OGH 9ObA2025/96a

OGH9ObA2025/96a24.4.1996

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Klinger als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Maier und Dr.Steinbauer sowie die fachkundigen Laienrichter Werner Jeitschko und Rudolf Randus als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Edmund St*****, Angestellter, ***** vertreten durch Mag.Cornelia Schmidjell-Esterbauer, Kammer für Arbeiter und Angestellte für Salzburg, 5020 Salzburg, Markus Sittikus-Straße 10, diese vertreten durch Dr.Peter Cardona, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die beklagte Partei Firma P***** GesmbH & Co KG, ***** vertreten durch Dr.Klaus Plätzer, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen S 47.757,34 netto sA und S 218.752,44 netto sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 21.Dezember 1995, GZ 11 Ra 89/95-15, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Zwischenurteil des Landesgerichtes Salzburg als Arbeits- und Sozialgericht vom 14. November 1994, GZ 17 Cga 117/93-11, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird, soweit es Überstundenentgelt für Februar, März und April 1993, sohin einen Betrag von S 16.664,79 brutto betrifft, aufgehoben und die Rechtssache in diesem Umfang an das Erstgericht zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.

Im übrigen werden die Urteile der Vorinstanzen dahingehend abgeändert, daß das Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, dem Kläger einen Betrag von S 31.092,55 brutto samt 4 % Zinsen ab dem 1.6.1993 sowie einen weiteren Betrag von S 218.752,44 netto samt 4 % Zinsen seit 1.9.1994 zu bezahlen, abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Entscheidungsgründe:

In den zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbundenen Klagen begehrt der Kläger Gehälter, Überstundenentgelte und Sonderzahlungen für die Zeit von Februar 1993 bis August 1994. Er sei als Betriebsratsvorsitzender am 22.4.1993 fristlos entlassen worden. Die Entlassung sei rechtsunwirksam, weil kein Entlassungsgrund vorliege und die Beklagte vor der Entlassung die notwendige gerichtliche Zustimmung nicht eingeholt und nach Zustimmung des Gerichtes zu einer "beabsichtigten" Entlassung eine solche nicht erklärt habe. Ein Entlassungsrecht sei auch verwirkt.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. In der Klage auf Zustimmung zur Entlassung sei nur im Urteilsbegehren eine "beabsichtigte" Entlassung angeführt, in der Klagserzählung jedoch sei von der Zustimmung zur bereits ausgesprochenen Entlassung die Rede gewesen. Aus dem Vorbringen sei daher klar erkennbar gewesen, daß nicht die Zustimmung zu einer künftigen, sondern die Zustimmung zur bereits ausgesprochenen Entlassung beantragt worden sei.

Das Erstgericht stellte fest:

Der seit 5.11.1991 bei der Beklagten beschäftigte Kläger war seit 5.2.1993 Mitglied des Angestelltenbetriebsrates und als solcher Stellvertreter des Betriebsratsvorsitzenden. Mit Schreiben vom 22.4.1993 entließ die Beklagte den Kläger wegen "unberechtigter Warenentnahme aus dem Lager und Ermittlung bei der Kriminalpolizei". An diesem Tag fand beim Kläger eine Hausdurchsuchung statt, in der Waren als verdächtige Diebsbeute aus dem vom Kläger geleiteten Lager beschlagnahmt wurden. Am 29.6.1993 wurde Strafantrag wegen Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Diebstahls mit dem Vorwurf erhoben, der Kläger habe gewerbsmäßig verschiedene Nahrungs- und Lebensmittel sowie Getränke im Gesamtwert von S 82.782,86 in wiederholten Angriffen den Verfügungsberechtigten der Beklagten mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern. Das Strafverfahren endete am 10.3.1994 mit rechtskräftigem Freispruch. Am 11.6.1993 begehrte die Beklagte im Urteilsantrag die gerichtliche Zustimmung zur "beabsichtigten" Entlassung des Klägers. In der Klagserzählung wird dagegen vorgebracht, daß Fehlmengen bei den Warenbeständen von Jänner bis März 1993 bis zu einem Betrag von rund S 83.000 angewachsen seien. Der Verdacht habe sich auf den Kläger konzentriert, eine Hausdurchsuchung sei positiv verlaufen. Daß der Kläger einschlägig vorbestraft sei, habe er bei seiner Anstellung verschwiegen. Er stehe unter dem dringenden Verdacht einer mit Bereicherungsvorsatz begangenen gerichtlich strafbaren Handlung im Sinne des § 122 Abs 1 Z 2 ArbVG, sodaß auch eine nachträgliche Zustimmung des Gerichtes zur Entlassung möglich sei. Einerseits sei durch die Hausdurchsuchung der Verdacht so dringend, daß schon aus diesem Grunde der Ausspruch der Entlassung zur Wahrung der Unverzüglichkeit erforderlich gewesen sei. In diesem Verfahren vor dem Arbeits- und Sozialgericht erging ein Versäumungsurteil, das rechtskräftig geworden ist.

