OGH 9ObA169/94

OGH9ObA169/9428.9.1994

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Klinger als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Maier und Dr.Bauer sowie die fachkundigen Laienrichter Dr.Barbara Hopf und Mag.Ernst Löwe als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Stadt Wien, Rathaus, 1082 Wien, vertreten durch Dr.Peter Rudeck, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Elisa R*****, med.techn.Assistentin, *****vertreten durch Dr.Roland Hubinger und Dr.Michael Ott, Rechtsanwälte in Wien, wegen Räumung, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 4. März 1994, GZ 34 Ra 148/93-67, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 10. Mai 1993, GZ 4 Cga 2520/91-55, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 2.436,48 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten 406,08 USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Beklagte steht als pragmatische Bedienstete in einem aufrechten Dienstverhältnis zur klagenden Partei. Über ihren Antrag wurde ihr von der klagenden Partei aufgrund ihres pragmatischen Dienstverhältnisses am 23.9.1988 die Bewilligung zur Benützung der streitgegenständlichen Unterkunft in einem Personalwohnhaus (Schwesternhaus) der klagenden Partei ab September 1988 bis 31.8.1989 erteilt. Dabei wurde ausgesprochen, daß die Benützungsbewilligung jederzeit ohne Angabe von Gründen widerrufen werden kann. Bei der Wohneinheit handelt es sich um einen Einzelraum von 30 m2. Für die Benützung wird ein monatlicher Betrag von 1.102 S eingehoben, der Benützungsentgelt, Betriebskosten sowie Strom- und Heizkosten beinhaltet. Am 26.2.1990 wurde die Benützungsbewilligung widerrufen und die Beklagte aufgefordert, die Wohnung bis 30.4.1990 geräumt zu übergeben.

Die klagende Partei begehrt von der Beklagten die Räumung der von ihr benützten Personalwohneinheit. Diese Personalwohnung sei der Beklagten aufgrund ihrer dienstlichen Verwendung als pragmatische Bedienstete gegen jederzeitigen Widerruf zugewiesen worden. Die Benützungsbewilligung sei mit Schreiben vom 26.2.1990 widerrufen und die Beklagte zur Räumung der Unterkunft bis 30.4.1990 aufgefordert worden. Sie habe der Aufforderung jedoch nicht entsprochen und benütze die Wohnung ohne Rechtsgrund.

Die Beklagte beantragte die Abweisung der Klage. Sie benütze die Wohnung nicht ohne Rechtsgrund. Es liege vielmehr ein Mietverhältnis vor und die klagende Partei hebe von ihr auch Mietzins ein. Im übrigen sei der Rechtsweg unzulässig; sollte nämlich die Wohnung als Dienst- oder Naturalwohnung benützt werden, so wäre über die Aufhebung der Bewilligung zur Benützung und die Räumung im Verwaltungsweg zu entscheiden.

