OGH 9ObA265/93

OGH9ObA265/9313.10.1993

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr. Gamerith als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier und Dr. Bauer sowie die fachkundigen Laienrichter Mag.Dr. Walter Zeiler und Mag. Kurt Retzer als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Angestelltenbetriebsrat der ***** Versicherungs AG, ***** vertreten durch Dr.Georg Grießer und Dr.Roland Gerlach, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei ***** Versicherungs AG, ***** vertreten durch Dr.Josef Bock, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung (Streitwert 51.000 S), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 24.Mai 1993, GZ 32 Ra 57/93-19, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 8.September 1992, GZ 14 Cga 516/92-13, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 4.348,80 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten 724,80 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Beklagte gewährte ab dem Jahre 1985 ihren Angestellten in der Zentrale Wien eine Weihnachtszuwendung in Form eines M*****-Gutscheines im Wert von 1.000 S. In den vorangegangenen Jahren erhielten diese Mitarbeiter Gutscheine über geringere Beträge. Im Jahr 1990 erhielten Angestellte mit befristeten Dienstverhältnissen als Weihnachtszuwendung einen M*****-Gutschein im Wert von 500 S, Angestellte, die sich in Wochenhilfe oder Karenzurlaub befanden und zuvor bereits mehr als sechs Monate für die Beklagte tätig waren, sowie alle Angestellten in unbefristeten Dienstverhältnissen, die sich weder in Wochenhilfe noch in Karenzurlaub befanden, jährlich eine Weihnachtszuwendung in Form eines M*****-Gutscheines von 1.000 S. Vorstandsmitglieder, Versicherungsberater und Kfz-Anmelder waren von diesen Zuwendungen immer ausgeschlossen. Die Angestellten der Filialen in den Bundesländern erhielten in den Jahren 1986 bis 1988 je einen M*****-Gutschein über 1.000 S und im Jahr 1989 eine CD; im Jahr 1990 erhielten sie keine Weihnachtszuwendung. Die Betreuungs-Außendienstmitarbeiter in den Bundesländern erhielten im Jahr 1984 einen M*****-Gutschein über 800 S und in den Jahren 1985 bis 1988 einen solchen im Wert von 1.000 S. Im Jahr 1989 erhielten sie keine Zuwendung, im Jahr 1990 ein Kochbuch. Die Betreuungs-Außendienstmitarbeiter in den Stadtfilialen erhielten im Jahr 1984 je einen M*****-Gutschein über 800 S; in den Jahren 1986 bis 1988 erhielten nur einige von ihnen M*****-Gutscheine über je 1.000 S. Danach wurde an diese Mitarbeiter keine Weihnachtsbelohnung mehr abgegeben. Gleichzeitig mit der Ausgabe der Bons wurde den Dienstnehmern ein Schreiben übergeben, in dem der Vorstand der Beklagten den Mitarbeitern Glückwünsche für das Weihnachtsfest und das Neue Jahr übermittelte. In diesem Schreiben erklärte die Beklagte, daß als Zeichen des Dankes für die gute Zusammenarbeit "auch heuer wieder" als Weihnachtsgeschenk ein M*****-Bon beigelegt sei.

Es steht nicht fest, daß die Beklagte einen Zusammenhang zwischen dem Geschäftserfolg und der Gewährung der Weihnachtszuwendung hergestellt oder einen Vorbehalt der Unverbindlichkeit oder Widerruflichkeit der Zuwendung geäußert hat. Die Beklagte ist bestrebt, bestimmte bisher gewährte Sozialleistungen abzubauen. Im Jahre 1991 wurden den Angestellten der Zentrale Wien in befristeten Dienstverhältnissen M*****-Gutscheine im Wert von 250 S, den übrigen Angestellten der Zentrale Gutscheine über 500 S übergeben. Andere Angestellte erhielten nichts.

Der Kläger begehrt die Feststellung, daß die Beklagte verpflichtet sei, ihren Angestellten mit befristeten Dienstverhältnissen jährlich eine Weihnachtszuwendung in Form eines M*****-Gutscheines im Wert von 500 S und ihren Angestellten, die sich in Wochenhilfe oder Karenzurlaub befinden und zuvor bereits mehr als 6 Monate für die Beklagte tätig waren, sowie allen Angestellten in unbefristeten Dienstverhältnissen, die sich weder in Wochenhilfe noch in Karenzurlaub befinden, mit Ausnahme der Vorstandsmitglieder, Versicherungsberater und KFZ-Anmelder jährlich eine Weihnachtszuwendung in Form eines M*****-Gutscheines im Wert von 1.000 S zu gewähren. Im Hinblick auf die bisherige vorbehaltslose Gewährung der Zuwendung sei ein einzelvertraglicher Anspruch der Dienstnehmer auf diese Leistung entstanden.