Das Erstgericht erkannte mit Zwischenurteil, daß das Klagebegehren dem Grunde nach zu Recht bestehe.

In rechtlicher Hinsicht habe der Kläger im Zeitpunkt der Entlassung Bestandschutz im Sinne der §§ 120 ff ArbVG genossen. Die Beklagte habe am 22.4.1993, später jedoch nicht mehr die Entlassung des Klägers aus dem Dienstverhältnis erklärt und ihm vorgeworfen, den Entlassungstatbestand des § 122 Abs 1 Z 2 ArbVG durch Diebstahl von Lagergut verwirklicht zu haben. Das Strafverfahren habe mit Freispruch geendet, sodaß der Entlassungsgrund nicht hergestellt sei. Die Beklagte habe im Vorverfahren eindeutig die Zustimmung des Gerichtes zur beabsichtigten, also zukünftigen Entlassung begehrt, die auch erteilt worden sei. Eine Umdeutung als Zustimmung zu der schon ausgesprochenen, in der Vergangenheit liegenden Entlassung sei nicht möglich. Dem Klagsvorbringen fehle die Behauptung einer bestimmten bereits ausgesprochenen Entlassung. Das Dienstverhältnis bestehe daher über den 22.4.1993 hinaus fort.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei nicht Folge.

In rechtlicher Hinsicht teilte das Berufungsgericht die Rechtsansicht des Erstgerichtes. Im Zustimmungsverfahren habe die Beklagte keine tatsächlich ausgesprochene konkrete Entlassungserklärung behauptet, zu der die nachträgliche Zustimmung beantragt werde. Lediglich zur beabsichtigten Entlassung sei die Zustimmung begehrt worden. Es könne daher die gerichtliche Zustimmungserklärung nicht nachträglich auf eine gar nicht behauptete früher ausgesprochene Entlassung bezogen werden.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der beklagten Partei wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung der Sache und dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne einer Klageabweisung abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die klagende Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist berechtigt.

Das Urteil, womit die Zustimmung zur Entlassung erteilt wird, hat rechtsgestaltenden Charakter, weil dadurch eine neue Rechtslage begründet wird (Wisleitner, Die gerichtliche "Zustimmung" gemäß § 120 ArbVG, ecolex 1991, 793; DRdA 1996/4 [Eypeltauer]). Erst dadurch wird dem Arbeitgeber der Ausspruch der Entlassung erlaubt (Floretta/Strasser, Kommentar zum ArbVG 820). Das Urteil ist aber nicht gleichbedeutend mit der Lösungserklärung (Cerny/Haas-Laßnigg/Schwarz, ArbVG III, 389 mwN). Diese hat der Arbeitgeber auch nach der gerichtlichen Zustimmung unter Einhaltung der hiefür maßgebenden Vorschriften aus dem Beendigungsrecht vorzunehmen, um eine gültige Lösung zu bewirken, soferne nicht die nachträgliche Zustimmung möglich ist.

Bei einer vorzeitigen Entlassung eines Betriebsrates, bei der eine nachträgliche Zustimmung des Gerichtes eingeholt werden kann (§ 122 Abs 1 Z 2 und 5 ArbVG), ist die ausgesprochene Entlassung bis zur Erteilung der gerichtlichen Zustimmung schwebend rechtsunwirksam (DRdA 1994/46 [Eypeltauer]; DRdA 1995/422; DRdA 1996/4 [Eypeltauer]).

Das bedeutet, daß in allen Fällen einer erforderlichen gerichtlichen Zustimmung zur Entlassung die Zustimmung in einem Folgeprozeß ein bindendes Sachverhaltselement für das Arbeits- und Sozialgericht ist, als es die Tatsache der Erteilung der Zustimmung zugrundezulegen hat, ohne berechtigt zu sein, zu erörtern, ob diese Zustimmung dem Gesetz entspricht (Floretta/Strasser aaO 826 f).

Die Klage auf Zustimmung zur Entlassung kann nur der Arbeitgeber erheben (Floretta/Strasser aaO 828). Dabei ist für die Bestimmung des Streitgegenstandes des in der Klage enthaltenen Antrages auf Zustimmung nicht nur das Klagebegehren, sondern auch der Inhalt der Klage maßgeblich (Rechberger ZPO Kommentar Rz 2 zu § 405). In diesem Rahmen ist aber auch eine Umdeutung des Klagebegehrens auf nachträgliche Zustimmung zur Entlassung in ein solches auf vorherige Zustimmung zur Entlassung zulässig. Auch im Verfahren vor den Einigungsämtern in der Zeit vor Inkrafttreten des ASGG war eine solche Umdeutung des Klagebegehrens durchaus zulässig (Floretta/Strasser aaO 829; Arb 10.415). Trotz der Formstrenge der Zivilprozeßordnung ist im Rahmen des § 405 ZPO eine Verdeutlichung des Klagebegehrens mit Ausnahme des Zuspruches eines plus oder aliud zulässig (Fasching LB**2 Rz 1448 ff; Rechberger aaO Rz 1 ff zu § 405). Wie schon bisher ist entscheidend, welche Absicht der Dienstgeber mit seiner Klage verfolgt (Floretta/Strasser aaO 829; Arb 10.415). Dies läßt sich aus der Klage in ihrem Gesamtzusammenhang entnehmen.

