OGH 9ObA269/90

OGH9ObA269/9024.10.1990

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith und Dr. Maier sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Elmar Peterlunger und Walter Benesch als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Melanie H***, Sängerin, Wien 16., Liebhartstalstraße 68/1, vertreten durch Dr. Heinrich Keller und Dr. Rainer Cuscoleca, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Ö*** B***, Wien 1,

Goethestraße 1, vertreten durch die Finanzprokuratur, Wien 1., Singerstaße 11, wegen Feststellung (Streitwert S 532.000), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 24. Juli 1990, GZ 31 Ra 86/90-10, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 30. März 1990, GZ 19 Cga 1023/89-6, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, daß das Ersturteil wiederhergestellt wird.

Die Klägerin ist schuldig, der Beklagten die mit S 28.720,50 bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin steht auf Grund (aufeinanderfolgender) Bühnendienstverträge seit 1. September 1977 als Sängerin in einem aufrechten Dienstverhältnis zum beklagten Bundestheaterverband (Volksoper Wien). Sie erhielt kein Auftrittshonorar, sondern einen festen Monatsbezug 14 x jährlich. Insbesondere stand sie auch in der Zeit vom 1. September 1985 bis 31. August 1987 in einem Bühnendienstvertrag mit einem Monatsbezug von S 38.000 bei 35 Auftritten pro Spielzeit (Beilage A).

Der Klägerin wurde zur Ausübung anderer künstlerischer Tätigkeiten (Gastspiele; Rundfunk- und TV-Auftritte, Plattenaufnahmen; Konzerte etc) in der Zeit vom 21. Februar 1980 bis 6. November 1984 fallweise Urlaub gegen Entfall der Bezüge gewährt. Es handelte sich bei diesen "Karenzzeiten" um zahlreiche kurze Urlaube in der Dauer von mindestens zwei und höchstens 26 Tagen im Gesamtausmaß von insgesamt 182 Tagen. Pro Karenzurlaubstag wurde ihr 1/30 des Monatsbezuges abgezogen, die Sonderzahlungen jedoch in voller Höhe geleistet. Für die Zeit solcher Urlaube wurde mit der Klägerin fallweise eine Rückrufbereitschaft vereinbart. Auf das Dienstverhältnis der Klägerin findet u.a. das Zusatzabkommen zum Bundestheater-Orchesterkollektivvertrag, abgeschlossen zwischen der Republik Österreich, Bundesministerium für Unterricht und Kunst (Österreichischer Bundestheaterverband), und dem Österreichischen Gewerkschaftsbund, Gewerkschaft Kunst, Medien, freie Berufe, Sektion Musiker (im folgenden: Zusatz-KV), Anwendung, das "Inhabern individueller (nicht schematisierter) Bühnendienstverträge im Sinne des Schauspielergesetzes (SchSpG) BGBl 1922/441" unter bestimmten Voraussetzungen einen besonderen Bestandschutz ("Nichtverlängerungsschutz = Verpflichtung des Dienstgebers zur Vertragsverlängerung) gewährt. Voraussetzung für diesen Schutz ist unter anderem, daß der Inhaber eines solchen Bühnendienstvertrages "zum Zeitpunkt, in dem das Dienstverhältnis enden würde, Anspruch auf Entlohnung (Bezüge, Gage, Gehalt, Spielgeld) für einen Zeitraum von mindestens 216 Monaten (Bezugsmonate) - für Solotänzer 180 Bezugsmonate" hat (§ 1 Abs 1 Z 1 Zusatz-KV). Bei den gegen Auftrittshonorar verpflichteten Mitgliedern ist zur Berechnung der Bezugsmonate für jedes ausgezahlte Honorar ein Zeitraum von 5,7 Tagen anzurechnen; je Spieljahr dürfen jedoch nicht mehr als zwölf Bezugsmonate angerechnet werden (§ 1 Abs 2 Zusatz-KV). Für ein im Zeitpunkte des Inkrafttretens dieses Zusatzabkommens in einem aufrechten ("geltenden") Bühnendienstvertrag beschäftigtes Mitglied gilt die Voraussetzung des § 1 Abs 1 Z 1 Zusatz-KV gemäß § 8 Zusatz-KV bereits als erfüllt, wenn es mit Ablauf dieses Bühnendienstvertrages 120 Bezugsmonate aufweist (günstigere Übergangsbestimmung). Diese Voraussetzungen träfen auf die Klägerin nur zu, wenn die erwähnten "Karenzzeiten" bei der Berechnung der Bezugsmonate mitzuberücksichtigen wären; diesem Standpunkt hat jedoch die Beklagte mit Schreiben vom 31. Mai 1989 an den Zentralsekretär der Gewerkschaft Kunst, Medien und freie Berufe widersprochen und die Ansicht vertreten, daß auf die Klägerin die Übergangsregelung des § 8 Zusatz-KV nicht zur Anwendung komme, weil sie in der Vergangenheit zahlreiche Karenzurlaube konsumiert habe. Zur Klärung dieser Streitfrage begehrt die Klägerin die Feststellung, daß § 8 des Zusatzabkommens vom 13. Februar 1986 zum Bundestheater-Orchesterkollektivvertrag auf sie Anwendung finde und sie dem Schutz der "Nichtverlängerungsbestimmung" dieses Vertrages unterliege.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete ein, daß für den Eintritt des "Nichtverlängerungsschutzes" nicht das Ausmaß der Dienstzeit des Dienstnehmers schlechthin, sondern die Zahl der Bezugsmonate entscheidend sei. Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.

