Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass sie zu lauten haben:
"Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Klägerin über den 31. 1. 2000 hinaus fortbesteht.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 11.625,-- bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens (darin S 1.937,50 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen."
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 8.370,-- bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 1.395,-- Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin war vom 1. 12. 1999 bis zum 31. 1. 2000 als Verkäuferin bei der Beklagten im E*****markt in I***** beschäftigt. Die Streitteile hatten einen Probemonat und die Befristung des Arbeitsverhältnisses bis 31. 1. 2000 vereinbart.
Die Klägerin, die von 1996 bis 1999 als Friseurin und daran anschließend ca. ein halbes Jahr als stellvertretende Filialleiterin in einem Drogeriemarkt gearbeitet hatte, sollte bei der Beklagten zur "Substitutin" ausgebildet werden. Das Arbeitsverhältnis wurde ua deshalb befristet, weil die Klägerin noch nie im Lebensmittelhandel gearbeitet hatte. Sie wurde zunächst an der Kassa und sodann in der Milchprodukteabteilung verwendet. In der Milchprodukteabteilung wurde die Klägerin von einer Kollegin eingeschult. Sie war ua für die Bestellungen, für das Nachteilen, für das ordentliche Verräumen der Lieferungen sowie für die Kontrolle des Ablaufdatums zuständig. Nach Ansicht der Marktleiterin erfüllte die Klägerin die Voraussetzungen für eine Substitutin nicht. Das Arbeitsverhältnis wurde auch deshalb nicht verlängert, weil ihre Leistung nicht zufriedenstellend war. Am 8. 1. 2000 hatte die Klägerin der Beklagten mitgeteilt, dass sie schwanger sei.
Die Klägerin begehrt mit ihrer Klage die Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis über den 31. 1. 2000 hinaus fortbestehe. Da die Befristung des Arbeitsverhältnisses sachlich nicht gerechtfertigt gewesen sei, sei sein Ablauf bis zum Beginn der Wochenhilfe bzw. bis zum Eintritt des Beschäftigungsverbots gemäß § 3 Abs 3 MuttSchG gehemmt.
Die Beklagte beantragte, das Klagebegehren abzuweisen. Die Klägerin sei als Verkäuferin für den Bereich Feinkost beschäftigt gewesen. Sie habe keine Erfahrung im Lebensmittelhandel oder gar als Feinkostverkäuferin aufgewiesen. Da sie ohne jegliche Vorkenntnisse eingestellt worden sei, sei es sachlich gerechtfertigt gewesen, eine Befristung des Arbeitsverhältnisses bis 31. 1. 2000 für die Einschulung und die Überprüfung der generellen Eignung für den Arbeitsplatz zu vereinbaren. Die Beklagte sei daher berechtigt gewesen, das Arbeitsverhältnis durch Zeitablauf enden zu lassen. Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es verwies auf § 10a Abs 1 MuttSchG, wonach der Ablauf eines auf bestimmte Zeit abgeschlossenen Arbeitsverhältnisses von der Meldung der Schwangerschaft bis zum Beginn des Beschäftigungsverbots nach § 3 Abs 1 MuttSchG oder dem Beginn eines auf Dauer ausgesprochenen Beschäftigungsverbots nach § 3 Abs 3 MuttSchG gehemmt werde, es sei denn, die Befristung sei aus sachlich gerechtfertigten Gründen erfolgt oder gesetzlich vorgesehen. Hier sei der Abschluss eines befristeten Arbeitsverhältnisses zur Erprobung sachlich gerechtfertigt gewesen, sodass das Klagebegehren abzuweisen sei.
Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und vertrat folgende Rechtsauffassung:
Gemäß § 19 Abs 2 AngG dauere die Probezeit einen Monat. Ein weitergehender befristeter Abschluss eines Arbeitsverhältnisses zur Erprobung sei sachlich gerechtfertigt, wenn die Zeit der Erprobung in einem ausgewogenen Verhältnis zur Ausbildung und der angestrebten Verwendung stehe. Je höher die Qualifikation sei, desto länger werde die Befristung (sachlich gerechtfertigt) vereinbart werden können. Für gehobene Positionen wie die einer Akademikerin oder einer EDV-Spezialistin werde eine Erprobung sogar im Ausmaß von sechs Monaten für sachlich gerechtfertigt gehalten. Hingegen werde die mehrmonatige Befristung eines Arbeitsverhältnisses etwa einer Regalbetreuerin oder einer Kassierin in einem Supermarkt als nicht gerechtfertigt angesehen. Die Tätigkeit einer Substitutin, also einer Marktleiter-Stellvertreterin, könne jedoch nicht mit der einer Regalbetreuerin gleichgesetzt werden. Von einer Substitutin werde - wie schon die bisherige Ausbildung der Klägerin als Kassierin und in der Milchprodukteabteilung zeige - einiges mehr verlangt. Die stellvertretende Leitung erfordere Einblick in sämtliche Abteilungen bzw. einen Überblick über die gesamte Produktpalette, um eine Kontrolle und ein zielgerichtetes Eingreifen zu ermöglichen. Von ihr seien auch die Fähigkeiten, das Personal zu führen und Verantwortung zu tragen, zu fordern. Zur Beurteilung der Eignung der Klägerin für diese qualifizierte Position sei eine Befristung des Arbeitsverhältnisses nach einem Probemonat auf einen weiteren Monat sachlich gerechtfertigt.
