Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 2.829,75 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 257,25 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger war ab 1.Jänner 1975 bei der Beklagten als Angestellter und zwar als Sachbearbeiter für den Verkauf in der Beschäftigungsgruppe 4 des Kollektivvertrages der Handelsangestellten Österreichs (KV) beschäftigt. Er wurde über den im Kollektivvertrag vorgesehenen Mindestgehältern entlohnt. Das Berufsjahr des Klägers begann jeweils mit 1.Jänner. Die für den vorliegenden Fall wesentlichen Bestimmungen des Kollektivvertrages und der im Anhang zum Kollektivvertrag enthaltenen Gehaltsordnung lauten:
".......
XIII Schiedsgericht
Zur Beilegung von Meinungsverschiedenheiten in der Auslegung des Kollektivvertrages wurde ein Schiedsgericht errichtet. Dieses Schiedsgericht kann seitens der Arbeitgeber von den zuständigen Kammerorganisationen, seitens der Arbeitnehmer von den zuständigen Gewerkschaftsorganisationen angerufen werden. ..... XIV Gehaltsordnung
Die Gehaltsordnung ist im Anhang des Kollektivvertrages enthalten, der einen integrierenden Bestandteil dieses Kollektivvertrages bildet. .....
Anhang
Gehaltsordnung
A. Allgemeiner Teil
......
X.
Die Gehaltserhöhung durch Eintritt in eine höhere Berufsaltersstufe tritt mit dem ersten Tag desjenigen Monates in Kraft, in den der Beginn des neuen Berufsjahres fällt. .....
G. Aufrechterhaltung der Überzahlungen
1. Die am 31.Dezember (1978 .....) bestehenden Überzahlungen der kollektivvertraglichen Mindestgehälter sind in ihrer schillingmäßigen Höhe gegenüber den ab 1.Jänner (1979 .....) erhöhten kollektivvertraglichen Mindestgehältern aufrecht zu erhalten. ....."
Auf Antrag der Sektion Handel der Bundeswirtschaftskammer fällte ein Schiedsgericht gemäß Art. XIII des Kollektivvertrages über die Frage, ob die Bestimmung des Punktes G der Gehaltsordnung nur und ausschließlich zu dem ausdrücklich fixierten kalendermäßigen Datum 31. Dezember/1.Jänner des folgenden Kalenderjahres anzuwenden ist, nach den Sitzungen vom 27.Februar 1978 und 21.April 1978 folgenden Schiedsspruch:
"Die Bestimmung des Punktes G der Gehaltsordnung (Anhang zu Abschnitt XIV) des Kollektivvertrages für die Handelsangestellten Österreichs ist anläßlich der jeweiligen Erhöhung der kollektivvertraglichen Mindestgehälter nur zu dem kalendermäßig fixierten Termin 31.Dezember bzw. 1.Jänner des folgenden Kalenderjahres anzuwenden.
Die Bestimmung des Punktes G der Gehaltsordnung muß daher bei Wechsel einer kollektivvertraglichen Einstufung - Erreichen einer höheren Berufsjahrstaffel (Berufsaltersstufe) oder Einreihung in eine höhere Beschäftigungsgruppe - zu einem anderen als dem vorher genannten Zeitpunkt nicht angewendet werden.
Fällt mit dem Inkrafttreten der jeweils neuen Kollektivvertragsregelung eine Einreihung in eine höhere Beschäftigungsgruppe bzw. ein Erreichen einer höheren Berufsjahrstaffel (Berufsaltersstufe) mit der Verpflichtung zur Aufrechterhaltung der schillingmäßigen Höhe der Überzahlung zusammen, ist diese Überzahlung gegenüber den neu zutreffenden kollektivvertraglichen Mindestsätzen der neuen höheren Beschäftigungsgruppe oder der neuen Berufsjahrstaffel (Berufsaltersstufe) aufrecht zu erhalten.
Günstigere generelle und individuelle Regelungen oder Übungen werden durch das Inkrafttreten dieses Schiedsspruches nicht berührt.
