OGH 9ObA140/87

OGH9ObA140/8718.11.1987

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof.Dr. Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith und Dr. Bauer sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Franz Köck und Erika Hantschel als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Anton J***, Kellner, Wien 14., Salesstraße 5-15/5/5, vertreten durch Dr. Joachim Meixner und Dr. Josef Schima, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Fritz K***, Restaurantpächter, Wien 1., Fleischmarkt 11, vertreten durch Dr. Michael Pongracz, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung (Streitwert S 100.000,--), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 10. April 1987, GZ. 34 Ra 1019/87-22, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeitsgerichtes Wien vom 3. April 1986, GZ. 3 Cr 791/84-16 (3 Cga 791/84 des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien), bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird aufgehoben und die Rechtssache zur Ergänzung des Verfahrens und zur neuerlichen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Der seit 1980 beim Beklagten beschäftigt gewesene Kläger erhielt am 30.7.1984 vom Militärkommando Wien, Ergänzungsabteilung, den Einberufungsbefehl vom 24.7.1984 zur Ableistung des Grundwehrdienstes ab 1.10.1984 zugestellt. Am 5.8.1984 sprach der Beklagte die Kündigung des Klägers aus. Am selben Tag, jedoch nach Ausspruch der Kündigung, machte der Kläger dem Beklagten von der Zustellung des Einberufungsbefehls Mitteilung. Am 6.9.1984 übermittelte der Beklagte dem Kläger einen Betrag vom 67.963,11 S. Darin war ein Betrag von 34.895,97 S enthalten, der ihm, wie sich aus der beigeschlossenen Abrechnung für den Kläger ergab, unter dem Titel Abfertigung ausgezahlt wurde. Mit Bescheid des Militärkommandos Wien vom 27.9.1984 wurde der Einberufungsbefehl aufgehoben. Hievon hat der Kläger den Beklagten nicht verständigt; er hat auch nicht versucht, seinen Dienst wieder anzutreten. Der Kläger begehrt die Feststellung, daß sein Dienstverhältnis nach wie vor aufrecht sei.

Der Beklagte beantragte die Abweisung der Klage und brachte vor, daß er die Kündigung noch vor Kenntnis vom Einberufungsbefehl ausgesprochen habe und diese daher wirksam gewesen sei. Der Kläger habe im übrigen nach Ausspruch der Kündigung die Endabrechnung einschließlich der Abfertigung begehrt und die daraus resultierende Summe auch tatsächlich ausbezahlt erhalten. Selbst wenn aber der Kläger nicht wirksam gekündigt worden wäre, sei von einem vorzeitigen Austritt ohne wichtigen Grund auszugehen, weil er nach Widerruf des Einberufungsbefehles seinen Dienst beim Beklagten nicht innerhalb einer Frist von 6 Tagen wieder angetreten habe. Das Erstgericht wies im zweiten Rechtsgang das Begehren des Klägers ab. Dabei ging es davon aus, daß die am 5.8.1984 ausgesprochene Kündigung nicht geeignet gewesen sei, das Dienstverhältnis zu beenden. Der Kläger wäre jedoch analog zu § 15 ArbPlatzSichG verpflichtet gewesen, binnen 6 Tagen nach Aufhebung des Einberufungsbefehles seinen Dienst wieder anzutreten. Da er weder seinen Dienst innerhalb von 6 Tagen angetreten noch den Beklagten von der Aufhebung des Einberufungsbefehles verständigt habe, sei davon auszugehen, daß er ohne wichtigen Grund vorzeitig ausgetreten sei. Darüber hinaus habe der Kläger aus der Abrechnung, die überwiegend Beträge enthalten habe, die als Zahlungen aus Anlaß der Beendigung des Arbeitsverhältnisses gewährt worden seien, erkennen müssen, daß der Beklagte die Beendigung des Arbeitsverhältnisses als endgültig angesehen habe. Für den Fall des Wiederantrittes des Dienstes wäre der Kläger zur teilweisen Rückzahlung dieser Leistungen des Beklagten verpflichtet gewesen. Dadurch, daß er ein derartiges Anbot an den Beklagten nicht gestellt habe, habe er zum Ausdruck gebracht, daß er das Dienstverhältnis nicht weiter fortsetzen wolle.

