Spruch:
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Die Kosten des Rekursverfahrens bilden weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung
Die Klägerin war seit 12.11.1979 im Unternehmen der Beklagten bzw bei Vorgängerunternehmen beschäftigt. Das monatliche Entgelt betrug 12.060 S. Nach der Geburt eines Kindes war die Klägerin bis 23.6.1990 in Karenzurlaub. Mit Schreiben vom 21.5.1990 teilte die Beklagte der Klägerin mit, daß sie das Dienstverhältnis per 5.6.1990 auflöse. Eine gerichtliche Zustimmung zu diesem Schritt holte die Beklagte nicht ein. Sie überwies in der Folge an die Klägerin einen Betrag von 52.903,20 S netto an Abfertigung. Die Klägerin nahm diese Zahlung an, wies jedoch mit Schreiben vom 1.6.1990 darauf hin, daß die Kündigung terminwidrig erfolgt sei, machte geltend, daß die gesetzliche Kündigungsfrist des Angestelltengesetzes einzuhalten sei und forderte die Beklagte auf, die Kündigungsentschädigung bei der Endabrechnung zu berücksichtigen. Zu einer Einigung über die von der Beklagten vorgeschlagene einvernehmliche Auflösung des Dienstverhältnisses kam es nicht. Am 6.8.1990 teilte der Klagevertreter der Beklagten mit, daß die Klägerin dem diesbezüglichen Vorschlag nicht zustimme und die Kündigung unwirksam gewesen sei. Das Dienstverhältnis blieb aufrecht.
Mit Schreiben vom 22.11.1990 forderte die Klägerin die Beklagte zur Zahlung rückständiger Gehälter auf. Am 30.11.1990 wies die Beklagte der Klägerin ohne Anschluß einer Abrechnung einen Betrag mit der Widmung "Rest a conto Gehalt" an. Die Klägerin wies diese Zahlung zurück. Am 31.12.1990 zahlte die Beklagte an die Klägerin einen Betrag von 13.059,62 S. Mit Schreiben vom 15.1.1991 forderte die Klägerin die Beklagte unter Setzung einer Nachfrist von 5 Tagen zur Zahlung von rückständigen Leistungen aus dem Dienstverhältnis einschließlich Kosten anwaltlicher Vertretung im Betrag von 77.419,50 S auf. Mit Schreiben vom 25.1.1991 erklärte die Klägerin ihren vorzeitigen Austritt wegen Schmälerung des Entgeltes. Am 29.1.1991 überwies die Beklagte einen Betrag von 25.226,06 S.
Die Klägerin begehrt die Zahlung eines Betrages von 118.667,33 S brutto. Sie sei berechtigt ausgetreten, weil die Beklagte ihre Verpflichtung zur Zahlung des der Klägerin gebührenden Entgeltes verletzt habe. Die Beklagte sei daher zur Zahlung der Kündigungsentschädigung, der anteiligen Sonderzahlungen und der Abfertigung verpflichtet.
Die Beklagte beantragte die Abweisung der Klage. Die Klägerin sei im Mai 1990 fehlerhaft gekündigt worden, so daß ihr die damals angewiesene Abfertigung nicht zugestanden sei. Sie müsse sich diesen Betrag auf die weiteren Lohnzahlungen anrechnen lassen. Dadurch seien ihre Gehaltsansprüche bis einschließlich November gedeckt. Die Klägerin habe die Zahlung von 15.000 S im Novenmber zu Unrecht nicht angenommen. Im Zeitpunkt der Nachfristsetzung mit Schreiben vom 15.1.1991 habe kein Gehaltsrückstand bestanden. Die von der Klägerin in diesem Schreiben geforderte Zahlung sei rechtzeitig angewiesen worden.
Dem hielt die Klägerin entgegen, daß eine Anrechnung der anläßlich mit der zum 5.6.1990 ausgesprochenen Kündigung ausgezahlten Abfertigung nicht stattzufinden habe. Die Klägerin habe diesen Betrag gutgläubig zur Deckung von Darlehensschulden verbraucht. Die Beklagte habe auch keine Aufrechnungserklärung abgegeben.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Die Klägerin sei zu Recht ausgetreten, weil die Beklagte den Rückstand weder rechtzeitig noch vollständig beglichen habe.