B e g r ü n d u n g :
Ziel der Kollektivvertragsabschlüsse war es, die jeweils vereinbarten Erhöhungen der kollektivvertraglichen Mindestgehälter allen dem Geltungsbereich der Kollektivverträge unterliegenden Angestellten und Lehrlingen zukommen zu lassen, den kollektivvertraglich und den überkollektivvertraglich entlohnten Angestellten und Lehrlingen. Diesem Ziel dient die auch als Anhängeverfahren bezeichnete Bestimmung des Punktes G der Gehaltsordnung des Handelsangestelltenkollektivvertrages. Diese Bestimmung verpflichtet daher zur Aufrechterhaltung der schillingmäßigen Höhe der jeweiligen kollektivvertraglichen Überzahlungen - der Differenz zwischen dem zutreffenden kollektivvertraglichen Mindestgehalt und dem tatsächlichen Gehalt - zum Zeitpunkt des Endens der Gültigkeitsdauer eines Kollektivvertrages und des Wirksamkeitsbeginnes eines neuen Kollektivvertrages. Die Bestimmung des Punktes G der Gehaltsordnung muß daher nicht angewendet werden bei Überwechseln des betroffenen Angestellten bzw. Lehrlings von einer kollektivvertraglichen Einstufung in eine andere kollektivvertragliche Einstufung während des übrigen Kalenderjahres."
Die kollektivvertraglichen Mindestgehälter der Beschäftigungsgruppe 4 nach der Gehaltstafel a in dem für den Kläger in Frage kommenden Gebiet A betragen:
1978 im 1. Berfusjahr 5.780 S
im 10. Berufsjahr 9.155 S
1979 im 1. Berufsjahr 6.025 S
im 5. Berufsjahr 6.795 S
im 10. Berufsjahr 9.540 S
1980 im 5. Berufsjahr 7.095 S
im 10. Berufsjahr 9.960 S
im 12. Berufsjahr 10.550 S
1981 im 5. Berufsjahr 7.625 S
im 7. Berufsjahr 8.520 S
im 12. Berufsjahr 11.270 S
1982 im 7. Berufsjahr 9.100 S
im 12. Berufsjahr 12.040 S
1983 im 7. Berufsjahr 9.975 S
im 9. Berufsjahr 10.820 S
im 12. Berufsjahr 12.670 S
im 15. Berufsjahr 13.655 S
1984 im 9. Berufsjahr 11.200 S
im 10. Berufsjahr 12.380 S
im 15. Berufsjahr 14.135 S
1985 im 10. Berufsjahr 13.025 S
im 15. Berufsjahr 14.875 S
Der Kläger erhielt nach einer Gehaltserhöhung am 1.Oktober 1978 ein Monatsgehalt von 11.806 S, im Jahre 1979 12.186 S, im Jahre 1980
12.722 S, im Jahre 1981 13.590 S, im Jahre 1982 14.190 S, im Jahre 1983 14.930 S, im Jahre 1984 15.410 S und am 1.Jänner 1985
16.150 S.
Der Kläger begehrt eine Differenzzahlung von 45.969 S sA. Im Jahr 1978 (10. Berufsjahr) habe die Überzahlung über den kollektivvertraglichen Mindestgehalt 2.759 S betragen. Diese Überzahlung sei bei Änderungen des kollektivvertraglichen Mindestgehaltes aufrechtzuerhalten. Im Zeitraum vom 1.Juli 1983 bis 31. Juli 1985 habe jedoch die Beklagte dem Kläger zu geringe Überzahlungen geleistet.
Die Beklagte beantragte die Abweisung der Klage. Lediglich die durch die Änderung des Kollektivvertrages entstehenden Entgelterhöhungen seien dem letzten Istgehalt zuzuschlagen, hingegen sei der Arbeitgeber nicht verpflichtet, bei Überwechseln des Angestellten von einer Berufsaltersstufe in die nächste eine allfällige Überzahlung aufrechtzuerhalten.
Das Erstgericht gab der Klage statt. Es vertrat die Rechtsauffassung, daß eine Überzahlung dem sich jeweils auf Grund von Altersvorrückungen und kollektivvertraglichen Erhöhungen ergebenden Mindestgehalt zuzuschlagen sei.
