Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, daß es zu lauten hat:
"Der Beklagte ist schuldig, dem Kläger S 74.500,-- samt 4 % Zinsen seit 13. März 1987 zu zahlen und die mit S 17.565,75 bestimmten Verfahrenskosten erster und zweiter Instanz (davon S 1.033,25 Umsatzsteuer und S 6.200,-- Barauslagen) zu ersetzen; dies binnen 14 Tagen bei Exekution."
Der Beklagte ist schuldig, dem Kläger die mit S 8.397,35 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (davon S 308,85 Umsatzsteuer und S 5.000,-- Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Beklagte war beim Kläger als Kraftfahrer beschäftigt. Er wurde am 1. April 1986 wegen Verdachts der Veruntreuung entlassen. Mit Bescheid des Einigungsamtes Graz vom 10. Dezember 1986 wurde zu dieser Entlassung nachträglich die Zustimmung erteilt, weil der Beklagte - der Mitglied des Arbeiterbetriebsrates war - mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 2. Dezember 1986, 3b E Vr 9600/86-21 des Vergehens der Veruntreuung nach § 33 Abs 1 und Abs 2 erster Fall StGB schuldig erkannt worden war. Nach dem dem Schuldspruch zugrundeliegenden Strafantrag hat der Beklagte in der Zeit vom 5. September 1983 bis 4. September 1985 in zahlreichen Angriffen mindestens 775 Stück Europaletten in einem S 100.000,-- nicht übersteigenden Gesamtwert, die ihm von der Firma S*** O*** in Pöchlarn zur Weiterleitung an den Kläger übergeben wurde, somit ein Gut, dessen Wert S 5.000,-- übersteigt und das ihm anvertraut worden ist, sich mit dem Vorsatz zugeeignet, sich unrechtmäßig zu bereichern, indem er diese Europaletten bei der Firma Walter FOX in Wiener Neudorf verkaufte. Der dem Kläger aus dieser Handlungsweise des Beklagten entstandene Schaden wurde zuletzt mit S 74.500,-- sA außer Streit gestellt. Nach Art. XI Z 7 des auf das Arbeitsverhältnis der Streitteile anzuwendenden Kollektivvertrages für das Güterbeförderungsgewerbe Österreichs müssen Ansprüche des Dienstgebers gegen den Dienstnehmer wegen von diesem verursachter Schäden vom Dienstgeber binnen drei Monaten ab Kenntnis gegen den Dienstnehmer schriftlich geltendgemacht werden, widrigens der Anspruch verfällt. Der Kläger machte seine Ansprüche mit Schreiben vom 26. Februar 1987 geltend.
Der Kläger begehrte mit Klage vom 10. März 1987 vom Beklagten Schadenersatz in Höhe von S 74.500,-- sA.
Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete Verfall der Ersatzforderung mangels schriftlicher Geltendmachung innerhalb von drei Monaten ein.
Der Kläger erwiderte, daß er sich dem Strafverfahren als Privatbeteiligter angeschlossen habe; dies sei als rechtzeitige Geltendmachung seiner Ansprüche anzusehen. Außerdem sei die kollektivvertragliche Verfallsklausel nicht auf Vorsatzdelikte anzuwenden.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab und traf folgende weitere Feststellungen:
Der Kläger wurde Ende 1985/Anfang 1986 von einem Geschäftspartner davon verständigt, daß diesem rund 1.000 Paletten fehlten, die der Kläger hätte zurückstellen müssen. Bei den darauf eingeleiteten firmeninternen Erhebungen fiel auf den Beklagten der Verdacht, die Paletten veruntreut zu haben. Ende März 1988 wurde zwischen dem Kläger und seinem Geschäftspartner eine genaue Überprüfung durchgeführt, bei der sich herausstellte, daß insgesamt 775 Paletten fehlten, von denen 605 "dem Beklagten zugeordnet werden konnten". Daraufhin ließ der Kläger am 1. April 1986 durch seinen Angestellten Anton S*** beim Gendarmeriepostenkommando Köflach Anzeige gegen den Beklagten erstatten. Der Kläger schloß sich dem Strafverfahren nicht als Privatbeteiligter an. Vom Schuldspruch des Beklagten im Strafverfahren erhielt der Vertreter des Klägers im Verfahren vor dem Einigungsamt Graz am 10. Dezember 1986 Kenntnis. Das Erstgericht war der Ansicht, daß der Kläger spätestens am 1. April 1986 Kenntnis vom Schaden und vom Schädiger erhalten habe. Er hätte daher seine Schadenersatzansprüche spätestens bis 1. Juli 1986 schriftlich geltend machen müssen. Ein Privatbeteiligtenanschluß sei nicht erfolgt. In der Entlassung des Klägers, in der Erstattung der Strafanzeige und im Antrag auf nachträgliche Zustimmung des Einigungsamtes zur Entlassung sei keine schriftliche Geltendmachung der Schadenersatzansprüche zu erblicken. Die kollektivvertragliche Verfallsklausel sei auch nicht wegen der Kürze der Fallfrist sittenwidrig.
Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil. Wohl sei der Anschluß als Privatbeteiligter als gerichtliche Geltendmachung iS des § 6 DHG anzusehen; das setze jedoch voraus, daß der Verletzte deutlich erkläre, daß er als Privatbeteiligter angesehen und behandelt werden wolle. Die von Anton S*** im Namen des Klägers beim Gendarmeriepostenkommando Köflach erstattete Anzeige enthalte aber keinen solchen Privatbeteiligtenanschluß.
Verfallsklauseln in Kollektivverträgen seien grundsätzlich zulässig, soferne sie nicht gegen zwingende Bestimmungen verstießen oder infolge zu kurzer Fristen sittenwidrig seien. Dies treffe nur dann zu, wenn sie die Geltendmachung von Ansprüchen ohne sachlichen Grund übermäßig erschwerten. Eine dreimonatige Fallfrist sei aber durchaus angemessen. Die im vorliegenden Fall anzuwendende Verfallsklausel gelte auch für Schadenersatzansprüche aus einem deliktischen Verhalten des Arbeitnehmers. Der Klausel sei nicht zu entnehmen, daß sie nur "die unmittelbar aus dem Arbeitsverhältnis entspringenden und mit diesem im rechtlichen Zusammenhang stehenden wechselseitigen Beziehungen von Dienstnehmern und Dienstgebern" betreffe. Der Kollektivvertrag erfasse verursachte Schäden ohne Einschränkung auf eine bestimmte Schuldform. Nach den Feststellungen des Erstgerichtes sei dem Kläger der Schaden und die Person des Schädigers spätestens am 1. April 1986 bekannt geworden, so daß die Geltendmachung des Anspruches mit Schreiben vom 26. Februar 1987 verspätet sei.
Der Kläger erhebt Revision wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung und beantragt, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, daß dem Klagebegehren stattgegeben werde. Hilfsweise stellt er einen Aufhebungsantrag.
Der Beklagte beantragt, der Revision des Klägers nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist im Ergebnis berechtigt.
Die Rechtsansicht der Vorinstanzen, daß die Erklärungen des Anton S*** bei der Erstattung der Strafanzeige gegen den Kläger keinen Anschluß als Privatbeteiligten enthalten, ist zutreffend, so daß darauf verwiesen werden kann (§ 48 ASGG).
Nach dem auf das vorliegende Arbeitsverhältnis anzuwendenden Kollektivvertrag verfallen Ansprüche des Dienstgebers gegen den Dienstnehmer wegen Schäden, die der Dienstnehmer verursacht hat, binnen drei Monaten ab Kenntnis des Dienstgebers, wenn sie bis dahin nicht schriftlich geltend gemacht worden sind. Diese Frist wird ebenso wie die (kurze) Verjährungsfrist nach § 1489 ABGB erst in Lauf gesetzt, wenn der Ersatzberechtigte sowohl den Schaden als auch den Ersatzpflichtigen so weit kennt, daß eine Klage mit Aussicht auf Erfolg erhoben werden kann (Schubert in Rummel, ABGB, Rz 3 zu § 1489 mwH). Soll nämlich die schriftliche Geltendmachung ernst gemeint sein, muß ihr auch die darin in der Regel angedrohte Klage mit entsprechender Aussicht auf Erfolg nachfolgen können. Der Kläger stützt seinen Schadenersatzanspruch darauf, daß er vom Beklagten durch eine gerichtlich strafbare Handlung geschädigt wurde, die nur vorsätzlich begangen werden kann und mit mehr als einjähriger Freiheitsstrafe bedroht ist (§ 1489 ABGB iVm § 133 Abs 1 und Abs 2 erster Fall StGB). Diesen auf vorsätzliche Schadenszufügung durch eine gerichtlich strafbare Handlung gestützten Schadenersatzanspruch konnte der Kläger erst erheben, nachdem ihm auch die subjektiven Merkmale der Tat, nämlich, daß sich der Beklagte die Paletten mit dem Vorsatz zueignete, sich unrechtmäßig zu bereichern, so