Das Berufungsgericht hob dieses Urteil auf Berufung der Beklagten auf und verwies die Sache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht. Das Verfahren sei mangelhaft geblieben, weil das Erstgericht die Vernehmung der Klägerin unterlassen habe. Dies müsse zur Aufhebung des Verfahrens führen. Daß die Klägerin den unter dem Titel der Abfertigung gezahlten Betrag gutgläubig verbraucht habe, könne nicht angenommen werden: Im Hinblick auf die Widmung der Zahlung habe der Klägerin klar sein müssen, daß ihr dieser Betrag nicht zustehe. Sie sei daher nicht gutgläubig gewesen. Der Betrag sei von der Klägerin zur Abdeckung einer Darlehensschuld verwendet worden; ein Verbrauch im Sinne des Jud 33 neu liege daher nicht vor. Die Klägerin müsse sich daher diesen Betrag als Vorschuß auf ihre weiteren Forderungen aus dem Dienstverhältnis anrechnen lassen.
Im Hinblick auf die aus dem Arbeitsverhältnis entspringenden Fürsorge- und Treuepflichten sei die Klägerin auch nicht berechtigt gewesen, die Zahlung von 15.000 S zurückzuweisen. Die Beklagte sei erkennbar bemüht gewesen, die offenen Forderungen der Klägerin zu begleichen. Es habe daher gegen Treu und Glauben verstoßen, einen Vorschuß als vorweggenommene Tilgung der Entgeltforderung zurückzuweisen. Ein Verzug mit der Zahlung von Zinsen und Kosten anwaltlicher Intervention hätte überhaupt keinen Grund für einen vorzeitigen Austritt bilden können. Im weiteren Verfahren werde das Erstgericht die Abrechnung der Entgeltforderung der Klägerin mit der gehörigen Sorgfalt zu prüfen haben. Das Berufungsgericht sprach aus, daß der Rekurs gegen den Aufhebungsbeschluß zulässig sei. Eine Rechtsprechung zum Verbrauch irrtümlich zugekommener Zahlungen zur Kreditabdeckung und zur Berechtigung des Austrittes wegen Nichtzahlung von Nebenleistungen liege nicht vor.
Gegen diesen Beschluß richtet sich der Rekurs der Klägerin mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und in der Sache selbst dahin zu erkennen, daß das Urteil des Erstgerichtes wiederhergestellt werde; hilfsweise wird der Antrag gestellt, die Sache zur neuerlichen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Die Beklagte beantragt, dem Rekurs nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist im Hinblick auf den Wert des Streitgegenstandes, über den das Berufungsgericht entschieden hat, zufolge des diesbezüglichen Ausspruches des Berufungsgerichtes ohne die Voraussetzungen des § 46 Abs 1 Z 1 zulässig (§ 46 Abs 3 iVm § 519 Abs 2 ZPO).
Der Rekurs ist jedoch nicht berechtigt.
Die Aufhebung des erstgerichtlichen Urteiles durch das Berufungsgericht erfolgte wegen eines primären Verfahrensmangels. Das Berufungsgericht erachtete das Verfahren ergänzungsbedürftig, weil die Vernehemung der Klägerin unterblieben war. Ob diese Verfahrensergänzung, die das Berufungsgericht ohne Bezug auf die im Aufhebungsbeschluß vertretene Rechtsansicht für geboten erachtete, tatsächlich notwendig ist, kann vom Obersten Gerichtshof nicht überprüft werden. Eine Sachentscheidung kommt daher schon aus diesem Grund nicht in Frage.
