Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben und die Arbeitsrechtssache wird zur neuerlichen Verhandlung und Urteilsfällung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung
Die am 3.Dezember 1969 geborene Klägerin war seit 1.Dezember 1988 bei der Beklagten als Angestellte beschäftigt. Am 13.Juni 1989 wurde sie zum 31.Juli 1989 gekündigt.
Mit der vorliegenden Klage begehrt sie die Feststellung, daß ihr Arbeitsverhältnis aufrecht sei. Sie habe während des Urlaubs am 7. Juli 1989 erfahren, daß sie schwanger sei, habe dies dem Geschäftsführer der Beklagten am 13.Juli 1989 fristgerecht mitgeteilt und am 19.Juli 1989 die Arbeit wieder aufgenommen. Dennoch habe die Beklagte die Kündigung aufrechterhalten. Die Beklagte beantragte, das Klagebegehren abzuweisen. Die Klägerin habe bereits am 6.Juli 1989 gewußt, daß sie schwanger sei. Ihre erst am 13.Juli 1989 erfolgte Mitteilung der Schwangerschaft sei verspätet, so daß sie keinen Kündigungsschutz mehr habe. Das Erstgericht gab dem Feststellungsbegehren statt. Es stellte im wesentlichen fest:
Die Klägerin hatte bis 18.Juli 1989 Urlaub. Da sie vermutete, schwanger zu sein, suchte sie am 6.Juli 1989 einen Facharzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe auf, der sie untersuchte und sie zur Vornahme eines Schwangerschaftstests auf den nächsten Tag bestellte. Am 7.Juli 1989 nahm der Facharzt gegen 18.30 Uhr einen Schwangerschaftstest vor, der positiv verlief. Als voraussichtlichen Geburtstermin wurde der 3.März 1990 errechnet. Die Klägerin erhielt darüber eine undatierte Bestätigung im Sinne des § 3 Abs 4 MuttSchG. Der 8. und der 9.Juli 1989 fielen auf ein Wochenende, "so daß an diesen Tagen eine Kontaktaufnahme zur Beklagten nicht möglich war". Am Montag, dem 10.Juli 1989, rief die Klägerin bei der Beklagten an und fragte den Angestellten Leopold W***, ob der Geschäftsführer der Beklagten einen Gesprächstermin für sie habe. W*** bejahte und wies die Klägerin darauf hin, daß der Geschäftsführer nur am Vormittag dieses Tages anzutreffen sei. Die Klägerin begab sich um etwa 9.00 Uhr (zur Anmeldung der Geburt) in die Semmelweisklinik, wo sie sich länger als erwartet bis etwa 12.30 Uhr aufhielt. Sie telefonierte noch aus der Klinik mit der Beklagten, bei der sie den Geschäftsführer Leopold P*** selbst erreichte. Sie fragte diesen, ob sie ihn gleich aufsuchen könne, worauf ihr der Geschäftsführer erksäete, er könne sie wegen anderer Termine am Nachmittag nicht sprechen. Ihre Schwangerschaft erwähnte die Klägerin nicht. Beide vereinbarten als Gesprächstermin Dienstag, den 11.Juli 1989, vormittag.
Gegen 10.00 Uhr dieses Tages verständigte sie jedoch der Angestellte Leopold W*** telefonisch, daß der Geschäftsführer P*** den Termin wegen dringlicher anderer Arbeiten nicht einhalten könne. Daraufhin vereinbarte die Klägerin mit W*** für Donnerstag, den 13.Juli 1989 um 11.00 Uhr einen neuen Gesprächstermin mit dem Geschäftsführer. Die Klägerin erschien zu diesem Termin und legte dem Geschäftsführer die Bestätigung des Facharztes über ihre Schwangerschaft vor. Sie hatte sich gescheut, ihre Schwangerschaft W*** oder dem Geschäftsführer am Telefon bekanntzugeben.
Die Beklagte ersuchte den Facharzt am 14.Juli 1989 schriftlich, das fehlende Datum auf einer Kopie der von der Klägerin vorgelegten Bestätigung nachzutragen. Dieser setzte den 6.Juli 1989 alp Datum ihres Arztbesuches ein. Mit Schreiben vom 31.Juli 19u9 erklärte die Beklagte der Klägerin, daß sie die Kündigung für rechtswirksam erachte, da die Klägerin ihre Schwangerschaft erst nach Ablauf von fünf Werktagen bekanntgegeben habe.