Aus dem Wortlaut der einschlägigen Bestimmungen des Zusatz-KV, die auf den "Anspruch auf Entlohnung" und auf "Bezugsmonate" abstellten, ergäbe sich deutlich, daß für das Erwerben des "Nichtverlängerungsschutzes" Zeiten, in denen der Dienstnehmer trotz Bestehens eines aufrechten Dienstverhältnisses von der Pflicht zur Arbeitsleistung befreit war, nicht zu berücksichtigen seien. Das Zusatzabkommen bezwecke, nur jenen Mitgliedern Schutz zu gewähren, die während der Dauer ihrer Bühnendienstverträge dem jeweiligen Theater auch tatsächlich zur Verfügung standen. Die gesamte Karenzzeit der Klägerin sei daher bei der Berechnung für die Erlangung des besonderen Schutzes erforderlichen 120 Bezugsmonate nicht zu berücksichtigen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin Folge, erkannte im Sinne ihres Feststellungsbegehrens und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 50.000 übersteige. Das Berufungsgericht war der Meinung, daß die Karenzzeiten der Klägerin von den nach § 8 Zusatz-KV erforderlichen 120 Bezugsmonaten nicht abzuziehen seien. Daß der Zusatz-KV auf Monate (Bezugsmonate) abstelle, bedeute nicht, daß für den gesamten im Bühnendienstvertrag vorgesehenen Bezugszeitraum das volle Entgelt ausgezahlt werden müsse, sondern nur, daß nach dem Bühnendienstvertrag ein Anspruch auf periodische Entlohnung bestehe. Eine zeitweise Karenzierung des Entgeltanspruches durch eine nachfolgende Einzelvereinbarung habe außer Betracht zu bleiben. Dafür spreche, daß das Zusatzabkommen auch Zeiten berücksichtige, für die noch gar nicht feststehe, ob nach Einzelvereinbarungen auch Entgelt ausgezahlt werde, weil es sich um zukünftige, bis zum Ende des Dienstverhältnisses anfallende Monate handle. Nach dem erkennbaren Willen des Normgebers komme es nur auf die gesamte vertragliche Dauer des Dienstverhältnisses als Summe einer Anzahl von Bezugsmonaten an. Der Normgeber habe Dienstnehmer, die dem Dienstgeber immer wieder in einem ständigen ununterbrochenen Dienstverhältnis zur Verfügung stehen, Begünstigungen zugutekommen lassen wollen, um damit Vertragspartner zu belohnen, über die der Dienstgeber entsprechend lang habe verfügen können. Das zeitweise Außerkraftsetzen bestimmter Rechte und Pflichten ohne Unterbrechung des Dienstverhältnisses selbst habe keinen Entfall der Begünstigung zur Folge, wenn die Bindung des Dienstnehmers und die Treue zum Dienstgeber in der vom Zusatzabkommen geforderten Dauer gegeben gewesen sei. Die Beklagte bekämpft das Urteil des Berufungsgerichtes mit Revision wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung und beantragt, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, daß das Ersturteil wiederhergestellt werde.

Die Klägerin beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist berechtigt.

