Spruch:
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 1.327,68 EUR (darin 221,28 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens im Zwischenstreit binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Begründung
Der Kläger begehrt, die Beklagte schuldig zu erkennen, 1) es ohne vorherige Zustimmung der klagenden Partei in Form einer Betriebsvereinbarung zu unterlassen a) die Zu- und Abfahrt vom Parkhaus 7 am Flughafen ***** ab 31. 3. 2008 nur mehr mittels persönlicher ID-Karte zuzulassen, b) den von der klagenden Partei vertretenen Arbeitnehmern die Anweisung zu geben oder geben zu lassen, zur Zu- und Abfahrt zum Parkhaus 7 am Flughafen ***** ausschließlich die ID-Karte zu verwenden, c) personenbezogene Daten der von der klagenden Partei vertretenen Arbeitnehmer, welche über die allgemeinen Angaben zur Person und zu den fachlichen Voraussetzungen des Arbeitnehmers hinausgehen, durch Verwenden der ID-Karte bei der Zu- und Abfahrt zum Parkhaus 7 am Flughafen ***** automationsunterstützt zu ermitteln, zu verarbeiten oder zu übermitteln es sei denn, die tatsächliche oder vorgesehene Verwendung dieser Daten geht über die Erfüllung von Verpflichtungen nicht hinaus, die sich aus Gesetz, Kollektivvertrag, Betriebsvereinbarung oder Arbeitsvertrag ergeben und d) die von der klagenden Partei vertretenen Arbeitnehmer durch Verwenden der ID-Karte bei der Zu- und Abfahrt zum Parkhaus 7 am Flughafen ***** zu kontrollieren. Weiters begehrt der Kläger von der Beklagten, die Dienstanweisung an die Arbeitnehmer der Beklagten vom 17. 3. 2008, wonach ab 31. 3. 2008 nur mehr die ID-Karte für die Benützung des Parkhauses 7 am Flughafen ***** verwendet werden dürfe und die alten Parkkarten abzugeben seien, zu widerrufen und die personenbezogenen Daten, die die Beklagte durch das Verwenden der ID-Karte bei Zu- und Abfahrten ihrer Arbeitnehmer zum und vom Parkhaus am Flughafen ***** ermittelt habe, zu löschen. Damit verbunden ist ein Provisorialantrag, mit welchem der Beklagten die unter Punkt 1a) bis d) des Klagebegehrens angeführten Maßnahmen untersagt werden sollen. Zusammengefasst begründet der Kläger sein Begehren damit, dass es bislang dem Bordpersonal möglich gewesen sei, das Parkhaus in ***** mit einer fahrzeugbezogenen Parkkarte zu benützen. Diese sei nicht personenbezogen gewesen. Durch die nunmehr aufgetragene Benützung der ID-Karte werde eine Maßnahme getroffen, die gemäß § 96 Z 3 ArbVG bzw § 96a Abs 1 Z 1 ArbVG von der Zustimmung des Betriebsrats abhängig sei. Eine solche liege nicht vor. Die örtliche Zuständigkeit des angerufenen Landesgerichts Korneuburg als Arbeits- und Sozialgericht begründete der Kläger damit, dass der Betrieb der Beklagten gemäß § 134 Abs 3 ArbVG trotz Vorliegens mehrerer Arbeitsstätten als einheitlicher Betrieb im Sinn des § 34 ArbVG aufzufassen sei. Gemäß § 5 Abs 2 ASGG habe der Kläger seine Klage nach § 50 Abs 2 ASGG in Korneuburg einzubringen, da sich die Betriebsstätte, auf die sich die Klage beziehe, in S*****, somit im Sprengel des angerufenen Gerichts befinde.
Die Beklagte bestritt das Klagebegehren und wendete die örtliche Unzuständigkeit des angerufenen Landesgerichts Korneuburg ein. Aus § 134 Abs 3 ArbVG ergebe sich, dass die Arbeitsstätten im Fluglinienunternehmen der Beklagten in ihrer Gesamtheit als ein Betrieb im Sinn des § 34 Abs 1 ArbVG aufzufassen seien. Damit könne es aber nicht auf den Ort einzelner Betriebsstätten mehr ankommen, vielmehr sei der „Betriebssitz" maßgeblich, welcher mit dem Unternehmenssitz in Innsbruck ident sei. Örtlich zuständig sei daher das Landesgericht Innsbruck als Arbeits- und Sozialgericht.
Das Erstgericht gab dem Unzuständigkeitseinwand statt, erklärte sich für örtlich unzuständig und überwies die Rechtssache an das Landesgericht Innsbruck als Arbeits- und Sozialgericht.
Es vertrat die Rechtsauffassung, dass durch den einheitlichen Betriebsbegriff des § 134 Abs 3 ArbVG auch die Absicht des Gesetzgebers dahin erkennbar sei, die im § 5 Abs 2 ASGG genannten arbeitsverfassungsrechtlichen Streitigkeiten bei einem Gericht zu konzentrieren, nämlich jenem am Sitz des Unternehmens.
Das Rekursgericht verwarf die Prozesseinrede und vertrat die Rechtsauffassung, dass das angerufene Landesgericht Korneuburg örtlich zuständig sei. Der Bestimmung des § 134 Abs 3 ArbVG lasse sich nicht entnehmen, dass der Gesetzgeber bei dieser Regelung auch die Frage der gerichtlichen Zuständigkeit im Auge gehabt habe und dabei sämtliche betriebsverfassungsrechtlichen Streitigkeiten am Unternehmenssitz habe konzentrieren wollen. Gerade die Dislozierung von Betriebsstätten eines Luftverkehrsunternehmens könne nicht zum Nachteil der Belegschaft dahin führen, dass beispielsweise Kündigungen von in Wien beschäftigten Arbeitnehmern in Innsbruck (dem Unternehmenssitz) erfolgen müssten. Bestehe daher wie im vorliegenden Fall ein Betrieb aus mehreren Abteilungen oder Betriebsstätten, die in unterschiedlichen Sprengeln lägen, sei der Ansicht Kudernas (ASGG2, 88) zu folgen, dass in diesem Fall der Kläger die Wahl habe, bei welchem der mehreren für die örtliche Zuständigkeit in Betracht kommenden Gerichte die Klage angebracht wird. Zweifellos beziehe sich die vorliegende Feststellungsklage auf eine im Sprengel des angerufenen Gerichts Korneuburg gelegene Betriebsstätte.
Das Rekursgericht sprach aus, dass der Rekurs zulässig sei, weil es zur Frage, wie § 5 Abs 2 ASGG auszulegen sei, wenn die Voraussetzungen nach § 134 Abs 3 ArbVG gegeben seien, an Rechtsprechung fehle. Dagegen richtet sich der Rekurs der Beklagten aus dem Grunde der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss dahin abzuändern, dass die Entscheidung des Erstgerichts wiederhergestellt werde.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist zulässig. Er ist aber nicht berechtigt.
Die Beklagte vermeint zunächst, dass schon der Rekurs des Klägers gegen den Beschluss des Erstgerichts nicht zulässig gewesen wäre, weil diesem der Rechtsmittelausschluss des § 261 Abs 6 fünfter Satz ZPO entgegengestanden sei. Die Beklagte übersieht jedoch, dass der Rechtsmittelausschluss dann nicht gilt, wenn die Überweisung an ein vom Kläger gar nicht namhaft gemachtes Gericht erfolgt (Kuderna ASGG2, 220; G. Kodek in Fasching/Konecny2 III § 261 ZPO Rz 168; Rechberger/Klicka in Rechberger ZPO3 §§ 260 bis 261 ZPO Rz 11). Zu Recht hat daher das Rekursgericht über den Rekurs des Klägers entschieden.