Das Berufungsgericht änderte das Ersturteil im Sinne einer Abweisung des Klagebegehrens ab. Es vertrat die Rechtsauffassung, daß die von einem kollektivvertraglich vorgesehenen Schiedsgericht gefällten Schiedssprüche im Gegensatz zu jenen des Einigungsamtes keine normative Wirkung hätten. Eine objektive Auslegung von Punkt G der Gehaltsordnung ergebe, daß sie Gehaltsveränderungen während des Jahres nicht betreffe und ausschließlich auf die Berücksichtigung der von den Kollektivvertragsparteien ausgehandelten Tariferhöhung gerichtet sei. Auf eine allenfalls mit dem Stichtag zusammentreffende Einreihung des Arbeitnehmers in eine höhere Berufsaltersstufe sei diese Bestimmung hingegen nicht anzuwenden. Andernfalls würde die Gruppe der Arbeitnehmer, die zufällig auf Grund ihres Eintrittsdatums mit 1.Jänner eine höhere Berufsaltersgruppe erreichen, gegenüber jenen Arbeitnehmern, bei denen eine Vorrückung zu einem anderen Termin erfolge, bevorzugt. Der im Schiedsspruch vorgesehene "Doppelsprung" für bestimmte Arbeitnehmer widerspreche dem "Grundsatz der sozialen Gerechtigkeit". Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der klagenden Partei wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, es im Sinne einer Wiederherstellung des Ersturteils abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die beklagte Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Die Einsetzung eines Schiedsgerichtes anstelle der ordentlichen Gerichte kann - und konnte auch nach der Rechtslage vor Inkrafttreten des ASGG - durch Kollektivvertrag mit normativer Wirkung für den einzelnen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht vereinbart werden (vgl. Cerny, Arbeitsverfassungsgesetz, 36; Kuderna, Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz 89 f; Strasser in Floretta-Spielbüchler-Strasser, Arbeitsrecht II, 111 f; Arb. 7.670 sowie 6.528). Der Schiedsspruch des im schuldrechtlichen Teil des Kollektivvertrages geregelten und daher nur die Parteien des Kollektivvertrages bindenden Schiedsgerichtes bindet daher - wie das Berufungsgericht richtig erkannt hat - die Streitteile nicht. Geht man bei der Auslegung des Kollektivvertrages davon aus, daß den Kollektivvertragsparteien zumindest im Zweifel zu unterstellen ist, daß sie eine vernünftige, zweckentsprechende und praktisch durchführbare Regelung treffen und einen gerechten Ausgleich der sozialen und wirtschaftlichen Interessen herbeiführen wollten (Arb. 10.447, 10.480 mwH), dann kann der vom Schiedsgericht vorgenommenen Auslegung von Punkt G der Gehaltsordnung nicht zugestimmt werden. Nach dieser Bestimmung sind die am 31.Dezember bestehenden Überzahlungen der kollektivvertraglichen Mindestgehälter in ihrer schillingmäßigen Höhe gegenüber den ab 1.Jänner des nächsten Jahres erhöhten kollektivvertraglichen Mindestgehältern aufrechtzuerhalten. Nun ist dem Schiedsgericht zwar darin beizupflichten, daß sich die Regelung über die Aufrechterhaltung der Überzahlungen nach dem klaren Wortlaut dieser Bestimmung nur auf Erhöhungen der Mindestgehälter bezieht, die zu Jahresbeginn mit dem Inkrafttreten des neuen Kollektivvertrages zu gewähren sind, nicht aber auf Erhöhungen, die während des Jahres - etwa durch den individuellen Beginn eines neuen Berufsjahres - eintreten. Derartige Vorrückungen führen daher, soweit das kollektivvertragliche Mindestgehalt noch innerhalb des Rahmens der Überzahlung bleibt, nach dem Kollektivvertrag nicht zu einer Bezugserhöhung. Eine allenfalls verbleibende Überzahlung bleibt aber bei Erhöhung der kollektivvertraglichen Gehälter zu Beginn des nächsten Jahres erhalten, das heißt, es ist dem bis dahin gezahlten Gehalt die Differenz zwischen dem in dem (aktuellen) Berufsjahr nach dem auslaufenden und dem neuen Kollektivvertrag gebührenden Mindestgehalt zuzuschlagen. Fällt nun, wie beim Kläger, der Beginn des neuen Berufsjahres zufällig auf den 1.Jänner oder auf einen sonstigen im Jänner liegenden Tag - nach Punkt A. 10 der Gehaltsordnung tritt die Gehaltserhöhung durch Eintritt in eine höhere Berufsaltersstufe mit dem 1. Tag desjenigen Monats in