Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben und das angefochtene Urteil dahin abgeändert, daß das Urteil des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 20 an Barauslagen bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens sowie die mit S 4.587,-- bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 514,50 USt und S 1.500 Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger hat am 1.10.1986 seine Lehre bei der beklagten Partei begonnen. Er war der jüngste Lehrling und wurde als solcher auch für diverse Botengänge verwendet. Am Beginn seiner Tätigkeit bei der beklagten Partei erklärte der Geschäftsführer der beklagten Partei dem Kläger, daß er ein im Betrieb der beklagten Partei vorhandenes Fahrrad für diverse Botengänge benützen soll. Am 25.2.1987 erhielt der Kläger den Auftrag, in einem vom Betrieb der beklagten Partei ca 1 km entfernten Geschäft Zündkerzen zu besorgen. Er unternahm die Fahrt mit dem Fahrrad. Bei der Rückfahrt bog er, ohne auf den nachkommenden und bereits überholenden PKW des Anton G*** zu achten, nach links ab. Es kam zur Kollision, bei der der Kläger schwere Verletzungen erlitt. Durch den Anstoß entstand am PKW des Anton G*** ein Schaden von S 38.007,20. Den Kläger trifft am Verkehrsunfall das alleinige Verschulden. Ein Strafverfahren gegen Anton G*** wurde gemäß § 90 StPO eingestellt. Anton G*** erhob gegen den Kläger Klage auf Ersatz des am PKW eingetretenen Schadens. Am 24.9.1987 erging zu 16 Cg 231/87 des Landesgerichtes für ZRS Graz ein Versäumungsurteil, mit welchem der Kläger zur Zahlung von S 38.007,20 sA an Anton G*** verurteilt wurde. Inklusive Zinsen und Kosten zahlte der Kläger an Anton G*** am 5.1.1988 den Betrag von S 43.743,90. Die beklagte Partei hat eine Betriebshaftpflichtversicherung nicht abgeschlossen. Der Kläger begehrte die Zahlung eines Betrages von S 43.743,90 sA. Die beklagte Partei hafte für den vom Kläger an Anton G*** gezahlten Betrag verschuldensunabhängig aufgrund der Bestimmung des § 1014 ABGB sowie auch aufgrund der Bestimmungen des Dienstnehmerhaftpflichtgesetzes. Im übrigen habe die beklagte Partei die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers grob verletzt, weil sie es unterlassen habe, eine Versicherung, wie etwa eine Betriebshaftpflichtversicherung, abzuschließen, die bei derartigen Vorfällen den Arbeitnehmer risikofrei und schadlos halte. Sollte die beklagte Partei dennoch eine solche Versicherung abgeschlossen haben, so habe sie durch die Unterlassung der Schadensmeldung dem Kläger in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise absichtlich Schaden zugefügt.
Die beklagte Partei beantragte die Abweisung der Klage und wendete ein, zwischen der beklagten Partei und dem Geschädigten Anton G*** habe keinerlei Schuldverhältnis bestanden, weshalb eine Haftung gemäß § 1313 a ABGB nicht in Betracht komme. Im übrigen liege auch keine habituelle Untüchtigkeit des Klägers vor, sodaß auch keine Gehilfenhaftung gemäß § 1315 ABGB zum Tragen komme. Die Bestimmungen der §§ 1014 und 1015 ABGB kämen schon deshalb nicht zur Anwendung, da es sich nicht um eine unentgeltliche Geschäftsbesorgung gehandelt habe.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren mit einem Betrag von S 29.162,60 sA statt und wies das Mehrbegehren ab. Die Benützung des Fahrrades durch den Kläger sei dem Betätigungsbereich der beklagten Partei zuzurechnen. Ohne die Tätigkeit des Klägers hätte die beklagte Partei die Besorgung selbst vornehmen und das verbundene Unfallrisiko selbst tragen müssen. Die Benützung eines Fahrrades sei als gefahrengeneigte Tätigkeit anzusehen. Da der Kläger auch in Erfüllung eines Auftrages der beklagten Partei tätig gewesen sei, bestehe grundsätzlich eine Ersatzpflicht, wobei der Umstand, daß sich der Schaden nicht direkt im Vermögen des Klägers ereignet habe, nichts ändere. Im Sinn des § 2 Abs 1 DHG hafte die beklagte Partei für 2/3 des Schadens; dem Kläger könne nur leichte Fahrlässigkeit angelastet werden.
