OGH 9ObA231/94(9ObA232/94)

OGH9ObA231/94(9ObA232/94)11.1.1995

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Klinger als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Maier und Dr.Bauer sowie die fachkundigen Laienrichter Dr.Peter Wolf und Erich Huhndorf als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Peter M*****, Entremitier, ***** im Revisionsverfahren nicht vertreten, wider die beklagte Partei A***** Resort Limited, ***** vertreten durch Dr.Berndt Sedlazek, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen 45.472,43 S brutto sA und 41.293,43 S brutto sA, infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 6.September 1994, GZ 12 Ra 68/94-14, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Arbeits- und Sozialgericht vom 1.Juni 1994, GZ 17 Cga 239/93 und 17 Cga 172/93m-10, aufgehoben wurde, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Im Revisionsverfahren ist davon auszugehen, daß zwischen den Streitteilen für die Zeit vom 1.12.1992 bis 1.12.1993 ein befristetes Dienstverhältnis begründet wurde, das die beklagte Partei durch Kündigung zum 7.4.1993 auflöste. Daß der Kläger aufgrund dieses Sachverhaltes grundsätzlich Anspruch auf Entgelt bis zum Ende des befristeten Dienstverhältnisses hat, stellt die beklagte Partei nicht mehr in Frage; dem Kläger wurde die Kündigungsentschädigung auch bis 7.7.1993 ausgezahlt.

Strittig ist nur mehr die Frage der Anrechnungsbestimmung des § 1162 b ABGB. Das Erstgericht begründete seine abweisende Entscheidung damit, daß es allgemein bekannt sei, daß im Sommer 1993 ein ausreichender Bedarf an Köchen im Gastgewerbe am österreichischen Arbeitsmarkt (Ganzjahresstellen, auswärtige Saisonstellen) bestanden habe; dem Kläger sei im Hinblick auf seinen beruflichen Werdegang und die Gepflogenheiten im Gastgewerbe die Annahme einer solchen Stelle auch zumutbar gewesen. Ursache des Verdienstausfalles in der Zeit ab 7.7.1993 sei daher nur gewesen, daß es der Kläger unterlassen habe eine entsprechende Arbeit anzunehmen; dies sei als absichtliches Versäumen eines zumutbaren Erwerbes anzusehen.

Das Berufungsgericht hob dieses Urteil unter Zulassung des Rekurses auf und trug dem Erstgericht eine ergänzende Prüfung der Frage auf, in welchem örtlichen Umkreis eine Beschäftigung des Klägers als Koch auf einem Dauer- oder Saisonarbeitsplatz möglich gewesen wäre.

Nur die rechtliche Relevanz dieser Frage ist Gegenstand des vom Berufungsgericht für zulässig erklärten Rekurses.

Rechtliche Beurteilung

Da die Begründung des Berufungsgerichtes zutreffend ist, genügt es hierauf zu verweisen (§ 48 ASGG).

Die Revisionswerberin vertritt den Standpunkt, daß auf den gesamtösterreichischen Arbeitsmarkt abzustellen sei und als gerichtsbekannt unterstellt werden könne, daß in Österreich gerade in der Saison eine ausreichende Zahl von freien Arbeitsstellen im Beruf des Klägers zur Verfügung gestanden sei. Dem kann nicht beigetreten werden.