Für die Beurteilung des - unbestrittenermaßen

zulässigen - Feststellungsbegehrens der Klägerin ist allein entscheidend, wie der von den Kollektivvertragsparteien verwendete Begriff "Bezugsmonate" auszulegen ist. Die zum normativen Teil eines Kollektivvertrags gehörenden Bestimmungen sind nach den Grundsätzen der §§ 6, 7 ABGB, also nach der eigentümlichen Bedeutung der Worte in ihrem Zusammenhang und nach der erkennbaren Absicht des Normgebers auszulegen (Arb 9.281, 9.452, 9.692, 10.480; zuletzt WBl 1990, 214; Strasser in Floretta-Strasser Komm z ArbVG 33; Floretta-Spielbüchler-Strasser, Arbeitsrecht3, II 145). Hiebei darf den Kollektivvertragsparteien grundsätzlich unterstellt werden, daß sie eine vernünftige, zweckentsprechende und praktisch durchführbare Regelung treffen (Arb 10.447), einen gerechten Ausgleich der sozialen und wirtschaftlichen Interessen herbeiführen (Schwarz-Löschnigg, Arbeitsrecht4 71 f; Arb 9.661), und eine Ungleichbehandlung der Normadressaten vermeiden wollten (Arb 9.553; zu allem 10.480).

Nach § 1 Abs 1 und § 8 Zusatz-KV haben die "Inhaber individueller (nicht schematisierter) Bühnenverträge" (Ensemblemitglieder usw) insofern einen besonderen Bestandschutz, als der Dienstgeber (Österreichischer Bundestheaterverband) bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen eine "Nichtverlängerungserklärung" (vgl § 32 SchSpG) der - offenbar regelmäßig auf jeweils ein bis zwei Jahre geschlossenen - (vgl § 29 Abs 2 und 3 SchSpG; § 7 Zusatz-KV; Beilage A) Bühnendienstverträge nicht mehr aussprechen darf, also zur Verlängerung der Bühnendienstverträge mit den betreffenden Dienstnehmern verpflichtet ist. (Unzulässige Kettenarbeitsverträge sind bei Schauspielern im Hinblick auf die Sonderregeln des § 29 Abs 2 und 3 SchSpG nicht ohne weiteres anzunehmen [vgl Arb 7.595].) Dieser besondere Bestandschutz ("Verlängerungsschutz") hängt unter anderem davon ab, daß der Dienstnehmer (also das Mitglied iS des § 1 Abs 1 SchSpG) im Zeitpunkt, in dem das Dienstverhältnis enden würde, "Anspruch auf Entlohnung (Bezüge, Gage, Gehalt, Spielgeld) für einen Zeitraum von mindestens 216" (Solotänzer: 180; nach § 8 Zusatz-KV; 120) "Monate (Bezugsmonate)" hat. Damit ist selbstverständlich kein offener Anspruch auf Entlohnung gemeint, sondern, daß das Mitglied insgesamt 216 (180, 120) entlohnte Bezugsmonate vollendet hat. Der Kollektivvertrag knüpft daher die Anwartschaft und den Anspruch auf den "Verlängerungsschutz" nicht an die Dauer des Dienstverhältnisses schlechthin, sondern deutlich an Dienstzeiten an, für die das Mitglied Entgelt bezogen hat. Der Kollektivvertrag gebraucht bei der Festsetzung der notwendigen Anwartschaftszeiten keine reinen Zeitbegriffe, sondern den in § 1 Abs 1 Z 1 Zusatz-KV entsprechend definierten Begriff "Bezugsmonate", der dann auch in § 1 Abs 2, § 3 Abs 2 Z 1, §§ 4 und 8 Zusatz-KV verwendet wird, während der Kollektivvertrag dort, wo es um die Vertragsdauer schlechthin geht (§ 7 Zusatz-KV), von "zwölf Monaten" spricht. Für die "gegen Auftrittshonorar verpflichteten Mitglieder" wurde darüber hinaus eine Anordnung getroffen, nach welchem Schlüssel das Honorar für einen Auftritt in "Bezugsmonate" umzurechnen ist.

Aus diesen Formulierungen geht der klare Wille des Normgebers hervor, daß für den Erwerb des "Verlängerungsschutzes" nur solche Dienstzeiten anzurechnen sind, für die das Mitglied Anspruch auf Entlohnung, in welcher Form auch immer, gehabt hat, Dienstzeiten hingegen, für die kein Entlohnungsanspruch besteht, außer Betracht zu bleiben haben.