Das Erstgericht erkannte im Sinne des Klagebegehrens. Es erachtete die Einrede der Unzulässigkeit des Rechtsweges nicht für berechtigt. Zwischen den Parteien bestehe zwar ein öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis, doch sei die klagende Partei im Zusammenhang mit der Zuweisung und der Entziehung der Personalwohnung im privatwirtschaftlichen Bereich aufgetreten. Die Wohnung falle gemäß § 1 Abs 2 MRG nicht in den Anwendungsbereich des MRG. Werde vereinbart, daß der Wohnungsgeber das Vertragsverhältnis jederzeit durch einseitige, an keine Frist gebundene Erklärung beenden könne, so sei klargestellt, daß er das Vertragsverhältnis ohne Bindung an Kündigungsgründe und Kündigungsfristen beenden könne. Eine solche Vereinbarung sei nach dem für Bestandverhältnisse nach dem ABGB geltenden Grundsatz der Vertragsfreiheit zulässig, wenn keine gesetzlichen Kündigungsbeschränkungen Anwendung zu finden hätten. Da in der Benützungsbewilligung die jederzeitige Widerrufbarkeit ohne Angabe von Gründen vereinbart worden sei, sei der Widerruf wirksam und die Beklagte zur Räumung verpflichtet.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten nicht Folge. Da die Beklagte in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zur klagenden Partei stehe, habe das Gesetz vom 18.11.1966 und vom 14.7.1967 über das Dienstrecht der Beamten der Bundeshauptstadt Wien, LGBl für Wien 1967/37 (Dienstordnung - DO 1966) Anwendung zu finden. Gemäß § 37 Abs 4 DO 1966 werde durch die Zuweisung einer Dienstwohnung kein Bestandverhältnis begründet. Soweit sich die Beklagte auf den Bestand eines Mietverhältnisses berufe, stehe dem diese Bestimmung entgegen. Auch daß die Beklagte ein Benützungsentgelt entrichte, ändere daran nichts, weil dies dem § 37 Abs 5 DO entspreche. Gemäß § 37 Abs 3 DO 1966 könne das Benützungsrecht an einer Dienst- oder Werkwohnung durch Bescheid entzogen werden. Dem Schreiben der klagenden Partei vom 26.2.1990 komme in diesem Sinne Bescheidcharakter zu. Die Einrede der Unzulässigkeit des Rechtsweges könne im Berufungsverfahren nicht mehr überprüft werden. Das Erstgericht habe zwar nicht spruchgemäß darüber entschieden, in den Entscheidungsgründen jedoch die Einrede nicht für berechtigt erkannt. Diese Entscheidung sei in der Berufung nicht bekämpft worden. Es liege daher eine bindende Entscheidung über die Zulässigkeit des Rechtsweges vor.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Beklagten aus den Revisionsgründen der Nichtigkeit und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das erst- und zweitinstanzliche Verfahren für nichtig zu erklären und die Klage zurückzuweisen oder aber die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, daß das Klagebegehren abgewiesen werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die klagende Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Mit ihren Ausführungen zum Revisionsgrund der Nichtigkeit wendet sich die Revisionswerberin gegen die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, daß die Prozeßeinrede der Unzulässigkeit des Rechtsweges im Berufungsverfahren nicht mehr überprüfbar gewesen sei. Sie vertritt den Standpunkt, daß von einer bindenden Wirkung der Entscheidung des Erstgerichtes nur ausgegangen werden könne, wenn diese Entscheidung im Spruch erfolgt sei und beruft sich dazu auf Fasching (Komm I, 273).

Die Auffassungen darüber, ob eine Entscheidung im Spruch enthalten sein muß oder entsprechende Ausführungen in den Gründen genügen, gehen auseinander. Eine Bindung der Rechtsmittelgerichte auch im Fall des sich aus den Entscheidungsgründen ergebenden Entscheidungswillens bejahten SZ 31/74; SZ 43/121; JBl 1967, 524; JBl 1980, 541 und zahlreiche nicht veröffentlichte Entscheidungen. Die gegenteilige Auffassung wurde ua in JBl 1962, 315; ÖBl 1968, 61; Arb 8761 und 8901 vertreten. Diese Entscheidungen können sich insbesondere auf Novak in JBl 1962, 317 und auf die oben zitierten Lehrmeinungen Faschings stützen; dieselbe Ansicht vertritt Fasching im übrigen auch in ZPR2 Rz 735, wobei er auf die abweichende Ansicht des Obersten Gerichtshofes verweist. Bezüglich der Entscheidung über die Nichtigkeitsberufung vertritt allerdings auch Fasching (Komm IV, 409) die Meinung, daß eine neue Aufrollung der Nichtigkeitsfrage mit Revision oder mit selbständigem Rekurs ausgeschlossen sei, wenn die Entscheidung auch nur aus den Gründen entnommen werden könne. Dazu hat der Oberste Gerichtshof in SZ 54/190 ausgeführt, daß kein triftiger Grund zu sehen sei, warum dies nicht auch dann gelten sollte, wenn die Frage des Vorliegens einer Nichtigkeit oder eines Prozeßhindernisses vom Berufungsgericht von Amts wegen aufgegriffen und verneinend beantwortet worden sei und hieraus den Schluß gezogen, daß auch ein vom Berufungsgericht nach amtswegiger Prüfung nur in den Gründen der Entscheidung verneintes Prozeßhindernis im Revisionsverfahren nicht mehr geltend gemacht werden könne. Diese Rechtsansicht wurde in der Folge auch in SSV-NF 1/36 ua Entscheidungen vertreten. In dem der Entscheidung 6 Ob 707/84 zugrunde liegenden Fall hatte das Erstgericht über die von der beklagten Partei erhobenen Einwendung der (heilbaren) Unzuständigkeit nicht spruchgemäß erkannt und zu dieser Einrede auch in den Gründen der Entscheidung nicht Stellung genommen. Der Oberste Gerichtshof sprach dazu aus, daß das Erstgericht durch die Fällung einer Sachentscheidung seine Zuständigkeit in Anspruch genommen habe und dies nicht anders behandelt werden könne, als wenn es den Ausspruch über seine Zuständigkeit in die über die Hauptsache ergehende Entscheidungung aufgenommen hätte. Der Oberste Gerichtshof hob den die Unzuständigkeit des Erstgerichtes wahrnehmenden Beschluß des Berufungsgerichtes als nichtig auf; da die durch Fällung der Sachentscheidung erfolgte Wahrnehmung der Zuständigkeit des Erstgerichtes unangefochten geblieben sei, sei es dem Berufungsgericht verwehrt gewesen, diese Frage zu prüfen.