Nach der auf das Jud 33 neu (SZ 11/86 = Arb 3893) zurückgehenden, auch in der Lehre (Mayer-Maly, Österreichisches Arbeitsrecht2, 132 f; Spielbüchler in Floretta-Spielbüchler-Strasser, Arbeitsrecht3 I 201 f; Martinek-Schwarz-Schwarz, AngG7, 183 f; Schwarz-Löschnigg, Arbeitsrecht4 280 f) gebilligten Rechtsprechung des Obersten
Gerichtshofes (Arb 6296 = SozM III E 149; Arb 7700; Arb 7702 = JBl
1963, 469 = SozM III E 295; SZ 43/169 = Arb 8804 = SozM I E 98; ZAS
1980/22; Arb 10.030) können zu Unrecht ausgezahlte Dienstbezüge, sofern ihnen Unterhaltscharakter zukommt, dann nicht zurückgefordert werden, wenn sie der Dienstnehmer im guten Glauben empfangen und verbraucht hat. Dem Grundsatz liegt der Gedanke zugrunde, daß es unbillig ist, zum Unterhalt bestimmte Beträge, bei denen sich der Verbrauch nach Maßgabe des Empfanges richtet, nachträglich zurückzufordern (Martinek-Schwarz-Schwarz, AngG7, 183 mwN). Auszugehen ist davon, daß bezahltes Entgelt als Nichtschuld im Sinne des § 1431 ABGB grundsätzlich dann nicht zurückgefordert werden kann, wenn der Dienstnehmer die irrtümliche Mehrleistung gutgläubig empfangen und verbraucht hat. Gemäß §§ 1473, 326 ABGB ist derjenige Empfänger einer Nichtschuld als unredlich anzusehen, der weiß oder nach den Umständen wissen mußte, daß ihm die Leistung nicht gebührt. Der gute Glaube beim Empfang und Verbrauch eines rechtsgrundlosen Dienstbezuges wird nicht nur durch auffallende Sorglosigkeit des Empfängers ausgeschlossen; Redlichkeit ist dem Dienstnehmer vielmehr schon dann abzusprechen, wenn er an der Rechtmäßigkeit des ihm (rechtsgrundlos) ausgezahlten Betrages auch nur zweifeln mußte (Arb 10.057 mwN). Die Beurteilung der Frage der Redlichkeit ist zwar nicht auf das subjektive Wissen des Dienstenhmers abzustellen, sondern eine objektive Beurteilung vorzunehmen, die sich an der jeweiligen beruflichen Stellung des Dienstnehmers zu orientieren hat (DRdA 1993/20 [zust Wachter]; auch DRdA 1993/24 [Trost]).
Hier wurde der Klägerin anläßlich der verfehlten Kündigung vom 21.5.1990 ein Betrag unter dem Titel der Abfertigung überwiesen. Die Klägerin hat wohl vorerst nur die Fristwidrigkeit der Kündigung geltend gemacht, sich in der Folge jedoch auf die Unwirksamkeit der Kündigungserklärung berufen und darauf bestanden, daß das Dienstverhältnis weiter bestehe. Unter diesen Umständen handelte aber die Klägerin bei der Verwendung des an sie überwiesenen Betrages nicht gutgläubig. Sie beruft sich darauf, daß ihr vorerst nicht bekannt gewesen sei, daß die Kündigung im Hinblick darauf, daß sie sich damals im Karenzurlaub befand, überhaupt rechtsunwirksam war; darüber sei sie erst später durch ihren Rechtsanwalt aufgeklärt worden. Damit macht sie einen Rechtsirrtum geltend. Die aufgrund des Mutterschutzgesetzes bestehenden Kündigungsbeschränkungen sind jedoch den Betroffenen im allgemeinen bekannt; sollte der Klägerin die Rechtslage tatsächlich nicht bekannt gewesen sein, so hätten die Umstände jedenfalls geboten, daß sie darüber Erkundigungen anstellt, zumal ihr im Hinblick auf ihre Stellung als Angestellte die Situation zumindest zweifelhaft erscheinen mußte. Damit fällt ihr aber jedenfalls Fahrlässigkeit zur Last, wenn sie den ihr unter dem Titel der Abfertigung überwiesenen Betrag verwendete. Hätte sie sich die erforderlichen Informationen verschafft, so hätte ihr klar sein müssen, daß ihr die Abfertigung bei erfolgreicher Geltendmachung der Unwirksamkeit der Kündigung nicht zustand. Da dem Einwand der Klägerin, sie habe den für Abfertigung überwiesenen Betrag gutgläubig verbraucht, schon deshalb keine Berechtigung zukommt, ist es entbehrlich, auf die vom Berufungsgericht weiter erörterte Frage einzugehen, ob die Grundsätze des Jud 33 und der darauf aufbauenden Rechtssprechung auch dann Anwendung finden, wenn der Dienstnehmer eine gutgläubig in Empfang genommene, ihm jedoch nicht gebührende Zahlung nicht zur Bestreitung des Unterhaltes, sondern - wie hier - zur Rückzahlung einer Darlehensschuld aufwendet.
