OGH 9ObA187/89

OGH9ObA187/8930.8.1989

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr.Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Gamerith und Dr.Bauer sowie die fachkundigen Laienrichter Dr.Fellner und Dr.Dengscherz als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Wiltrud D***, Angestellte, Graz, Kindermanngasse 11, vertreten durch Dr.Georg Grießer, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei K*** & Ö*** Warenhaus-AG, Graz, Sackstraße 7-13, vertreten durch Dr.Gottfried Eisenberger und Dr.Jörg Herzog, Rechtsanwälte in Graz, wegen 67.545,-- S brutto sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 15.Feber 1989, GZ 7 Ra 107/88-12, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Graz als Arbeits- und Sozialgericht vom 20.September 1988, GZ 33 Cga 68/88-7, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 3.706,20 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 617,70 USt) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Rechtliche Beurteilung

Der gerügte Verfahrensmangel liegt nicht vor. Aus den Feststellungen ergibt sich eindeutig, daß das Berufungsgericht die von den Hausdetektiven der beklagten Partei angestellten Beobachtungen als erwiesen annahm. Daß die Zahnpastatube, welche die Klägerin ihrer Kollegin K*** übergab, nicht zum Verkauf bestimmt war, ergibt sich daraus, daß K*** diese Ware in ihre Manteltasche steckte und sie damit an sich nahm, ganz abgesehen davon, daß sie einer anderen Ware beigepackt und gesondert gar nicht zum Verkauf vorgesehen war. Ob die Klägerin beabsichtigte, auch die zweite Zahnpastatube an K*** weiterzugeben, kann unerörtert bleiben, hatte sie doch diese der beklagten Partei bereits dadurch entzogen, daß sie sie unter ihrem Verkaufspult aufbewahrte und sie daher an eine Stelle legte, an der Ware der beklagten Partei üblicherweise nicht deponiert wurde. Ob die Packung mit den Slipeinlagen beschädigt war, ist nicht erheblich, weil auch dieser Umstand die Klägerin nicht zur Aneignung berechtigt hätte. Nach den Feststellungen war beschädigte Ware in einem verschließbaren Fach neben der Kasse aufzubewahren und in kurzen Zeitabständen der Einkaufsabteilung zurückzustellen. Da die Klägerin die fraglichen Gegenstände nicht auf diese Art verwahrte, sondern sie unter das Verkaufspult legte, wobei sie sie teilweise sogar verbarg und sie letztlich auch für sich verwendete bzw aus dem Haus brachte, kommt der Frage, in welchen Zeitabständen die Retourware abzuführen war, keine Bedeutung zu. Es handelte sich in den hier fraglichen Fällen nicht um Waren, die die Klägerin für die Zurückstellung vorgesehen hatte. Eine Feststellung darüber, wann die beklagte Partei (der Personalchef) von den einzelnen Vorfällen Kenntnis erlangte, erübrigt sich aus rechtlichen Gründen. Der inhaltlich gerügte Revisionsgrund der Aktenwidrigkeit liegt ebenfalls nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).

Da die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichtes zutreffend ist, genügt es, auf diese Ausführungen zu verweisen (§ 48 ASGG).

Ergänzend ist auszuführend:

Gemäß § 27 Z 1 AngG liegt ein wichtiger Grund, der den Dienstgeber zur vorzeitigen Entlassung berechtigt, unter anderem vor, wenn der Angestellte im Dienst untreu ist (erster Tatbestand) oder sich einer Handlung schuldig macht, die ihn des Vertrauens des Dienstgebers unwürdig erscheinen läßt (dritter Tatbestand). Dabei steht der erste Tatbestand des § 27 Z 1 AngG zum dritten Tatbestand im Verhältnis der Spezialität. Er ist ein Sondertatbestand des dritten Tatbestandes. Eine Handlung, die sich als Untreue im Dienst erweist, ist auch eine Handlung, die Vertrauensunwürdigkeit nach sich zieht. Untreue ist daher der engere Begriff gegenüber jenem, der eine Vertrauensverwirkung nach sich ziehenden Handlung; dieser bietet einen weiter gefaßten Rahmen für andere Entlassungsgründe (Kuderna, Entlassungsrecht 86 ff). Das Vertrauen kann bei wiederholten Verfehlungen auch schrittweise verloren gehen. Es kann aber auch trotz einer einmaligen Verfehlung insbesondere dann erhalten bleiben, wenn der Angestellte längere Zeit hindurch das ihm von seinem Dienstgeber entgegengebrachte Vertrauen stets gerechtfertigt hat. Aus diesen Gründen muß bei der Beurteilung als Entlassungsgrund das Gesamtverhalten des Angestellten berücksichtigt werden. Entscheidend ist hiebei das Vorliegen des dominierenden Tatbestandsmerkmales der Vertrauensverwirkung (Kuderna aaO, 89). Nicht jeder geringe Verstoß gegen die Treuepflicht vermag einen Entlassungstatbestand zu begründen, doch kann das aus einer Summe von Verstößen, denen für sich allein gesehen das Gewicht eines Entlassungsgrundes nicht zukommt, sich ergebende Gesamtbild die Voraussetzungen des § 27 Z 1 AngG herstellen. Daher ist eine gesonderte Betrachtung der einzelnen Vorfälle und ihre isolierte Untersuchung auf ihre Eignung zur Verwirklichung eines Entlassungstatbestandes, wie dies die Revision unternimmt, verfehlt und es kann unerörtert bleiben, ob die einzelnen Verstöße für sich allein gesehen den Tatbestand des § 27 Z 1 AngG herstellen. Die Klägerin hat in den letzten 4 Tagen vor Ausspruch der Entlassung viermal gegen die Bestimmungen der kurz davor ergangenen Dienstanweisung verstoßen und sich Waren aus dem Sortiment der beklagten Partei angeeignet. Mag es sich dabei auch um Gegenstände von nicht sehr hohem Wert gehandelt haben, rechtfertigen jedenfalls die in relativ kurzer Zeit wiederholten, auf derselben Neigung beruhenden Begehungshandlungen die Annahme eines Entlassungsgrundes gemäß § 27 Z 1 AngG. Da es sich dabei in den letzten Tagen praktisch um ein Dauerverhalten der Klägerin gehandelt hat, war der Ausspruch der Entlassung, die unmittelbar nach Aufdeckung des letzten Vorfalles erfolgte, auch nicht verspätet.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

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