OGH 9ObA199/87

OGH9ObA199/8713.1.1988

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith und Dr. Maier, sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Pipin Henzl und Dr. Bernhard Schwarz als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Waltraud O***, Wien 3, Rennweg 65/17, vertreten durch Dr. Gunther Gahleithner, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Herbert A*** Gesellschaft mbH, Wien 10, Neilreichgasse 32, vertreten durch Dr. Dieter Böhmdorfer und Dr. Wolfgang Themmer, Rechtsanwälte in Wien, wegen S 49.177,60 brutto sA (Revisionsstreitwert S 42.143,45 brutto sA) infolge Revision der beklagten Partei gegen das Teilurteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 27. April 1987, GZ 34 Ra 7/87-13, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeitsgerichtes Wien vom 28. Oktober 1986, GZ 1 Cr 2084/86-8, teilweise bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens bleibt der Endentscheidung vorbehalten.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin war seit 17.4.1986 bei der Beklagten angestellt. Die Streitteile hatten eine Probezeit von einem Monat vereinbart. Die Klägerin behauptet, die beklagte Partei habe das Dienstverhältnis am 20.5.1986 (mit sofortiger Wirkung) gekündigt, obwohl eine Kündigung nur zum 30.9.1986 hätte erfolgen können. Sie begehrt an Kündigungsentschädigung (einschließlich anteiliger Sonderzahlungen) und Urlaubsabfindung S 49.177,60 brutto sA. Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete ein, das Dienstverhältnis sei einvernehmlich zum 16.5.1986 beendet worden. Die Klägerin sei jedoch für den Fall, daß ihr Rechtsstandpunkt zutreffe, daß das Dienstverhältnis noch aufrecht sei, zum unverzüglichen Dienstantritt aufgefordert und, nachdem sie dieser Aufforderung nicht Folge geleistet hatte, entlassen worden.

Die ziffernmäßige Richtigkeit des Klagebegehrens stellte die beklagte Partei außer Streit, wendete jedoch eine "Gegenforderung" von S 30.000,-- mit der Begründung ein, die Klägerin müsse sich auf ihre Kündigungsentschädigung anrechnen lassen, was sie anderweitig verdient habe.

Das Erstgericht stellte die Klagsforderung mit S 49.177,60 brutto als zu Recht und die Gegenforderung der beklagten Partei in der Höhe von S 30.000,-- als nicht zu Recht bestehend fest und gab daher dem Klagebegehren statt.

Es traf folgende wesentliche Feststellungen:

Die Klägerin war bei der beklagten Partei bis 20.5.1986 beschäftigt. An diesem Tage kam es zwischen den Streitteilen wegen einer Kassendifferenz von S 6.500,-- zu einer Auseinandersetzung. Obwohl die Kassendifferenz bereits aufgeklärt worden war - ein Scheck war als Barzahlung verbucht worden -, kündigte die Geschäftsführerin der beklagten Partei das Dienstverhältnis der Klägerin am Ende dieser Auseinandersetzung auf und forderte sie auf, sofort nach Hause zu gehen. Zu einer einvernehmlichen Auflösung des Dienstverhältnisses ist es nicht gekommen. Die Klägerin wurde noch am selben Tag bei der Gebietskrankenkasse (per 16.5.1986) abgemeldet; sowohl in dieser Abmeldung als auch in der Arbeitsbescheinigung gemäß § 46 Abs 3 ALVG war "Kündigung durch den Dienstgeber" als Beendigungsgrund genannt.

In der nachfolgenden Korrespondenz zwischen den Parteienvertretern stellte sich der Beklagtenvertreter auf den Standpunkt, daß das Dienstverhältnis per 16.5.1986 einverständlich aufgelöst worden sei; für den Fall, daß dies nicht zutreffe, kündige er das Dienstverhältnis zum 30.9.1986 auf. Als die Klägerin der in diesem Schreiben enthaltenen Aufforderung des Beklagtenvertreters zum Dienstantritt nicht nachkam, sprach dieser mit Schreiben vom 3.6.1986 ihre Entlassung aus.

Das Erstgericht war der Ansicht, die beklagte Partei hätte das Dienstverhältnis der Klägerin am 20.5.1986 infolge Ablaufs der einmonatigen Probezeit nicht mehr rechtmäßig mit sofortiger Wirkung auflösen können. Die Kündigung sei daher gesetzwidrig, aber rechtswirksam, so daß die Klägerin nicht verpflichtet gewesen sei, der Aufforderung der beklagten Partei zum Dienstantritt zu entsprechen. Der Klägerin gebühre daher die Kündigungsentschädigung für die Zeit bis 30.9.1986. Eine Anrechnung des in diesem Zeitraum anderweitig verdienten Entgelts finde nicht statt.

Das Datum der Entscheidung des Erstgerichtes liegt noch vor dem 1. Jänner 1987. Die beklagte Partei erhob gegen diese Entscheidung Berufung wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens, unrichtiger Beweiswürdigung und unrichtiger rechtlicher Beurteilung und beantragte die neuerliche Vernehmung von Zeugen und Parteien. Das Berufungsgericht hob das Ersturteil nur im Umfang eines Zuspruchs von S 3.447,65 brutto sA ohne Rechtskraftvorbehalt auf. Im übrigen gab es der Berufung der beklagten Partei nicht Folge und sprach der Klägerin (infolge Einschränkung um S 3.556,50) mit Teilurteil S 42.143,75 sA zu.

Das Berufungsgericht billigte die Beweiswürdigung des Erstgerichtes.

Es war der Ansicht, die Klägerin habe die im Zusammenhang mit der Kündigungserklärung an sie gerichtete Aufforderung, sofort nach Hause zu gehen, nur als sofortige Lösung ihres Dienstverhältnisses verstehen können. Die beklagte Partei habe daher die bereits eingetretenen Folgen ihres Verhaltens nicht mehr durch eine spätere Aufforderung an die Klägerin, die Arbeit wieder aufzunehmen, rückgängig machen können. Da die Probezeit bereits abgelaufen gewesen sei, habe die beklagte Partei das Dienstverhältnis der Klägerin gemäß § 20 Abs 2 AngG nur zum Kalenderviertel unter Einhaltung einer sechswöchigen Kündigungsfrist lösen können. Die Auflösung des Dienstverhältnisses zum 20.5.1986 sei eine zeitwidrige, jedoch nicht wirkungslose Kündigung. Die Klägerin habe daher ihre vertragsmäßigen Ansprüche auf das Entgelt für den Zeitraum, der bis zur Beendigung des Dienstverhältnisses durch ordnungsgemäße Kündigung durch den Dienstgeber hätte verstreichen müssen, behalten. Für die ersten drei Monaten dieses Zeitraumes stehe ihr ein Betrag von S 42.173,45 zu. Für den restlichen Zeitraum bis 30.9.1986 müsse noch geprüft werden, was die Klägerin durch anderweitige Verwendung erworben habe.

Die beklagte Partei erhebt gegen das Teilurteil des Berufungsgerichtes Revision wegen Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Teilurteil dahin abzuändern, daß das Klagebegehren "vollinhaltlich" (gemeint ist, wie sich aus der Anfechtungserklärung ergibt "im Umfang des Teilurteils") abgewiesen werde. Hilfsweise stellt sie einen Aufhebungsantrag. Die Klägerin beantragte, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Der Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens, den die beklagte Partei darin sieht, daß die zweite Instanz die neuerliche Verhandlung der Rechtssache nach § 25 Abs 1 Z 3 ArbGG unterließ, obwohl das Datum der angefochtenen Entscheidung erster Instanz vor dem 1.1.1987 liegt (§ 101 Abs 2 ASGG) ist nicht gegeben. Gemäß § 101 Abs 2 ASGG sind für die Zulässigkeit von Rechtsmitteln und die Gründe, die mit ihnen geltend gemacht werden können, die bis 31.12.1986 hiefür geltenden Vorschriften maßgebend, wenn das Datum der Entscheidung vor dem 1.Jänner 1987 liegt. Der Neuverhandlungsgrundsatz des § 25 Abs 1 Z 3 ArbGG gehört begrifflich weder zur Rechtsmittelzulässigkeit noch zu den Anfechtungsgründen. Er ist daher nach dem 1.1.1987 auch dann nicht mehr anzuwenden, wenn das Datum der angefochtenen (erstgerichtlichen) Entscheidung vor dem 1.1.1987 liegt (Kuderna ASGG 483; 9 Ob A 9/87; 9 Ob A 57/87 ua). Das Berufungsgericht war daher nicht zur Neudurchführung der in erster Instanz aufgenommenen Beweise verpflichtet.

Wie das Berufungsgericht zutreffend erkannte, konnte die Klägerin die unmittelbar nach der Auseinandersetzung über die Fehlbuchung abgegebene Erklärung der Geschäftsführerin der beklagten Partei, sie kündige das Dienstverhältnis, die Klägerin solle sofort nach Hause gehen, nur als Beendigung ihres Dienstverhältnisses mit sofortiger Wirkung auffassen. Von einer Dienstfreistellung bis zu einem späteren Endtermin des Dienstverhältnisses war keine Rede. Daß auch die Organe der beklagten Partei die Erklärung so aufgefaßt haben, ergibt sich aus der noch am selben Tag vorgenommenen Abmeldung der Klägerin bei der Wiener Gebietskrankenkasse (Beilage D), in der sogar der 16.5.1986 als Ende des Beschäftigungsverhältnisses und des Entgeltanspruches angegeben wurde. Den selben Standpunkt nahm die beklagte Partei in der Arbeitsbescheinigung Beilage C ein. Bei dieser Sachlage scheidet eine Deutung der Auflösungserklärung als ordnungsgemäße Kündigung zum nächsten gesetzmäßigen Termin aus.

Die mit sofortiger Wirkung und damit zeitwidrig ausgesprochene Kündigung löste das Arbeitsverhältnis der Klägerin nach Lehre und Rechtsprechung zum verfehlten Termin (hier: sofort) auf und zog die Rechtsfolgen des § 29 AngG nach sich (Floretta in Floretta-Spielbüchler-Strasser, Arbeitsrecht2 I 196; zur Lösung nach Ablauf des Probemonats insbes. Martinek-Schwarz, AngG6 646 mwN, Arb. 9.259, 9.538, 9.663; EvBl 1979/159; Arb. 9.777, 10.305, 10.409; RdW 1987, 96). Die beklagte Partei konnte daher die der Klägerin zugekommene Kündigung nicht mehr einseitig widerrufen (Arb. 8.669; 8.904; ZAS 1982, 140; Arb. 10.155), so daß ihre weiteren, das bereits aufgelöste Dienstverhältnis betreffenden und zudem bedingten (!) Erklärungen gegenüber der Klägerin (Aufforderung, den Dienst wieder anzutreten, vorsichtsweise Kündigung zu einem späteren Termin, Entlassung) ohne Wirkung blieben. Der Klägerin steht daher die mit Teilurteil zugesprochene Kündigungsentschädigung und Urlaubsabfindung zu.

Der Vorbehalt der Kostenentscheidung stützt sich auf § 52 Abs 2 ZPO.

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