Kraft, in den der Beginn des neuen Berufsjahres fällt -, dann gebührt ihm nicht nur auf Grund des neuen Kollektivvertrages, sondern auch auf Grund seiner Vorrückung ein höheres Mindestgehalt. Zieht man nun in Betracht, daß die Regelung des Punktes G der Gehaltsordnung ausschließlich auf die durch die Änderung des Kollektivvertrages bedingten Gehaltserhöhungen abstellt, dann muß - auch aus Gründen der Gleichbehandlung - eine Änderung aus anderen Gründen, die zufällig auf diesen Termin fällt, bei Aufrechterhaltung der Überzahlungen außer Betracht bleiben. Es ist daher dem bis 31. Dezember des Vorjahres gezahlten Bezug einschließlich Überzahlung lediglich die schillingmäßige Erhöhung des Mindestgehaltes zuzuschlagen, die sich nach dem neuen Kollektivvertrag für das am 31. Dezember auslaufende Berufsjahr ergibt. Damit ist dem Umstand Rechnung getragen, daß das neue Berufsjahr erst im folgenden Jahr beginnt und wird der Betreffende nicht anders gestellt als jemand, dessen Berufsjahr gleichfalls im nächsten Jahr - aber zu einem anderen Termin als einem im Jänner liegenden Tag - anfängt. Da der Oberste Gerichtshof mit Rücksicht auf den Wortlaut des Kollektivvertrages im Gegensatz zum Berufungsgericht den Wechsel in der Berufsaltersstaffel nicht auf das alte Jahr vorzieht, ergibt sich die Notwendigkeit einer neuerlichen Berechnung. Geht man davon aus, daß dem Kläger im Jahre 1978 ein Gehalt von 11.806 S monatlich gezahlt wurde, dann ergibt sich bei Zugrundelegung des von den Vorinstanzen übernommenen Standpunktes der Beklagten, der Kläger habe sich im Jahre 1983 im 9. und demnach im Jahre 1978 im 4. Berufsjahr befunden, bei Anwendung der oben dargelegten Berechnungsmethode - Berücksichtigung der kollektivvertraglichen Erhöhungen jeweils im Rahmen der bis dahin geltenden Berufsaltersgruppe - folgendes:
zu kollektiv-
zahlendes Berufs vertragl. neues
Jahr Gehalt altersgruppe Erhöhung Gehalt ab
S S S
1978 11.806 1.Berufsjahr 245 12.051 1.1.1979
1979 12.051 5.Berufsjahr 300 12.351 1.1.1980
1980 12.351 5.Berufsjahr 530 12.881 1.1.1981
1981 12.881 7.Berufsjahr 580 13.461 1.1.1982
1982 13.461 7.Berufsjahr 475 13.936 1.1.1983
1983 13.936 9.Berufsjahr 380 14.316 1.1.1984
1984 14.316 10.Berufsjahr 645 14.961 1.1.1985
Bei Zugrundelegung des Vorbringens des Klägers, er habe sich im Jahre 1978 im 10.Berufsjahr befunden - der in der Klage vertretene Standpunkt, die einmal gewährte Überzahlung sei in ihrer ziffernmäßigen Höhe auch bei Erreichen einer anderen Berufsaltersgruppe aufrecht zu erhalten, entspricht allerdings, wie oben ausgeführt, nicht der kollektivvertraglichen Regelung -, ergibt sich hingegen folgende Rechnung:
zu kollektiv-
zahlendes Berufs vertragl. neues
Jahr Gehalt altersgruppe Erhöhung Gehalt ab
S S S
1978 11.806 10.Berufsjahr 385 12.191 1.1.1979
1979 12.191 10.Berufsjahr 420 12.611 1.1.1980
1980 12.611 12.Berufsjahr 720 13.331 1.1.1981
1981 13.331 12.Berufsjahr 770 14.101 1.1.1982
1982 14.101 12.Berufsjahr 630 14.731 1.1.1983
1983 14.731 15.Berufsjahr 480 15.211 1.1.1984
1984 15.211 15.Berufsjahr 740 15.951 1.1.1985
Da die Beklagte dem Kläger in beiden Fällen der Einstufung
jeweils mehr gezahlt hat, als ihm nach diesen Berechnungen
zustünde - nur im Jahr 1979 zahlte sie auf der Grundlage der zweiten
Berechnungsart um 5,-- S pro Monat zu wenig; für dieses Jahr begehrt
aber der Kläger keine Nachzahlung -, erweist sich die Abweisung des
Klagebegehrens durch das Berufungsgericht als im Ergebnis berechtigt.
Abschließend sei darauf hingewiesen, daß die gleichfalls zu
Punkt G der gegenständlichen Gehaltsordnung ergangene Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 20.Mai 1987, 9 Ob A 8/87, die Einreihung in eine höhere Berufsgruppe durch Änderung der Einstufungsgrundsätze im neuen Kollektivvertrag betraf; auf eine derartige ausschließlich durch Änderung der kollektivvertraglichen Bestimmungen bedingte Erhöhung des Mindestgehaltes ist aber auch nach den oben dargelegten Grundsätzen Punkt G der Gehaltsordnung anzuwenden.
Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.
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