Es kommt daher nicht darauf an, ob im Urteilsbegehren ein Hinweis enthalten ist, daß die Zustimmung für eine "beabsichtigte" oder "erfolgte" Entlassung begehrt wird, weil Urteilsbegehren und Klagevorbringen zusammen den Antrag auf nachträgliche oder nicht nachträgliche Zustimmung zur Entlassung individualisieren. Gerade das Klagevorbringen allein ist entscheidend dafür, welcher Sachverhalt als Entlassungsgrund herangezogen wird und ob die Entlassung nachträglich genehmigt werden soll oder nicht. Ist daher, wie im vorliegenden Fall aus dem Klagevorbringen (Klage vom 11.6.1993) erkennbar, daß eine Entlassung bereits vor der Klage auf Genehmigung der Entlassung erfolgt ist, so ist das genaue Datum nicht mehr entscheidend, wenn nur mit hinreichender Deutlichkeit hervorgeht, daß auch in diesem Zeitpunkt der Entlassung der Entlassungsgrund vorgelegen ist, dann kommt dem damit scheinbar im Widerspruch stehenden Hinweis auf eine "beabsichtigte" Entlassung im Urteilsbegehren keine Bedeutung zu. Aus diesem Zusatz ist nämlich nicht erkennbar, ob damit eine Entlassung nachträglich oder eine noch nicht ausgesprochene Entlassung genehmigt werden soll.

Da die Wirksamkeit einer Entlassung eines Betriebsrates ohne vorherige Zustimmung von deren gerichtlichen nachträglichen Genehmigung abhängt, sie sohin schwebend unwirksam ist, bezieht sich eine "beabsichtigte" Entlassung in diesem Zusammenhang auf die Wirksamkeit des Entlassungsausspruches und die darauf gerichtete und zum Ausdruck gebrachte Absicht des Dienstgebers ohne zwingend eine in Zukunft erst auszusprechende Entlassungserklärung zu beinhalten. Das Wort "beabsichtigt" hat daher ohne Zusammenhalt mit dem übrigen Klageinhalt keine selbständige Bedeutung.

Die Rechtssicherheit ist nicht beeinträchtigt, auch wenn im hier vorliegenden Fall eines Versäumungsurteiles eine "beabsichtigte" Entlassung genehmigt wurde, weil im Folgeprozeß die Vorfrage der Zustimmung zur Entlassung und ob und wann eine solche ausgesprochen wurde, ohnehin zu prüfen ist.

Die Entlassungserklärung des Dienstgebers, der das Gericht seine Zustimmung erteilte, löste daher das Arbeitsverhältnis des Klägers zum Zeitpunkt des Entlassungsanspruches 22.4.1993 auf. Die Zulässigkeit des Entlassungsanspruches hing im vorliegenden Fall von der Erfüllung eines strafbaren Tatbestandes ab. Das Arbeits- und Sozialgericht hat die strafbare Handlung als Vorfrage selbst zu prüfen, um die Hauptfrage beantworten zu können, ob die ausgesprochene Entlassung wegen des Vorliegens eines der Gründe des § 122 Abs 1 ArbVG zu erlauben ist (Floretta/Strasser aaO 825, 827, 858; Schwarz in Cerny aaO 409). Die Prüfungspflicht des Arbeits- und Sozialgerichtes beschränkte sich im vorliegenden Fall nur auf die prozessualen Voraussetzungen eines Versäumungsurteiles, weil der vorgebrachte Sachverhalt infolge Säumnis des Klägers für wahr zu halten war (Kuderna ASGG, 269).

Der in der Folge ergangene Freispruch des Klägers von dem der Zustimmung zur Entlassung zugrunde gelegten Straftatbestand beseitigte die Tatbestands- und Rechtskraftwirkung des die Zustimmung zur Entlassung ausprechenden Urteiles nicht, sodaß eine Bindung an das die Voraussetzungen des § 122 Abs 1 lit 2 ArbVG und damit auch die Begehung der strafbaren Handlung durch den Kläger bejahende Urteil, womit die Zustimmung zur Entlassung erteilt worden war, besteht. Um die Wirksamkeit der Entlassung zu bekämpfen, hätte der Kläger die Aufnahme des Verfahrens auf Erteilung der Zustimmung zur Entlassung mittels Wiederaufnahmsklage anstreben müssen (Floretta/Strasser aaO 858; Cerny aaO 386, 409; Wisleitner aaO 793). Infolge der Bindungswirkung an die Rechtswirksamkeit der Entlassungserklärung besteht aber kein Anspruch des Klägers auf Entgelt ab dem Zeitpunkt der Entlassung. Da jedoch auch Ansprüche für den Zeitraum bis zum 22.4.1993 geltend gemacht wurden, muß das angefochtene Urteil insoweit aufgehoben und die Rechtssache in diesem Umfang zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen werden.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.

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