Hiebei ist die Frage, ob ein Entlohnungsanspruch bestanden hat, entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes nicht nach dem Inhalt der allgemeinen Entgeltregelung im jeweiligen - üblicherweise auf ein oder zwei Jahre befristeten - Bühnendienstvertrag zu beurteilen, weil im Zeitpunkte des Vertragsabschlusses in aller Regel noch nicht feststehen wird, welche Dienstfreistellungen ein Mitglied zwecks Ausübung anderer künstlerischer Tätigkeiten oder aus sonstigen Gründen künftig in Anspruch nehmen wird. Ob in der Gesamtdienstzeit auch nicht entlohnte Dienstzeiten enthalten sind und wieviele Bezugsmonate daher vorliegen, läßt sich stets erst im Zeitpunkte des (jeweiligen) Vertragsablaufes, der allenfalls den "Verlängerungsschutz" auslöst, beurteilen. Wäre die Ansicht der zweiten Instanz richtig, daß es nur auf den aus dem (jeweiligen) Bühnendienstvertrag hervorgehenden allgemeinen Anspruch auf periodische Entlohnung an sich ankomme und diesem Vertragsabschluß nachfolgende Einzelvereinbarungen, mit denen einem Mitglied Urlaub gegen Entfall der Bezüge gewährt wird, bei der Berechnung der "Bezugsmonate" außer Betracht zu bleiben haben, so würden bereits im Bühnendienstvertrag selbst getroffene Karenzierungsvereinbarungen zu nicht anrechenbaren Dienstzeiten, spätere, von Fall zu Fall getroffene Karenzierungsvereinbarungen aber ohne Rücksicht auf ihre Dauer zu anrechenbaren Zeiten führen. Es liegt auf der Hand, daß ein solches Ergebnis zur Ungleichbehandlung der einzelnen Mitglieder führen müßte. Dasselbe träfe aber auch zu, wenn alle Karenzierungsvereinbarungen bei der Berechnung der "Bezugsmonate" vernachlässigt würden. Ensemblemitglieder, die weitgehend anderen künstlerischen Verpflichtungen nachgingen, wären, soferne nur ihr Vertragsverhältnis als solches aufrecht bliebe, in bezug auf den Bestandschutz genauso gestellt wie ausschließlich und regelmäßig für ihren Theaterunternehmer tätige Mitglieder. Gerade der vom Berufungsgericht zutreffend hervorgehobene Zweck des Kollektivvertrages, die Begünstigungen aus § 8 Zusatz-KV jenen Dienstgebern zugute kommen zu lassen, über die der Theaterunternehmer während einer entsprechenden Zeitdauer (regelmäßig!) verfügen konnte, spricht deutlich dafür, daß die Differenzierung zwischen reiner Dienstvertragsdauer (§ 7 Zusatz-KV) und Bezugsmonaten beabsichtigt war und gerade dadurch ein entsprechender Ausgleich der sozialen und wirtschaftlichen Interessen herbeigeführt werden sollte.

Richtig ist zwar, daß das Ausmaß, in dem der Klägerin Urlaub gegen Entfall der Bezüge bewilligt wurde, im Vergleich zu ihrer Gesamtdienstzeit relativ gering ist und eine Vernachlässigung geringfügiger "Karenzierungszeiten" bei der Ermittlung der "Bezugsmonate" durchaus nicht der Billigkeit widerspräche, doch bietet die Regelung des Kollektivvertrages keine Grundlage für ein solches Vorgehen. Der vom Kläger im Revisionsverfahren zitierte § 16 Abs 3 des Kollektivvertrages vom 1. Juli 1984 betrifft einen anderen Regelungskomplex. Es geht dort um die Frage, bis zu welchem Zeitpunkt im jeweiligen Spieljahr dem Mitglied die schriftliche ablehnende Antwort des Theaterunternehmers iS des § 32 SchSpG zukommen muß, wenn es bereits mehr als fünf aufeinanderfolgende Jahre an derselben Vertragsbühne beschäftigt ist. Daß dort für die Beurteilung der Frage, bis zu welchem Zeitpunkt die Nichtverlängerungserklärung abzugeben ist, nur bestimmte Karenzdienstzeiten des Mitglieds nicht anrechenbar sind, ist für die vorliegende Auslegungsfrage wegen der klaren Regelung des § 1 Abs 1 Z 1 Zusatz-KV ohne Bedeutung.

