, zumal es für die Einzelanalogie ausreiche, wenn nach der im Gesetz zum Ausdruck kommenden Wertung der geregelte und der ungeregelte Fall in den maßgebenden Voraussetzungen übereinstimmen.
Dieses Ergebnis werde auch durch die europarechtliche Beurteilung anhand des Art 141 EG bestätigt: Da ca 87 % der Teilzeitbeschäftigten Frauen seien, seien überwiegend Frauen von den nachteiligen Auswirkungen der Berechnungsregel des § 23 Abs 1 AngG betroffen, sodass eine mittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechtes vorliege. Sollte der Oberste Gerichtshof insofern Zweifel haben, sei er verpflichtet, ein Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH zu richten.
Die Antragsgegnerin beantragte, den Antrag zurückzuweisen, hilfsweise, ihn abzuweisen.
Er sei unzulässig, weil er keinen konkreten Sachverhalt behaupte, sondern sich im Wesentlichen in der Wiedergabe eines vom Antragstellervertreter verfassten Beitrages in ecolex 2002, 599 erschöpfe. Der Antragsteller strebe erklärtermaßen nur ein Gutachten des Obersten Gerichtshofs an. Abstrakte, nicht auf einem behaupteten Sachverhalt beruhende Rechtsfragen seien jedoch nicht feststellungsfähig.
Der Antrag sei auch inhaltlich nicht berechtigt. Gerade weil der Gesetzgeber in Kenntnis der Rechtsprechung in § 14 Abs 4 AVRAG nur eine ganz spezifische Sonderkonstellation regle, sei eine planwidrige Lücke zu verneinen. Außerdem greife der Antragsteller nach Art der "Rosinentheorie" den ihm genehmen Fall des Wechsels von Vollzeit auf Teilzeit heraus, befasse sich umgekehrt aber mit dem korrespondierenden Fall des Wechsels von Teilzeit auf Vollzeit, bei dem der betroffene Arbeitnehmer bevorzugt sei, nicht. Zudem könne es auch aus anderen Gründe im Laufe eines Arbeitsverhältnisses zu größeren Entgeltveränderungen kommen. Auch von einer mittelbaren Diskriminierung könne nicht die Rede sein. Zwar treffe es zu, das wesentlich mehr Frauen als Männer teilzeitbeschäftigt seien. Dadurch seien Frauen aber bei Änderungen des Beschäftigungsausmaßes nicht nur benachteiligt, sondern - beim Umstieg von Teilzeit auf Vollzeit - auch bevorzugt. Zudem habe der Gesetzgeber der besonderen Situation der Frauen durch die Regelungen des § 14 Abs 4 AVRAG und der §§ 23a Abs 3 AngG sowie des § 23a Abs 4a AngG ohnehin Rechnung getragen.
Der Antrag ist unzulässig.
Rechtliche Beurteilung
Ein Feststellungsantrag gemäß § 54 Abs 2 ASGG muss einen Sachverhalt enthalten, der ein Feststellungsinteresse begründet. Die Formulierung der Bestimmung deckt sich mit jener des § 228 ZPO. Danach kann das Bestehen oder Nichtbestehen von Rechten oder Rechtsverhältnissen mit Feststellungsklage dann geltend gemacht werden, wenn ein rechtliches Interesse an dieser Feststellung besteht. Dieses rechtliche Interesse ist vom Obersten Gerichtshof auf der Grundlage des vom Antragsteller zu behauptenden Sachverhalts, der auch auf das rechtliche Interesse Bezug nehmen muss, von amtswegen zu prüfen. Sein Fehlen führt nach ständiger Rechtsprechung zur Abweisung der Klage mit Urteil (Arb 10.735; EvBl 1991/148; SZ 71/51).
Feststellungsanträge zur Klärung abstrakter, von einem konkreten Sachverhalt losgelöster Rechtsfragen erfüllen die Voraussetzungen eines rechtlichen Interesses auch im Rahmen eines Feststellungsantrages nach § 54 Abs 2 ASGG nicht, weil abstrakte Rechtsfragen grundsätzlich nicht feststellungsfähig sind (Arb 10.735; EvBl 1991/148; SZ 71/51). Insofern unterscheidet sich das Modell des besonderen Feststellungsverfahrens nach § 54 Abs 2 ASGG von einer reinen Gutachtertätigkeit iSd § 27 ArbGG (Kuderna, ASGG Anm 12 iVm Anm 6 zu § 54).
Mit dem hier zu beurteilenden Antrag strebt der Antragsteller - wie die Antragsgegnerin richtig ausführt - inhaltlich ein reines Rechtsgutachten des Obersten Gerichtshofs an, in dem er ohne Bezugnahme auf einen konkreten Sachverhalt ein abstraktes Rechtsproblem schildert und vom Obersten Gerichtshof eine allgemeine Stellungnahme dazu anstrebt.
Ein Auftrag an den Antragsteller, seinen Antrag durch Sachverhaltsbehauptungen zu ergänzen, kommt in Fällen, in denen der Antragsteller - wie hier - gar nicht verhehlt, dass er die Lösung eines abstrakten, von einem konkreten Sachverhalt losgelösten Rechtsproblems anstrebt, nicht in Betracht (in diesem Sinn bereits SZ 71/51).
Im Sinne der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs führt das Fehlen eines rechtlichen Interesses an der begehrten Feststellung auch im Falle eines Antrags nach § 54 Abs 2 ASGG nicht zur Zurück- sondern zur Abweisung des Antrags (SZ 71/51 ua).
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