Das Berufungsgericht gab der vom Kläger gegen dieses Urteil erhobenen Berufung nicht Folge und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 30.000,-- übersteige. Dem Einwand des Klägers, daß ihm im Hinblick auf den vom Beklagten vertretenen Rechtsstandpunkt der Wiederantritt des Dienstes unzumutbar gewesen sei, komme keine Berechtigung zu; er übersehe nämlich, daß er durch Verschweigung des Widerrufes des Einberufungsbefehles und damit des Wegfalles des Kündigungsschutzes auch seinen Dienstgeber daran gehindert habe, nach Wegfall des Kündigungsschutzes eine weitere, diesmal rechtswirksame Kündigung auszusprechen. Der Kläger, der den Bestand des aufrechten Dienstverhältnisses behauptet habe, hätte die auf dem Dienstverhältnis basierenden Verpflichtungen, im konkreten Fall die des § 15 Abs 1 ArbPlatzSichG, erfüllen müssen. Überlegungen, in welcher Weise der Dienstgeber auf diese pflichtgemäße Meldung des Klägers zum Dienstantritt reagiert hätte, vermögen an den Rechtsfolgen des Verstoßes gegen diese Verpflichtung nichts zu ändern. Da er dieser Verpflichtung nicht entsprochen habe, habe das Arbeitsverhältnis gemäß § 15 Abs 1 ArbPlatzSichG mit Ablauf von 6 Tagen ab Aufhebung des Einberufungsbefehles infolge Unterlassung des Wiederantritts des Dienstes geendet. Damit sei sein rechtliches Interesse an der Feststellung des Bestandes des Arbeitsverhältnisses zum Beklagten weggefallen.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Klägers aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung im Sinne des Klagebegehrens abzuändern, allenfalls es dahin abzuändern, daß das Dienstverhältnis bis zum Erhalt des Bescheides vom 27.9.1984 aufrecht bestanden habe oder aber die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Sache zur Ergänzung des Verfahrens und zur neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen.

Die beklagte Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist berechtigt.

Gemäß § 6 Abs 1 ArbPlatzSichG dürfen Dienstnehmer, die zum Präsenzdienst einberufen sind, von dem Zeitpunkt an, in dem der allgemeine Einberufungsbefehl bekanntgemacht oder der besondere Einberufungsbefehl zugestellt wurde, bis zum Ablauf eines Monats nach Beendigung des Präsenzdienstes nicht gekündigt werden. Gemäß Abs 2 dieser Norm hat der Dienstnehmer keinen Anspruch auf Kündigungsschutz, wenn er im Fall eines besonderen Einberufungsbefehles den Dienstgeber nicht spätestens binnen 6 Werktagen nach Zustellung des Einberufungsbefehles hievon in Kenntnis setzt. Der Kündigungsschutz des § 6 ArbPlatzSichG beginnt mit der Zustellung des Einberufungsbefehls unabhängig davon, ob der Dienstgeber hievon Kenntnis hat, sofern er vom Dienstnehmer innerhalb von 6 Tagen ab Zustellung in Kenntnis gesetzt wird. Die in der Revisionsbeantwortung vertretene Meinung, der Kündigungsschutz werde erst mit der Mitteilung von der Zustellung des Einberufungsbefehles an den Dienstgeber wirksam, läßt sich mit der klaren Fassung des § 6 Abs 1 und 2 ArbPlatzSichG nicht vereinbaren. Zutreffend sind die Vorinstanzen daher zum Ergebnis gelangt, daß im Hinblick auf die am selben Tag erfolgte Mitteilung über die Zustellung des Einberufungsbefehles durch den Kläger, die innerhalb der gesetzlichen Frist von 6 Tagen erfolgte, eine Kündigung durch den Beklagten am 5.8.1984 nicht rechtswirksam ausgesprochen werden konnte.