Die Beklagte beantragte die Abweisung der Klage. Es habe sich um freiwillige Sozialleistungen gehandelt; den Mitarbeitern sei immer mitgeteilt worden, daß die Gratifikationen in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Geschäftserfolg stünden. Im übrigen habe die Beklagte ihre Sozialleistungen insgesamt nicht gekürzt, sondern nur eine Umschichtung vorgenommen. Der Einschränkung von Sozialleistungen auf einem Gebiet entspreche ein Ausbau in anderen Bereichen.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Durch die mehrjährige vorbehaltslose Gewährung der Weihnachtszuwendung in Form der Einkaufbons habe die Beklagte durch schlüssiges Verhalten eine vertragliche und durchsetzbare Verpflichtung gegenüber den Dienstnehmern zur Gewährung der Leistung begründet. Die Bezeichnung als "Weihnachtsgeschenk" sei für sich allein kein ausreichender Hinweis auf die bloße Freiwilligkeit der Leistung. Der Widerruflichkeit der Leistung stehe die langjährige vorbehaltslose Gewährung entgegen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten nicht Folge. Es trat im wesentlichen der Begründung des Erstgerichtes bei.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Beklagten aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, daß das Klagebegehren abgewiesen werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Klägerin beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Die Beklagte wendet sich ausschließlich dagegen, daß die Vorinstanzen zum Ergebnis gelangten, durch die wiederholte Gewährung der Weihnachtsgratifikation sei ein Rechtsanspruch der Dienstnehmer begründet worden. Es habe sich um freiwillige Sozialleistungen gehandelt, wofür spreche, daß die Zuwendung jeweils mit dem Betriebsrat abgesprochen und vom Geschäftsgang abhängig gewesen sei. Die Zuwendungen seien auch ausdrücklich als Geschenke bezeichnet worden, woraus sich ergebe, daß sie keinen Entgeltcharakter gehabt hätten; ein Rechtsanspruch auf die weitere Gewährung dieser Leistungen sei daher nicht entstanden.

Damit vertritt die Beklagte nur den Standpunkt, daß die festgestellten Zuwendungen grundsätzlich nicht geeignet seien, einen Rechtsanspruch zu begründen. Daß von dem strittigen Rechtsanspruch der Personenkreis betroffen ist, auf den sich der Spruch der vom Berufungsgericht bestätigten Entscheidung des Erstgerichtes, bezieht, wird in der Revision mit keinem Wort in Zweifel gezogen. Die Beklagte macht insbesondere nicht geltend, daß innerhalb der vom Spruch betroffenen Personengruppen im Rahmen des Feststellungsbegehrens (§ 54 Abs 1 ASGG) eine weitere Unterscheidung zu treffen wäre; auf diese Frage ist daher nicht einzugehen (vgl. Arb 10.527 ua).

Die betriebliche Übung entfaltet dann den Dienstgeber verpflichtende Wirkung, wenn sie den Erfordernissen entspricht, die von § 863 ABGB für eine konkludente Willenserklärung normiert werden. "Keinen vernünftigen Grund" (§ 863 ABGB) am Erklärungscharakter einer betrieblichen Übung zu zweifeln, gibt es, wie schon F. Bydlinski (Privatautonomie und objektive Grundlagen des verpflichtenden Rechtsgeschäftes 22) ausgeführt hat, dann, wenn als Sitte des redlichen Verkehrs (§ 863 Abs 2 ABGB) gilt, daß ein Dienstgeber, der sich durch wiederkehrende Leistungen an seine Dienstnehmer für die Zukunft nicht binden will, einen entsprechenden Vorbehalt erklären müsse. Daß diese Verkehrssitte tatsächlich für alle möglichen Entgeltarten besteht, ist in zahlreichen Entscheidungen bejaht worden und steht heute grundsätzlich außer Zweifel (Ch. Klein, Anm zur E DRdA 1989/13).

Zuwendungen, die der Arbeitgeber ohne Vorbehalt der Unverbindlichkeit regelmäßig gewährt, werden daher Bestandteile des Arbeitsentgeltes;

der Arbeitgeber begründet damit eine betriebliche Übung, sie seinen Willen, sich diesbezüglich auch für die Zukunft zu verpflichten, zum Ausdruck bringt (SZ 52/76; DRdA 1986/2 [Kerschner];

Martinek-Schwarz-Schwarz, AngG7, 179). Abgesehen davon, daß die Feststellung, daß die Beklagte "freiwillige" Sozialleistungen gewährt habe, nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit der strittigen Zuwendung getroffen wurde, könnte auch die Betonung der Freiwilligkeit anläßlich der wiederholt gewährten Leistung am Ergebnis nichts ändern. Das Wort "freiwillig" bedeutet unter diesen Umständen nur, daß die Zuwendung auf den ursprünglich freiwilligen Entschluß des Dienstgebers zurückgeht; es wird damit nur die Unterscheidung zu den kollektivvertraglich geschuldeten Leistungen zum Ausdruck gebracht (vgl. Runggaldier, HdB zur betrieblichen Altersversorgung 160). Allein dadurch, daß anläßlich der Gewährung der Leistung deren Freiwilligkeit betont wird, wird der Vorbehalt der Unverbindlichkeit und Widerruflichkeit nicht zum Ausdruck gebracht (idS auch Arb 7294).

Nach den Feststellungen wendete die Beklagte ihren Angestellten durch mehrere Jahre hindurch jeweils zu Weihnachten geldwerte Leistungen in Form von Einkaufsgutscheinen zu. Der Charakter der Regelmäßigkeit der Zuwendung kam besonders auch im Text der jährlichen Begleitschreiben (arg "auch heuer wieder") zum Ausdruck. Weder die Unverbindlichkeit der Leistung wurde erklärt noch der Widerruf vorbehalten. Die Weihnachtszuwendung wurde daher im Sinne der obigen Ausführungen Bestandteil des Arbeitsentgeltes und kann von der Beklagten nicht einseitig zurückgenommen werden. Auf die von der Beklagten gewählte Bezeichnung der Zuwendung kommt es dabei nicht an. Da dadurch eine konkludente Änderung der Einzelarbeitsverträge dahin eingetreten ist, daß ein Rechtsanspruch der Dienstnehmer auf diese Leistung begründet wurde, ist eine Auseinandersetzung mit den die Voraussetzungen einer Schenkung betreffenden Ausführungen der Revisionswerberin entbehrlich.

Der Revision mußte daher ein Erfolg versagt bleiben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte