European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2001:E62968
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 17.550 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 2.925 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
Rechtliche Beurteilung
Das Berufungsgericht hat die entscheidende Frage, ob der Kläger leitender Angestellter war, zutreffend verneint. Auf die Richtigkeit der Begründung der angefochtenen Entscheidung ist daher zu verweisen (§ 510 Abs 3 ZPO).
Den Revisionsausführungen ist ergänzend entgegenzuhalten:
Im Gegensatz zum Begriff des leitenden Angestellten im AZG, "dem maßgebliche Führungsaufgaben selbstverantwortlich übertragen sind", ist leitender Angestellter nach § 36 Abs 2 lit 3 ArbVG ein solcher, "dem maßgebender Einfluss auf die Führung des Betriebes zusteht". Der Gesetzgeber hat im AZG bewusst diesen Begriff weiter gefasst als im ArbVG (Cerny/Klein/Schwarz, AZG Anm 15 zu § 1; ecolex 1992, 651; Beck‑Mannagetta zu DRdA 1994/43; Binder zu DRdA 1999/46 ua).
Ohne dass es allein auf den dem Kläger zukommenden Titel "Prokurist" ankommt, ist entscheidend, ob er auf einem bestimmten Gebiet der Geschäftsführung eine dem Unternehmer gleichartige Stellung hatte. Dabei ist der maßgebende rechtliche Einfluss auf die unternehmerische Funktion ausschlaggebend, in deren Rahmen in die Interessensphäre der Arbeitnehmer des Betriebes unmittelbar eingegriffen wird (Strasser in Floretta/Strasser, Handkommentar zum ArbVG 224; Hainz, Rechtsstellung von Führungskräften ecolex 1995, 569 f). Die Ausübung selbstverantwortlicher Arbeitgeberfunktionen muss die Eignung haben, in einen Interessengegensatz zu anderen Arbeitnehmern zu geraten (ecolex 1992, 651; DRdA 1999/46 [Binder]). Bei den Arbeitgeberfunktionen, welche die Unterstellung unter den Begriff des leitenden Angestellten rechtfertigen können, steht nach der Judikatur der Einfluss auf die Eingehung und Auflösung von Arbeitsverhältnissen im Vordergrund (DRdA 1994/29 [Eypeltauer]; DRdA 1994/43 [Beck‑Mannagetta]; DRdA 1999/46 [Binder]).
Die Feststellungen des Erstgerichtes bei den Vorgangsweisen in wesentlichen Personalangelegenheiten wurden vom Berufungsgericht übernommen und nur die Feststellung, dass die Leiterin der Personalabteilung lediglich in Personalfragen, nicht jedoch in Fachfragen dem Kläger gegenüber weisungsbefugt war, dahin interpretiert, dass eine ausdrückliche Weisungsgebundenheit des Klägers nur in einem Teilbereich von Personalangelegenheiten gegenüber der Personalabteilung bestand. Dass dem Kläger 45 Mitarbeiter unterstellt waren und er innerhalb seiner Gruppe Entscheidungen über die Urlaubseinteilung im Streitfall selbständig treffen oder er eigenständig im Bereich der Ausgestaltung der konkreten Produkte vorgehen konnte und seiner Verantwortung Entscheidungen über anfragepflichtige Geschäfte oblagen oder er den Schriftverkehr eigenverantwortlich führte, machte ihn nicht zum leitenden Angestellten.
Entscheidend ist nämlich, ob der Kläger rechtlich und nicht nur faktisch befugt war, eine selbständige Personalkompetenz eigenständig auszuüben (DRdA 1999/46 [Binder]). Der Kläger musste zur Besetzung eines Sachbearbeiterpostens einen Besetzungsantrag stellen und begründen. Er wirkte zwar bei der Besetzung mit, indem er Erstgespräche führte oder mit der Personalstelle über die Einstellung eines Bewerbers Gespräche führte. Die endgültige Entscheidung traf jedoch der Vorstand, ohne dass es dem Kläger möglich gewesen wäre, entgegen der Entscheidung des Vorstandes jemanden einzustellen. Über Vordienstzeitenanrechnung entschied die Personalabteilung nach Absprache mit dem entsprechenden Vorgesetzten. Beförderungsvorschläge der Abteilungsleiter wie des Klägers wurden an den Vorstand weitergeleitet, Gehaltserhöhungen fielen in die Entscheidungskompetenz des Vorstandes. Gehälter neu eingestellter Mitarbeiter wurden bereits im Vorgespräch mit der Personalabteilung nach Genehmigung des Vorstandes geklärt. Kündigungsgründe mussten der Personalabteilung mitgeteilt werden. Die Kündigung wurde nach Abstimmung mit dem Vorstand ausgesprochen. Der Kläger war nicht berechtigt, eigenständig eine Kündigung vorzunehmen. Er konnte auch keine Freizeitzuwendungen zu Lasten des Unternehmens zugestehen. Begründete Überstundenanforderungen hatte der Kläger an die Personalstelle zu richten. Die Genehmigung, die Ablehnung oder die Kürzung erfolgte durch den Personalvorstand. Erst nach Genehmigung konnte sie der Kläger anordnen. Gegenüber dem Vorstand war der Kläger weisungsgebunden.
Die Unterstellung des Klägers in der Betriebshierarchie unter den Vorstand und seine Weisungsbefugnis gegenüber seinen Mitarbeitern in der von ihm geführten Abteilung ohne eigenem Budget, mag sie auch die größte gewesen sein, begründete die Eigenschaft eines leitenden Angestellten nicht. In allen maßgebenden Bereichen des personellen Sektors kam dem Kläger keine selbständige Entscheidungsbefugnis zu, sondern er wurde höchstens als Entscheidungshilfe oder zur Vorbereitung der Entscheidung herangezogen. Ob der Vorstand allein weisungsbefugt war, sagt nichts darüber aus, dass dem Kläger eine rechtlich eigenständige delegierte Entscheidungsbefugnis in maßgeblichen Bereichen unter dem selbstverständlichen Weisungsrecht des Betriebsinhabers eingeräumt war. Seine Vorgesetzteneigenschaft machte ihn mangels eigenständiger Befugnisse nicht zum leitenden Angestellten.
Die Einordnung in die Betriebshierarchie hat entgegen der Ansicht der Revisionswerberin auch keine eigenständige Bedeutung. Selbst bei Durchführung noch so qualifizierter Aufgaben ist damit nicht notwendigerweise ein maßgeblicher Einfluss auf die Führung des Betriebes verbunden (DRdA 1999/46 [Binder]), wenn Führungsaufgaben nicht zur selbständigen Entscheidung übertragen sind. Dass der Kläger eigenständig und selbstverantwortlich im wirtschaftlichen Unternehmensbereich bei anfragepflichtigen Geschäften weitgehend autonom vorgehen konnte, ist ebenfalls nicht entscheidend. Aus dem betriebsverfassungsrechtlichen Regelungszweck ist nämlich abzuleiten, dass der Begriff des leitenden Angestellten unter Bedachtnahme auf den zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer herrschenden Interessengegensatz auszulegen ist, sodass den unternehmerischen Funktionen besondere Bedeutung zukommt, in deren Rahmen in die Interessensphäre der Arbeitnehmer des Betriebes unmittelbar eingegriffen wird (Strasser in Floretta/(Strasser aaO 224; DRdA 1999/46 [Binder, 362]). Die Verantwortlichkeit für die angeführten Entscheidungen im Rahmen der Geschäftspolitik der Beklagten gibt keinen Anhaltspunkt dafür, dass mit den Mitwirkungsrechten der Belegschaft in Widerstreit stehende für Arbeitnehmer negativ auswirkende Entscheidungen zu treffen waren. Im kaufmännischen Bereich kommt maßgebender Einfluss auf die Führung des Bertiebes zu, wenn die Unternehmenspolitik selbst beeinflusst wird, weil dann ein Widerstreit von betriebswirtschaftlichen und sozialpolitischen Interessen entstehen kann, wenn in diesem Bereich getroffene Entscheidungen eine wenn auch nur mittelbare Wirkung auf Abnehmer entfalten können (DRdA 1994/29 [Eypeltauer; DRdA 1999/46 [Binder]). Bei Führung des laufenden Geschäftsbereiches anfragepflichtiger Geschäfte im Rahmen der Geschäftspolitik der Beklagten ist dies aber nicht der Fall. Auch wenn diese Geschäfte mit einem Risiko für die Beklagte wegen ihrer Größe und Dimension des Einzelfalles verbunden sind, ist nicht das Risiko entscheidend, sondern ein sich aufdrängender Einfluss auf Arbeitnehmerinteressen. Bei Führung laufender Geschäfte, wie sie jeder Angestellte, wenn auch unter eigener Verantwortung durchzuführen hat, liegt ein Einfluss auf die Führung des Betriebes nicht auf der Hand.
Die Vorinstanzen haben daher zu Recht den Kläger nicht als Person angesehen, die wie ein Arbeitgeber Arbeitgeberfunktionen wahrnimmt und die der Interessensphäre des Arbeitgebers zuzurechnen ist.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 Abs 1 ZPO. Ausgehend vom Streitwert des Leistungsbegehrens von S 336.840 und dem vom Kläger bezifferten Streitwert des Feststellungsbegehrens mit S 52.000 ergibt sich lediglich ein Gesamtstreitwert, der der Kostenberechnung zugrundezulegen ist, von S 388.840. Daraus erklärt sich die Differenz im Kostenzuspruch.
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