Das Erstgericht vertrat die Rechtsauffassung, daß die Klägerin ihre Schwangerschaft dem Geschäftsführer der Beklagten rechtzeitig mitgeteilt habe. Es handle sich bei ihr um eine ruhige Persönlichkeit, die durch Zurückhaltung gekennzeichnet sei. Es sei daher verständlich, daß sie deshalb und im Hinblick auf ihre angeborene Scheu, einen solch wichtigen Umstand nicht einfach telefonisch zur Kenntnis zu bringen, dem Geschäftsführer persönlich unter vier Augen davon Mitteilung habe machen wollen. Die Verständigung über die Schwangerschaft sei jedenfalls noch so lange als rechtzeitig anzusehen, als die Beklagte im Vertrauen auf die Rechtswirksamkeit der Kündigung noch keine weiteren Dispositionen, etwa durch Einstellung neuen Personals, getroffen habe. Da dies nicht der Fall sei, sei die Kündigung der Klägerin unwirksam. Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 50.000 übersteige. Es billigte die Rechtsansicht des Erstgerichtes und führte ergänzend aus, es hätten auf Grund der psychischen Situation der noch sehr jungen Klägerin relevante Hinderungsgründe für die verspätete Mitteilung der Schwangerschaft bestanden. Diese seien in dem bis 13. Juli 1989 bestandenden Terminschwierigkeiten für ein persönliches Gespräch mit dem Geschäftsführer der Beklagten gelegen. Die Klägerin habe während ihres Urlaubs die Untersuchungen durchführen lassen und ihre Schwangerschaft mitgeteilt. Unter Würdigung all dieser Umstände sei die Mitteilung rechtzeitig erfolgt. Die Beklagte habe auch nicht sofort am 13.Juli 1989 auf die verspätete Mitteilung reagiert, sondern erst am 31.Juli 1989 an die Klägerin geschrieben, dennoch auf der Kündigung zu beharren.
Gegen dieses Urteil richtet sich die aus den Gründen der Aktenwidrigkeit, der Mangelhdftigkeit des Berufungsverfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung erhobene Revision der Beklagten mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung im Sinne einer Abweisung des Klagebegehrens abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die Klägerin beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist berechtigt.
Gemäß § 3 Abs 4 MuttSchG sind werdende Mütter, sobald ihnen ihre Schwangerschaft bekannt ist, verpflichtet, ihrem Arbeitgeber hievon Mitteilung zu machen. Diese Mitteilung ist an keine Form gebunden (Arb. 8.516 ua). Aber auch dann, wenn die Arbeitnehmerin ihrer gemäß § 3 Abs 4 MuttSchG obliegenden Verpflichtung nicht nachgekommen ist, kann sie noch in den Genuß des Kündigungsschutzes gelangen, wenn sie dem Arbeitgeber ihre Schwangerschaft binnen fünf Arbeitstagen nach dem Zugang der Kündigung bekannt gibt (vgl. Arb. 9.403). Wendet die Arbeitnehmerin die Schwangerschaft innerhalb der Fünf-Tage-Frist ein, so hat sie gleichzeitig durch eine Bestätigung des Arztes die Schwangerschaft nachzuweisen. Kann die Arbeitnehmerin aus Gründen, die nicht von ihr zu vertreten sind, dem Arbeitgeber die Schwangerschaft nicht innerhalb der Fünf-Tage-Frist bekanntgeben, so ist die Bekanntgabe rechtzeitig, wenn sie unmittelbar nach Wegfall des Hinderungsgrundes nachgeholt wird (§ 10 Abs 2 MuttSchG).
Auch wenn die Formulierung des § 10 MuttSchG mangelhaft und unpräzise ist (vgl. Barfuß, Zur Auslegung des § 10 Abs 2 Mutterschutzgesetz, ZAS 1966, 129 ff, 131; Mayer-Maly in ZAS 1981, 184), lassen sich der Bestimmung des § 10 Abs 2 MuttSchG jedenfalls zwei Fälle der nachträglichen Mitteilung der Schwangerschaft entnehmen. Das vorliegende Verfahren ist nun dadurch gekennzeichnet, daß die Beklagte in ihrem Schreiben vom 31.Juli 1989 irrtümlich annahm, die Kündigung der Klägerin sei deshalb rechtswirksam geworden, weil sie von ihrer Schwangerschaft schon am 6.Juli 1989 gewußt habe und daher bis 13.Juli 1989 die Frist von fünf Arbeitstagen schon abgelaufen gewesen sei. Demgegenüber brachte die in erster Instanz unvertretene Klägerin vor, ihre Mitteilung an die Beklagte sei "fristgerecht" erfolgt, da der Schwangerschaftstest erst am 7.Juli 1989 durchgeführt worden sei.
Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes ist es für die Beurteilung der Rechtzeitigkeit der Schwangerschaftsmeldung ohne Belang, daß die Beklagte nicht sofort am 13.Juli 1989 reagierte, sondern erst mit Schreiben vom 31.Juli 1989, zumal die vorerst undatierte Bestätigung des Facharztes zwischenzeitlich durch Einsetzen des Datums zu ergänzen war. Andererseits kann der der Klägerin durch die Beklagte erteilten unrichtigen Rechtsbelehrung als bloßer Wissenserklärung kein neu geschaffener Vertrauenstatbestand zugunsten der Klägerin im Sinne der Eröffnung einer Fünf-Tage-Frist unterstellt werden (vgl. Bydlinski, Willens- und Wissenerklärungen im Arbeitsrecht, ZAS 1976, 83 ff, 85 f; 126 ff, insbes 131 ff). Es ist aber auf Grund dieser vorgegebenen Einengung des Verfahrens und der unzutreffenden Rechtsansicht des Erstgerichtes, die Mitteilung der Klägerin sei noch so lange als rechtzeitig anzusehen, als die Beklagte im Vertrauen auf die Rechtswirksamkeit der Kündigung noch keine weiteren Dispositionen getroffen habe, eine Erörterung wesentlicher Fragen unterblieben.
Anders als nach § 10 Abs 2 erster Fall MuttSchG steht für den nachträglichen Einwand der Schwangerschaft im Sinne des § 10 Abs 2 zweiter Fall MuttSchG nicht mehr schlechthin eine Frist von fünf Arbeitstagen offen, sondern die Bekanntgabe ist unmittelbar nach dem Wegfall des Hinderungsgrundes, der vor allem dann vorliegt, wenn die Arbeitnehmerin im Zeitpunkt der Kündigung noch keine Kenntnis von ihrer Schwangerschaft hatte, nachzuholen (vgl. Knöfler-Martinek, MuttSchG8 129). Eine analoge Heranziehung einer jedenfalls offenstehenden Frist von fünf Arbeitstagen kommt sohin entgegen der Ansicht der Klägerin in diesem Fall ebensowenig in Betracht wie eine Hemmung dieser Frist durch den Urlaub der Klägerin. Die in der Revisionsbeantwortung angeführte Entscheidung des LGZ Wien (Arb. 9.393) bezieht sich auf eine Zeit der Betriebssperre, die im vorliegenden Fall nicht gegeben war. Bei der Beklagten gab es keinen Betriebsurlaub und die Klägerin war während der fraglichen Zeit ortsanwesend.
Richtig ist, daß § 10 Abs 2 MuttSchG keine Aussage darüber trifft, was unter dem Begriff "unmittelbar" zu verstehen ist. Nach dem Sinn und Zweck der Bestimmung, den Eingriff in die Dispositionsmöglichkeit des Arbeitgebers durch die andauernde Aufrechterhaltung des Schwebezustandes hinsichtlich der Wirksamkeit der Kündigung nicht in unzumutbarer Weise aufrechtzuerhalten, ist die Bekanntgabe der Schwangerschaft jedenfalls ohne unnötigen Aufschub (unverzüglich bzw. sofort) nachzuholen
(Mayer-Maly, aaO 183). Andererseits ergibt eine ausgewogene Interpretation des § 10 Abs 2 MuttSchG, daß für diese unverzügliche Bekanntgabe ebenfalls nur Arbeitstage, das sind Kalendertage, an denen nach der für den Betrieb geltenden generellen Arbeitszeiteinteilung gearbeitet wird (vgl. Floretta-Strasser, ArbVG2 MKK § 104 a Anm. 12) und an denen auch die Klägerin zu arbeiten gehabt hätte (vgl. Knöfler-Martinek aaO 126 f), in Betracht kommen. Weiters ist zu berücksichtigen, daß die Einwendung der Schwangerschaft in gleicher Weise Bedingung für die Rechtsunwirksamkeit der bereits ausgesprochenen Kündigung ist wie der Nachweis ihres Zustandes durch ein ärztliches Zeugnis (Barfuß aaO, 131; Knöfler-Martinek, aaO 127; Arb. 7.855, 9.403, 10.327), so daß eine telefonische Mitteilung allein ohnehin noch nicht ausreichen hätte können.