Während etwa im Bereich der Pensionsversicherung das Gesetz (zB §§ 255 und 273 ASVG) eine weitgehende Verweisung zuläßt und für die Frage, ob der Versicherte in der Lage ist, eine dem Verweisungsrahmen entsprechende Tätigkeit auszuüben, grundsätzlich auf die Zahl der Arbeitsplätze im gesamten Bundesgebiet abzustellen ist (SSV-NF 5/38 uva), ist die hier anzuwendende Bestimmung wesentlich enger gefaßt. Daraus, daß der Geetzgeber die Anrechnung von anderweitig erzielbarem Verdienst nur für den Fall vorsieht, daß der Dienstnehmer es "absichtlich versäumt" durch anderweitige Verwendung etwas zu erwerben, ergibt sich, daß nur ein qualifiziertes Versäumnis zu dieser Rechtsfolge führt und nicht von einer so weiten Verpflichtung des Dienstnehmers zur Verrichtung einer Ersatzbeschäftigung ausgegangen werden kann, wie bei der Prüfung der Verweisungsmöglichkeit im Rahmen der Pensionsversicherung. Dementsprechend wurde in Lehre und Rechtspechung der Frage der Zumutbarkeit einer möglichen Ersatzbeschäftigung ein besonderer Stellenwert eingeräumt. Von einem absichtlichen Versäumen ist nur dann auszugehen, wenn der Dienstnehmer bei Vorhandensein reeller Chanchen keine Anstrengung unternimmt, sich eine Ersatzbeschäftigung zu verschaffen, die ihm nach Treu und Glauben zumutbar ist (RdW 1988, 357). Der Dienstnehmer muß eine ihm nicht zumutbare Arbeit nicht annehmen und auch keine außergewöhnlichen Anstrengungen unternehmen, um einen Arbeitsplatz zu bekommen (Kuderna, Entlassungsrecht2 40). Holzer, DRdA 1983, 7 ff (9) vertritt dazu die Ansicht, daß in die Zumutbarkeitsprüfung nicht nur Kriterien faktischer Natur, wie Art der allfälligen Ersatzbeschäftigung, Ort dieser Verrichtung etc einzufließen hätten. Das Ausmaß der Zumutbarkeit einer Ersatzbeschäftigung werde umso geringer, je größer das Verschulden des Arbeitgebers am Unterbleiben der Dienstleistung zu veranschlagen sei. Umgekehrt werde man an den Dienstnehmer umso strengere Maßstäbe in der Frage der zumutbaren Bemühung um eine Ersatzbeschäftigung stellen müssen und somit leichter zur Feststellung gelangen, daß diese "absichtlich" versäumt wurde, je geringer die Vorwerfbarkeit des Unterbleibens der Arbeitsleistung gegenüber dem Dienstgeber ausfalle. Eine Auseinandersetzung mit diesen Ausführungen, insbesondere der Frage, unter welchen konkreten Umständen die Verpflichtung des Dienstnehmers allenfalls unter strengeren Gesichtspunkten zu sehen ist und in welchem Maß das Zumutbarkeitserfordernis anzuspannen ist, ist hier entbehrlich, weil das Dienstverhältnis unstrittig durch die zeitwidrige Kündigung durch die beklagte Partei aufgelöst wurde, die dementsprechend auch das Verschulden am Unterbleiben der Dienstleistung trifft.

Hier steht fest, daß der Kläger mit seiner Frau und seinem 3-jährigen Kind in dem Ort wohnt, wo auch seine Arbeitsstelle bei der beklagten Partei lag; seine Gattin ist in einem in der Nähe gelegenen Ort als Krankenschwester beschäftigt. Er wollte keine auswärtige Arbeitsstelle annehmen, weil er von seiner Familie nicht getrennt leben wollte. Dies ist ein berechtigtes Anliegen. Es hieße die Verpflichtung, die § 1162 b ABGB dem Dienstnehmer auferlegt, überspannen, wollte man ihn verpflichten, einen Arbeitsplatz unter wesentlich ungünstigeren Bedingungen anzunehmen und - zumindest für die Dauer einer Saisonbeschäftigung - eine Trennung von seiner Familie in Kauf zu nehmen. Die Frage, ob in der Umgebung des Wohnortes des Klägers entsprechende Arbeitsplätze zur Verfügung standen, ist daher, wie das Berufungsgericht zutreffend ausführte, entscheidungswesentlich. Sicher kann die Frage der Zumutbarkeit nicht so eng gesehen werden, daß die Verpflichtung des Dienstnehmers auf die Annahme einer Beschäftigung am selben Ort beschränkt wäre; die Anreise zu einem anderen, nicht allzuweit entfernten Arbeitsort wird zweifellos in Kauf zu nehmen sein. Dem hat aber das Berufungsgericht ohnehin Rechnung getragen, weil es die Ergänzung des Verfahrens durch Prüfung der Beschäftigungsmöglichkeit im Wohnort und dessen Umgebung auftrug.

Daß sich der Kläger im weiteren aus freien Stücken einer Ausbildung unterzog, die zum Teil eine Trennung von seiner Familie mit sich brachte, ist für die Frage, ob er im Sinne des § 1162 b ABGB verpflichtet war, unter diesen Bedingungen eine Ersatzbeschäftigung aufzunehmen, ohne Bedeutung.

Wenn solche zumutbare Ersatzbeschäftigungen tatsächlich nicht zur Verfügung standen, kann es dem Kläger nicht zum Nachteil gereichen, daß er keine Bemühungen unternahm, eine andere Arbeitsstelle zu suchen.

Der Kostenvorbehalt stützt sich auf § 52 Abs 2 ZPO.

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