Das Berufungsgericht änderte dieses Urteil über Berufung der beklagten Partei im Sinne einer gänzlichen Klageabweisung ab. Die Judikatur habe wohl ausgehend von der Bestimmung des § 1014 ABGB eine Ersatzpflicht des Arbeitgebers für mit der konkreten Arbeitsleistung typischerweise verbundene "arbeitsadäquate" Sachschäden, welche das spezifische Risiko der Tätigkeit des Arbeitnehmers verwirklichten, bejaht, nicht aber die Ersatzpflicht für andere Nachteile, die der Arbeitnehmer nur zufällig ("gelegentlich" seiner Arbeitsleistung) erlitten habe. In allen diesen Fällen habe aber der Arbeitnehmer eigene Vermögenswerte im Interesse des Arbeitgebers eingesetzt; es sei dadurch zu einer Risikoüberwälzung vom Arbeitgeber auf den Arbeitnehmer gekommen. Ein solcher Fall liege hier jedoch nicht vor. Der Kläger habe von der beklagten Partei den Auftrag zu einer Besorgung erhalten, hiefür ein Dienstfahrrad zur Verfügung gestellt bekommen und sei daher gleich zu behandeln, wie wenn er vom Arbeitgeber einen PKW zur Verfügung gestellt erhalten hätte. Auch in einem solchen Fall hafte der Arbeitgeber nicht für Unfallschäden, die vom Arbeitnehmer verursacht worden seien; er sei im Gegenteil sogar berechtigt, im Regreßweg gegen den Dienstnehmer vorzugehen, wenn etwa der verursachte Schaden die Haftpflichtsumme übersteigen sollte. Auch die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers begründe keinen Ersatzanspruch des Klägers. Es handle sich dabei um die Pflicht des Arbeitgebers, den Arbeitnehmer von der Tragung besonderer betriebsspezifischer Gefahren freizustellen. Der Kläger sei jedoch zum Unfallzeitpunkt nahezu 16 Jahre alt gewesen. Der Auftrag, eine Besorgung mit einem Fahrrad zu erledigen, sei keine außergewöhnliche Belastung, sondern gehöre zu den üblichen Tätigkeiten eines Lehrlings. Der Kläger sei dadurch nicht einer besonderen spezifischen Gefahr ausgesetzt worden, gehöre doch die Teilnahme am Straßenverkehr heute zu den üblichen Notwendigkeiten des täglichen Lebens. Für schadensgeneigte betriebliche Tätigkeiten fänden sich als Ausfluß der Fürsorgepflicht Bestimmungen zur Minderung der Haftpflicht des Arbeitnehmers im Dienstnehmerhaftpflichtgesetz. Aber auch hier werde dem Arbeitnehmer gegenüber dem Arbeitgeber nur dann ein Vergütungsanspruch gewährt, wenn er von dem geschädigten Dritten in Anspruch genommen werde und der Dienstgeber dem geschädigten Dritten gegenüber ersatzpflichtig wäre. Die Weiterführung der vom Erstgericht vertretenen Rechtsansicht würde bedeuten, daß der Arbeitgeber auch für Schäden hafte, die der Arbeitnehmer, der mit einem Auftrag über die Straße geschickt werde, um etwa bei einer dort befindlichen Bank Geld zu wechseln, verursache. Damit käme man aber zu einer sachlich nicht mehr zu rechtfertigenden Ausuferung der Dienstgeberhaftung. Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der klagenden Partei aus den Revisionsgründen der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung im Sinn einer Wiederherstellung des Ersturteiles abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die beklagte Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist berechtigt.
In der Mängelrüge wird lediglich das Fehlen von Feststellungen zur Frage des Vorliegens der Voraussetzungen für eine Haftung des Beklagten gegenüber Anton G*** aus dem Grund des § 1315 ABGB geltend gemacht. Dieser Frage kommt aber keine entscheidende Bedeutung zu. Selbst wenn man zum Ergebnis käme, daß die Voraussetzungen des § 1315 ABGB nicht erfüllt seien und damit § 3 DHG als Grundlage für den erhobenen Anspruch ausscheide, ist die Sache im Sinn des Revisionsantrages spruchreif.