Gemäß § 15 ArbPlatzSichG hat der Dienstnehmer den Dienst beim Dienstgeber innerhalb von 6 Werktagen nach Beendigung des Präsenzdienstes wieder anzutreten. Unterläßt der Dienstnehmer den Dienstantritt in dieser Frist, so gilt das Dienstverhältnis mit Ablauf dieser Frist als durch den Dienstnehmer ohne wichtigen Grund vorzeitig beendet. Diese Bestimmung stellt ihrem Wortlaut nach wohl nur auf Fälle ab, in denen der Präsenzdienst abgeleistet wurde, doch besteht gegen eine analoge Anwendung auf einen Fall, in dem der Präsenzdienst zufolge Widerrufs des Einberufungsbefehles tatsächlich nicht abgeleistet wurde und der in einem aufrechten Dienstverhältnis stehende Dienstnehmer zu diesem Zeitpunkt tatsächlich den Dienst nicht versieht, keine Bedenken. Der Kläger wäre daher verpflichtet gewesen, innerhalb von 6 Tagen ab dem Zeitpunkt der Zustellung des Widerrufes des Einberufungsbefehles - die 6tägige Frist kann nicht von dem Zeitpunkt an gerechnet werden, mit dem der Widerruf datiert ist, sondern nur vom Zeitpunkt der Kenntnis des Betroffenen, sohin vom Zeitpunkt der Zustellung an ihn - seinen Dienst wieder anzutreten. Die Auffassung des Klägers, daß es ihm im Hinblick auf den Prozeßstandpunkt des Beklagten nicht zumutbar gewesen sei, den Versuch zum Dienstantritt zu unternehmen, ist verfehlt. Er wäre vielmehr im Hinblick auf den nachträglichen Wegfall des Kündigungsschutzes (ebenso wie im Falle des § 15 Abs 1 ArbPlatzSichG) verpflichtet gewesen, die Arbeit wieder anzutreten. Nur wenn er diesen Versuch unternommen, der Beklagte jedoch seine weitere Tätigkeit abgelehnt hätte, hätte er den Erfordernissen des analog anzuwendenden § 15 ArbPlatzSichG entsprochen. Da der Kläger dies jedoch unterließ und den Beklagten auch vom Widerruf des Einberufungsbefehles nicht verständigte, gilt mit Ablauf von 6 Tagen ab Zustellung des Einberufungsbefehls das Dienstverhältnis als durch den Kläger ohne wichtigen Grund vorzeitig beendet. Dem Ergebnis des angefochtenen Urteils ist daher insoweit beizutreten.

Dies berechtigt jedoch nicht zur gänzlichen Klageabweisung. Der Beklagte vertritt den Standpunkt, daß das Dienstverhältnis mit dem Kläger durch die Kündigung vom 5.8.1984 offenbar zum 19.8.1984 beendet worden sei. Tatsächlich hat aber infolge Rechtsunwirksamkeit der Kündigung das Arbeitsverhältnis über diesen Zeitpunkt hinaus bis zum Ablauf von 6 Tagen ab Zustellung des Widerrufes des Einberufungsbefehles fortbestanden. Ergibt sich, daß ein Dienstverhältnis wohl im Zeitpunkt des Schlusses der Verhandlung erster Instanz nicht mehr bestand, jedoch über den vom Prozeßgegner behaupteten Zeitpunkt hinaus fortdauerte und während des Prozesses endete, so ist die Feststellung dieser in der Vergangenheit liegenden Dauer des Dienstverhältnisses gegenüber dem Begehren, den weiterhin aufrechten Bestand festzustellen, ein minus, das in dem weiter gefaßten Begehren Deckung findet. Der Kläger hat auch, wenn sein Dienstverhältnis in der Vergangenheit endete, ein rechtliches Interesse an der Feststellung der tatsächlichen Dauer des Dienstverhältnisses. Abgesehen davon, daß sich hieraus finanzielle Forderungen gegenüber dem Dienstgeber ableiten könnten, ist dieses Ergebnis für sozialversicherungsrechtliche Fragen (insbesonders Erwerb von Pflichtversicherungszeiten in der Pensionsversicherung) von wesentlicher Bedeutung. Da der Zeitpunkt, zu dem der Widerruf des Einberufungsbefehles zugestellt wurde, nicht feststeht, ist die Sache nicht spruchreif. Das Berufungsgericht wird die Tatsachengrundlage entsprechend zu ergänzen und über das Begehren des Klägers neuerlich zu entscheiden haben.

Der Kostenvorbehalt stützt sich auf § 52 ZPO.

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