Im vorliegenden Fall hat sich das Erstgericht nicht auf die Fällung der Sachentscheidung beschränkt, sondern in den Entscheidungsgründen ausdrücklich ausgeführt, daß es die Einrede der Unzulässigkeit des Rechtsweges nicht für berechtigt erachte; der Rechtsweg sei vielmehr zulässig. Damit wurde zwar nicht spruchgemäß, aber doch in eindeutiger Form über die Einrede der Beklagten erkannt. Da diese Entscheidung von der Beklagten in ihrem gegen das Ersturteil erhobenen Rechtsmittel unbekämpft blieb, hat das Berufungsgericht die Prüfung dieser Prozeßvoraussetzung zu Recht abgelehnt. Auch im Revisionsverfahren ist die Frage der Zulässigkeit des Rechtsweges nicht mehr überprüfbar.

Festgestellt wurde, daß die Beklagte in einem pragmatischen Dienstverhältnis zur klagenden Partei steht. Da die DO 1966 gemäß ihrem § 1 Abs 2 auf Beamte, die in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis stehen, Anwendung zu finden hat, sind die Voraussetzungen für die Anwendung dieser Normen auf das Dienstverhältnis der Beklagten gegeben.

Die Ausführungen des Berufungsgerichtes zur Bescheidqualität der Zuweisung bzw Entziehung der Wohnung sind zutreffend. Die Revisionsbeantwortung vertritt dazu den Standpunkt, es handle sich bei den diesbezüglichen Schreiben nicht um Bescheide, weil in die Wohnmöglichkeit der Mitarbeiter betreffenden Angelegenheiten kein Wille der Behörde vorliege, hoheitliche Gewalt zu üben. Die klagende Partei läßt dabei allerdings außer Acht, daß die Beklagte in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis steht und § 37 Abs 3 DO 1966 idF der 2. Novelle LGBl 1974/48 ausdrücklich vorsieht, daß die Gewährung des Benützungsrechtes an Dienst- oder Werkswohnungen (im vorliegenden Fall handelt es sich nach der Definition des § 37 Abs 2 leg cit offenbar um eine Werkswohnung) durch Bescheid vorsieht. Daß der Entziehungsbescheid vom 26.2.1990 nicht wirksam geworden wäre, hat die Beklagte nicht behauptet. Unter Zugrundelegung dieses Bescheides ist jedoch davon auszugehen, daß das durch den Bescheid vom 23.9.1988 eingeräumte Benützungsrecht mit 30.4.1990 erloschen ist. Seitheit verfügt die Beklagte über keinen Rechtstitel zur Benützung der Wohnung. Da mietrechtliche Vorschriften gemäß § 37 Abs 4 DO keine Anwendung zu finden haben, gehen die diesbezüglichen Ausführungen der Revisionswerberin ins Leere. Die Räumungsklage ist daher berechtigt.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41 und 50 Abs 1 ZPO.

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