Für die Anrechnung eines "Bezugsmonats" ist es freilich nicht erforderlich, daß das Mitglied während des gesamten Monats Anspruch auf Entlohnung gehabt hat, zumal eine solche Berechnungsart je nach der zeitlichen Lage einzelner kurzfristiger Karenzierungen zu völlig willkürlichen Ergebnissen führen würde. Da es der - von der Klägerin nicht beanstandeten - Praxis der Beklagten entsprochen hat, auch für einzelne Tage Urlaub gegen Entgelt der Bezüge zu gewähren, ist bei der Berechnung der Bezugsmonate nur die Summe der einzelnen "Karenztage" abzuziehen. Daß diese Karenzierungen gesetz- oder vertragswidrig gewesen wären, etwa weil die Klägerin die für ihre künstlerischen Nebentätigkeiten benötigte Freizeit in Form eines regulären Urlaubs (vgl § 18 SchSpG) bzw. als Zeitausgleich hätte in Anspruch nehmen können, wurde nicht behauptet.

Ein günstigeres Ergebnis folgt für die Klägerin auch nicht daraus, daß mit ihr während der Karenzzeiten fallweise eine Rückrufbereitschaft vereinbart wurde. Wäre es tatsächlich zum Rückruf gekommen, so hätte die Klägerin ohnehin Anspruch auf Entgelt gehabt; solche Zeiten wären dann in die Berechnung der Bezugsmonate aufzunehmen gewesen. Eine aus diesem Grunde unrichtige Berechnung der Anwartschaftszeiten für den "Verlängerungsschutz" hat aber die Klägerin nicht behauptet; im übrigen würde das am Ergebnis nichts ändern, weil sie zu dem im § 8 Zusatz-KV festgesetzten Stichtag nur bei Anrechnung aller Karenzzeiten auf 120 Bezugsmonate käme. Diese Regelung des Kollektivvertrages steht auch - ohne daß es für die Auslegung entscheidend wäre - mit der Lösung der Frage in Einklang, wie vereinbarte Karenzzeiten zu behandeln sind, wenn die Vertragspartner über die Folgen der Aussetzung der beiderseitigen Hauptpflichten aus dem Dienstvertrag keine Vereinbarungen treffen. Im Zweifel ist zwar anzunehmen, daß schon die Fortdauer des Arbeitsverhältnisses als solches für die Bemessung von Ansprüchen ausreicht, die sich nach seiner Dauer richten (Floretta-Spielbüchler-Strasser, Arbeitsrecht3, I 234); die gesetzlichen Differenzierungen bei einzelnen Sonderregelungen lassen sich jedoch dahin verallgemeinern, daß es bei der Anrechnung von Karenzzeiten auf einzelne von der Dauer des Dienstverhältnisses abhängige Ansprüche darauf ankommen sollte, wem der Grund für das Unterbleiben der Dienstleistung zugerechnet wird (Steinbauer, Zur einvernehmlichen Unterbrechung des Arbeitsverhältnisses, ZAS 1984, 46, Migsch, Abfertigung für Arbeiter und Angestellte 112). So bestimmt insbesondere § 29 b Abs 2 VBG 1948, daß die Zeit eines Karenzurlaubes (der einem Vertragsbediensteten auf sein Ansuchen gewährt wird) für Rechte, die von der Dauer des Dienstverhältnisses abhängen, nicht zu berücksichtigen ist (für Karenzurlaube nach dem Mutterschutzgesetz und dem Elternkarenzurlaubsgesetz besteht aus sozialen Gründen die gegenteilige Regelung). Diese Norm steht dem hier zu beurteilenden Kollektivvertrag, was den persönlichen Geltungsbereich betrifft (langjähriges künstlerisches Personal eines Bundestheaters) relativ nahe. Die aus § 29 b Abs 2 VBG hervorgehende Interessenabwägung spricht ebenfalls für die hier vorgenommene Auslegung des Kollektivvertrages; Zeiten, in denen einem Mitglied ausschließlich in seinem Interesse, nämlich zur Ausübung künstlerischer Nebentätigkeiten, Urlaub gegen Entfall der Bezüge gewährt wurde, haben bei der Berechnung der für das Erreichen des "Verlängerungsschutzes" notwendigen Bezugsmonate unberücksichtigt zu bleiben.

Der Revision ist daher Folge zu geben und das Ersturteil wiederherzustellen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

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