Der Oberste Gerichtshof hat zum Problem der Risikohaftung bei einer Tätigkeit in fremdem Interesse bereits grundlegend Stellung
genommen (Arb 10.268 = DRdA 1984/1 = ZAS 1985, 14 = RdW 1984, 52 =
JBl 1984, 391 = EvBl 1983/154 = SZ 56/86; ZAS 1988, 174; für den Fall der Schadensverlagerung JBl 1986, 468 = RdW 1986, 152). Die Entscheidung des OGH fand in der Lehre weitgehende Zustimmung (etwa Klein, DRdA 1983, 357; Jabornegg, DRdA 1984, 37 ff; Hanreich, JBl 1984, 361 ff; Schrank, ZAS 1985, 8 ff; Bydlinski, Die Risikohaftung des Arbeitgebers, 56 ff, 80 ff, diesbezüglich auch Kerschner, ZAS 1988, 177). Demnach läßt das in § 1014 ABGB zum Ausdruck kommende allgemeine Prinzip der "Risikohaftung bei Tätigkeit in fremdem Interesse" eine analoge Anwendung dieser Bestimmung auf Arbeitsverträge als sachgerecht erscheinen. Auch wenn § 1151 Abs 2 ABGB seine Verweisung nur auf Geschäftsbesorgungen beschränkte, wäre es nicht gerechtfertigt, in der Haftungsfrage zwischen Geschäftsbesorgung und bloß faktischer Tätigkeit im fremden Interesse zu unterscheiden (Jabornegg, DRdA 37; Bydlinski aaO 40). Der "Auftrag" entspricht insoweit dem Arbeitsverhältnis (Bydlinski aaO 79). Die Bestimmung des § 1014 ABGB verpflichtet den Gewalthaber zum Schadenersatz, soweit es um die typischen Gefahren des aufgetragenen Geschäftes - also um eine Art "Betriebsgefahr" - geht (Koziol-Welser8 I, 338); er umfaßt nur den "ex causa mandati", nicht aber auch den "ex occasione mandati" entstandenen Schaden (Stanzl in Klang2 IV/1 849; Strasser in Rummel ABGB I, §§ 1014, 1015, Rz 10). Die gleiche Einschränkung muß auch bei einer analogen Anwendung des § 1014 ABGB auf die Haftung des Arbeitgebers gemacht werden. Auch er hat also dem Arbeitnehmer aus diesem Rechtsgrund nur die mit der konkreten Arbeitsleistung typischerweise verbundenen, also "arbeitsadäquaten" Sachschäden zu ersetzen, die das spezifische Risiko der Tätigkeit des Arbeitnehmers verwirklichen, nicht aber auch andere Nachteile, die der Arbeitnehmer nur zufällig ("gelegentlich" seiner Arbeitsverrichtung) erleidet (Kramer, Arbeitsvertragliche Verbindlichkeiten 77 = Vermögensrechtliche Aspekte 127). Die Ersatzpflicht des Arbeitgebers ist nur bei Vorsatz des Arbeitnehmers ausgeschlossen, während bei Schuldlosigkeit des Arbeitnehmers (oder bei einer ihm unterlaufenen entschuldbaren Fehlleistung) der Arbeitgeber vollen Schadenersatz zu leisten hat; fällt hingegen dem Arbeitnehmer ein Versehen, also nur Fahrlässigkeit zur Last, dann ist der Umfang allfälliger Ersatzansprüche des Arbeitnehmers nach den im § 2 Abs 1 DHG angeführten Kriterien zu beurteilen (Arb 10.268).
Der Schadensfall ereignete sich hier anläßlich einer Besorgungsfahrt, die dem Kläger aufgetragen worden war. In dem Unfall verwirklichte sich eine typische Gefahr der aufgetragenen Tätigkeit - dazu gehört auch die Fahrt mit dem Fahrrad -, sodaß die Voraussetzungen für die verschuldensunabhängige Haftung der beklagten Partei für den "arbeitsadäquaten" Sachschaden erfüllt sind. Daß der Schaden nicht unmittelbar im Vermögen des Klägers eingetreten ist, vermag die Haftung der beklagten Partei nicht zu berühren, zumal feststeht, daß der Kläger dem Geschädigten Ersatz geleistet hat, sodaß sich der Schaden wirtschaftlich gesehen in seinem Vermögen ereignet hat. Es liegt ein Fall der sogenannten Schadensverlagerung vor; der Kläger ist nicht bloß mittelbar, sondern unmittelbar Geschädigter (Arb 10.495).
Dieselben Grundsätze haben auch Anwendung zu finden, wenn ein Dienstnehmer mit einem Kfz des Dienstgebers einen Schaden verschuldet, der die Haftpflichtsumme übersteigt. Wenn es sich dabei um einen mit der konkreten Arbeitsleistung typischerweise verbundenen, also "arbeitsadäquaten" Sachschaden handelt, welcher das spezifische Risiko der Tätigkeit des Arbeitnehmers verwirklicht, ist auch hier im Rahmen der Kriterien des § 2 DHG eine Ersatzpflicht des Arbeitgebers zu bejahen. Den diesbezüglichen Ausführungen des Berufungsgerichtes ist daher schon aus diesem Grund der Boden entzogen. Dem im positiven Recht keine Deckung findenden Argument des Berufungsgerichtes, daß eine Bejahung der Haftung in Fällen wie dem vorliegenden zu einer Ausuferung der Haftung des Arbeitgebers führen würde, ist entgegenzuhalten, daß der Arbeitgeber durch Abschluß einer Betriebshaftpflichtversicherung das wirtschaftliche Risiko weitgehend ausschließen kann.
Wohl hat der Kläger durch einen folgenschweren Verstoß gegen die Straßenverkehrsvorschriften den Unfall allein verschuldet, doch fällt ihm nur ein minderer Grad des Versehens zur Last. Eine Minderung der Ersatzpflicht der beklagten Partei über das vom Erstgericht angenommene Ausmaß hinaus ist nicht gerechtfertigt. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.
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