Nach den Feststellungen der Vorinstanzen erlangte die Klägerin am 7.Juli 1989, einem Freitag, allerdings erst gegen 18.30 Uhr, Kenntnis von ihrer Schwangerschaft. Sie ersuchte am Vormittag des 10. Juli 1989, einem Montag, um einen Gespsrächstermin mit dem Geschäftsführer, den sie nur deshalb nicht einhalten konnte, weil sich ihre Anmeldung in der Klinik unerwartet verzögert hatte. Es ist weiters unbekämpft festgestellt, daß sie sich "scheute", ihre Schwangerschaft telefonisch bekanntzugeben. Hätte sie den Weg der schriftlichen Bekanntgabe gewählt, wie es die Bestimmung des § 10 Abs 2 MuttSchG unter anderem vorsieht, wäre diese Bekanntgabe der Beklagten auch nicht früher zugegangen. Es darf in diesem Zusammenhang nicht unberücksichtigt bleiben, daß es sowohl den Erfahrungen der medizinischen Wissenschaft als auch den Erfahrungen des Lebens entspricht, daß sich die Schwangerschaft auch auf den Gemütszustand einer werdenden Mutter auswirkt (vgl. Kuderna, Das Entlassungsrecht 107 f; Knöfler-Martinek, aaO 169). Es kann der Klägerin daher nicht zum Vorwurf gemacht werden, daß sie vorerst die Klinik zur Anmeldung der Geburt aufsuchte und dort unerwartet lange aufgehalten wurde. Den nächsten Gesprächstermin konnte der Geschäftsführer der Beklagten seinerseits nicht einhalten, so daß die Klägerin die Bestätigung über ihre Schwangerschaft erst am 13. Juli 1989, einem Donnerstag, überreichen konnte. Insoferne ist dem Berufungsgericht beizupflichten, daß die bis dahin aufgetretenen Terminschwierigkeiten für ein persönliches Gespräch der Klägerin mit dem Geschäftsführer sowie für die Vorlage der ärztlichen Bestätigung der Sphäre der Beklagten zuzurechnen sind. Billigt man der Klägerin nach den für den Obersten Gerichtshof bindenden Feststellungen zu, daß sie sich scheute, ihre Schwangerschaft telefonisch oder etwa auch durch Dritte mitzuteilen, war sie auf Grund der bestehenden Terminschwierigkeiten ohne ihr Verschulden außerstande, die Bekanntgabe ihrer Schwangerschaft schon am 13.Juli 1989 vorzunehmen (vgl. Arb. 9.428).
Die Revisionswerberin rügt aber zu Recht, daß es hinsichtlich der vom Erstgericht ohne jegliche Beweisgrundlage getroffenen Feststellung, "der 8. und 9.Juli war ein Wochenende, so daß die Kontaktaufnahme mit der beklagten Partei nicht möglich war", an einer diesem entscheidenden Umstand entsprechenden Erörterung fehlt. Das Berufungsgericht hat die diesbezügliche Beweis- und Mängelrüge insoweit nicht erledigt, als es im wesentlichen nur den Standpunkt vertrat, daß es sich allein aus der Bezeichnung der Beklagten als Handelsgesellschaft mbH nicht zwingend ergebe, daß das "Geschäft" auch am Samstag geöffnet sei und im übrigen verstoße die Beklagte mit ihren Ausführungen gegen das Neuerungsverbot. Abgesehen davon, daß es der Klägerin obliegt, zu behaupten und zu beweisen, daß sie aus von ihr nicht zu vertretenden Gründen die Bekanntgabe der Schwangerschaft unmittelbar nachgeholt hat, kommt es nicht darauf an, ob ein allfälliges Geschäftslokal der Beklagten am 8.Juli 1989 geöffnet war, sondern darauf, ob dieser Samstag ein Arbeitstag war, an dem die Klägerin - wäre sie nicht auf Urlaub gewesen - gearbeitet hätte. Wäre dies der Fall gewesen und hätte die Klägerin überdies die Möglichkeit gehabt, den Geschäftsführer zu sprechen und ihm die ärztliche Bestätigung zu überreichen, müßte der erst am folgenden Montag unternommene Versuch, "eine möglichst korrekte Form der Verständigung vorzunehmen", als verspätet im Sinne des § 10 Abs 2 zweiter Fall MuttSchG angesehen werden. Da es sich bei der Unterlassung der Erörterung und entsprechender Feststellungen im aufgezeigten Sinn um einen aus einer unrichtigen rechtlichen Beurteilung entstandenen sekundären Verfahrensmangel handelt, bedarf es zur Klärung dieses Fragenkomplexes noch einer ergänzenden Verhandlung in erster Instanz.
Die Kostenentscheidung ist in § 52 ZPO begründet.
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