OGH 9ObA146/02i

OGH9ObA146/02i13.11.2002

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling und Dr. Hradil sowie durch die fachkundigen Laienrichter Ernst Viehberger und Gerhard Loibl als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Rudolf P*****, Controller, *****, vertreten durch Rechtsanwalts-Partnerschaft Gabler & Gibel, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei B***** AG, *****, vertreten durch Dr. Stefan Köck, Rechtsanwalt in Wien, wegen EUR 298.087,06 sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 20. März 2002, GZ 7 Ra 53/02v-27, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 31. Juli 2001, GZ 34 Cga 155/00p-22, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 2.461,54 (darin EUR 410,26 USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Das Berufungsgericht hat die Frage, ob der Kläger durch sein Verhalten beim früheren Arbeitgeber den (im Revisionsverfahren einzig noch relevierten) Entlassungsgrund nach § 27 Z 1 3. Fall AngG verwirklicht hat, zutreffend verneint. Es reicht daher insoweit aus, auf die Richtigkeit der Begründung der angefochtenen Entscheidung hinzuweisen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Ergänzend ist den Ausführungen der Revisionswerberin entgegenzuhalten:

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionswerberin ist zunächst darin beizupflichten, dass das vom Kläger als Prokurist seiner früheren Arbeitgeberin gesetzte Verhalten nicht zu bagatellisieren ist. Selbst wenn es fraglich sein könnte, ob die für die Strafbarkeit nach der von der Revisionswerberin ins Treffen geführten Bestimmung des § 33 Abs 2 lit b FinStG erforderliche "Wissentlichkeit" der Abgabenverkürzung vorhanden war, so hat der Kläger, der nach den Feststellungen mit Eventualvorsatz handelte, durch seine Weisung gegenüber der Lohnbuchhalterin zumindest die Gefahr intensiver Nachforschungen der Steuerbehörde gegenüber der früheren Arbeitgeberin bzw. den mit der Abfassung der Stuererklärungen betrauten Mitarbeitern herbeigeführt. Dennoch ist daraus für die beklagte Partei im Ergebnis nichts gewonnen. Die als Vertrauensunwürdigkeit (§ 27 Z 1 3. Fall AngG) gerügte Handlung muss sich nämlich grundsätzlich während aufrechter arbeitsvertraglicher Beziehungen ereignet haben (s. die von der Revisionswerberin zitierte Glosse von Petrovic in DRdA 1986, 211, 212 mw Judikaturzitaten). Früher, speziell im Rahmen eines anderen Arbeitsverhältnisses begangene, dem gegenwärtigen Arbeitgeber erst zu einem späteren Zeitpunkt nach dem Vertragsabschluss bekannt gewordene Verfehlungen des Arbeitnehmers berechtigen hingegen nur dann zur Entlassung, wenn im konkreten Fall Umstände vorliegen, die im Verein mit den zurückliegenden Ereignissen geeignet sind, eine tiefe Vertrauensstörung herbeizuführen. Nicht jedes unkorrekte Verhalten bei einem Vorarbeitgeber kann daher vom gegenwärtigen Arbeitgeber als Entlassungsgrund geltend gemacht werden. Gerade bei strafbaren Handlungen bedarf es eines inneren, sachlichen Zusammenhanges zwischen der gegenwärtigen Tätigkeit und der früheren Verfehlung (Petrovic aaO, mwN). Für das Vorliegen einer solchen Ausnahmesituation reicht aber schon das Vorbringen der beklagten Partei nicht hin, wonach die frühere Arbeitgebergesellschaft des Klägers vor deren mittlerweise erfolgten Veräußerung eine "Tochter" der beklagten AG gewesen sei. Der nur lose Zusammenhalt im Konzern ergibt sich nicht zuletzt aus der eigenen Argumentation der beklagten Partei, welche sich (-hinsichtlich der eingewendeten "Verfristung" der Geltendmachung des Entlassungsgrundes-) das festgestellte Wissen des früheren Geschäftsführers der Vorarbeitgeberin und nunmehr in der Konzernspitze tätigen Managers nicht als eigenes Wissen zurechnen lassen will. Auch die Anrechnung von Vordienstzeiten, welche gerade bei Spitzenkräften ein durchaus übliches Anwerbeargument darstellt, lässt hier die oben dargestellte, weiterreichende Betrachtung der Vertrauenswürdigkeit nicht angezeigt erscheinen.

Zutreffend wurde vom Berufungsgericht auch das für die vereinbarte Abfertigung relevante "Jahresgehalt" unter Einbeziehung der regelmäßig geleisteten Sonderzahlungen bemessen. Gerade die ausdrückliche Bezugnahme auf die gesetzliche Abfertigung, für deren Ermittlung nach der Rechtsprechung (RIS-Justiz RS0028490) regelmäßig gewährte Zahlungen, so insbesonders auch Sonderzahlungen (9 ObA 224/00g) heranzuziehen sind, lässt - mangels einer anderslautenden Parteienabsicht - keine andere Auslegung zu. Die von der Revisionswerberin zitierte Entscheidung 4 Ob 136/84 vermag an dieser Beurteilung nichts zu ändern: Zum einen ging es dort nicht um eine Abfertigungs-, sondern eine Pensionsvereinbarung; zum anderen wurde dort auf die Unklarheitenregelung des § 915 2. Halbsatz ABGB verwiesen, deren Anwendung sich gerade hier, wo die Urkunde (./2) offensichtlich von der Arbeitgeberin stammt, zugunsten des Klägers auswirken würde.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 Abs 1 ZPO.

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