§ 10a des MuttSchG solle eine Umgehung der Schutzbestimmungen dieses Gesetzes verhindern; eine solche Umgehungsabsicht des Arbeitgebers müsse nachgewiesen werden. Hiefür fehle es jedoch im zu beurteilenden Fall an Anhaltspunkten.
Da somit die vereinbarte Befristung sachlich gerechtfertigt gewesen sei, sei es durch die Schwangerschaft nicht zu einer Verlängerung des Arbeitsverhältnisses gekommen.
Rechtliche Beurteilung
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Klägerin wegen Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, es im Sinne der Stattgebung des Klagebegehrens abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die Beklagte hat sich am Revisionsverfahren nicht beteiligt. Die Revision ist berechtigt.
Nach § 10a MuttSchG wird der Ablauf eines auf bestimmte Zeit abgeschlossenen Dienstverhältnisses von der Meldung der Schwangerschaft bis zum Beginn des Beschäftigungsverbotes nach § 3 Abs 1 MuttSchG oder den Beginn eines auf Dauer ausgesprochenen Beschäftigungsverbots nach § 3 Abs 3 MuttSchG gehemmt, es sei denn, dass die Befristung aus sachlich gerechtfertigten Gründen erfolgt oder gesetzlich vorgesehen ist.
Nach Abs 2 der zitierten Bestimmung ist eine Befristung sachlich gerechtfertigt, wenn sie im Interesse der Dienstnehmerin liegt oder wenn das Dienstverhältnis für die Dauer der Vertretung an der Arbeitsleistung verhinderter Dienstnehmer, zu Ausbildungszwecken, für die Zeit der Saison oder zur Erprobung abgeschlossen wurde, wenn auf Grund der in der vorgesehenen Verwendung erforderlichen Qualifikation eine längere Erprobung als die gesetzliche oder kollektivvertragliche Probezeit notwendig ist.
Zweck der Einfügung des § 10a MuttSchG durch das arbeitsrechtliche BegleitG, BGBl 1992/822, war die Verhinderung der Umgehung des MuttSchG. Die Erläuterungen zur Regierungsvorlage (RV 735 BlgNR 18. GP 22 f) führen dazu aus, dass immer häufiger mit jungen Frauen befristete Dienstverträge abgeschlossen würden, was dazu führe, dass diese Frauen infolge Zeitablaufs des Dienstverhältnisses und Nichterlangen eines neuen Arbeitsplatzes bei Schwangerschaft eine Reihe von Ansprüchen verlören. Nunmehr werde für befristete Dienstverhältnisse, deren Befristung nicht sachlich gerechtfertigt sei, eine Ablaufhemmung, ähnlich wie im Falle der Hemmung des Ablaufes der Beschäftigungsbewilligung für Ausländer, getroffen. In seiner zu dieser Bestimmung ergangenen Entscheidung 8 ObA 316/99z = DRdA 2000, 536 vertrat der OGH - wie schon vom Berufungsgericht ausgeführt - die Auffassung, dass eine über die gemäß § 19 Abs 2 AngG einen Monat dauernde Probezeit hinaus vereinbarte Befristung des Arbeitsverhältnisses dann sachlich gerechtfertigt sei, wenn die Zeit der Erprobung in einem ausgewogenen Verhältnis zur Ausbildung und der angestrebten Verwendung steht. Je höher die Qualifikation sei, desto länger könne die Befristung vereinbart werden, um noch als sachlich gerechtfertigt akzeptiert zu werden. Für gehobene Positionen, wie etwa der einer Akademikerin und EDV-Spezialistin im technischen Bereich, sei eine Erprobung sogar im Ausmaß von sechs Monaten sachlich gerechtfertigt. Hingegen werde die mehrmonatige Befristung eines Arbeitsverhältnisses etwa einer Regalbetreuerin oder Kassierin in einem Supermarkt oder einer Reinigungsfrau für nicht gerechtfertigt angesehen (DRdA 2000, 536). Diesen Ausführungen ist zu folgen.