weit bekannt geworden waren, daß er mit Aussicht auf Erfolg Klage erheben konnte. Gewiß hätte der Kläger den Beklagten schon nach Überprüfung der Unterlagen der (Tochterfirma der) Firma S*** O*** über die an den Beklagten im Laufe der Jahre ausgefolgten Paletten, also spätestens am 1. April 1986 wegen Verletzung dienstvertraglicher Pflichten und allfälliger fahrlässiger Schadenszufügung in Anspruch nehmen können, dabei aber Einwendungen des Beklagten iS des § 2 DHG (Mäßigung des Ersatzanspruches) gewärtigen müssen. Die zur erfolgreichen Einbringung einer auf vorsätzliche Schadenszufügung gestützten Klage notwendigen Tatumstände waren aber dem Kläger am 1. April 1986 nicht bekannt. Der Angestellte des Klägers, Anton S***, gab bei der Anzeigeerstattung beim Gendarmeriepostenkommando Köflach an, daß nach den Erhebungen bei der Tochterfirma der Firma S*** O*** tatsächlich ein Abgang von 775 Stück Paletten bestehe und folglich der Schluß (!) naheliege, daß der Beklagte die in seiner Gewahrsame befindlichen Paletten irgendwo veräußert hat. Anton S*** bat daher um geeignete Erhebungen. Der Beklagte hat den mit der Anzeige erhobenen Verdacht zunächst bestritten und behauptet, daß es sich um Fehler bei den Lieferscheinen handeln müsse; die Palettenscheine seien von der Dienstgeberfirma nur mit Widerwillen angenommen worden; er sei bestrebt gewesen, "der Firma die genaue Zahl der Paletten zurückzubringen". Auch in seinem Antrag an das Einigungsamt Graz auf nachträgliche Zustimmung zur Entlassung gemäß § 122 Abs 1 Z 2 ArbVG erklärte der Kläger ausdrücklich, daß der Schwund der restlichen Paletten bisher nicht habe aufgeklärt werden können, und der nicht widerlegte Verdacht bestehe, daß sich der damalige Antragsgegner und nunmehrige Beklagte die Paletten selbst angeeignet und an dritte Personen weiterveräußert habe. Der anwaltlich vertretene Beklagte bestritt dies energisch und behauptete, sich nicht um eine einzige Palette bereichert zu haben; das Vorbringen des Klägers sei eine haltlose, infame und allen Tatsachen widersprechende Darstellung, gegen die er sich strafrechtliche Schritte vorbehalte. Erst am 24. Juni 1986 gab der Beklagte vor der Gendarmerie die Veruntreuung der Paletten zu. Er erklärte sich bereit, den aus seiner strafbaren Handlung entstandenen Schaden gutzumachen und sich diesbezüglich mit dem Kläger persönlich ins Einvernehmen zu setzen. Dies hat er aber dann nicht getan. Daß der Kläger von diesem Geständnis verständigt wurde, hat der Beklagte nicht behauptet. Der Vertreter des Klägers im Verfahren vor dem Einigungsamt Graz hat aber erst am 10. Dezember 1986 von der Verurteilung des Klägers Kenntnis erlangt.
Selbst wenn man annimmt, daß dem Kläger dieses Wissen zuzurechnen ist - Dr. R*** war mit der Erwirkung der nachträglichen Zustimmung des Einigungsamtes Graz, aber offenbar nicht mit der Verfolgung der privatrechtlichen Ansprüche des Klägers beauftragt, der selbt erst am 20. Jänner 1987 dem Landesgericht für Strafsachen Wien mitteilte, er habe über das Bezirksgericht Voitsberg von der Verurteilung des Beklagten erfahren - war die mit Schreiben vom 26. Februar 1987 an den Beklagten gerichtete Aufforderung noch rechtzeitig. Die Ansprüche des Klägers sind daher nicht verfallen. Auf die Frage der Sittenwidrigkeit der Verfallsklausel ist daher nicht einzugehen.
Der Revision ist somit Folge zu geben.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 43 Abs 2, 50 ZPO.
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