Wegen des Weiterbestehens des Dienstverhältnisses kam der Zahlung, die die Beklagte nicht zurückforderte, der Charakter eines Vorschusses auf künftige Entgeltansprüche zu; einer ausdrücklichen Aufrechnungserklärung der Beklagten bedurfte es hiezu nicht. Der der Klägerin unter dem Titel der Abfertigung zugekommene Betrag ist daher auf die weiterlaufenden Lohnzahlungen anzurechnen.
Im Hinblick auf die Anrechnung dieser Zahlung wird zu prüfen sein, ob im Zeitpunkt der Austrittserklärung Entgeltrückstände bestanden. Gemäß § 26 Z 2 AngG erfüllt es einen Austrittstatbestand, wenn der Dienstgeber das dem Angestellten zukommende Entgelt ungebührlich schmälert oder vorenthält. Da die Bestimmung ausdrücklich auf die Schmälerung bzw das Vorenthalten des Entgeltes abstellt, ist ein Austrittsgrund nur gegeben, wenn Ansprüche des Angestellten aus dem Dienstverhältnis nicht erfüllt werden. Allfällige Ansprüche des Angestellten auf Zinsen und Kosten anwaltlicher Vertretung sind nicht Entgelt. Die Nichtzahlung solcher Forderungen erfüllt daher den Austrittstatbestand nach der zitiertene Bestimmung nicht.
Die Klägerin hat den ihr von der Beklagten am 30.11.1990 überwiesenen Betrag von 15.000 S zurücküberwiesen. Gemäß § 1415 ABGB ist der Gläubiger nicht verpflichtet, Teilzahlungen anzunehmen; das Recht Teilzahlungen zurückzuweisen unterliegt jedoch den sich aus dem Schikaneverbot sich ergebenden Beschränkungen (SZ 23/26 ua; Reischauer in Rummel Rz 7 zu § 1415 ABGB). Auch im Verhältnis zwischen Dienstgeber und Dienstnehmer ist die Rechtslage nicht anders zu beurteilen; die arbeitsrechtlichen Normen enthalten dazu keine Sonderbestimmungen.
Hier steht nicht fest, ob durch diese Zahlung nach den oben dargestelltene Grundsätzen allenfalls, wie dies die Beklagte behauptete, die Ansprüche der Klägerin zum maßgeblichen Zeitpunkt zur Gänze befriedigt waren. In diesem Fall wäre die Zurückweisung der Zahlung zu Unrecht erfolgt. Wenn die Zahlung die Ansprüche der Klägerin in diesem Zeitpunkt nicht zur Gänze gedeckt hätte, könnte wegen des erwähnten Schikaneverbotes auch die Höhe der offenen Differenz wesentlich sein. Die Anrechnung eines Teilbetrages der geleisteten Zahlung von 15.000 S auf Zinsen oder Kosten hat nicht zu erfolgen. Die beklagte Partei hat ihre Überweisung mit der Widmung "a conto Gehalt" versehen, sodaß ihre Absicht, mit der Zahlung die Gehaltsansprüche der Klägerin zu decken, nicht bezweifelt werden konnte. Die Anrechnungsregel des § 1416 ABGB ist daher nicht anzuwenden.
Dem Rekurs mußte daher ein Erfolg versagt bleiben.
Der Kostenvorbehalt stützt sich auf § 52 ZPO.
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