Hingegen ist der zitierten Entscheidung nicht beizupflichten, soweit darin aus dem Umstand, dass § 10a des MuttSchG die Umgehung dieses Gesetzes verhindern will, geschlossen wird, dass die Arbeitnehmerin die auf eine solche Umgehung gerichtete Absicht des Arbeitgebers nachweisen muss. Nach dem insofern eindeutigen Wortlaut des Gesetzes tritt die Ablaufhemmung des § 10 Abs 1 MuttSchG dann nicht ein, wenn die Befristung sachlich gerechtfertigt ist. Damit hat der Gesetzgeber
- wohl gerade zur Vermeidung der Notwendigkeit des Nachweises einer Umgehungsabsicht des Arbeitgebers - auf das Vorliegen einer objektiven, in § 10 Abs 2 MuttSchG näher konkretisierten Voraussetzung abgestellt. Liegt diese Voraussetzung nicht vor, tritt die Ablaufhemmung ein, ohne dass es auf den Nachweis einer Umgehungsabsicht des Arbeitgebers ankommen kann. Hätte nämlich der Gesetzgeber einen derartigen Nachweis erforderlich erachtet, wäre die Normierung einer (zusätzlichen) objektiven Voraussetzung, bei deren Fehlen die Ablaufhemmung eintritt, überflüssig und nicht einsichtig. Außerdem fehlt für eine die Arbeitnehmerin treffende Beweislast für eine Umgehungsabsicht des Arbeitgebers im Gesetzestext - aber auch in den Materialien - jeder Hinweis. Entscheidend kann daher nur sein, ob
- was der sich darauf berufende Arbeitgeber zu beweisen hat - die Befristung sachlich gerechtfertigt ist. Ist dies nicht der Fall, tritt die Ablaufhemmung unabhängig davon ein, ob der Arbeitnehmerin der Nachweis einer Umgehungsabsicht des Arbeitgebers gelingt. Im hier zu beurteilenden Fall ist der Beklagten der Nachweis der sachlichen Rechtfertigung der vereinbarten Befristung nicht gelungen. Sie hat sich in erster Instanz darauf berufen, dass die Beklagte als Verkäuferin für den Bereich der Feinkost beschäftigt gewesen sei. Da ihr die speziellen Kenntnisse im Verkauf von Feinkostprodukten gefehlt habe, sei die die Probezeit überschreitende Befristung von einem weiteren Monat für die Einschulung und die Überprüfung der generellen Eignung für den Arbeitsplatz sachlich gerechtfertigt gewesen.
Dass die Klägerin für die Feinkostabteilung aufgenommen oder dort verwendet worden sei, hat das Erstgericht nicht festgestellt. Vielmehr steht fest, dass sie als Verkäuferin beschäftigt war, zunächst an der Kasse eingesetzt wurde und schließlich in der Milchprodukteabteilung tätig war, wo sie ua für "die Bestellungen, für das Nachteilen, für die ordentliche Verräumung der Lieferung" zuständig war und überdies auf das Ablaufdatum der Waren achten musste. Aus diesen Feststellungen kann aber nach Ansicht des Obersten Gerichtshofs die sachliche Rechtfertigung einer die Probezeit übersteigenden Befristung nicht abgeleitet werden; ob die Arbeitnehmerin die für derartige Tätigkeiten erforderlichen Fähigkeiten mitbringt, kann durch die Erprobung während der Probezeit mit hinreichender Sicherheit festgestellt werden.
Richtig ist allerdings, dass das Erstgericht überdies - allerdings nicht durch Prozessvorbringen gedeckt und daher überschießend - festgestellt hat, dass sich die Klägerin in der Ausbildung zum "Substituten" befand. Was darunter zu verstehen ist und welche Qualifikationen und Fähigkeiten dafür erforderlich sind, wurde weder behauptet, noch festgestellt und kann auch nicht als notorisch erachtet werden. Erstmals in der Berufungsbeantwortung hat die Beklagte geltend gemacht, dass die Klägerin nach einer entsprechenden Ausbildung als stellvertretende Marktleiterin eingesetzt hätte werden sollen und als solche über Führungsqualitäten sowie über Kenntnisse der Warenkunde und der gesetzlichen Bestimmungen im Zusammenhang mit der Haltbarkeit der Waren und der Preisauszeichnung hätte verfügen müssen. Dabei handelt es sich aber um unzulässige und durch Feststellungen nicht gedeckte Neuerungen, die - wie die Revision zutreffend geltend macht - nicht der Entscheidung zugrundegelegt werden können. Geht man hingegen nur von den Feststellungen aus, nach denen die Klägerin als Verkäuferin tätig war und an der Kassa sowie in der Milchprodukteabteilung eingesetzt wurde, so ist eine sachliche Rechtfertigung für eine die Probezeit übersteigende Befristung nicht erkennbar. Die durch Prozessvorbringen nicht gedeckte und mangels näherer Konkretisierung nicht aussagekräftige Feststellung, dass die Klägerin zur "Substitutin" ausgebildet werden sollte, vermag nichts daran zu ändern, dass der Beklagten der Beweis einer sachlichen Rechtfertigung der die Probezeit übersteigenden Befristung nicht gelungen ist.
In Stattgebung der Revision waren daher die Entscheidungen der Vorinstanzen wie im Spruch ersichtlich abzuändern.
Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens gründet sich auf die §§ 41, 50 Abs 1 ZPO. Im erstinstanzlichen Verfahren hat die Klägerin keine Kosten verzeichnet.
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