Gemäß § 5 Abs 1 ASGG ist für die im § 50 Abs 2 genannten Rechtsstreitigkeiten, die sich auf den Zentralbetriebsrat oder den Zentralbetriebsratsfonds beziehen, nur das Gericht örtlich zuständig, in dessen Sprengel das Unternehmen seinen Sitz hat. Abs 2 bestimmt, dass sonst für die im § 50 Abs 2 genannten Rechtsstreitigkeiten nur das Gericht örtlich zuständig ist, in dessen Sprengel sich der Betrieb befindet, auf den sich die Rechtsstreitigkeit bezieht. Es handelt sich dabei um Zwangsgerichtsstände, die der JN vorgehen und auch nicht durch Zuständigkeitsvereinbarungen abbedungen werden können (Neumayr in ZellKomm § 4 ASGG Rz 14; Kuderna, ASGG2, 87). Da im vorliegenden Fall die Variante nach Abs 1 ausscheidet, ist die Bestimmung des § 5 Abs 2 ASGG relevant. § 5 Abs 2 ASGG regelt die örtliche Zuständigkeit für betriebsverfassungsrechtliche Streitigkeiten, weshalb nach herrschender Ansicht für die Auslegung des Betriebsbegriffs § 34 ArbVG heranzuziehen ist (Neumayr in ZellKomm § 5 ASGG Rz 3; Kuderna ASGG2 88). Für bestimmte Unternehmen und Betriebe wurden im ArbVG Sonderregelungen („Korrektur des Betriebsbegriffs nach § 34 Abs 1 ArbVG": Neumayr in Strasser/Jabornegg/Resch ArbVG § 134 Rz 1) getroffen: § 134 ArbVG regelt den Betriebsbegriff für Unternehmen und Betriebe des öffentlichen Personen-, Güter- und Nachrichtenverkehrs, wobei Abs 3 eine Sonderbestimmung für Luftverkehrsunternehmen (nach § 101 LFG: „Unternehmen zur Beförderung von Personen und Sachen im gewerblichen Luftverkehr mit Luftfahrzeugen") enthält. Demzufolge gelten sämtliche Arbeitsstätten von Luftverkehrsunternehmen in ihrer Gesamtheit als ein Betrieb im Sinn des § 34 Abs 1 ArbVG; ein Gleichstellungsverfahren nach § 35 ArbVG findet auf diese Arbeitsstätten keine Anwendung. Wie Neumayr (in Strasser/Jabornegg/Resch ArbVG § 134 Rz 2) festhält, stammen die Regelungen ausschließlich aus der Phase der Sozialpartnerverhandlungen und waren ursprünglich weder im BRG, im ME noch in der Regierungsvorlage vorgesehen. Im Ausschussbericht (993 BlgNR 13. GP 5 f) zu § 134 ArbVG heißt es: „Betriebe des öffentlichen Personen-, Güter- und Nachrichtenverkehrs, die ihre Leistungen im Raum erbringen müssen, verfügen in der Regel über ein räumlich weit verstreutes Netz von Dienststellen und Teilbetrieben, die zur Erbringung einer Leistung eng zusammenarbeiten müssen, denen aber organisatorisch ein gewisses Maß an Selbständigkeit eingeräumt ist. Würde der für die übrige Wirtschaft geltende Betriebsbegriff auf solche Betriebe Anwendung finden, so müsste eine relativ große Anzahl von Betriebsräten gewählt werden, was die wünschenswerte Einheitlichkeit der Interessenvertretung der Arbeitnehmer in Frage stellen könnte. Für solche Verkehrsbetriebe werden durch § 134 ArbVG Sonderbestimmungen getroffen, die der bewährten Praxis in den einzelnen Verkehrszweigen entsprechen [...] Fluglinienunternehmen sind gezwungen, einen Teil ihrer Dienststellen disloziert, vor allem auf den einzelnen Flughäfen, einzurichten und zu unterhalten. Unbeschadet dieses Umstands werden durch Abs 3 alle Arbeitsstätten solcher Fluglinienunternehmen zusammen als ein Betrieb gewertet". Daraus ist ersichtlich, dass § 134 ArbVG Sonderwünsche der Leitungs- und Belegschaftsorgane wiedergibt; mit den Verweisen auf die „bewährte Praxis" wird außerdem deutlich, dass es sich um die Legalisierung von bis dahin üblich gewordenen Praktiken handelt (Neumayr in Strasser/Jabornegg/Resch ArbVG § 134 Rz 2). Ziel dieser Regelung ist also primär die Verhinderung der Bildung von einer großen Anzahl von Betriebsratskollegien, was bei einem weit verstreuten Netz von Arbeitsstätten zu erwarten ist. Durch § 134 ArbVG soll die Einheitlichkeit der Interessenvertretung erreicht werden. Die Folge davon ist, dass sämtliche Arbeitsstätten dieser bestimmten Unternehmen als ein einheitlicher Betrieb gelten, selbst wenn sie für sich genommen als ein eigenständiger Betrieb nach § 34 ArbVG zu qualifizieren wären. Für die Errichtung von Vertretungsorganen bedeutet dies, dass von allen in den einzelnen Arbeitsstätten beschäftigten Arbeitnehmern nur ein Betriebsrat (bzw getrennte Betriebsräte für Angestellte und Arbeiter) für die Zuständigkeit des gesamten Unternehmens zu wählen ist bzw zu wählen sind (Neumayr in Strasser/Jabornegg/Resch ArbVG § 134 Rz 6; Cerny in Cerny/Trenner ArbVG IV4 § 134 Erläut 2).
Das ASGG verfolgt einen pragmatischen Zugang im Hinblick auf die Regelung der örtlichen Zuständigkeit. Zum einen sollen die Mitwirkungsrechte bzw -befugnisse der Vertretungsorgane, konkret des Betriebsrats, gewahrt und deren Wahrnehmung nicht durch die Zuständigkeitsregel erschwert werden. Zum anderen soll auch prozessökonomischen Gesichtspunkten Rechnung getragen werden - gerade im Bezug auf die Verfügbarkeit bzw Erreichbarkeit von Beweismitteln. Wenn sich nun eine Streitigkeit auf einen bestimmten Betrieb bezieht, sollte also das (im Bezug auf den Betrieb) „nächstliegende" Gericht örtlich zuständig sein, wodurch auch der Zugriff auf Beweismittel in der Regel erleichtert wird. Das Gesetz geht in § 5 Abs 2 ASGG von jenem Fall aus, dass von einer betriebsverfassungsrechtlichen Streitigkeit ein konkreter Betrieb betroffen ist, der in einem bestimmten Gerichtssprengel liegt. Auf den ersten Blick findet sich im ASGG jedoch keine Regelung für den Fall, dass sich ein Betrieb über mehrere Sprengel erstreckt. Kuderna vertritt für derartige Fälle ein Wahlrecht zwischen den in Betracht kommenden örtlich zuständigen Gerichten, was im Wesentlichen der alten Rechtslage (§ 3 AVG bei Zuständigkeit der Einigungsämter) entspricht. Beziehe sich die Streitigkeit auf zwei oder mehrere Betriebe, die in den Sprengeln mehrerer (sachlich zuständiger) Gerichte liegen, oder liege ein (aus mehreren Betriebsabteilungen oder Betriebsstätten bestehender) Betrieb in zwei oder mehreren solchen Sprengeln, dann habe der Kläger die Wahl, welches der mehreren für die örtliche Zuständigkeit in Betracht kommenden Gerichte er anrufen wolle (Kuderna ASGG2, 88).
Das ArbVG reglementiert dagegen die Belegschaftsvertretung auf Ebene des Betriebs, des Unternehmens und des Konzerns, wobei als Hauptanknüpfungspunkt der Betrieb (gemäß § 34 ArbVG) zu sehen ist. Ein „Betriebssitz" wurde im ArbVG nicht definiert. Die vom Erstgericht und von der Beklagten vertretene Rechtsauffassung, dass § 134 ArbVG nicht nur Streitigkeiten über die Betriebseigenschaft hintanhalten sollte, sondern auch eine Zuständigkeitsregelung in dem Sinn trifft, dass der Unternehmenssitz als Betriebsort zu gelten habe, ist nicht zu teilen. So ist es, wie auch der vorliegende Fall zeigt, keineswegs zwingend, dass der Betriebsort, auf den § 5 Abs 2 ASGG abstellt, mit dem Unternehmenssitz, der oft nur aus einer kleinen Verwaltungseinheit besteht, ident ist. Wollte man im Fall des § 134 Abs 3 ArbVG den Unternehmenssitz immer als Betriebsort festlegen, würde dies zu einer vom Gesetzgeber mit Sicherheit nicht gewollter Verkomplizierung in der Form führen, dass beispielsweise Angelegenheiten, die nur den Wiener, Linzer oder Grazer Standort der Beklagten beträfen, jedenfalls in Innsbruck auszutragen wären. Eine solche Absicht kann aber dem Gesetzgeber des ASGG gerade nicht unterstellt werden. Eine teleologische Betrachtung des § 5 Abs 2 ASGG ergibt vielmehr, dass dann, wenn der Betriebsbegriff des § 134 Abs 3 ArbVG anzuwenden ist, und ein Streit im Sinn des § 50 Abs 2 ASGG sich nur auf eine bestimmte Betriebsstätte des Unternehmens bezieht, die örtliche Zuständigkeit desjenigen Gerichts gegeben ist, in dessen Sprengel sich die betroffene Betriebsstätte befindet. Wenngleich ein generelles Wahlrecht, wie von Kuderna (ASGG2 88) vorgeschlagen, der zwingenden Bestimmung des § 5 Abs 2 ASGG zuwiderlaufen würde, ist an ein solches Wahlrecht wohl dann zu denken, wenn mehrere Betriebsstätten vom betriebsverfassungsrechtlichen Streit betroffen sind. Ob überdies (subsidiär) auch der Sitz des Betriebsrats oder der Unternehmenssitz herangezogen werden dürfen, bedarf hier keiner abschließenden Klärung.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 58 Abs 1 ASGG iVm §§ 41, 50 ZPO. Der Kläger hat als im Zwischenstreit über die Zuständigkeit Obsiegender Anspruch auf Ersatz der Kosten der Revisionsrekursbeantwortung.
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